Leitsatz (amtlich)
1. Eine vorschriftswidrige Besetzung der Richterbank in der Vorinstanz ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge hin zu beachten (Anschluß an BSG 24.5.1984 7 RAr 97/83 = SozR 1500 § 31 Nr 3).
2. Zur Frage der Auswirkungen eines Wohnortwechsels des Arbeitslosen auf seine Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung als Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen (§ 103 Abs 1 AFG).
3. Das Fehlen der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nach § 103 Abs 1 AFG kann nicht nachträglich im Wege des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.
Normenkette
SGG §§ 30, 33, 162; AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 1 Fassung: 1975-12-18; AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 3 Fassung: 1979-07-23
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 10.02.1983; Aktenzeichen L 6/1 Ar 1109/81) |
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 10.07.1981; Aktenzeichen S 5 Ar 108/80) |
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die zeitweise Versagung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Sie erhielt nach Abschluß ihrer Ausbildung zur Innenarchitektin seit 13. März 1978 vom Arbeitsamt W mit Unterbrechungen Alhi. Vom 11. September 1978 bis 31. Januar 1979 war sie bei einem Architekten in K als Innenarchitektin beschäftigt. Sie meldete sich am 29. Januar 1979 beim Arbeitsamt K arbeitslos und beantragte Alhi. Als Wohnsitz gab sie K, an. Das Arbeitsamt K forderte beim Arbeitsamt W die dortigen Leistungsunterlagen an; diese wurden wegen der Bearbeitung eines dort anhängigen Widerspruchsverfahrens zunächst nicht übersandt. Am 27. Februar 1979 ließ das Arbeitsamt K der Klägerin eine Zwischennachricht zukommen, daß über den Antrag noch nicht entschieden werden könne. Am 14. März 1979 legte die Klägerin dem Arbeitsamt K verschiedene Unterlagen vor. Dabei gab sie als Postanschrift die bereits genannte Anschrift in K an. Am 27. März 1979 ging im Arbeitsamt eine Veränderungsanzeige der Klägerin ein, worin sie angab, daß im März ein Umzug nach W vollzogen wurde, genaue Adresse sei noch nicht bekannt. Vom 27. Februar bis 20. März 1979 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
Für den 16. März 1979 forderte das Arbeitsamt K die Klägerin zu einer Meldung beim Arbeitsamt auf, der sie nicht Folge leistete; der Brief war an die K Adresse der Klägerin gerichtet. Das Arbeitsamt beraumte daraufhin in der gleichen Weise unter dem 16. März 1979 einen erneuten Meldetermin auf den 23. März 1979 an. Diesen Brief sandte die Klägerin mit dem Hinweis auf ihre Arbeitsunfähigkeit und darauf zurück, daß sie ihren Wohnsitz nach W wegen der günstigeren Lebenshaltungskosten verlegt hätte. Ihre neue Adresse in W nannte die Klägerin nicht. Diese Nachricht ging bei der Beklagten am 23. März 1979 ein.
Wiederum an die K Adresse der Klägerin erteilte das Arbeitsamt K am 4. April 1979 einen weiteren Zwischenbescheid, wonach noch weitere Ermittlungen beim Arbeitsamt W notwendig seien. Diesen Zwischenbescheid hat die Klägerin erhalten. Im April und Juli 1979 forderte das Arbeitsamt K vom Arbeitsamt W die Leistungsunterlagen der Klägerin mehrfach an. Mit der Klägerin fand bis Anfang August 1979 eine Korrespondenz nicht statt. Am 6. August 1979 erteilte die Beklagte der Klägerin erneut einen Zwischenbescheid unter der K Adresse mit der Bitte um Mitteilung der neuen Adresse in W. Diese Nachricht ging der Klägerin nicht zu. Am 30. August 1979 erhielt das Arbeitsamt K die Anfrage der Klägerin vom 28. August 1979 nach dem Stand der Bearbeitung ihres Leistungsantrags vom 29. Januar 1979. Als Absender gab sie W, , an; es handelte sich dabei um die Adresse ihrer früheren Wohnung in W. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi für die Zeit vom 1. Februar bis 26. Februar 1979 (Bescheid vom 17. September 1979). Mit ihrem Widerspruch wendet sich die Klägerin dagegen, daß ihr keine Alhi für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ab 21. März 1979 bewilligt wurde. Während des Widerspruchsverfahrens teilte die Klägerin mit, daß sie am 16. März 1979 K verlassen habe.
In Abänderung des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1980 der Klägerin Alhi vom 21. März bis 6. April 1979 und vom 30. August bis 21. Oktober 1979 bewilligt. Für die Zeit vom 7. April bis 29. August 1979 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, daß die Klägerin in dieser Zeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe.
Durch Urteil vom 10. Juli 1981 hat das Sozialgericht (SG) W die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 7. April 1979 bis 29. August 1979 Alhi zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klägerin habe zwar nicht die Voraussetzungen der Verfügbarkeit in der in Rede stehenden Zeit erfüllt; der Anspruch auf Alhi sei jedoch im Wege des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Die Beklagte hätte gegenüber der Klägerin eine Pflichtverletzung dadurch begangen, daß sie trotz Kenntnis vom Aufenthaltswechsel der Klägerin keine Ermittlungen hinsichtlich der Adressenänderung eingeleitet habe.
Die Berufung der Beklagten hiergegen hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 10. Februar 1983 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Das Urteil des SG sei im Ergebnis richtig. Die Klägerin erfülle für die Zeit vom 7. April bis 29. August 1979 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi. Insbesondere habe sie in dieser Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die Klägerin hätte in dieser Zeit eine mehr als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben können und dürfen (objektive Verfügbarkeit). Sie sei Anfang April unter ihrer alten K Adresse von der Beklagten angeschrieben worden und habe diese Nachricht auch erhalten, weil sie einen Nachsendeauftrag für sechs Monate bei der Post veranlaßt habe. An der objektiven Verfügbarkeit der Klägerin zu zweifeln habe auch bis zum 6. August 1979, dem Zeitpunkt, an dem sich die Beklagte erneut - wenn auch erfolglos - mit der Klägerin in Verbindung zu setzen versuchte, kein Anlaß bestanden, weil sich die Beklagte zwischen dem 4. April und dem 6. August 1979 in keiner Weise mit der Klägerin in Verbindung gesetzt habe, ihre Verfügbarkeit somit überhaupt nicht gefordert worden sei, eine Arbeitsvermittlung nicht zur Debatte gestanden habe. Die Beklagte habe selbst bis zum 6. August 1979 nicht nachgefragt, ob die genaue Adresse der Klägerin mittlerweile bekannt sei, und zwar auch nicht beim Arbeitsamt W. Auch nach Kenntnis von der Unzustellbarkeit ihres Briefes vom 6. August 1979 habe die Beklagte nicht von einer mangelnden Verfügbarkeit der Klägerin bis zum 29. August 1979 ausgehen dürfen. Aus den Umständen sei ersichtlich gewesen, daß die Klägerin an ihrer alten Adresse in W zu erreichen gewesen sei. Die Beklagte habe sich jedoch nicht einmal die Mühe gemacht, sich durch das Arbeitsamt W oder durch die Klägerin selbst durch Anfrage in der Y straße in W dies bestätigen zu lassen. Obwohl sie vom Umzug der Klägerin im März unterrichtet gewesen sei, habe sie sich darauf beschränkt, die Klägerin weiterhin nur unter der K Adresse erreichen zu können.
Die Klägerin sei auch subjektiv verfügbar gewesen, denn sie habe immer wieder glaubhaft versichert, daß sie subjektiv bereit gewesen sei, wieder Arbeit anzunehmen. Sie sei davon ausgegangen, daß das Arbeitsamt sie jeder Zeit erreichen konnte, zumal da aufgrund eines Nachsendeauftrags die Post an die K Adresse auch am 6. April 1979 der Klägerin in W zuging. Die Klägerin habe darüber hinaus zu Recht darauf hingewiesen, daß aufgrund der Zwischennachricht vom 4. April 1979 erst einmal die Beklagte im Zugzwang zur Erledigung ihres Antrags auf Alhi vom 29. Januar 1979 gewesen sei und insoweit von ihr - der Klägerin - nichts Weiteres zu veranlassen gewesen sei. Im übrigen habe sie davon ausgehen dürfen, daß der Beklagten ihre W Adresse bekannt gewesen sei, da sie die dortige Wohnung nie aufgegeben habe und zumindest das Arbeitsamt W davon Kenntnis gehabt habe. Bei Rückfragen des Arbeitsamtes hätte sie demgemäß täglich das Arbeitsamt W aufsuchen können. Ihr Anspruch sei daher begründet.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 134, 103 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und führt dazu aus:
Die Entscheidung des LSG stehe im Widerspruch mit der Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die objektive Verfügbarkeit eines Arbeitslosen iS des § 103 AFG. Danach müsse der Arbeitslose sich unabhängig von der Lage des Arbeitsmarktes grundsätzlich an seinen Wohnort der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen; er müsse das zuständige Arbeitsamt täglich aufsuchen können und für dieses täglich erreichbar sein, wie seit 1. August 1979 das Gesetz selbst klarstelle. Auf die Frage tatsächlicher Vermittlungsmöglichkeiten und -versuche durch das Arbeitsamt komme es nicht an.
Daraus folge, daß die Klägerin im streitigen Zeitraum der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung gestanden habe. Sie sei von K nach W umgezogen und habe weder dem Arbeitsamt K noch dem Arbeitsamt W die neue Adresse mitgeteilt. Sie sei folglich für das Arbeitsamt K nicht erreichbar gewesen, angesichts der Entfernung zwischen beiden Städten auch nicht mit Hilfe des Postverzögerungen bedingenden Nachsendeauftrags.
Entgegen der Auffassung des LSG mußte dem Arbeitsamt K weder aus den Umständen ersichtlich sein, daß die Klägerin in ihrer alten W Wohnung zu erreichen war, noch sei das Arbeitsamt K verpflichtet gewesen, von sich aus nach der neuen Anschrift der Klägerin zu forschen. Darüber hinaus habe das LSG zu Unrecht die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin bejaht. Nach den Feststellungen des LSG habe die Klägerin weder behauptet noch davon ausgehen dürfen, das Arbeitsamt werde ihr in der Zeit ihrer Abwesenheit von K keine Stelle vermitteln, sondern nur Leistungen zahlen.
Das Leistungsbegehren der Klägerin lasse sich auch nicht auf einen sogenannten Herstellungsanspruch stützen. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin habe ihre Nichterreichbarkeit zu vertreten. So sei sie auch im Merkblatt für Arbeitslose auf die Pflicht hingewiesen worden, jede Adressenänderung dem Arbeitsamt mitzuteilen, was sie schuldhaft unterlassen habe.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des SG W vom 10. Juli 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt. Sie ist im Revisionsverfahren nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Dieses Ergebnis folgt allerdings nicht aus einem für das Revisionsverfahren beachtlichen Verstoß des LSG gegen Verfahrensvorschriften. Da die Beklagte Mängel des Berufungsverfahrens nicht gerügt hat, käme insoweit lediglich ein Mangel in Betracht, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Ein solcher Mangel liegt nicht vor. Insbesondere bedarf es keiner Prüfung, ob das LSG bei seiner Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt war. Zwar wird die Rechtmäßigkeit des Verfahrens über die Berufung ehrenamtlicher Richter für die Sozialgerichtsbarkeit im Lande Hessen in Zweifel gezogen (vgl dazu den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der Ausgabe Nr 95 vom 24. April 1985 -S 10-); der Senat hat dem hier jedoch nicht nachzugehen. Wie er bereits unter eingehender Darstellung der bisherigen Rechtsprechung des BSG und im Anschluß an die Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes entschieden hat, gehört die vorschriftswidrige Besetzung der Richterbank grundsätzlich nicht zu den von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensfehlern, zu Fehlern also, die das Verfahren als Ganzes unzulässig machen oder dem angefochtenen Urteil die Fähigkeit nehmen, Grundlage eines auf die Sache eingehenden Revisionsurteils zu sein (Urteil vom 24. Mai 1984 -7 RAr 97/83 -, BSG SozR 1500 § 31 Nr 3; USK 8463; SozSich 1985 Rechtspr Nr 3854). Ein solcher Mangel ist im Revisionsverfahren somit nur aufgrund einer ordnungsgemäßen Besetzungsrüge zu beachten, an der es hier jedoch fehlt.
Die Begründetheit der Revision ergibt sich aus sachlichem Recht. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 17. September 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1980 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), soweit darin die Bewilligung von Alhi an die Klägerin für die Zeit vom 7. April bis 29. August 1979 abgelehnt wird. Es ist mithin nicht darüber zu befinden, ob und in welchem Umfange der Klägerin für Zeiten davor oder danach Alhi zustand. Hinsichtlich der den Streitgegenstand bildenden Ablehnung der Bewilligung von Alhi sind die oa Bescheide jedoch nicht zu beanstanden; denn die Klägerin erfüllte in der Zeit vom 7. April bis 29. August 1979 nicht die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch.
Anspruch auf Alhi hat ua nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 4, § 103 AFG). Das SG hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin diese gesetzliche Voraussetzung für die streitige Zeit nicht erfüllte. Nach § 103 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (Haushaltsstrukturgesetz -HStruktG-AFG-) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer 1. eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf sowie 2. bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann.
Dem Klageanspruch steht bereits das Fehlen der Voraussetzungen nach der oa Nr 1 entgegen. Der § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG umschreibt die sogenannte objektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Sie besagt, daß nur derjenige Arbeitslose Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit haben soll, der objektiv in der Lage ist, einem Angebot des Arbeitsamtes zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung aktuell nachzukommen, dh örtlich und zeitlich in der Weise, wie es von den in Betracht kommenden Arbeitgebern erwartet werden kann. Deshalb gehört zum "Können" iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht nur ein entsprechendes physisches und psychisches Leistungsvermögen des Arbeitslosen und das Freisein von tatsächlichen und rechtlichen Bindungen, die eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausschließen, sondern auch die Fähigkeit, im Falle einer Vermittlung die angebotene Arbeit in der sachgebotenen Weise, dh am Beschäftigungsort in angemessener Zeit aufzunehmen. Diese Bedingungen erfüllt grundsätzlich nur derjenige Arbeitslose, der für das zuständige Arbeitsamt täglich mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar und entsprechend rasch zum Antritt der Beschäftigung in der Lage ist. Die Beklagte weist insoweit zu Recht auf die Rechtsprechung des Senats hin (vgl BSGE 44, 188, 189 = SozR 4100 § 103 Nr 8; ebenso Urteil vom 17. März 1981 - 7 RAr 20/80 -, abgedruckt im Dienstblatt R der BA Nr 2529 zu § 151 AFG). Diese Rechtsprechung hat inzwischen klarstellend ihren Niederschlag in der Ergänzung des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1181 - 5. AFG-ÄndG -) um eine Nr 3 gefunden, in der bestimmt ist, daß der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung steht, wer ua das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist (vgl dazu das oa Urteil vom 17. März 1981).
Für die objektive Verfügbarkeit kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitsamt in der Zeit, in der der Arbeitslose die oa Bedingungen nicht erfüllte, tatsächlich Vermittlungsbemühungen angestellt oder diese zB mangels entsprechender Angebote von Arbeitgeberseite unterlassen hat, also auf die Frage, ob der Arbeitslose - wäre er zeit- und ortsnah erreichbar gewesen - überhaupt in Arbeit hätte vermittelt werden können; denn die Berechtigung zum Leistungsbezug wegen Arbeitslosigkeit folgt nicht aus den Chancen von Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes im Sinne einer Vermittlungsmöglichkeit nach den Umständen des Arbeitsmarktes - deren Fehlen ist ja gerade der Grund für eine Leistungsgewährung -, sondern aus der Fähigkeit des Arbeitslosen, solchen Bemühungen - falls sie erfolgen - zeitlich und örtlich sachgerecht entsprechen zu können.
Eine Ortsabwesenheit von begrenzter Dauer steht der objektiven Verfügbarkeit nur unter ganz bestimmten Umständen nicht entgegen, nämlich dann, wenn das Arbeitsamt von vornherein für eine festgelegte Zeit auf die Möglichkeit des Arbeitslosen verzichtet, auf eine Arbeitsvermittlung ohne Verzögerung zu reagieren (vgl dazu BSG aaO und die auf § 103 Abs 5 AFG idF des 5. AFG-ÄndG fußende Aufenthalts-Anordnung des Verwaltungsrates der BA vom 3. Oktober 1979 - ANBA S 1388 -, die im vorliegenden Fall allerdings noch nicht galt). Aus den Feststellungen des LSG folgt jedoch, daß ein derartiger Verzicht nicht erklärt worden ist.
Diese Feststellungen ergeben vielmehr, daß die Klägerin seit ihrem Wegzug von Konstanz objektiv nicht mehr verfügbar war. Die objektive Verfügbarkeit im Sinne der unverzögerten Erreichbarkeit des Arbeitslosen einerseits und seiner Fähigkeit, Arbeitsangeboten ohne Zeitverlust Folge zu leisten, muß im Verhältnis zu dem Arbeitsamt gegeben sein, bei dem der Leistungsantrag rechtmäßig gestellt worden ist, solange nicht ein anderes Arbeitsamt dafür zuständig geworden ist. Das folgt einerseits aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit der einzelnen Arbeitsämter für die Bearbeitung von Leistungsanträgen, andererseits aus dem Grundsatz, daß ua die Vermittlung in Arbeit der Gewährung von Leistungen vorgeht (§ 5 AFG). Dieser sachliche Zusammenhang begründet nämlich auch verfahrensmäßig die Zuständigkeit des um die Gewährung von Leistungen rechtmäßig angegangenen Arbeitsamtes für leistungsrechtlich relevante Bemühungen um die Beendigung der Arbeitslosigkeit eines Antragstellers; deutlich kommt dies in der leistungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zum Ausdruck. Zuständig ist nach § 129 Abs 1 AFG grundsätzlich das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Wohnsitz hat. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieses Arbeitsamt zwar ein anderes Arbeitsamt für zuständig erklären; das setzt aber einen entsprechenden Antrag des Arbeitslosen voraus (§ 130 Abs 1 AFG). Für diesen Fall schreibt das Gesetz zudem eine unverzügliche Meldung des Arbeitslosen bei dem nunmehr zuständigen Arbeitsamt vor (§ 131 AFG). Da die Klägerin weder einen Antrag nach § 130 Abs 1 AFG gestellt hat, eine Zuständigkeitserklärung für das Arbeitsamt W nicht erfolgt ist und die Klägerin sich in der streitigen Zeit dort auch nicht gemeldet hat, ist das Arbeitsamt K für sie zuständiges Arbeitsamt geblieben. Von diesem Amt begehrte sie die Bewilligung von Alhi; ihm gegenüber mußten deshalb auch die Tatsachen vorliegen, die zu den Voraussetzungen für die Bejahung des Anspruchsmerkmals "Verfügbarkeit" gehören.
Mit der endgültigen Verlegung des Wohnsitzes der Klägerin von K nach W war dieser Sach- und Rechtszusammenhang entfallen. Es kann hier offen bleiben, welche Auswirkungen eine nur vorübergehende Ortsabwesenheit des Arbeitslosen von kurzer Dauer im Verhältnis zum zuständigen Arbeitsamt auf seine objektive Verfügbarkeit hat, wenn diese nicht vom Arbeitsamt vorher sanktioniert worden ist, was, wie schon dargestellt, möglich ist. Ebenso bedarf es keiner Erörterung der Verfügbarkeitsfrage für die Zeit eines Umzuges als solcher, wenn der Arbeitslose sich alsbald nach dessen Abschluß bei dem nunmehr für den neuen Wohnort zuständigen Arbeitsamt meldet oder wenn der Umzug innerhalb des Nahbereichs des zuständigen Arbeitsamtes erfolgt. Vorliegend hat die Klägerin nämlich durch ihren Umzug nach einem vom zuständigen Arbeitsamt weit entfernteren Ort die für die objektive Verfügbarkeit erforderliche Verbindung mit dem zuständigen Arbeitsamt endgültig gelöst, ohne sich unverzüglich beim Arbeitsamt des neuen Wohnortes zu melden. Sie stand demzufolge seither der Arbeitsvermittlung durch das zuständige Arbeitsamt K objektiv nicht mehr zu Verfügung.
Möglicherweise könnte die Frage der objektiven Verfügbarkeit als Folge eines derartigen Wohnortwechsels anders zu beurteilen sein, wenn der Arbeitslose nicht nur - wie hier - die Tatsache des Umzugs dem zuständigen Arbeitsamt mitteilt, sondern diesem - anstelle der Meldung beim Arbeitsamt des neuen Wohnortes - seine neue Anschrift unverzüglich bekannt gibt. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Die Klägerin gab in der am 27. März 1979 beim Arbeitsamt K eingegangenen Veränderungsanzeige lediglich an: "Ist im März nach W verzogen. Genaue Adresse noch nicht bekannt". Auch in der Antwort auf die Meldeaufforderung zum 23. März 1979 teilte die Klägerin zwar den durchgeführten Umzug, nicht aber ihre Anschrift in W mit.
Für die Frage der Verfügbarkeit spielt es schließlich keine Rolle, ob die Klägerin für das Arbeitsamt K postalisch mit Hilfe eines Nachsendeauftrages in W erreichbar war, wovon das LSG ausgegangen ist. Dies änderte nämlich nichts an der begrifflichen Voraussetzung des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, daß der Arbeitslose an dem für die Zuständigkeit des angegangenen Arbeitsamtes maßgeblichen Wohnsitz täglich erreichbar ist und er von dort aus Arbeitsangeboten zeitgerecht nachkommen kann. Im übrigen gewährleistet ein postalischer Nachsendeauftrag schon in zeitlicher Hinsicht nicht dieselbe "Erreichbarkeit" des Arbeitslosen, wie eine an die Adresse des tatsächlichen Aufenthalts unmittelbar laufende Postsendung, ganz abgesehen davon, daß die Klägerin einem Arbeitsangebot des Arbeitsamtes K von W nicht in der Weise hätte Folge leisten können, wie von ihrem früheren Wohnort in K aus; dies bedarf schon angesichts der Entfernung zwischen beiden Städten keiner näheren Begründung.
Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, daß das in § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG für den Leistungsanspruch enthaltene Erfordernis, für das zuständige Arbeitsamt zur Zeit des Eingangs der (regulären) Briefpost erreichbar und in der Lage zu sein, alsbald Beschäftigungen anzutreten, nicht das Recht auf Freizügigkeit berührt, dh das Recht, ungehindert durch deutsche Staatsgewalt an jedem Ort des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (vgl Urteil vom 17. März 1981 - aaO -). Die objektive Verfügbarkeit dient der alsbaldigen Vermittlung in Arbeit als dem jeder Leistungsgewährung vorrangigen Ziel (§ 5 AFG). Sie entspricht den Anforderungen, die der Arbeitsmarkt an jede Arbeitsvermittlung stellt. Im übrigen ist es nicht der begriffliche Inhalt dieser Anspruchsvoraussetzungen als solcher, der für den Arbeitslosen bei einem Ortswechsel zu Nachteilen führen kann, sondern lediglich das Verhalten des Arbeitslosen selbst, wenn er derartige tatsächliche Veränderungen nicht der Behörde gegenüber, von der er Leistungen erhalten möchte, in geeigneter Weise und vollständig offenbart. Ein solches Verhalten ist grundsätzlich jedem Arbeitslosen, der von der Beklagten neben der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit auch eine möglichst sachgerechte und rasche Arbeitsvermittlung erwarten darf, zuzumuten. Zudem wird er hierüber durch die Beklagte in der Regel hinlänglich belehrt. So versicherte auch die Klägerin mit ihrer Unterschrift unter den Leistungsantrag vom 29. Januar 1979, ihr sei bekannt, daß sie dem Arbeitsamt sofort alle Veränderungen anzuzeigen habe, die gegenüber den in dem Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten. Außerdem bestätigte sie, das Merkblatt für Arbeitslose, in dem auf die Anzeigepflichten im einzelnen hingewiesen ist, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Erfüllt die Klägerin nach allem für die streitige Zeit nicht die Voraussetzungen der objektiven Verfügbarkeit iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, kommt es nicht darauf an, ob sie iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben konnte (subjektive Verfügbarkeit). Diese Frage bedarf mithin keiner Prüfung.
Entgegen der Auffassung des SG läßt sich der Klageanspruch auch nicht aus einer Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber der Klägerin herleiten, die einen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet hätte. Ob die Beklagte angesichts der Umstände des Falles verpflichtet war, die Anschrift der Klägerin in W zu ermitteln, ggf, ob sie die Klägerin sodann über weiteres sachgerechtes Verhalten hätte aufklären müssen, kann dahinstehen; denn selbst bei Annahme derartiger Pflichten und deren Verletzung durch die Beklagte ließe sich das fehlende Anspruchsmerkmal der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht nachträglich durch eine Amtshandlung der Beklagten herstellen. Das wäre aber Voraussetzung für die Möglichkeit eines vor den Sozialgerichten einklagbaren Anspruchs im Wege sozialrechtlicher Herstellung (vgl dazu Gagel, Komm zum AFG, sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet hätte. Ob Rechtsprechungsnachweisen). Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs lassen sich lediglich bestimmte sozialrechtliche Voraussetzungen, wie zB verspätete Anträge, als erfüllt ansehen, wenn sie nur wegen einer Pflichtverletzung des Versicherungsträgers bislang fehlen. Die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung als Voraussetzung für den Anspruch auf Alg und Alhi ist jedoch ein rechtserheblicher Tatbestand, den herzustellen nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten fällt, sondern der von einer tatsächlichen Verhaltensweise des Arbeitslosen abhängt, und zwar während der gesamten Zeit, für die er Leistungen begehrt. Das Fehlen der Verfügbarkeit kann mithin nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (vgl dazu BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1416 Nr 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr 14; s auch Urteil des Senats vom 11. November 1982 - 7 RAr 16/82 - mwN, Dienstblatt R der BA Nr 2782a zu § 78 AFG). Die Pflicht der Beklagten zur Gewährung von Alhi an die Klägerin trotz Fehlens der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit wäre jedoch gesetzeswidrig (§ 100 Abs 1 AFG). Soweit die Klägerin geltend machen möchte, wegen der unterbliebenen Alhi-Zahlung einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung zu besitzen, ist hierüber nicht vor den Sozialgerichten zu entscheiden.
An dem vorstehenden Ergebnis ändert auch nichts die Erwägung, daß die Beklagte es möglicherweise durch pflichtwidriges Verhalten verursacht hat, daß das Arbeitsamt W nicht rechtzeitig für die Bearbeitung des Leistungsbegehrens der Klägerin für zuständig erklärt worden ist (§ 130 Abs 1 AFG). Selbst wenn dies nachholbar wäre, dh, wenn durch eine derartige, rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten sich rückwirkend die Zuständigkeit des Arbeitsamtes W begründen ließe, folgte daraus nicht, daß die Klägerin damit in der streitigen Zeit der Arbeitsvermittlung durch dieses Arbeitsamt zur Verfügung gestanden hätte; denn dieses hätte ebenfalls erfordert, daß das Arbeitsamt W in der streitigen Zeit in der Lage gewesen wäre, Vermittlungsversuche für die Klägerin vorzunehmen. Eine derartige Sachlage ist aber rückwirkend nicht mehr herstellbar; dies wird bereits daran deutlich, daß dem Arbeitsamt W die (erneute) Wohnsitznahme der Klägerin in seinem Zuständigkeitsbereich nicht einmal bekannt war. Wie festgestellt ist, hat die Klägerin sich in der streitigen Zeit dort nicht gemeldet; aus den Anfragen des Arbeitsamtes K durfte das Arbeitsamt W zudem folgern, daß die Klägerin noch in K wohne.
Fehlen mithin für den streitigen Zeitraum auch gegenüber dem Arbeitsamt W die Voraussetzungen für die objektive Verfügbarkeit der Klägerin und lassen sich diese ebenfalls nicht durch eine rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten nachträglich herstellen, ist die Frage einer nachträglichen Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsamtes W im Wege der zulässigen Herstellung ohne Belang für den Klageanspruch.
Erweist sich damit das Klagebegehren der Klägerin insgesamt als unbegründet, müssen die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben werden; die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1660860 |
BSGE, 104 |