Entscheidungsstichwort (Thema)
Eignung zur Beteiligung am ärztlichen Notfalldienst
Leitsatz (amtlich)
1. Die KÄV kann den kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst aufgrund ihres Auftrages zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten (RVO § 368n Abs 1) im Rahmen, ihrer Satzungsautonomie selbständig regeln (Abgrenzung zu BVerwG 1972-12-12 I C 30.69 = BVerwGE 41, 261). Entsprechende Bestimmungen, die die KÄV allein oder zusammen mit der Ärztekammer erläßt, brauchen nicht von der Aufsichtsbehörde genehmigt zu werden.
2. Ein Arzt, der die Voraussetzungen für die Zulassung als Kassenarzt erfüllt, ist in aller Regel auch geeignet, am kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst teilzunehmen; das gilt auch für Fachärzte (Fortführung von BSG 1971-10-19 6 RKa 24/70 = BSGE 33, 165).
3. Macht ein Kassenarzt geltend, er habe seine Eignung für den allgemeinen kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst dadurch verloren, daß er nach der Approbation nur fachärztlich tätig gewesen sei, so trägt er insoweit die Feststellungslast. Die KÄV kann ihn schon während eines Rechtsstreits, der über seine Befreiung vom kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst geführt wird, zu Fortbildungsmaßnahmen heranziehen.
Leitsatz (redaktionell)
Für den kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst kommen nur solche Ärzte in Betracht, die dafür geeignet sind; geeignet ist jeder Arzt, der mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes in der Regel wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden vermag.
Normenkette
RVO § 368 Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368m Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1955-08-17; BMV-Ä § 6 Abs. 4; RVO § 368m Abs. 5 Fassung: 1976-12-28; HeilBerG NW §§ 24, 35
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 10.11.1976; Aktenzeichen L 1 Ka 1/76) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 12.11.1975; Aktenzeichen S 14 Ka 26/75) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1976 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der 1937 geborene Kläger bestand am 26. Juni 1963 sein medizinisches Staatsexamen. Anschließend war er als Medizinalassistent tätig, und zwar vom 1. Juli 1963 bis 31. Dezember 1963 im Institut für Balneologie und Klimaphysiologie an der Universität Freiburg, vom 1. Januar 1965 bis 30. April 1965 auf der chirurgischen und vom 1. Mai 1965 bis 31. Oktober 1965 auf der inneren Abteilung des Vincenz-Krankenhauses Essen-Stoppenberg sowie vom 1. November 1965 bis 28. Februar 1966 auf der gynäkologischen Abteilung des Knappschafts-Krankenhauses Essen-Steele. Seine Promotion erfolgte am 11. August 1965, seine Bestallung als Arzt mit Wirkung vom 28. Februar 1966. Vom 1. März 1966 bis 30. November. 1966 war er Assistent auf der inneren Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Gelsenkirchen. Am 1. Dezember 1966 nahm er seine Weiterbildung zum Radiologen in der Röntgen-Abteilung des Knappschafts-Krankenhauses Essen-Steele auf. Hier war er bis zum 31. Dezember 1970 tätig und erhielt unter dem 16. Februar 1971 seine Anerkennung als Facharzt für Radiologie.
Mit Beschluß des Zulassungsausschusses vom 26. Mai 1971 wurde der Kläger als Facharzt für Radiologie sur Kassenpraxis zugelassen und mit Beschluß der Beteiligungskommission vom 22. Juni 1971 an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Auf diesem Fachgebiet übt der Kläger seit August 1971 seine Praxis in Bielefeld aus.
In Bielefeld sind für die Frauen-, Kinder-, HNO- und Augenärzte fachärztliche Notfalldienste eingerichtet, die jeweils den gesamten Stadtbereich abdecken. Daneben besteht für die übrigen der rd. 280 niedergelassenen Ärzte ein allgemeiner Notfalldienst, für den die Stadt in fünf Bezirke eingeteilt ist. In jedem der Bezirke wird der Notfalldienst jeweils von zwei Ärzten gleichzeitig wahrgenommen, wobei wechselweise einer der Ärzte den Besuchsdienst mit einem Funk-Taxi versieht und der andere in der von der Beklagten für die Stadt eingerichteten Notfallpraxis (Zentrale) einer Notfallsprechstunde abhält sowie für eine telefonische Beratung zur Verfügung steht. An diesem "Sitzdienst" nehmen auch solche Ärzte teil, die aus bestimmten Gründen nicht zum Fahrdienst herangezogen werden. Anfang 1973 wurde der Kläger erstmals davon in Kenntnis gesetzt, daß auch seine Heranziehung zum allgemeinen Notfalldienst beabsichtigt sei. Hiergegen sowie gegen seine Einteilung zum Sitzdienst durch ein Rundschreiben vom 25. April 1974 wandte sich der Kläger mit der Begründung, er fehle die für den Notdienst erforderliche Praxis und Erfahrung der Allgemeinmedizin; er müsse deshalb einen Einsatz auf fachfremdem Gebiet aus Verantwortungsbewußtsein ablehnen. Der Notfalldienstausschuß bei der Bezirksstelle Bielefeld der Beklagten sah in diesem Vorbringen einen Antrag auf Befreiung vom Notfalldienst, den er mit Bescheid vom 25. Februar 1975 ablehnte. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid des Vorstandes der Beklagten vom 2. Mai 1975 mit der Begründung zurückgewiesen, grundsätzlich habe jeder in eigener Praxis tätige Arzt am Notfalldienst teilzunehmen. Da der Kläger nach Alter, Ausbildungsabschluß und bei Berücksichtigung des Zeitpunktes der Aufnahme seiner fachspezifischen Tätigkeit das für den organisierten ärztlichen Notfalldienst erforderliche Können und Allgemeinwissen haben müsse, sei die vom Notfalldienstausschuß getroffene Entscheidung zu bestätigen. Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung der erteilten Bescheide sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Befreiung des Klägers von der Teilnahme am Notfalldienst gerichtete Klage mit Urteil vom 12. November 1975 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Einholung eines Gutachtens über die Eignung des Klägers das SG-Urteil abgeändert und die Bescheide insoweit aufgehoben, als der Kläger über sein Fachgebiet hinaus zur Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst herangezogen wird. In den Entscheidungsgründen ist u.a. ausgeführt: In Bielefeld seien nur 4 Radiologen tätig, weshalb ein eigener Notfalldienst für Radiologen nicht in Betracht komme. Der Kläger, der in der 3 1/2-jährigen Zeit seines beruflichen Werdegangs 2 Jahre und 10 Monate lang nur als Medizinalassistent tätig gewesen sei, sei als Radiologe für den allgemeinen ärztlichen Notfalldienst nicht geeignet. Sein Einwand, die damals erworbenen allgemein-ärztlichen Kenntnisse seien nach 10-jähriger Tätigkeit als Radiologe verblaßt, lasse sicht nicht widerlegen. Ein darauf gestützter Gewissenskonflikt sei hinreichend glaubhaft gemacht. Allerdings sei ihm zuzumuten, sich in angemessener Zeit die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 368 n Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 6 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages/Ärzte (BMV-Ä). Nach ihrer Ansicht gilt die grundsätzlich von allen Ärzten gleichmäßig zu tragende Last der Beteiligung am organisierten ärztlichen Notfalldienst für alle niedergelassenen Ärzte, d.h. für Allgemeinpraktiker und alle anderen Fachärzte. Einem Radiologen würden auf seinem Fachgebiet sämtliche Erkrankungen der gesamten Medizin vorgestellt. Für den Kläger sei nur ein erleichterter Sitzungsdienst für 2 Stunden vorgesehen. Sie beantragt sinngemäß,
das angefochtenen Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. November 1975 als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt dem Sinne nach,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er führt aus, seine Nichteignung sei durch das Gutachten erwiesen.
II.
Der Senat ist mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern dem Gesetz entsprechend besetzt (BSG SozR Nr. 28 zu § 12 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob der Kläger einen Anspruch auf Freistellung vom Allgemeinen kassenärztlichen Bereitschaftsdienst hat, bedarf weiterer Feststellungen.
Die Einrichtung eines kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, der von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) mit den ihnen als Mitgliedern angehörenden Kassenärzten durchgeführt wird, gründet sich auf die bundesgesetzliche Vorschrift in § 368 n Abs. 1 RVO. Danach haben die KÄVen die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht; sie haben mithin auch dafür einzustehen, daß die ärztliche Behandlung ausreichend und zweckmäßig im Sinne des § 182 Abs. 2 RVO ist. Dieser Sicherstellungsauftrag umfaßt auch die Einrichtung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes, wie durch § 368 Abs. 3 RVO (idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes -KVWG- vom 28. Dezember 1976, BGBl I 3871) ausdrücklich klargestellt worden ist. Demgemäß haben schon die Partner des BMV/Ä vom 1. August 1959 in § 6 Abs. 4 (Stand April 1974) bestimmt, daß die KÄV für Tage, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen, eine ausreichende Versorgung für dringende Fälle sicherstellt. Weitere bundesrechtliche Vorschriften über die Durchführung eines kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes fehlen. Seine nähere Regelung ist deshalb den einzelnen KÄVen überlassen.
Über die Einrichtung eines allgemeinen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, der von den Ärztekammern der Länder mit den ihnen angehörenden Ärzten - auch Nichtkassenärzten - durchgeführt wird, bestimmte für den Bezirk der Ärztekammer Westfalen-Lippe die (aufgrund des § 5 Abs. 3 ges Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte vom 3. Juni 1954, GS NW S. 376, erlassene und zum 1. Juli 1977 außer Kraft gesetzte) Berufsordnung vom 9. August 1956 (MBl NW 1957 S. 2 = SMBl NW S. 21220) in § 17:
Jeder niedergelassenen Arzt ist in seinem Niederlassungsort zur Teilnahme an der ärztlichen Notfallvertretung verpflichtet, soweit eine solche von der Ärztekammer eingerichtet wird. Über Ausnahmen entscheidet die Ärztekammer. Übernommene Kranke sind nach Beendigung der Notfallvertretung zurückzuüberweisen.
(An die Stelle dieser Regelung sind inzwischen andere Bestimmungen getreten, vgl. das Gesetz zur Änderung des vorgenannten Gesetzes vom 8. April 1975, §§ 22 b und 22 c, dessen neue Bekanntmachung als Heilberufsgesetz vom 30. Juli 1975, §§ 24 und 25 sowie § 20 der aufgrund des Heilberufsgesetzes erlassenen Berufsordnung vom 23. April 1977, GV NW 1975 S. 289 und S. 520, Westfälisches Ärzteblatt, Sondernummer vom 24. Juni 1977).
Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus § 17 der (alten) Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe, § 368 n Abs. 1 RVO und § 6 Abs. 4 BMV/Ä hatten die Ärztekammer Westfalen-Lippe und die beklagte KÄV am 28. Mai 1969 folgendes vereinbart:
1. Jeder niedergelassenen Arzt ist nur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtet.
2. Der Dienst wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe eingerichtet.
Diese stellt dadurch die kassenärztliche Versorgung für Tage, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen für dringende Fälle sicher.
3. Die Heranziehung zum Notfalldienst erfolgt entsprechend Ziffer 1.) durch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe.
4. Falls es die Verhältnisse erfordern, kann für bestimmte örtliche Bereiche oder bestimmte Fachgebiete ein gesonderter Notfalldienst eingerichtet werden.
5. Von der Teilnahme an diesem Dienst können auf Antrag befreit werden
Ärzte bei Vorliegen besonderer Umstände, die von ihnen darzulegen und im einzelnen zu begründen sind.
Befreiungen dürfen die Durchführung des Notfalldienstes nicht gefährden.
6. Das Widerspruchsverfahren regelt eine Verwaltungsanordnung, die Anlage dieser Vereinbarung ist.
7. Di Vereinbarung tritt mit dem 1. August 1969 in Kraft.
Diese Bestimmungen galten auch noch während der im vorliegenden Fall streitigen Heranziehung, des Klägers zum Notfalldienst.
Der erkennende Senat hat bisher für die Durchführung des kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes - nur übe Fälle aus diesem Bereich hat er nach § 51 Abs. 1 und 2 des SGG zu entscheiden - die genannten Vorschriften des Bundesrechts (§ 368 n Abs. 1 RVO und § 6 Abs. 4 BMV/Ä) in Verbindung mit Ausführungsbestimmungen, die die jeweils zuständige KÄV allein oder zusammen mit der Ärztekammer erlassen hatte, als eine aus reichende Rechtsgrundlage angesehen (vgl. BSGE 33, 165 f; Urteile vom 21. November 1972 und 24. Januar 1974, SozR SGG § 12 Nr. 28 und 2200 § 368 n RVO Nr. 1; Urteil vom 7. Oktober 1976, 6 RKa 5/76). Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den seiner Gerichtsbarkeit unterliegenden Bereich, d.h. für den allgemeinen ärztlichen Notfalldienst, gefordert, daß die Heranziehung dazu nicht ausschließlich der Satzungsgewalt der Ärztekammer überlassen werden dürfe, sondern daß der Gesetzgeber selbst mindestens in den Grundzügen Bestimmungen hierüber erlassen müsse (BVerwGE 41, 261 unter Berufung auf den Facharzt-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG-, BVerfGE 33, 125). Das BVerfG selbst scheint allerdings insoweit eine andere Auffassung zu vertreten (vgl. Eberle, NJW 73, 2225, 2226 Anm. 9, zu einem unveröffentlichten Beschluß vom 14. Dezember 1972, 1 BvR 144/66, wonach die Teilnahme am ambulanten ärztlichen Notfalldienst als eine dem niedergelassenen Arzt immanente Berufspflicht anzusehen ist, die keinen so wesentlichen, fühlbaren Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung darstellt, daß deswegen der Regelung durch den Gesetzgeber selbst bedarf.)
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung trotz vereinzelt erhobener Bedenken (Hagendorn in einer Anm. zum Urteil des Senats vom 21. November 1972, NJW 73, 2262 in Anlehnung an die Gedankengänge des BVerwG; dagegen wiederum Krauskopf in DOK 74, 509, 511) nach nochmaliger Prüfung fest. Zwischen der Heranziehung von Kassenärzten und Nichtkassenärzten zum Not- und Bereitschaftsdienst besteht vor allem insofern ein grundlegender Unterschied, als sich die Kassenärzte mit der - von ihnen beantragten - Zulassung zur Kassenpraxis freiwillig einer Reihe von Einschränkungen ihrer ärztlichen Berufsausübung unterworfen haben, die mit der Einbeziehung in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem notwendig verbunden sind (vgl. § 368 a Abs. 4 RVO). Zu diesen, der Berufsausübung im kassenärztlichen Bereich "immanenten" Einschränkungen gehört auch die Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst, ohne den eine ausreichende kassenärztliche Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet ist. Mit der Heranziehung zum Notfalldienst werden daher den Kassenärzten nicht neue Pflichten auferlegt, was bei der Heranziehung eines Nichtkassenarztes durch die Ärztekammer zweifelhaft sein mag; vielmehr wird lediglich die in der Kassenzulassung enthaltene "Sozialbindung" der ärztlichen Berufsausübung näher konkretisiert. Dafür bedarf es keiner gesetzesförmlichen Regelung. Es genügen insoweit Bestimmungen, die von der KÄV aufgrund ihrer Satzungsautonomie für ihre Mitglieder erlassen werden. Solche Bestimmungen brauchen - entgegen der Ansicht von Narr, Ärztliches Berufsrecht, 1973, S. 138 - auch nicht in die - von der Aufsichtsbehörde zu genehmigende (§ 368 m Abs. 1 RVO) - Satzung der KÄV aufgenommen zu werden, was für Bestimmungen, die mit anderen Körperschaften (Krankenkassen und ihren Verbänden, Ärztekammern) vereinbart werden, praktisch ohnehin kaum möglich wäre (vgl. im übrigen § 368 m Abs. 2 RVO, wonach nur für Verträge, Beschlüsse und Bestimmungen der Bundesvereinigungen, also anderer Stellen als der KÄV selbst, die Aufnahme einer Verbindlichkeitsklausel in deren Satzung vorgeschrieben ist).
Für den kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst kommen, wie der Senat in BSGE 33, 165 entschieden und auch das LSG angenommen hat, nur dafür geeignete Kassenärzte in Betracht; das gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Bestimmungen der jeweils zuständigen KÄV einen solchen Vorbehalt nicht ausdrücklich enthalten. Die Eignung des Arztes ist dann eine ungeschriebene tatbestandliche Voraussetzung für die Heranziehung zum Not- und Bereitschaftsdienst, die Nichteignung mithin ein Umstand, der eine Befreiung von diesem Dienst begründet.
Der Senat hat auch in der genannten Entscheidung den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Eignungsbegriff inhaltlich näher umschrieben und jeden Arzt für geeignet erklärt, der mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes in der Regel wenigstens mit Sofortmaßnahen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden vermag (Leitsatz). Dabei ist der Senat von der Erwägung ausgegangen, daß im Rahmen des Notfalldienstes keine optimale, nicht einmal eine "normale" ärztliche Versorgung erwartet werden kann; der Notfallarzt müsse nur den "typischen" Notfallsituationen gewachsen sein und wenigstens durch "Sofortmaßnahmen" (im Sinne einer vorläufigen Versorgung) die Zeit bis zum Einsetzen einer normalen Versorgung überbrücken können. Mit diesen Einschränkungen sind auch Ausführungen in dem genannten Urteil zu verstehen, in denen von der "notwendigen Bandbreite" der Eignung und einem aufgrund eigener Praxis erworbenen "umfassenden Sachwissen" sowie einer entsprechenden Erfahrung die Rede ist. Diesen Ausführungen darf nicht entnommen werden, daß nur Ärzte nach einer - mehr oder weniger langen - Ausübung einer eigenen Kassenpraxis, insbesondere Allgemeinärzte mit eigener Praxiserfahrung, für den Notfalldienst geeignet sind, obwohl solche Ärzte regelmäßig am besten dem Leitbild des Notfallarztes entsprechen mögen. Wer nach Erlangung der Approbation und Ableistung der kassenärztlichen Vorbereitungszeit als praktischer Arzt an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen darf, ist in aller Regel auch geeignet für den Notfalldienst. Anderenfalls müßte die Last des Not- und Bereitschaftsdienstes, der vor allem an den sprechstundenfreien Wochenenden zu leisten ist, von einem verhältnismäßig engen Kreis von Ärzten, die zudem häufig noch im vorgerückten Lebensalter stünden, getragen werden, was von den Betroffenen mit Recht als unbillig empfunden werden könnte.
Das gleiche wie für praktische Ärzte gilt im Grundsatz auch für Fachärzte. Auch sie sind deshalb, sobald sie mit der Approbation und der Ableistung der kassenärztlichen Vorbereitungszeit zulassungsfähig geworden sind, in aller Regel auch für den Not- und Bereitschaftsdienst geeignet, und zwar, wenn für ihr Fachgebiet ein besonderer Dienst eingerichtet ist, in erster Linie für diesen, sonst für den allgemeinen Not- und Bereitschaftsdienst. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sie sich - trotz einer inzwischen erfolgten Spezialisierung - bei Abschluß ihrer Weiterbildung und Anerkennung als Facharzt in der Regel zeitlich noch nicht soweit von ihrer allgemeinen ärztlichen Ausbildung entfernt haben, daß sie auch den beschränkten Aufgaben eines Not- und Bereitschaftsdiensts nicht mehr genügen können. Sollten in dieser Hinsicht im Einzelfall ausnahmsweise Zweifel bestehen, läge es nahe, die Zulassung von dem Nachweis der Eignung für den Notfalldienst abhängig zu machen.
Mit wachsender zeitlicher Entfernung von der Approbation und/oder der letzten allgemeinärztlichen Tätigkeit kann sich allerdings die Eignung eines Facharztes für den allgemeinen Notfalldienst mindern und sogar verlorengehen, sofern der dafür erforderliche Wissens- und Erfahrungsstand nicht durch Fortbildung erhalten und nötigenfalls ergänzt wird. Ein nachträglicher Verlust der Eignung ist indessen - auch bei einer längeren, ausschließlich fachärztlichen Tätigkeit - nicht ohne weiteres zu unterstellen oder zu vermuten. Beruft sich ein Arzt auf einen solchen Eignungsverlust, dann hat er vielmehr alle dafür sprechenden Umstände "darzulegen und im einzelnen zu begründen" (Ziff. 5 der Notfalldienst-Vereinbarung zwischen der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der beklagten KÄV vom 28. Mai 1969). Bleiben insoweit nach Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel noch Zweifel, so gehen diese zu Lasten des Arztes; er trägt dafür die Feststellungslast. Im übrigen kann die KÄV einen Arzt, der sich zur Mitwirkung am allgemeinen Notfalldienst nicht (mehr) für geeignet hält, mit dieser Begründung seine Befreiung beantragt und nach Ablehnung des Antrages Anfechtungsklage erhoben hat, "beim Wort nehmen" und schon während des Rechtsstreits zu Fortbildungsmaßnahmen heranziehen, die der Auffrischung des für den Notfalldienst erforderlichen Erfahrungswissens dienen. Daß Ärzte bei Ausübung ihres Berufs zur beruflichen Fortbildung verpflichtet sind, und zwar auch zu einer Fortbildung "für eine Tätigkeit im Rahmen des Notfalldienstes", hat das Heilberufsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juli 1975 ausdrücklich festgelegt (vgl. dessen §§ 24 Nr. 1 und 35 Abs. 3-GVNW 1975, 520 - sowie §§ 7 und 20 Abs. 4 der aufgrund des Heilberufsgesetzes erlassenen, oben zitierten Berufsordnung vom 23. April 1977).
Entsprechend sieht § 368 m Abs. 5 RVO (idF des KVWG vom 28. Dezember 1976) vor, daß die Satzungen der KÄVen Bestimmungen über die Fortbildung der Ärzte auf dem Gebiet der kassenärztlichen Tätigkeit enthalten müssen; die Satzung hat auch das Nähere über die Art und Weise der Fortbildung sowie die Teilnahmepflicht zu bestimmen. Auch die hier statuierte besondere kassenärztliche Fortbildungspflicht schließt, da der Sicherstellungsauftrag der KÄV nach § 368 n Abs. 1 RVO einen ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienst umfaßt (§ 368 Abs. 3 RVO idF des KVWG), eine Fortbildung des Kassenarztes für eine Tätigkeit im Not- und Bereitschaftsdienst ein (ähnlich BVerwGE 41, 261, 264). Kommt der Kassenarzt einer entsprechenden Auflage zur Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung nicht nach - geeignete Mittel der Fortbildung sind in § 7 Abs. 2 der Berufsordnung vom 23. April 1977 aufgeführt, außerdem wäre an eine schon vom LSG erwogene assistierende Mithilfe im Notfalldienst zu denken -, kann dies ein Anlaß zur Verhängung disziplinarischer Maßnahmen (§§ 368 m Abs. 4 und 368 n Abs. 2 Satz 2 RVO idF des KVWG) oder bei beharrlicher Weigerung sogar zur Entziehung der Kassenzulassung sein (§ 368 a Abs. 6 RVO).
Im vorliegenden Fall hat das LSG angenommen, daß der Kläger durch seine Tätigkeit als Radiologe (seit Ende 1966, in eigener Praxis seit Mitte 1971) das für den allgemeinärztlichen Notfalldienst erforderliche Können und Erfahrungswissen nicht erworben habe, daß dies aber auch für seine frühere allgemeinärztliche Tätigkeit gelte; dabei müsse die Zeit als Medizinalassistent (von Mitte 1963 bis Februar 1966) außer Betracht bleiben, so daß nur eine 9-monatige Assistententätigkeit in einer internen Krankenhausabteilung (März bis November 1966) in Frage komme. Dieser Rechtsauffassung kann der Senat aus den bereits dargelegten Gründen nicht folgen. Wenn ein approbierter Arzt auch im Falle seiner Weiterbildung zum Facharzt grundsätzlich für den allgemeinärztlichen Notfalldienst geeignet ist, muß dies auch für den Kläger gelten, zumal er vor Beginn seiner radiologischen Weiterbildung immerhin 9 Monate internistisch tätig war.
Nicht beitreten kann der Senat ferner dem LSG, wenn es "jedenfalls" den nicht zu widerlegenden Einwand des Klägers, seine früher erworbenen allgemeinärztlich Kenntnisse seien aufgrund der nunmehr 10-jährigen Tätigkeit ausschließlich auf radiologischem Gebiet verblaßt, für ausreichend gehalten hat, um einen Gewissenskonflikt des Klägers und einen daraus folgenden Freistellungsanspruch zu begründen. Dabei wird zunächst übersehen, daß es nicht Aufgabe des Gerichts oder der anderen Prozeßbeteiligten ist, einen Einwand, wie ihn der Kläger erhoben hat, zu widerlegen, sondern daß der Kläger seinerseits, wie ausgeführt, alle insoweit erheblichen Umstände darzulegen hat und daß es zu seinen Lasten geht, wenn das Gericht den nachträglichen Verlust der Eignung zum Notfallarzt nicht feststellen kann. Diese Beweislastverteilung würde umgekehrt, wenn bloße Zweifel an dem (Fort-)Bestehen der Eignung genügten, um einen behaupteten Gewissenskonflikt als glaubhaft anzusehen mit der Folge, daß der Arzt vom Notfalldienst freigestellt werden müßte. Im übrigen läßt der Senat unentschieden, ob im kassenärztlichen Bereich eine Freistellung vom Notfalldienst allein wegen eines behaupteten Gewissenskonflikts, d.h. ohne Feststellung der Nichteignung, überhaupt zulässig ist oder ob hier ein Arzt, von dessen objektiver Eignung auszugehen ist, einen solchen Konflikt nicht auf andere Weise lösen muß, nach Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten unter Umständen sogar durch Verzicht auf die Kassenzulassung (vgl. dazu für den nichtkassenärztlichen Bereich BVerwGE 27, 303 und Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG 418.00 Nr. 17).
Da die angefochtene Entscheidung somit durch die Begründung, mit der das LSG der auf Freistellung des Klägers gerichteten Klage stattgegeben hat, nicht getragen wird und die festgestellten Tatsachen für eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht ausreichen, hat er das angefochten Urteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben und den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen. Dieses wird nunmehr prüfen müssen, ob der Kläger nach den hier anzulegenden rechtlichen Maßstäben trotz mehrjähriger radiologischer Tätigkeit noch zur Teilnahme am allgemeinärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst geeignet ist oder wegen erwiesener Nichteignung einen Anspruch auf Befreiung hat. Dabei wird das LSG auch neue Tatsachen, die erst während des Berufungsverfahrens eintreten, insbesondere eine Teilnahme des Klägers an Fortbildungsmaßnahmen, berücksichtigen können. Es wird ferner über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1650378 |
BSGE, 252 |
NJW 1978, 1213 |