Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Landabgaberente

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung von Landabgaberente setzt nicht voraus, daß der Antragsteller sein landwirtschaftliches Unternehmen unmittelbar bis zum Zeitpunkt der Abgabe bewirtschaftet hat.

 

Orientierungssatz

Auslegung der Worte "landwirtschaftlicher Unternehmer" in GAL § 41 Abs 1.

 

Normenkette

GAL § 41 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1970-12-21

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Oktober 1972 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der im Jahre 1906 geborene Kläger, der von 1945 bis zum 31. Dezember 1969 landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) gewesen ist, verpachtete durch Vertrag vom 2. Dezember 1969 sein landwirtschaftliches Unternehmen für die Zeit vom 1. Januar 1970 bis zum 31. Dezember 2000 an seinen Sohn Bernhard. Daraufhin gewährte ihm die Beklagte auf seinen Antrag ab 1. Januar 1970 vorzeitiges Altersgeld. Der Pachtvertrag mit dem Sohn wurde im beiderseitigen Einvernehmen durch Vertrag vom 1. Oktober 1971 aufgehoben. Durch einen weiteren Vertrag gleichfalls vom 1. Oktober 1971 verpachtete der Kläger die landwirtschaftliche Nutzfläche von 5 ha bis zum 30. September 1983 an den hauptberuflichen Landwirt H. Sch, dem am 26. Oktober 1971 für die Pachtdauer das Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Am 29. Oktober 1971 beantragte der Kläger die Gewährung von Landabgaberente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 1971 ab, weil der Kläger nach Auflösung des mit seinem Sohn geschlossenen Pachtvertrages nicht wieder landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sei und somit eine strukturverbessernde Abgabe nicht vorliege.

Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) dagegen hob das Urteil des Sozialgerichts (SG) auf und wies die Klage ab, weil der Kläger bei der Verpachtung am 1. Oktober 1971 nicht landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sei; er habe schon durch die Abgabe an seinen Sohn ab 1. Januar 1970 seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben; ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer seien aber durch § 41 GAL nicht erfaßt.

Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Er rügt eine Verletzung des § 41 GAL. Für die strukturverbessernde Abgabe am 1. Oktober 1971 genüge es, wenn er für eine "juristische Sekunde" landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen sei; anderenfalls hätte eine wirksame Verpachtung an den Landwirt Sch gar nicht erfolgen können.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Der geltend gemachte Rentenanspruch beurteilt sich nach den §§ 41, 42 GAL; dabei ist hier von der Rechtslage während der Geltung des am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes vom 21. Dezember 1970 (GAL 1971) auszugehen. Nach diesen Vorschriften ist die Gewährung von Landabgaberente u. a. davon abhängig, daß ein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL sein Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat (§ 41 Abs. 1 Buchst. c GAL 1971). Allein hierum geht der Streit.

Nach der Ansicht des LSG scheitert der Rentenanspruch daran, daß der Kläger im Zeitpunkt der erneuten Verpachtung seines landwirtschaftlichen Unternehmens am 1. Oktober 1971 nicht mehr landwirtschaftlicher Unternehmen gewesen sei, denn diese Eigenschaft habe er schon mit Wirkung vom 1. Januar 1970 durch die Verpachtung des Unternehmens an seinen Sohn verloren. Das LSG geht dabei davon aus, daß im Gesetz deutlich unterschieden werde zwischen Ansprüchen "landwirtschaftlicher Unternehmer" und "ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer"; der Kläger werde als "ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer" von § 41 GAL nicht erfaßt. Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen; er ist ihr schon in seinem Urteil vom 19. Dezember 1973 - 11 RLw 6/73 - entgegengetreten.

In dem einleitenden Satz des § 41 Abs. 1 GAL ist zwar von einem "landwirtschaftlichen Unternehmer" und nicht wie in § 1 Abs. 1 GAL von einem "ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer" die Rede. Daraus lassen sich aber nicht Folgerungen herleiten, wie sie das LSG für richtig hält. § 41 GAL bestimmt die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Landabgaberente; er entspricht also nicht dem § 1, sondern dem § 2 GAL, der festlegt, wer Anspruch auf Altersgeld hat. Auch dort wird aber ebenso wie in § 41 GAL lediglich von einem "landwirtschaftlichen Unternehmer" gesprochen. Im übrigen besteht zwischen einem "landwirtschaftlichen Unternehmer" und einem "ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer" in allen einschlägigen Vorschriften ohnehin kein Unterschied; denn die Gewährung von Landabgaberente setzt ebenso wie die Gewährung des Altersgeldes stets die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne des § 2 GAL voraus; ein landwirtschaftlicher Unternehmer, der sein Unternehmen abgegeben hat, ist aber stets ein "ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer".

Daß die Ansicht des LSG nicht richtig sein kann, ergibt sich im übrigen auch daraus, daß die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 1 GAL schon beim Unterschreiten der Existenzgrundlage verloren geht, während das Unternehmen erst abgegeben ist - vgl. § 2 Abs. 7 GAL -, wenn nicht mehr als ein Viertel der Existenzgrundlage zurückbehalten wird.

Es kommt somit entscheidend darauf an, ob die erneute Verpachtung des landwirtschaftlichen Unternehmens am 1. Oktober 1971 an den Landwirt Sch als Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung anzusehen ist. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob das landwirtschaftliche Unternehmen überhaupt "abgegeben" worden ist; erst dann ist zu klären, ob das zum Zwecke der Strukturverbesserung geschehen ist. Was unter Abgabe zu verstehen ist, erläutern die Absätze 3, 4, 6 und 7 des § 2 GAL, die im Landabgaberecht entsprechende Anwendung finden (§ 41 Abs. 2 GAL), soweit es nicht besondere Regelungen enthält oder sich eine der Einzelvorschriften des § 2 mit Wesen oder Grundsätzen der Landabgaberente nicht verträgt (vgl. Urteil vom 17. Januar 1973 - 11 RLw 8/72 - SozR Nr. 1 zu § 41 GAL 1965).

Nach § 2 GAL ist die Verpachtung vom Oktober 1971 eine wirksame Abgabe gewesen. Sie erfüllte die Voraussetzungen des außer der Übergabe des Unternehmens in Betracht kommenden "sonstigen Verlustes der Unternehmereigenschaft". Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger, weil er das Land seit 1970 nicht mehr bewirtschaftet hat, vor dieser Abgabe kein landwirtschaftlicher Unternehmer mehr gewesen war. Eine enge Auslegung, die eine stetige Unternehmereigenschaft bis zum Abgabevorgang fordert, würde zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn zB. Land längere Zeit brach lag oder wenn Pachtverträge - wie nicht selten - aufeinander folgen, von denen die ersten nicht die für eine Abgabe erforderliche Pachtzeit bzw. Pachtbedingungen aufweisen. Hier wäre es sinnwidrig, vor der "Abgabe" erst wieder die Bewirtschaftung, vielleicht gar für nur ganz kurze Zeit (juristische Sekunde?) zu verlangen. Auch aus den bisherigen Entscheidungen des Senats, in denen grundsätzlich ein möglichst endgültiger Verlust der Unternehmereigenschaft gefordert worden ist, kann nichts Gegenteiliges entnommen werden; die Ausführungen in diesem Zusammenhang besagten nur, daß dem Abgebenden die Wiedererlangung der Unternehmereigenschaft möglichst endgültig verschlossen sein muß. Das aber war hier während der für die Pachtdauer vorgeschriebenen Zeit (§ 41 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 3 GAL 1971) gewährleistet.

Ebensowenig fordern die Sonderbestimmungen der §§ 41 ff GAL über die strukturverbessernde Abgabe die Unternehmereigenschaft unmittelbar bis zum Abgabevorgang. Die einzige Einschränkung, die hier gemacht wird, enthält § 41 Abs. 1 Buchst. d GAL 1971, wonach derjenige, der Landabgaberente begehrt, während der fünf Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sein muß. Diese Bestimmung setzt voraus, daß es Fälle gibt, in denen ein Antragsteller sein landwirtschaftliches Unternehmen im Zeitpunkt der Abgabe nicht mehr bewirtschaftet hat. So aber ist es beim Kläger, der jedoch andererseits die verlangte Voraussetzung des überwiegenden hauptberuflichen Bewirtschaftens während der letzten fünf Jahre vor der Abgabe auch ... nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Nur wenn die Verpachtung des landwirtschaftlichen Unternehmens an seinen Sohn länger als zwei Jahre und sechs Monate gedauert hätte, läge die Voraussetzung des § 41 Abs. 1 Buchst. d GAL nicht vor. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise mit gutem Grund eine "Bremse" eingebaut, die eine unbeschränkte Geltendmachung von Ansprüchen auf Landabgaberente unmöglich macht. Diese Beschränkung genügt aber andererseits auch, um den Zusammenhang zwischen Betriebsaufgabe und Strukturverbesserung zu wahren.

Die seinerzeit erfolgte Verpachtung des landwirtschaftlichen Unternehmens an den Sohn war nicht als strukturverbessernde Abgabe anzusehen. Dieses Ziel war für den Kläger erst erreichbar durch die Aufhebung dieses Pachtvertrages und erneute Verpachtung an den Landwirt Sch. Eine derartige Korrektur des Abgabevorgangs darf dem Abgebenden nicht verschlossen sein.

Durch den am 1. Oktober 1971 mit Sch abgeschlossenen Pachtvertrag ist somit das landwirtschaftliche Unternehmen des Klägers wirksam abgegeben worden. Nach den Feststellungen des LSG sind ferner die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Buchst. a, b, d und e GAL erfüllt. Nicht geklärt ist jedoch, ob alle weiteren für eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, nämlich die des § 42 GAL 1971. Das LSG hat sie - von seiner Rechtsauffassung her zu Recht - nicht geprüft. Da das Revisionsgericht selbst die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht treffen kann, ist ihm eine abschließende Entscheidung verwehrt. Somit muß der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die im Revisionsverfahren entstehenden Kosten zu entscheiden hat. Hinsichtlich des erst nachträglich im Laufe des Oktober 1971 dem Pächter Sch eingeräumten Vorkaufsrechts wird das LSG die Urteile des Senats vom 5. Juli 1973 - 11 RLw 21/72 - und vom 19. Dezember 1973 - 11 RLw 6/73 - zu beachten haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646990

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