Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit eines Hauers im Ruhrkohlenbergbau, der wegen sogenannter Früh-Silikose nach Übertage verlegt wurde.
Orientierungssatz
Auch eine beginnende bis leichte Silikose, die noch zu keinen Ausfallerscheinungen an Herz und Kreislauf geführt hat, stellt als regelwidriger Körperzustand eine Krankheit iS des Rentenversicherungsrechts dar.
Normenkette
RKG § 45 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 1961 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahre 1928 geborene Kläger, der zunächst in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet hatte, war seit Oktober 1947 im Bergbau unter Tage zunächst als Schlepper, Gedingeschlepper und Lehrhauer und seit Oktober 1952 als Hauer tätig. Auf Veranlassung der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) wurde er am 24. September 1957 als Transportarbeiter nach Übertage verlegt, nachdem die Ärzte ihn wegen einer beginnenden Silikose nach § 308 Abs. 3 der Bergpolizeiverordnung des Oberbergamts D für untauglich angesehen hatten, unter Tage zu arbeiten. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 22. Oktober 1957 auf Gewährung der Bergmannsrente mit der Begründung ab, er könne noch gleichwertige Arbeiten unter Tage verrichten. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Sozialgericht hat die Beklagte am 21. April 1960 unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Bergmannsrente gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) ab 1. Oktober 1957 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 21. Dezember 1961 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger sei zumindest seit Oktober 1957 vermindert bergmännisch berufsfähig im Sinne des hier anzuwendenden § 45 Abs. 2 RKG. Er sei wegen der silikotischen Veränderungen, die eine Krankheit im Sinne der genannten Bestimmung darstellten, nicht mehr in der Lage, unter Tage zu arbeiten, weil er nach § 308 der BPVO für die Steinkohlenbergwerke im Verwaltungsbezirk des Oberbergamts D vom 1. Mai 1935/1. Juli 1953 (BPVO) dort nicht mehr beschäftigt werden dürfe; ihm sei aber auch eine Tätigkeit unter Tage nicht mehr zumutbar, weil ihm hierdurch nach ärztlichem Urteil die Gefahr einer verhältnismäßig schnellen Verschlimmerung der Silikose drohe. Die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage ohne Zuschlag seien der Hauerarbeit nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Die Tätigkeiten der Lohngruppen Ia über Tage sowie die durch einen Sonderzuschlag zum Schichtlohn der Lohngruppe I über Tage begünstigten Arbeiten seien der Hauerarbeit zwar noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, müßten aber - wie das LSG im einzelnen ausführt - aus anderen Gründen für eine Verweisung des Klägers ausscheiden. Sie setzten entweder die Erlernung eines Handwerks oder, wie die Aufseher- und Vorarbeitertätigkeiten, eine längere Einarbeitung und Bewährung im speziellen Arbeitsbereich voraus; ähnlich sei es bei den Tätigkeiten eines Oberfeuerwehrmanns, Oberheizers, Obermaschinisten, eines Schalttafelwärters in Hauptschaltwarten sowie eines Lokomotivführers für Normalspur. Die ebenfalls noch gleichwertige Tätigkeit als Hängebankaufseher komme so selten vor, daß ein Hauer nur darauf verwiesen werden könne, wenn er einen entsprechenden Arbeitsplatz innehabe. Das gelte auch für die Tätigkeiten als Reservefördermaschinist und als 1. Anschläger an Hauptförderschächten, weil sich dort die Einsatzmöglichkeit für den Kläger auf Anlagen ohne Seilfahrt beschränke; für Anlagen mit Seilfahrt fehlten ihm die vorgeschriebenen ausbildungsmäßigen Voraussetzungen. Schließlich könne der Kläger auch nicht auf die noch gleichwertigen Kokereitätigkeiten der Lohngruppe I mit festem Zuschlag verwiesen werden, weil es sich dabei nicht um Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handele. Sie setzten im Vergleich zum Hauer entweder keine oder doch eine völlig andere Ausbildung voraus, bei der die wichtigsten bergmännischen Grundkenntnisse weder vermittelt würden noch verwertet werden könnten. Sie seien im allgemeinen einfacher Art, so daß sie nach kurzer Einarbeitung nicht nur von jedem Hauer, sondern auch von jedem anderen Arbeiter verrichtet werden könnten.
Gegen das ihr am 19. März 1962 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. März 1962 die Revision eingelegt und am 17. Mai 1962 begründet. Sie rügt die unrichtige Anwendung des § 45 Abs. 2 RKG. Die beim Kläger vorliegende beginnende bis leichte Silikose begründe noch keine meßbare Minderung seiner Leistungskraft. Er könne daher noch gleichwertige Tätigkeiten der Sondergruppe und der Lohngruppe I unter Tage an staubarmen Betriebspunkten verrichten. Hiergegen bestehe auch kein bergpolizeiliches Verbot. Der in Betracht kommende § 308 der BPVO des Oberbergamtes Dortmund bestimme nicht ausdrücklich, daß die ärztliche Beurteilung für den Einsatz der Belegschaftsmitglieder allein maßgeblich sei; das ergebe sich vielmehr erst aus den vom Oberbergamt erlassenen Verfügungen und Richtlinien, die aber kein objektives Recht darstellten. Der Kläger sei auch dann noch nicht vermindert bergmännisch berufsfähig, wenn man ihn nicht auf Untertagearbeiten verweisen könne. Er sei nämlich noch in der Lage, gleichwertige Arbeiten über Tage zu verrichten. Auch die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage ohne Zuschlag seien nämlich der Hauerarbeit noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, weil der Lohnunterschied sich im wesentlichen konstant unter 22 % gehalten habe. Der Unterschied zwischen den Löhnen der Lohngruppe I unter Tage und denen der Lohngruppe I über Tage sei nur geringfügig, so daß man nicht die wirtschaftliche Gleichwertigkeit bei dieser verneinen könne, wenn man sie bei jener bejahe. Der Gesetzgeber habe durch die Neufassung der Bestimmungen über die frühere Knappschafts-, jetzige Bergmannsrente gerade die Möglichkeit der Verweisung ehemaliger Hauer auf Übertagetätigkeiten eröffnen wollen, habe also zumindest die höchste Lohngruppe über Tage als wirtschaftlich gleichwertig angesehen. Er habe auch verhindern wollen, daß das verbliebene Einkommen zuzüglich der Rente höher würde als der früher erzielte Lohn. Schließlich könne der Kläger aber auch noch auf Tätigkeiten der Lohngruppe I a und der Lohngruppe I mit festem Zuschlag verwiesen werden z. B. auf Tätigkeiten im Kokereibetrieb sowie auf die des Schalttafelwärters in Hauptschaltwarten und die des 1. Anschlägers an Hauptförderschächten. Bergpolizeiliche Vorschriften dürften, was die letztgenannte Tätigkeit betreffe, insoweit nicht berücksichtigt werden, auch könne die hiernach vorausgesetzte Tätigkeit im Schachtförderbetrieb unter Tage nachgeholt oder durch die übliche Vortätigkeit als 2. Anschläger über Tage ersetzt werden. Bei diesen dem Kläger noch möglichen und im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten handele es sich auch um solche von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten. Sie erforderten außer einer kürzeren Einweisungszeit keine besondere Ausbildung, seien aber hinsichtlich der zu ihrer Ausübung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten der früheren Tätigkeit des Klägers gleichwertig, da sie nicht etwa nur mechanische Verrichtungen erforderten; auch entspreche ihr soziales Prestige dem der Hauertätigkeit, zumal sie häufig von ehemaligen Hauern ausgeübt würden. Die frühere Begrenzung der Verweisbarkeit auf artverwandte Tätigkeiten sei in das neue knappschaftliche Rentenrecht bewußt nicht übernommen worden. Es sei im übrigen stets Rechtens gewesen, einen Hauer bei Grubenuntauglichkeit auf entsprechende Tätigkeiten in Tagesbetrieben von Zechen zu verweisen; insoweit dürfe sich ein Gewohnheitsrecht gebildet haben.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. April 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Sie entspreche der Gesamtkonzeption des neuen Rentenrechts und beruhe auf besonders eingehender Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit müsse auch berücksichtigt werden, daß bei Arbeiten über Tage die Bergmannsprämie wegfalle, zumal diese neuerdings vom Arbeitgeber zu leisten sei.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet. Sozialgericht und LSG haben zu Recht den Kläger als früheren Hauer für vermindert bergmännisch berufsfähig im Sinne von § 45 RKG angesehen. Die Annahme des LSG, der Kläger sei zumindest seit November 1957 nicht mehr in der Lage, unter Tage zu arbeiten, weil er durch Krankheit daran gehindert werde, ist nicht zu beanstanden. Daß auch eine beginnende bis leichte Silikose, die noch zu keinen Ausfallerscheinungen an Herz und Kreislauf geführt hat, als regelwidriger Körperzustand eine Krankheit im Sinne des Rentenversicherungsrechts darstellt, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung BSG 14, 207/211, an der er festhält, ausgeführt. Das Revisionsvorbringen der Beklagten, der Kläger werde durch diese Krankheit nicht an der Verrichtung gleichwertiger Arbeiten unter Tage gehindert, greift nicht durch. Zunächst hat das LSG auf Grund der vorliegenden medizinischen Gutachten festgestellt, daß dem Kläger bei Verrichtung von Untertagearbeiten die Gefahr einer verhältnismäßig schnellen Verschlimmerung der Silikose drohe und er aus dem Grunde der Unzumutbarkeit daher für die Bergarbeit untauglich sei. An diese tatsächliche Feststellung, die von der Revision nicht in zulässiger Weise angegriffen worden ist, ist der Senat gebunden. Daß eine krankheitsbedingte Einschränkung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Rentenrechts nicht nur auf einer direkten Schwächung der körperlichen Kräfte, sondern auch auf der Unzumutbarkeit von Erwerbstätigkeiten wegen schwerwiegender gesundheitlicher Gefährdung beruhen kann, bedarf keiner weiteren Begründung. Darüber hinaus hat das LSG aber auch festgestellt, daß der Kläger nach § 308 BPVO des Oberbergamts Dortmund nicht mit Untertagearbeiten beschäftigt werden darf. Die Auslegung dieser Bestimmung ist, wie der Senat bereits in seiner Entscheidung BSG 3, 171/175 ausgeführt hat, der Revision nicht zugänglich, da es sich um eine nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus geltende und daher gemäß § 162 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) irrevisible Vorschrift handelt. In der genannten Entscheidung hat der Senat auch eingehend begründet, daß die dem Oberbergamt in § 197 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (ABG) eingeräumte Ermächtigung zum Erlaß von Polizeiverordnungen diese Bestimmung deckt; einer Wiederholung dieser Gründe bedarf es hier nicht. Im übrigen muß es auch genügen, daß der Kläger wegen der bei ihm vorliegenden Krankheit tatsächlich nicht mehr unter Tage beschäftigt werden kann, um seine Verweisung auf solche Arbeiten auszuschließen.
Der Kläger kann aber im Rahmen des § 45 Abs. 2 RKG auch nicht auf Arbeiten über Tage verwiesen werden. Der Senat hält an seiner Auffassung (s. BSG 17, 196/198) fest, daß die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage seit der Lohnordnung vom 15. Februar 1956 der Hauerarbeit nicht mehr im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig sind. Er hat in der genannten Entscheidung die Lohnordnungen vom 15. Februar 1956, 1. Juli 1957, 1. Mai 1959 und 1. Mai 1960 insgesamt betrachtet, weil sie eine einheitliche Entwicklungslinie erkennen lassen, bei der man von einem konstanten Lohnunterschied von annähernd 22 % ausgehen kann. Das gleiche gilt auch für die folgenden Lohnordnungen vom 1. Oktober 1960, 1. Juli 1961 und 1. Juli 1962. Die Gründe, die die Beklagte für ihre Ansicht, die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage seien der Hauerarbeit noch wirtschaftlich gleichwertig, vorbringt, vermögen nicht zu überzeugen. Falls der Gesetzgeber durch den Wegfall des Erfordernisses der "Gleichartigkeit" bei den Verweisungstätigkeiten tatsächlich hätte bewirken wollen, daß Hauer auch auf die Arbeiten der Lohngruppe I über Tage verwiesen werden sollten, so hätte er nicht übersehen können, daß bereits seit über einem Jahr vor der Verkündung des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) die relative Differenz zwischen dem tariflichen Hauerlohn und dem Schichtlohn der Lohngruppe I über Tage etwa 26,4 % betrug, eine wesentliche wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen diesen Tätigkeitsgruppen also auch bei großzügiger Auslegung dieses Begriffs nicht mehr gegeben war. Keinesfalls läßt sich aus dem Weglassen des Erfordernisses der Gleichartigkeit die Absicht des Gesetzgebers erkennen, auch den Begriff der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit selbst wesentlich zu verändern. Der Wegfall dieses Erfordernisses kann sich daher nur im Rahmen der gleichwertigen Tätigkeiten auswirken.
Wenn die Beklagte weiter darauf hinweist, daß nach der Rechtsprechung des Senats (BSG 13, 29) die Tätigkeiten der Lohngruppe I unter Tage der Hauertätigkeit noch gleichwertig seien und daß die Differenz zwischen den Schichtlöhnen der Lohngruppen I unter und über Tage zu gering sei, um eine verschiedene Beurteilung hinsichtlich der Gleichwertigkeit gegenüber der Hauertätigkeit zu rechtfertigen, so verkennt sie, daß schließlich die Grenze der Gleichwertigkeit zur Ungleichwertigkeit an irgendeiner Stelle gezogen werden muß. Die Differenz zwischen dem Lohn, der gerade noch als im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden kann und dem Lohn, bei dem das eben nicht mehr zulässig ist, muß - worauf das LSG mit Recht hinweist - umso geringer sein, je stärker die Lohnordnung aufgegliedert ist und die Löhne untereinander differenziert sind. Zwar muß nach der bisherigen Rechtsprechung bei Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit die Gewährung der Bergmannsprämie für Untertagearbeiter grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, man wird jedoch im Rahmen der Abgrenzung unterstützend in Betracht ziehen können, daß bei der Tarifgestaltung diese Prämie praktisch nicht unberücksichtigt geblieben ist, daß also ohne die Existenz dieser Prämie die Differenz zwischen den beiden Lohngruppen höher ausgefallen wäre.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß es dem Sinn der Rentengewährung nicht entsprechen würde, wenn die Bergmannsrente zusammen mit dem verbliebenen Arbeitsverdienst des Versicherten den Verdienst aus seiner früheren Tätigkeit übersteigen würde. Hierzu hat das LSG aber durch eine Auskunft der Beklagten vom 23. Mai 1961 festgestellt, daß die Durchschnittsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit einschließlich Leistungszuschlag, aber ohne Kinderzuschuß, nach der 3. Rentenanpassung nur 93,79 DM betrug, während die Lohndifferenz zwischen dem tariflichen Hauerlohn und dem Lohn der Lohngruppe I über Tage im vergleichbaren Zeitpunkt monatlich 127,88 DM ausmachte. Selbst ohne Berücksichtigung des Umstandes, daß der tatsächliche Hauerdurchschnittslohn ganz erheblich über dem tariflichen Hauerlohn (Gedingerichtsatz) liegt, und ohne Berücksichtigung der über Tage wegfallenden Bergmannsprämie bewirkt also die Bergmannsrente noch keineswegs den vollen Lohnausgleich für grubenuntauglich gewordene Hauer, die eine Tätigkeit der Lohngruppe I über Tage verrichten.
Nun waren allerdings schon nach den früheren, bis zum 30. September 1960 geltenden Lohnordnungen die Schichtlöhne verschiedener Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage mit Sonderzuschlägen ausgestattet, durch welche sie die Höhe des Tariflohns der Lohngruppe I unter Tage erreichten und überschritten. Jene Tätigkeiten sind daher - wenn man die Bergmannsprämie unberücksichtigt läßt - zwar als der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig anzusehen, scheiden aber aus anderen Gründen für die Verweisung des Klägers aus. Das gilt zunächst für die Tätigkeiten der gelernten Handwerker, weil der Kläger keine abgeschlossene Handwerkerlehre aufzuweisen hat. Als Reservefördermaschinist könnte der Kläger nach den Feststellungen des LSG mangels besonderer Vorbildung allenfalls an Förderschächten ohne Seilfahrt tätig sein; da es sich hierbei regelmäßig nur um eine Vertretungstätigkeit handelt und es nur sehr wenige feste Arbeitsplätze dieser Art gibt, muß hierfür der gleiche Grundsatz gelten, den der Senat bereits für die Tätigkeit des Brückenaufsehers im Arbeiterverhältnis (Hängebankaufseher) ausgesprochen hat, daß nämlich eine Verweisung darauf nur möglich ist, wenn der Versicherte einen solchen Arbeitsplatz innehat (BSG 5, 84 u. 14, 207). Mit Recht hat das LSG auch die Verweisung des Klägers auf gleichwertige Vorarbeiter - und Aufsehertätigkeiten abgelehnt, weil sie nach dem Ergebnis seiner Ermittlungen eine längere Einarbeitung und Bewährung im speziellen Arbeitsbereich voraussetzen, die der Kläger nicht aufzuweisen hat. Es bestehen aber überhaupt Bedenken dagegen, einen Versicherten, der bis dahin - wenn auch weitgehend selbständig und unter erheblicher Verantwortung - nur als ausführender Facharbeiter tätig gewesen ist, ohne weiteres auf Tätigkeiten zu verweisen, deren charakteristisches Merkmal die Beaufsichtigung, Einteilung und Führung von Menschen ist; die hierfür erforderlichen besonderen Qualitäten können bei einem Hauer nicht notwendig vorausgesetzt werden. Es kommt hinzu, daß es sich dabei regelmäßig um Beförderungsstellen handelt, die im Bedarfsfalle nach besonderer Auswahl vergeben werden. Die Stellung als Oberfeuerwehrmann setzt eine vorgängige Tätigkeit als Feuerwehranwärter und Feuerwehrmann voraus. Auch für die Tätigkeit als Lokomotivführer für Normalspur hat das LSG festgestellt, daß sie der Kläger mangels der hierzu erforderlichen längeren Ausbildung nicht verrichten kann.
Seit der Lohnordnung vom 1. Oktober 1960 sind eine Reihe von Übertagetätigkeiten in die neu geschaffene Lohngruppe Ia über Tage eingestuft und damit der Hauerarbeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geworden. Von diesen Tätigkeiten müssen die des Obermaschinisten, Oberheizers und Schalttafelwärters an Hauptschaltwarten für eine Verweisung des Klägers ausscheiden, weil sie nach den Feststellungen des LSG eine mindestens ein- bis zweijährige Ausbildung voraussetzen. Ferner ist die Tätigkeit des 1. Anschlägers über Tage der Hauertätigkeit nunmehr gleichwertig geworden, aber nur soweit sie an Hauptförderschächten ausgeübt wird. Der Senat hat erhebliche Bedenken, ob bei dieser wesentlichen Beschränkung der Zahl der in Frage kommenden Arbeitsplätze eine generelle Verweisung früherer Hauer auf diese Tätigkeit überhaupt noch zulässig wäre. Bei dem Kläger muß sie schon deshalb ausscheiden, weil er nicht mindestens ein halbes Jahr im Schachtförderbetrieb unter Tage beschäftigt war und somit die bergpolizeilich vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Bestellung als Anschläger an Hauptseilfahrtanlagen nicht erfüllt. Der Einwand der Beklagten hiergegen, der Kläger könne diese Vorbereitungszeit nachholen, verkennt, daß - ganz abgesehen von dem Verbot der Untertagearbeit - diese Vorbereitungszeit für eine Verweisungstätigkeit zu lang ist. Ihr weiterer Einwand, der Weg zur Tätigkeit als 1. Anschläger gehe über die des 2. Anschlägers, berücksichtigt nicht, daß diese Tätigkeit (Lohngruppe II über Tage) der Hauertätigkeit nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig ist. Daß schließlich im Rahmen der Rentenversicherung niemand auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, für die ihm die gewerberechtlich vorgeschriebene Ausbildung fehlt, bedarf keiner näheren Begründung; insoweit können - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch bergpolizeiliche Vorschriften mittelbar von rentenversicherungsrechtlicher Bedeutung sein. Verbleiben somit als für den Kläger in Betracht kommende Arbeitsplätze nur solche an Hauptförderschächten, die nicht zugleich Hauptseilfahrtanlagen sind, so ist die Feststellung des LSG, deren Zahl sei zu gering, um grubenuntaugliche Hauer darauf verweisen zu können, jedenfalls nicht zu beanstanden.
Als der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig verbleiben dann noch diejenigen Tätigkeiten der Lohngruppe I im Kokereibetrieb, die durch einen tariflichen Schichtlohnzuschlag begünstigt werden. Mit Recht hat aber das Berufungsgericht die Verweisung eines Hauers auf diese Tätigkeiten abgelehnt, weil es sich nicht um solche "von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten" handelt. Diesem Tatbestandsmerkmal des § 45 RKG kommt, nachdem das Erfordernis der "Gleichartigkeit" aus § 35 RKG aF bewußt nicht in das neue Recht übernommen worden ist, gegenüber früher eine erhöhte Bedeutung zu. Es sollte damit nicht etwa nur verhindert werden, daß ein Versicherter auf Arbeiten verwiesen würde, für die ihm die nötige Ausbildung und die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlten. Hätte der Gesetzgeber diese selbstverständliche Einschränkung der Verweisungsmöglichkeit noch besonders hervorheben wollen, so hätte er sicher nicht von "ähnlicher" Ausbildung und "gleichwertigen" Kenntnissen gesprochen.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß durch die Beibehaltung dieses Erfordernisses nicht etwa der Wegfall des früheren Erfordernisses der Gleichartigkeit bedeutungslos geblieben ist. Bei der Beurteilung der früheren Gleichartigkeit standen objektive Gesichtspunkte (Arbeitsplatz, Arbeitszweck usw) im Vordergrund; als einander gleichartig galten daher beispielsweise alle typisch bergmännischen Tätigkeiten. Für die Beurteilung, ob es sich um Arbeiten von "Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten" handelt, sind dagegen schon nach dem Wortlaut im wesentlichen persönliche Merkmale (Ausbildung, Kenntnisse, Fähigkeiten) maßgebend. Demgemäß stellt es das Urteil des Senats vom 4. April 1963 - 5 RKn 64/61 - (Verweisung eines Lehrhauers auf Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage) bei Prüfung dieser Frage letztlich darauf ab, daß dem Versicherten nur Tätigkeiten in ähnlicher sozialer Stellung zugemutet werden sollen. Dem stehen die Ausführungen in seinem Urteil BSG 5, 194 (Verweisung eines Lehrhauers auf die Arbeit als Ausbauhelfer), wonach alle eigentlich bergmännischen Tätigkeiten auch solche von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten sind, nicht entgegen. Denn als entscheidend wird auch dort nicht die "objektive" Gleichartigkeit der Tätigkeiten als solche angesehen, sondern der Umstand, daß die Ausbildung zu allen diesen Tätigkeiten insofern "ähnlich" ist, als sie die wichtigsten bergmännischen Grundkenntnisse und -fähigkeiten vermittelt und daß die Kenntnisse und Fähigkeiten der mit eigentlich bergmännischen Arbeiten Beschäftigten deshalb einander "gleichwertig" sind, weil sie diese Bergleute befähigen, nach kurzer Einarbeitung auch alle sonstigen eigentlich bergmännischen Tätigkeiten zu verrichten.
Im vorliegenden Fall scheidet für den Kläger nach dem weiter oben Ausgeführten eine Verweisung auf eigentlich bergmännische Arbeiten ohnehin aus. Die für ihn vielmehr nur noch in Betracht kommenden Kokereitätigkeiten der Lohngruppe I mit Zuschlag sind weder bergmännische Tätigkeiten, noch diesen artverwandt. Wie das LSG festgestellt hat, erstreckt sich auch weder die theoretische noch die praktische Hauerausbildung auf Kokereitätigkeiten, während die Kokereiarbeiten wiederum weder bergmännische Kenntnisse erfordern noch vermitteln. Nach den Feststellungen des LSG sind die Tätigkeiten der Kokereiarbeiter im allgemeinen einfacher Art, so daß sie nicht nur von einem Hauer, sondern auch von jedem anderen Arbeiter nach kurzer Einarbeitung verrichtet werden können. Demgegenüber setzt die Tätigkeit als Hauer entweder eine ordentliche Lehr- und anschließende Knappenzeit oder aber - bei Neubergleuten - doch eine mehrjährige Tätigkeit als Gedingeschlepper und Lehrhauer mit abschließender Prüfung voraus. Hauer und Kokereiarbeiter sind daher nicht Personen mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten. Beim Übergang zur Kokereiarbeit steht der Hauer als hochqualifizierter Facharbeiter im wesentlichen einem bergfremden ungelernten Arbeiter gleich, weil er eben - anders als beim Übergang zur Tätigkeit etwa eines Wettermanns, Zimmerhauers oder Grubenlokführers - seine Fachkenntnisse dort nicht verwerten kann. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 4. April 1963 die Verweisung eines Bergmanns auf Maschinistentätigkeiten im Kokereibetrieb gebilligt hat, so unter ausdrücklicher Hervorhebung des Umstandes, daß er als Lehrhauer noch nicht voll ausgebildet war. Wenn ein Lehrhauer auch teilweise die gleiche Arbeit verrichte wie ein Vollhauer, so müsse dieser doch hinsichtlich seiner Kenntnisse und Fähigkeiten höher eingestuft werden; es lasse sich daher noch vertreten, einem Lehrhauer die genannten Tätigkeiten zuzumuten. Die Begründung dieser Entscheidung, an der der Senat festhält, läßt bereits die Tendenz erkennen, bei der Verweisbarkeit auf Tagesarbeiten einen Unterschied zwischen dem Lehrhauer und dem Vollhauer zu machen. Die Möglichkeit, nach neuem Recht einen Lehrhauer auf solche Tagesarbeiten zu verweisen, was nach § 35 RKG aF wegen fehlender "Gleichartigkeit" nicht möglich war, zeigt, daß der Wegfall dieses Erfordernisses keineswegs dadurch bedeutungslos wurde, daß die Prüfung, ob es sich um eine Tätigkeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handelt, weiterhin erforderlich blieb. Diese Gesetzesänderung ist auch in den Fällen von Bedeutung, in denen ein Hauer auf Grund einer besonderen Ausbildung oder besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist, im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeiten über Tage - etwa als gelernter Handwerker, Obermaschinist oder Vorarbeiter - zu verrichten, die seiner früheren Tätigkeit zwar nicht "gleichartig" im Sinne von § 35 RKG aF sind, aber die Voraussetzungen einer "ähnlichen Ausbildung" und "gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten" erfüllen, weil sie in der Regel zumindest eine längere Einarbeitung und erhebliche praktische Erfahrung verlangen. Die Zumutbarkeit der Verweisung im Rahmen des § 45 RKG ist allerdings nicht identisch mit der im Sinne von § 46 RKG. Es genügt nicht, daß die entsprechenden Tätigkeiten sich - wie bei der Verweisung eines Hauers im Rahmen von § 46 Abs. 2 RKG - aus der Masse der ungelernten Arbeiten etwa durch das Erfordernis besonderer Zuverlässigkeit und eines gehobenen Verantwortungsbewußtseins hervorheben (zB Verwieger, Tafelführer), sondern das Gesetz stellt hier ausdrücklich gerade für die Verweisungstätigkeit das Erfordernis einer ähnlichen Ausbildung und gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten auf.
Ein Hauer, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unter Tage arbeiten kann oder darf und der außer seiner bergmännischen Ausbildung nicht noch über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten für qualifizierte Tagesarbeiten in knappschaftlichen Betrieben verfügt, ist daher regelmäßig als vermindert bergmännisch berufsfähig im Sinne von § 45 RKG anzusehen. Dieses Ergebnis entspricht auch der Bedeutung der Bergmannsrente im Rahmen des neuen Rentenrechts; sie soll dem qualifizierten Bergmann, der aus gesundheitlichen Gründen seinen eigentlichen, verhältnismäßig hoch entlohnten Beruf nicht mehr ausüben kann, aber noch nicht am Ende seines Berufslebens überhaupt steht, einen wesentlichen, wenn auch in den meisten Fällen nicht vollständigen Lohnausgleich verschaffen. Eine weitere Ausdehnung der Verweisungsmöglichkeit im Rahmen des § 45 RKG würde, nachdem die Verweisungsmöglichkeit im Rahmen des § 46 RKG weitgehend eingeschränkt ist, die Versicherungsfälle der Berufsunfähigkeit und der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit einander so weit annähern, daß die Bergmannsrente ihre besondere sozialpolitische Bedeutung für den Bergmannsberuf verlieren würde. Die krankheitsbedingte Verlegung nach Übertage stellt zudem, worauf das LSG mit Recht hinweist, einen so entscheidenden Einschnitt im Berufsleben des Hauers dar, daß es einer natürlichen Betrachtungsweise entspricht, sie regelmäßig als den Versicherungsfall der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit anzusehen; sie ist ferner für die Beteiligten klar zu erkennen und datumsmäßig festzustellen, was die Anwendung des Gesetzes praktisch erleichtert.
Wenn die Beklagte sich für die Verweisung des Hauers auf Tagesarbeiten auf ein Gewohnheitsrecht beruft, so verkennt sie, daß angesichts einer etwa ein halbes Jahr vor Antragstellung erfolgten erschöpfenden gesetzlichen Regelung der Materie für Gewohnheitsrecht kein Raum ist. Die entsprechende frühere Praxis ist aber durch die sozialpolitische und technische Entwicklung inzwischen überholt. Hierbei sind neben der Veränderung der Gesamtkonzeption des neuen Rentenrechts, besonders die stärkere soziale Hervorhebung des Hauerberufs aus den sonstigen Gedingearbeiten, die Vergrößerung des Abstands zwischen Hauerlohn und Tagesschichtlöhnen und die stärkere Differenzierung unter den Tagesarbeiten selbst zu erwähnen.
Da dem Kläger somit zu Recht die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit zugesprochen wurde, war die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen