Leitsatz (amtlich)
Auswahl und Bestimmung der kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugten und als Prozeßbevollmächtigte vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Personen aus dem Kreis ihrer Mitglieder und Angestellten obliegen nach SGG § 166 Abs 2 S 1 den dort bezeichneten Organisationen in eigener Verantwortung.
Leitsatz (redaktionell)
Bei Prüfung der Frage, ob ein Arbeitsloser eine ihm vom Arbeitsamt angebotene Arbeit begründeterweise abgelehnt, ist auch die Dauer der bereits bestehenden Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen mit der Maßgabe, daß bei längerer Zeit bestehender Arbeitslosigkeit ein strengerer Maßstab anzulegen ist.
Normenkette
SGG § 166 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03; AVAVG § 90 Abs. 1-2
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1956 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Der 1907 geborene Kläger ist seiner Ausbildung nach evangelischer Pfarrer und wirkte als solcher in Ostpreußen bis zu seinem Eintritt in den Wehrdienst (1938). Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (1948) war er nicht mehr im geistlichen Beruf tätig. Vor seiner Arbeitslosmeldung wurde er zuletzt vom städtischen Fürsorgeamt K vom 1. August 1951 bis zum 31. Januar 1953 als Fürsorgearbeiter (Fürsorgehelfer) beschäftigt.
Der Kläger meldete sich am 31. Januar 1953 arbeitslos und bezog danach vom 9. Februar 1953 an laufend Arbeitslosenunterstützung (Alu), anschließend laufend Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu).
Am 8. November 1954 wurde der Kläger vom Amtsarzt des Arbeitsamts K untersucht. Dieser stellte Arbeitsfähigkeit fest. Nach dem körperlichen Befund erachtete er wegen Muskelrheumas eine Vermittlung in Arbeitsstellen, die ungünstiger Witterung ausgesetzt sind, für nicht zumutbar, beurteilte den Kläger aber als geeignet für mittelschwere Tätigkeit in geschlossenen trockenen Räumen und ohne ganztägiges Stehen.
II. Vom Arbeitsamt wurde dem Kläger am 6. Mai 1955 Arbeit als Hilfsarbeiter bei der Firma H. in K angeboten. Er trat sie nicht an und erklärte, nachdem er über die Rechtsfolgen einer unberechtigten Arbeitsverweigerung belehrt worden war, am 10. Mai 1955 zur Niederschrift der Vermittlungsstelle des Arbeitsamts, daß er diese Arbeit ablehne, weil er sich z. Zt. einer Rheuma-Behandlung infolge Kriegsbeschädigung unterziehe (Bäder-Behandlung). Daraufhin wurde eine weitere arbeitsamtsärztliche Untersuchung angeordnet. Der Arbeitsamtsarzt stellte, als er den Kläger am 18. Mai 1955 erneut untersucht hatte, in seiner Beurteilung fest, daß die z. Zt. zu Hause durchgeführte Badekur eine Arbeitsvermittlung durchaus zulasse. Die angebotene Arbeit sei mindestens versuchsweise zumutbar. Das positive Leistungsbild des Gutachtens vom 8. November 1954 werde voll aufrechterhalten. Auch der den Kläger jahrelang behandelnde Arzt vertrete die Ansicht, daß eine körperliche Betätigung durchaus zumutbar, sogar heilsam sei.
Der Kläger machte außer seinen gesundheitlichen Bedenken später noch geltend, daß der Einsatz in körperliche Arbeit geeignet sei, ihn aus der Vermittlung als Angestellter auszuschalten und seine Rückkehr in den geistlichen Beruf zu gefährden.
Das Arbeitsamt sperrte dem Kläger durch Verfügung vom 20. Mai 1955 die Alfu auf die Dauer von vier Wochen mit der Begründung, daß er die ihm angebotene Arbeitsstelle bei der Firma H. ohne wichtigen oder berechtigten Grund abgelehnt habe. Sein Widerspruch hiergegen wurde durch Bescheid der Widerspruchsstelle beim Arbeitsamt K vom 27. Mai 1955 als unbegründet zurückgewiesen.
III. Die vor dem Sozialgericht Konstanz erhobene Klage wurde durch Urteil vom 7. Dezember 1955 abgewiesen, weil der Kläger die ihm angebotene Arbeit unberechtigt abgelehnt habe. Nach den Urteilsgründen war das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß es ihm nach 2 1 / 2 jähriger Arbeitslosigkeit durchaus zuzumuten gewesen wäre, wenigstens versuchsweise eine Arbeit bei der Firma H. aufzunehmen. Das Sozialgericht erklärte sein Urteil gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als endgültig, sofern nicht ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt würde.
IV. Der Kläger legte Berufung ein und machte u. a. geltend, das Sozialgericht sei ohne genügende Sachaufklärung zu Unrecht davon ausgegangen, daß er die Arbeit abgelehnt habe.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg verwarf durch Urteil vom 26. Oktober 1956 die Berufung als unzulässig. Sie sei nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht statthaft, weil das Begehren des Klägers, die Sperrfrist von vier Wochen aufzuheben und die Beklagte zur Nachzahlung der Alfu für diese Zeit zu verurteilen, einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von nicht mehr als dreizehn Wochen zum Gegenstand habe. Der Sachverhalt sei vom Sozialgericht erschöpfend aufgeklärt und zutreffend gewürdigt worden. Der Vorderrichter habe ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften festgestellt, daß ein berechtigter Grund für die Ablehnung der angebotenen Arbeit nicht vorgelegen habe. Wenn das Sozialgericht bei der Frage, ob dem Kläger die angebotene Arbeit seinem körperlichen Zustand nach zugemutet werden konnte, dem Gutachten des Arbeitsamtsarztes gefolgt sei, so habe es von dem ihm zustehenden Recht der freien Beweiswürdigung in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Auch sonstige Verfahrensmängel lägen nicht vor.
Die Revision ist im Urteil des Landessozialgerichts nicht zugelassen worden.
V. Der Kläger legte gegen das ihm gemäß § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 3. Juli 1952 (BGBl. I S. 379) am 16. November 1956 zugestellte Urteil durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Kreisausschuß K, Rechtsstelle R, mit Schreiben vom 12. Dezember 1956, beim Bundessozialgericht eingegangen am 13. Dezember, Revision ein und beantragte,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 1956, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Dezember 1955 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Mai 1955 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 16. Mai 1955 an für 24 Wochentage zu gewähren.
Dieses Schreiben war vom Leiter der Rechtsstelle R des DGB, A P., unterzeichnet, dem der Kläger am 12. Dezember 1956 Vollmacht zu seiner Vertretung vor dem Bundessozialgericht erteilt hatte. Auf Rückfrage des Senats vom 14. Dezember 1956, ob Rechtsstellenleiter P. zur Prozeßvertretung gemäß § 166 Abs. 2 SGG befugt sei, erwiderte dieser mit Schreiben vom 19. Dezember 1956, daß der Landesbezirksvorstand des DGB ihm durch Ausweis vom 31. Januar 1956 das Recht erteilt habe, in allen Arbeits- und Sozialrechtsfragen tätig zu werden, und daß dies nach seiner Auffassung auch die Befugnis zur Prozeßvertretung beim Bundessozialgericht umfasse.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1956, eingegangen beim Bundessozialgericht am 24. Dezember, zeigt die Bundesrechtsstelle des DGB in Kassel an, daß sie die Vertretung des Klägers übernommen habe. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 1957, eingegangen am 7. Januar, wurde die Revision seitens der Bundesrechtsstelle des DGB begründet. Die Einlegung der Revision durch den Rechtsstellenleiter P. sei form- und fristgerecht erfolgt, da dieser durch Neufassung der Satzung des DGB im Oktober 1956 berechtigt sei, vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufzutreten. Als Verfahrensmangel wurde gerügt, daß das Landessozialgericht ein Sachurteil statt eines Prozeßurteils hätte fällen müssen. Ferner habe das Berufungsgericht die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensverstöße des Sozialgerichts nicht zutreffend gewürdigt. Beigefügt war der Revisionsbegründungsschrift eine von Rechtsstellenleiter P. unterschriebene Vollmacht, die auf die Angestellten K D. und E D. der DGB-Bundesrechtsstelle in K lautet.
Die Beklagte beantragte,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.
Sie hält die Revision für statthaft, da das Landessozialgericht ein Sachurteil hätte erlassen müssen. Jedoch sei die Revision sachlich nicht begründet.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
VI. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurden vom Kläger die Anträge gestellt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Dezember 1955 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1955 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Dauer von 24 Wochentagen Arbeitslosenfürsorgeunterstützung zu zahlen, hilfsweise - unter Aufhebung der vorausgegangenen Entscheidungen - die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger nach Maßgabe der Entscheidungsgründe einen neuen Bescheid zu erteilen, hilfsweise - unter Aufhebung der vorausgegangenen Entscheidungen - die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Vordergericht zurückzuverweisen.
Der Kläger ergänzte sein Revisionsvorbringen dahin, daß die Vorinstanzen und die Beklagte nicht geprüft hätten, ob die Sperrfrist nicht gemäß § 93 a des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) im vorliegenden Falle auf zwei Wochen herabzusetzen war. Diese Prüfung sei nicht nur ein Recht, sondern Pflicht der Gerichte. Für eine Herabsetzung zugunsten des Klägers sprächen u. a. seine Eigenschaft als Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigter sowie die Dauer seiner Kriegsgefangenschaft.
Die Beklagte trat diesen Ausführungen der Revision mit der Erklärung entgegen, daß sämtliche für den Kläger sprechenden Umstände erwogen und berücksichtigt worden seien; demzufolge sei auch eine Verlängerung der Sperrfrist über vier Wochen hinaus unterblieben.
VII. Die Revision ist statthaft.
Wie der Kläger zu Recht gerügt hat, verkannte das Landessozialgericht die Zulässigkeit der Berufung. Der erkennende Senat hat bereits wiederholt entschieden, daß die Klage auf Aufhebung eines Verwaltungsakts, mit dem eine Unterstützungssperre nach dem AVAVG verhängt wurde, weder einen Anspruch auf Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG noch einen solchen über Beginn oder Höhe der Unterstützung im Sinne des § 147 SGG betrifft (vgl. BSG. 3, S. 298). Die Berufung findet deshalb - entgegen der Auffassung auch des Sozialgerichts - nach § 143 SGG statt.
Mithin durfte das Landessozialgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, sondern mußte eine Entscheidung in der Sache selbst treffen. Im Verfahren des Landessozialgerichts liegt also ein wesentlicher Mangel, der die Revision statthaft macht (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
VIII. Die Revision ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden.
Gemäß ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muß im Rahmen des Vertretungszwangs nach § 166 Abs. 1 SGG bereits die Revisionsschrift von einem vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Es genügt dafür nicht, daß sich ein Beteiligter einer prozeßfähigen Person bedient, der er gemäß § 73 Abs. 2 SGG Vollmacht erteilt hat. Vielmehr muß der Bevollmächtigte (soweit es sich nicht um Rechtsanwälte oder Verwaltungsrechtsräte und diesen nach § 217 Abs. 2 SGG gleichgestellte Personen handelt) kraft Satzung oder Vollmacht einer der im § 166 Abs. 2 SGG aufgeführten Organisationen zur Prozeßvertretung befugt sein (vgl. "Sozialrecht" zu SGG § 166, Bl. Da 1 Nrn. 1 u. 4).
Der Gesetzgeber, der das Revisionsverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit als reine Rechtsüberprüfung gestaltet und deshalb im Interesse der Rechtsuchenden den Vertretungszwang eingeführt hat, wollte diese Vertretung (außerhalb der fachlichen Berufsstände der Rechtsanwälte und Verwaltungsrechtsräte) solchen Personen anvertrauen, die im Bereich des Sozialrechts besonders sachkundig und erfahren sind. Die Auswahl der in dieser Hinsicht geeigneten Personen aus dem Kreis ihrer Mitglieder und Angestellten hat der Gesetzgeber den genannten Organisationen in eigener Verantwortung überlassen.
Der erkennende Senat hatte daher zu prüfen, ob der Angestellte P. der Rechtsstelle R "kraft Satzung oder Vollmacht" seiner Organisation die Befugnis zur Prozeßvertretung vor dem Bundessozialgericht hatte. Nach Wortlaut und Inhalt der auf dem 4. Ordentlichen Bundeskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Oktober 1956 zu H beschlossenen Fassung seiner Satzung obliegt dem Bund die Aufgabe,
"Rechtsstellen einzurichten und zu unterhalten" (§ 2 Abs. 2 c),
und anschließend bestimmt die Satzung:
"Die in den Rechtsstellen tätigen, mit der Rechtsberatung und Prozeßvertretung beauftragten Angestellten sind ermächtigt, vor den Gerichten für Arbeitssachen und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufzutreten".
Diese laut Satzung erteilte Ermächtigung für die in den Rechtsstellen tätigen Angestellten enthält weder Einschränkungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit noch in bezug auf die Gerichtsstufen (Instanzenzug). Die Verwendung des Begriffs "auftreten" könnte Zweifel erwecken, ob damit alle Prozeßhandlungen, also insbesondere auch die Prozeßvertretung vor dem Bundessozialgericht im Rahmen des § 166 Abs. 1 SGG, die mit der Unterzeichnung und Einreichung der Revisionsschrift beginnt, erfaßt sind. Der Senat hat auch diese Befugnisse für eingeschlossen erachtet, zumal auch in den Legitimationsvollmachten des Bundesvorstands des DGB für die Angestellten der Bundesrechtsstelle in Kassel diese Berechtigung mit dem Begriff "auftreten" bezeichnet ist. Demzufolge war nach dem Beschluß des Bundeskongresses des DGB vom Oktober 1956 über die Neufassung der Satzung die Befugnis des Rechtsstellenleiters P. für den Kläger Revision beim Bundessozialgericht einzulegen, zu bejahen. Dieses Ergebnis folgt letztlich aus der vom Gesetzgeber in § 166 Abs. 2 SGG den Organisationen zugewiesenen eigenen Verantwortung.
IX. Die Revision ist indessen nicht begründet.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters, die vom Landessozialgericht geprüft und bestätigt worden sind und an die demzufolge das Bundessozialgericht gebunden ist (§ 163 SGG), war dem Kläger ein ausreichend bestimmtes Arbeitsangebot gemacht worden. Diesem konkreten Arbeitsangebot konnte der Kläger nur die in § 90 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 AVAVG zugelassenen Ablehnungsgründe entgegensetzen, zu denen die Rechtsprechung als sechsten Grund den Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hinzugefügt hat (vgl. RVA, Grundsätzl. Entsch. Nr. 3529, AN. 1929 S. 352). Solche Ablehnungsgründe standen dem Kläger nicht zur Seite. Jedenfalls hat er keinen hinreichenden Grund dafür geltend machen können, daß ihm jene Arbeit allgemein oder nach seinen gesundheitlichen Verhältnissen nicht zuzumuten gewesen wäre. Die angebotene Arbeit war zumutbar und der Kläger seinem Gesundheitszustand nach dafür geeignet. § 90 Abs. 2 AVAVG stellt allein auf die objektive Berechtigung der Arbeitsablehnungsgründe ab (vgl. BSG. 2 S. 224). Auch das Reichsversicherungsamt hatte schon mehrfach entschieden, daß es nicht darauf ankomme, ob der Arbeitslose den unberechtigten Ablehnungsgrund schuldlos oder schuldhaft vorbringt (zu vgl. Grundsätzl. Entsch. Nr. 3288, AN. 1928 S. 347, und Nr. 3328, AN. 1929 S. 26). Die Sperrfrist konnte daher im vorliegenden Falle auch nicht mit der Behauptung abgewendet werden, daß sich der Kläger mit seinen gesundheitlichen oder beruflichen Bedenken subjektiv in einem entschuldbaren Irrtum befunden habe. Er hatte sich im übrigen zuvor überhaupt nicht mit dem Arbeitgeber in Verbindung gesetzt und die angebotenen Arbeitsplätze keiner eigenen Prüfung unterzogen.
Was schließlich die Bemessung der Sperrfrist anbelangt, so sind, wie der Senat mehrfach entschieden hat, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht befugt, eine gegen einen Empfänger von Alu oder Alfu verhängte Sperrfrist herabzusetzen. Sie haben insoweit nur zu prüfen, ob ein Mißbrauch oder fehlerhafter Gebrauch des Ermessens vorliegt (vgl. "Sozialrecht" zu GG Art. 20 Bl. Aa 1 Nr. 2). Sie dürfen jedoch nicht ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen. Dies würde gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 GG) verstoßen.
Unter Beachtung der Tatsache, daß der Kläger bereits mehr als zwei Jahre laufend Unterstützung bezogen hatte, als ihm das Arbeitsamt das erste, von ihm abgelehnte, Arbeitsangebot machte, gaben die Verfügungen der Arbeitsverwaltung keinen Anhalt, mißbräuchliche oder fehlerhafte Ermessensausübung festzustellen.
Es bestand insbesondere auch keine Veranlassung anzunehmen, daß die Voraussetzungen des § 93 a AVAVG nicht geprüft und abgewogen worden seien. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß jene Vorschrift je nach den Umständen des Falles nicht nur eine Herabsetzung, sondern ebenso eine Verlängerung der Sperrfrist (bis auf acht Wochen) zuläßt.
Da der Vorderrichter schon zutreffend festgestellt hat, daß der Kläger durch sein Verhalten die angebotene Arbeit abgelehnt hat (§ 90 Abs. 1 AVAVG), ohne dazu durch einen vom Gesetz zugelassenen (§ 90 Abs. 2 AVAVG) oder von der Rechtsprechung anerkannten Grund berechtigt zu sein, und da ferner weder Mißbrauch noch fehlerhafter Gebrauch des Ermessens erweislich waren, bedurfte der Sachverhalt keiner zusätzlichen Ermittelungen mehr. Deshalb war auch für den vom Kläger gestellten Hilfsantrag, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Vordergericht zurückzuverweisen, kein Raum.
X. Der Senat hatte gemäß § 170 Abs. 1 SGG zu entscheiden und mußte nach alledem die Revision als unbegründet zurückweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen