Leitsatz (amtlich)
Die Schwesternschaft des Evangelischen Diakonievereins eV in Berlin-Zehlendorf ist keine Arbeitnehmervereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung iS des SGG § 166 Abs 2.
Normenkette
SGG § 166 Abs. 2 Fassung: 1958-08-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1970 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin hat gegen das am 25. Februar 1970 zugestellte Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1970 durch ihren Bevollmächtigten Dr. W G. mit Schriftsatz vom 13. März 1970, eingegangen beim Bundessozialgericht am 16. März 1970, Revision eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist unzulässig, weil es nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben ist (BSG, SozR Nr. 1 zu § 166 SGG).
Nach § 166 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) müssen die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, sich durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 166 Abs. 2 SGG sind als Prozeßbevollmächtigte außer Rechtsanwälten die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern und von Vereinigungen der Kriegsopfer zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind.
Der Bevollmächtigte der Klägerin Dr. G ist Angestellter des Ev. Diakonievereins e. V. in B. Dieser Verein fällt nicht unter die in § 166 Abs. 2 SGG aufgeführten Organisationen. Nach der überreichten Satzung gehört der Verein dem diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland "Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland" an (§ 2). Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. Seine Tätigkeit ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet. Er dient Hilfsbedürftigen durch Kranken- und Altenpflege, Gesundheitspflege, Gemeindepflege, Erziehungs- und Jugendarbeit. Die Durchführung dieser Zwecke geschieht durch die Ausbildung von Schwestern und Unterhaltung einer Schwesternschaft, ferner durch Abschluß von Verträgen, die die Arbeit der Schwestern ordnen sowie durch die Erwerbung, Errichtung, Unterhaltung und Pachtung von Anstalten und die Beteiligung an solchen. Die Aufnahme neuer Arbeiten auf den Gebieten der offenen, halboffenen und geschlossenen Fürsorge im Rahmen der Satzungszwecke geschieht jeweils durch Beschluß des Vorstandes (§ 3). Mitglieder des Ev. Diakonievereins können alle diejenigen Personen sowie Gemeinden, Anstalten und Stiftungen werden, welche die Vereinszwecke fördern wollen und sich zur Zahlung der Vereinsbeiträge verpflichten (§ 5). Nach dem Zweck der Satzung und der Zusammensetzung seiner Mitglieder ist der Ev. Diakonieverein e. V. somit insbesondere weder als Arbeitgebervereinigung noch als Arbeitnehmervereinigung im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG anzusehen (vgl. hierzu BVerfG in SozR Nr. 1 zu § 166 SGG - Bl. Db 1; BSG in SozR Nr. 36 zu § 166 SGG - Bl. Da 18). Der Bevollmächtigte der Klägerin ist jedoch zugleich noch für die "Schwesternschaft des Ev. Diakonievereins e. V." aufgetreten. Hier wäre allerdings in Betracht gekommen, ob diese als Arbeitnehmervereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung gelten könnte. Auch dies ist jedoch zu verneinen. Selbständige Vereinigungen der genannten Art sind nur solche organisatorischen Zusammenschlüsse fremd bestimmte Arbeit leistender Personen, denen ausschließlich oder überwiegend die Aufgabe obliegt, die sozial- oder berufspolitischen Interessen ihrer Mitglieder unabhängig von der sozial- oder berufspolitischen Gegenseite (Sozialpartner) wahrzunehmen sowie ihren Mitgliederkreis im Rahmen dieser Aufgabengebiete zu beraten und zu vertreten (BSG, SozR Nr. 15 zu § 166 SGG). Dabei fehlt es hier vor allem an der Unabhängigkeit von der sozial- oder berufspolitischen Gegenseite.
Nach der überreichten Satzung des Ev. Diakonievereins e. V. und der überreichten Ordnung der Schwesternschaft des Ev. Diakonievereins ist der Vorstand des Diakonievereins zugleich der Vorstand der Schwesternschaft. Ferner wird die Schwesternschaft vom Diakonieverein unterhalten und von ihm vertreten. Diesem obliegt die Führung aller Angelegenheiten der Schwesternschaft. Er ist somit Träger der Schwesternschaft und nimmt ferner die Schwestern auf und gewährleistet ihnen Unterhalt und sorgt dafür, daß für sie Beiträge zu einer Versorgung bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und im Alter gezahlt werden. Die Schwesternschaft ist im übrigen eine evangelische Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Ihr Dienst ist Diakonie im Auftrag des Herrn der Kirche und vollzieht sich nach den genossenschaftlichen Ordnungen der Schwesternschaft. Darum stehen die Diakonieschwestern zur Schwesternschaft in keinem arbeitsrechtlichen Verhältnis, sondern sind Glieder der Schwesternschaft. Sie werden, soweit sie nicht in eigenen Anstalten des Vereins arbeiten, durch Berufung vom Vorstand einem Arbeitsfeld zugewiesen, mit dem ein Schwesternschaftsvertrag abgeschlossen ist. Ein Vertragsverhältnis zwischen den Schwestern einerseits und dem Arbeitsfeld andererseits besteht dabei nicht. Infolgedessen beteiligen sich die Schwestern auch nicht an den Wahlen zu Betriebsräten, Mitarbeitervertretungen oder Mitarbeiterausschüssen; sie können aber Delegierte aus ihrer Mitte in solche Ausschüsse entsenden. Ferner können sie beim Vorstand des Diakonievereins ihre Abberufung oder Versetzung beantragen, wenn triftige Gründe vorliegen (vgl. insbesondere die §§ 1, 15 Nr. 1 und 4 der Ordnung der Schwesternschaft).
Die Schwesternschaft ist damit ein Teil des Diakonievereins. Vor allem aber sind beide gewissermaßen der Arbeitgeber der Schwestern, was sich insbesondere daraus ergibt, daß der Vorstand des Diakonievereins ihren Einsatz bestimmt und für ihre Versorgung sorgt (ebenso BSG 28, 208, 210 für Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz). Unter diesen Umständen kann die Schwesternschaft nicht als selbständige Arbeitnehmervereinigung mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung angesehen werden, die in wirtschaftlicher Unabhängigkeit die Interessen der Schwestern gegenüber dem Diakonieverein wahrzunehmen hätte. Dazu kommt noch, daß Dr. G auch nicht Mitglied oder Angestellter der Schwesternschaft ist. Somit sind auch insoweit die Voraussetzungen für eine Prozeßvertretung nach § 166 Abs. 2 SGG nicht erfüllt.
Somit ist wie geschehen nach § 169 SGG zu beschließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen