Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung wegen einer beruflichen Erkrankung an Bronchialasthma
Orientierungssatz
In Fällen, in denen der berufliche und der private Bereich auf das innigste miteinander verflochten sind, kann bei der Forderung nach der endgültigen Trennung vom seitherigen Beruf und damit von dessen schädigenden Einwirkungen der Gesichtspunkte der Zumutbarkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Forderung kann jedenfalls nicht soweit gehen, daß von dem Erkrankten nicht nur die Aufgabe seines Berufes, sondern auch die Trennung von Ehe und Familie verlangt wird. Es muß vielmehr genügen, wenn der Versicherte die schädigende Beschäftigung tatsächlich aufgibt und sich soweit wie möglich von den schädigenden Einwirkungen fernhält, indem er etwa seine Wohnung in einen nahegelegenen anderen Bereich verlegt, soweit dies im Einzelfall zumutbar und geeignet ist, eine Trennung von möglichen schädigenden Kontakten herbeizuführen (vergleiche BSG 1976-02-25 8 RU 70/75)
Normenkette
BKVO 7 Anl 1 Nr. 41 Fassung: 1968-06-20
Tenor
1. |
|
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. März 1975 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. |
2. |
|
Soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung begehrt, wird die Revision zurückgewiesen. |
Kosten sind insoweit nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die 1936 geborene Klägerin bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Ehemann einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Viehzucht. Am 6. November 1972 zeigte die Universitäts-Hautklinik, Abteilung für Allergie und Berufskrankheiten der Haut, in H an, daß bei der Klägerin ein Asthma bronchiale allergicum (Nr. 41 der Liste der Berufskrankheiten) bestehe. Testergebnisse hätten eine Allergie gegen Hausstaub, Kuhstriegel, Kuhschuppen und Ziegenhaare ergeben. Die Klägerin sei seit dem 23. September 1972 arbeitsunfähig. Prof. Dr. B von der anzeigenden Klinik teilte der Beklagten unter Übersendung einer Epikrise der Klägerin mit, daß durch die berufsbedingte Erkrankung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H. zu rechnen sei. Der von der Beklagten um eine Stellungnahme ersuchte Staatliche Gewerbearzt beim Gewerbeaufsichtsamt M führte am 20. Juni 1973 aus, daß bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Ziffer 38 der Anlage 1 zur Siebenten Berufskrankheiten-Verordnung (7. BKVO) vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721) vorliege; die MdE betrage 20 v. H. Durch Bescheid vom 21. August 1973 lehnte die Beklagte die Anerkennung der bei der Klägerin seit September 1972 bestehenden asthmatoiden Bronchialallergie als Berufskrankheit ab. Nach der Beurteilung der Universitäts-Hautklinik H sei die berufliche Tätigkeit der Klägerin in der Landwirtschaft zweifellos als ursächlich für die Entstehung der Krankheit anzusehen. Für die Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit sei u. a. Voraussetzung, daß die Erkrankung zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung führe und der Kontakt mit den in der Landwirtschaft beschäftigten Personen ausgeschlossen sei. Da die Klägerin einer dauernden Trennung vom landwirtschaftlichen Betrieb und ihrer Familie nicht zustimme, sei sie auch weiterhin den wesentlichsten Gefahrenquellen (Kuhschuppen) ausgesetzt. Schon der geringste Kontakt mit dem Viehbestand, der Stallkleidung ihres Ehemannes oder anderer Familienmitglieder genüge, um einen Asthmaanfall auszulösen. Gegenwärtig bestehe daher kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat die Beklagte entsprechend dem Antrag der Klägerin verurteilt, ihr wegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 41 der 7. BKVO ab 16. September 1972 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren (Urteil vom 19. November 1973). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. März 1975). Zur Begründung hat es ausgeführt: Gegenstand des Verfahrens sei die Frage, ob die Klägerin wegen ihres Bronchialasthmas Ansprüche nach § 551 Reichsversicherungsordnung (RVO) i. V. m. Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO habe. Der Staatliche Gewerbearzt habe zwar in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 1973 das Leiden der Klägerin als "Berufskrankheit nach Ziffer 38 der 7. BKVO" bezeichnet. Dabei handele es sich aber offensichtlich um eine Verwechslung. Da das Bronchialasthma mit einer eigenen Nummer (41) in der Gruppe E ("durch nicht einheitliche Einwirkungen verursachte Krankheiten") aufgeführt sei, entfalle schon deshalb die Möglichkeit, es unter der Nr. 38 ("von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten") und damit der Gruppe D ("durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten") zuzuordnen. Es bedürfe daher nicht des Eingehens auf die Frage, ob das Asthma aus medizinischer Sicht überhaupt in die Gruppe der Infektionskrankheiten eingereiht werden könnte. Für die Bewilligung einer Rente nach Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO sei neben einer entsprechend hohen MdE (§ 581 RVO) ein berufsbedingtes Bronchialasthma Voraussetzung, das den Betroffenen zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Bronchialleiden der Klägerin und schädigenden Berufsstoffen nachgewiesen (bzw. wahrscheinlich) sei, oder - wie die Beklagte geltend gemacht hat - noch weitere Untersuchungen, insbesondere Inhalationstests, notwendig seien. Denn der von der Klägerin erhobene Anspruch habe bereits deshalb abgelehnt werden müssen, weil die Klägerin nicht die Voraussetzung der Aufgabe ihres bisher ausgeübten Berufs als Landwirtin erfülle. Sie habe ihre berufliche Tätigkeit nur eingeschränkt, nämlich die Arbeit mit dem Vieh, bzw. die Stallarbeit, aufgegeben. Sie sei dagegen weiterhin auf dem Feld und im Haushalt tätig. Die Feldarbeit sei angesichts des Umfangs der Bodenbewirtschaftung auch nicht nur eine unbedeutende Nebensache. Der bäuerliche Haushalt gelte wegen seiner engen Verflechtung mit den sonstigen landwirtschaftlichen Arbeiten gemäß § 777 RVO ohnehin als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens. Die Auffassung der Klägerin, es genüge zur Begründung ihres Anspruches daß sie die Stallarbeit als den gesundheitsschädlichen Teil ihrer Berufsarbeit aufgegeben habe, sei nicht mit dem Gesetz vereinbar. Dieses sehe die Rentenbewilligung gerade nicht schon für den Fall einer eingeschränkten Berufsausübung, sondern erst dann vor, wenn die krankheitsbedingte Behinderung so umfassend sei, daß sie zur vollen Aufgabe des zur Schädigung führenden Berufs oder zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit überhaupt gezwungen habe. Erst dann befinde sich der Antragsteller in einer "Rentensituation" im Sinne von Nr. 41 der Anlage 1. Diese Auffassung werde auch von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vertreten. Für den Fall der Klägerin könne nichts anderes gelten. Ihre Argumentation, daß ihr wegen der besonderen Neigung zu ihrem Beruf, wegen ihrer Ehe und auch aus sonstigen Gründen eine volle Aufgabe der beruflichen Tätigkeit ohnehin nicht zuzumuten sei und deshalb schon die Aufgabe eines Teils ihrer Berufsarbeit ausreichen müsse, sei nicht geeignet, hier einen Anspruch entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu begründen. Es könne auch nicht der Ansicht der Klägerin zugestimmt werden, daß zwar anderen selbständigen Gewerbetreibenden, wie z. B. einem Friseur, einem Bäcker oder einem Metzger die Aufgabe des Berufs zugemutet werden könne, nicht dagegen einem Bauern.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Das LSG hätte weitere Beweise darüber erheben müssen, ob zwischen dem Bronchialasthma und schädigenden Berufsstoffen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Dies wäre erforderlich gewesen, um die unschädlichen Stoffe auszuscheiden. Dabei hätte sich möglicherweise herausgestellt, daß die Beschränkung ihrer Tätigkeit auf Haushalt und Feldarbeit eine ausreichende Aufgabe der beruflichen Beschäftigung sei. Die Klärung der Ätiologie der Erkrankung wäre auch für die Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO von Bedeutung gewesen. Ihrer Meinung nach sei die jetzige Tätigkeit im Haushalt und auf dem Feld eine ausreichende Aufgabe der beruflichen Beschäftigung. Das LSG hätte § 3 der 7. BKVO berücksichtigen müssen, der eine Auslegungshilfe für die Nr. 41 der Anlage 1 darstelle. Danach könne dem Versicherten die gefährdende Tätigkeit untersagt werden. Die gefährdende Tätigkeit müsse aber dem Umfang nach nicht mit der Tätigkeit identisch sein, die die berufliche Beschäftigung ausmache. Ein Gärtner, der auf Primeln allergisch sei, könne durchaus im Gemüsebau tätig sein. Nur in einer reinen Primelzucht wäre die gefährdende Tätigkeit mit der beruflichen Beschäftigung identisch. Eine einschränkende Auslegung der Nr. 41 der Anlage 1 erfordere zudem nicht nur der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern auch das Grundgesetz - GG - (Art. 1, 2, 6, 11 und 12). Die Anspruchsvoraussetzung der Berufsaufgabe sei bei einem verheirateten Landwirt anders zu bewerten als bei Angehörigen sonstiger Berufe. Die Landwirtschaft, die zur Urproduktion zähle, sei weitgehend von den gewerberechtlichen und handwerksrechtlichen Regelungen ausgenommen, weil die Mobilität und Fungibilität der gewerblichen und sonstigen Berufe fehle. Anders als im Handwerk und Gewerbe werde die Landwirtschaft durch Generationen hindurch vererbt. Es sei leichter, einen handwerklichen oder gewerblichen Betrieb aufzugeben als einen landwirtschaftlichen. Die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes sei ein so entscheidender Eingriff in die Existenz und in die Geschlechterfolge, daß sie fast mit dem zivilen Tod beim Eintritt in ein Kloster identisch sei. Der Landwirt habe zum Unterschied von Angehörigen anderer Berufe keine Möglichkeit, sich umschulen zu lassen. Die Aufgabe der gesamten bäuerlichen Tätigkeit würde angesichts der in ländlich-bäuerlichen Kreisen vorhandenen Eheauffassung Probleme aufwerfen, deren verfassungskonforme Lösung nur durch eine einschränkende Auslegung der Nr. 41 der 7. BKVO herbeigeführt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
|
1. |
|
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13. März 1975 aufzuheben, |
|
2. |
|
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. August 1973 zu verurteilen, ihr wegen einer Berufskrankheit nach Anlage 1 Ziff. 41 der 7. BKVO oder nach § 551 Abs. 2 RVO ab 16. September 1972 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, daß der Wortlaut der Nr. 41 der Anlage 1 eindeutig sei und daher keine Interpretation im Sinne einer Billigkeitsregelung zulasse. Die Klägerin habe ihre berufliche Beschäftigung nicht aufgegeben, auch wenn sie nicht mehr im Kuhstall tätig sei. Bei ihrer Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb komme sie ständig mit Stoffen in Kontakt, die für sie möglicherweise schädlich seien. Es wäre jedoch nicht vertretbar, Rente auf Kosten der Allgemeinheit zu zahlen, es aber gleichwohl zuzulassen, daß der Rentenempfänger seine bedrohte Gesundheit im bisherigen Beruf weiter aufs Spiel setze. Hier müsse es der einzelne in Kauf nehmen, die von ihm begehrte Rente nicht zu erhalten, falls er auch künftig seine Gesundheit wie bisher gefährde. Ob der einzelne Landwirt, Bäcker, Müller, Automechaniker, Friseur oder ein sonstiger Berufsangehöriger sei, spiele keine Rolle, da der Zweck der hier maßgebenden Regelung im gleichen Maße für alle Berufe gelte. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege nicht vor. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sei allein die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Rente habe, nicht dagegen ein auf sie ausgeübter Zwang zur Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Klägerin sei ausdrücklich freigestellt worden, Mitteilung zu machen, wenn sie die für die Gesundheit schädliche Tätigkeit in der Landwirtschaft aufgegeben habe. Verletzungen von Grundrechten lägen nicht vor.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Verletztenrente auf Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO stützt, ist ihre Revision insofern begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war.
Nach Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO ist ein Bronchialasthma, das zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen hat, eine Berufskrankheit, falls es der Versicherte sich bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zugezogen hat (vgl. auch § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Das LSG hat es dahingestellt sein lassen, ob das Bronchialasthma, an dem die Klägerin leidet, in einem ursächlichen Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit steht. Seiner Ansicht nach ist der Entschädigungsanspruch schon deshalb unbegründet, weil die Klägerin ihre berufliche Beschäftigung als Landwirtin nicht aufgegeben hat.
Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, daß dem Erfordernis der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung grundsätzlich nicht schon dann genüge getan ist, wenn der Verletzte lediglich die wegen ihrer schädigenden Einwirkungen gefährdende Tätigkeit aufgibt, die nur einen Teil der beruflichen Beschäftigung darstellt (BSG BG 1967, 358; BSG 31, 215, 218; BSG Urteile vom 22. Oktober 1975 - 8 RU 224/74 - und vom 25. Februar 1976 - 8 RU 70/75 - unveröffentlicht; vgl. auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl. S. 492 k I, 492 q II). Daran ist festzuhalten. Bei der Beurteilung, ob eine berufliche Beschäftigung i. S. der Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO aufgegeben worden ist, ist von dem Beruf auszugehen, durch dessen Auswirkungen der Versicherte sich die Erkrankung zugezogen hat (BSG 31, 215, 217). Nach den Feststellungen des LSG bewirtschaftet die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann einen landwirtschaftlichen Betrieb mit etwa 11,2 ha Acker, 1,2 ha Wald, 5,7 ha Handelsgewächse, 11 Kühen, 6 Schweinen und 17 Stück Jungvieh. Die Haushaltung gilt als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens (§ 577 Nr. 1 RVO). Von den in allen Bereichen dieses Betriebes ausgeübten Tätigkeiten hat die Klägerin lediglich die Arbeit mit dem Vieh und die Stallarbeit aufgegeben. In den übrigen Bereichen des Betriebes ist sie weiterhin tätig. Es fehlt vorliegend daher an der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung als Unternehmerin oder als mit dem Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatte, auf die sich die Versicherung der Klägerin gegen Arbeitsunfall nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO gründet. Die Auffassung der Klägerin, daß eine Aufgabe der beruflichen Beschäftigung schon dann vorliege, wenn die Tätigkeit eingestellt wurde, bei der eine Berührung mit schädlichen Stoffen anzunehmen sei, wird vom erkennenden Senat im Grundsatz nicht geteilt. Der Verordnungsgeber hat, um der Gefahr einer nicht mehr zu beherrschenden Ausweitung beim Bronchialasthma vorzubeugen, die Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder die Aufgabe jeder Erwerbsarbeit bewußt als eine einschränkende Anspruchsvoraussetzung vorgesehen (Bundesrats-Drucks. 115/61 zu Nr. 41 der Anlage 1 des Entwurfs einer 6. BKVO). Die von der Klägerin genannten Vorschriften des GG (Art. 1, 2, 6, 11 und 12) verlangen weder allgemein, noch bei einem versicherten Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers eine andere Auslegung. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang Verfahrensrügen vorgebracht hat, hält der Senat sie nicht für durchgreifend (§ 170 Abs. 3 Satz 1 SGG).
Eine den jeweiligen Umständen entsprechende Milderung etwaiger Härten, die aus dem Erfordernis der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung entstehen könnten, ergibt sich jedoch daraus, daß im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Aufgabe der beruflichen Beschäftigung dem Versicherten zuzumuten ist. Der 8. Senat des BSG hat in diesem Zusammenhang in Anknüpfung an die Rechtsprechung des 2. Senats ausgeführt (Urteil vom 25. Februar 1976 - 8 RU 70/75), daß der Entschädigungsanspruch im Einzelfall nicht versagt werden kann, wenn es für den Versicherten aus triftigen Gründen unzumutbar ist, einstweilen, wenn auch nur für eine Übergangszeit, seine berufliche Beschäftigung aufzugeben. Gerade in Fällen, in denen der berufliche und der private Bereich auf das innigste miteinander verflochten sind, kann bei der Forderung nach der endgültigen Trennung vom seitherigen Beruf und damit von dessen schädigenden Einwirkungen der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Forderung kann jedenfalls nicht soweit gehen, daß von dem Erkrankten nicht nur die Aufgabe seines Berufes, sondern auch die Trennung von Ehe und Familie verlangt wird. Es muß vielmehr genügen, wenn der Versicherte die schädigende Beschäftigung tatsächlich aufgibt und sich soweit wie möglich von den schädigenden Einwirkungen fernhält, indem er etwa seine Wohnung in einen nahegelegenen anderen Bereich verlegt, soweit dies im Einzelfall zumutbar und geeignet ist, eine Trennung von möglichen schädigenden Kontakten herbeizuführen.
Das LSG hat im Hinblick auf seine andere Rechtsauffassung keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, aus denen geschlossen werden könnte, ob es der Klägerin zuzumuten ist, eine Trennung vom landwirtschaftlichen Betrieb vorzunehmen oder ob triftige Gründe dies vorübergehend als unzumutbar erscheinen lassen. Solche triftigen Gründe können vor allem auf der sozialen oder wirtschaftlichen Lage des Erkrankten, dem Verhalten des Versicherungsträgers, der von der Möglichkeit, Übergangsleistungen zu gewähren, keinen Gebrauch macht, oder auch auf unabweisbaren Erfordernissen des Unternehmens beruhen (vgl. BSG 10, 286, 291; SGb 1960, 212). Wie der 8. Senat in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt hat (Urteil vom 25. Februar 1976 - 8 RU 70/75), sind dabei auch die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen, wobei im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dazu Stellung zu nehmen ist, ob bei Ehegatten, die gemeinschaftlich einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, die Voraussetzung der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung im Grundsatz anders zu bewerten ist als bei sonstigen ein Unternehmen gemeinschaftlich betreibenden versicherten Ehegatten. Dazu besteht um so weniger Anlaß, als die Beklagte wohl aufgrund des Urteils des 8. Senats vom 25. Februar 1976 (8 RU 70/75) - sie war in jenem Verfahren ebenfalls als Beklagte beteiligt - nicht mehr ernstlich die Auffassung vertritt, daß die Aufgabe der beruflichen Beschäftigung einer mitarbeitenden Landwirtsfrau erst dann vollzogen sein würde, wenn sie sich auch von ihrem Ehegatten trennt oder dieser seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben hat.
Sollte sich ergeben, daß für einen bestimmten Zeitraum triftige Gründe vorliegen, die es für die Klägerin unzumutbar erscheinen lassen, eine Trennung vom landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemannes vorzunehmen, wird das LSG auch zu prüfen haben, ob das Bronchialasthma, an dem die Klägerin leidet, in einem ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin steht und in welchem Maße es sie in ihrer Erwerbsfähigkeit mindert.
Soweit die Klägerin - alternativ - die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach § 551 Abs. 2 RVO begehrt, hat ihre Revision keinen Erfolg.
Während nach § 551 Abs. 1 RVO als Arbeitsunfall nur solche Krankheiten gelten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (vgl. auch § 1 der 7. BKVO), sollen die Träger der Unfallversicherung gemäß § 551 Abs. 2 RVO im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind. Durch § 551 Abs. 2 RVO ist dem Unfallversicherungsträger ein begrenztes Ermessen eingeräumt (Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 12 zu § 551).
Im bisherigen Verfahren hat die Klägerin ihren Rentenanspruch allein darauf gestützt, daß die bei ihr bestehende Krankheit in der Nr. 41 der Anlage 1 der 7. BKVO als Berufskrankheit bezeichnet sei. Nunmehr stützt sie ihn auch auf § 551 Abs. 2 RVO. Darin liegt eine Klageänderung, die im Revisionsverfahren gemäß § 168 SGG unzulässig ist (vgl. BSG 18, 12, 14). Zudem hat die Beklagte über den Anspruch der Klägerin, ihre Krankheit nach § 551 Abs. 2 RVO wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, bisher noch nicht entschieden; auch ist das nach § 78 SGG erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt (vgl. BSG 35, 267, 271). Insoweit hatte die Revision daher keinen Erfolg.
Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückverwiesen werden. Im übrigen war die Revision zurückzuweisen. Kosten sind insoweit nach § 193 SGG nicht zu erstatten.
Fundstellen