Orientierungssatz
KVdR-Beitragszuschuß - Auslandsrentner - ausländische Pflichtversicherung - Befreiung: 1. Das australische System des staatlichen Krankenschutzes (Medibank) genügt noch den Anforderungen, die an ein der deutschen gesetzlichen KV vergleichbares System zu stellen sind. Damit besteht, solange der Auslandsrentner von diesem System erfaßt wird, kein Anspruch auf einen Beitragszuschuß.
2. Für Zeiten, in denen der Auslandsrentner von der Beitragspflicht zu Medibank freigestellt ist und keine Leistungen in Anspruch nehmen kann, besteht ein Anspruch auf Zahlung des Beitragszuschusses.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 23.11.1977; Aktenzeichen L 9 Kr 80/77) |
SG Berlin (Entscheidung vom 05.04.1977; Aktenzeichen S 73 Kr 449/76) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. November 1977 wird insoweit zurückgewiesen, als sie die Gewährung von Beitragszuschuß für die Zeit vor Oktober 1976 betrifft.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist rassisch Verfolgter, lebt in Australien und bezieht eine Rente aus der Rentenversicherung der Angestellten. Ab 23. Mai 1969 bewilligte ihm die Beklagte einen Beitragszuschuß zu seiner privaten Krankenversicherung bei der Manchester Unity IOOF. Mit Bescheid vom 9. November 1975 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Anspruch auf einen Beitragszuschuß entfalle mit dem Ablauf des Monats Juni 1975, weil von da an in Australien ein "Medibank" genanntes System der Krankenversicherung eingeführt sei, das auch den Kläger erfasse.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hatte im ersten Rechtszuge hinsichtlich der Zeit bis zum 1. Februar 1976 Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Beitragszuschuß sei mit dem 1. Juli 1975 weggefallen, weil der Kläger seitdem durch die australische Pflichtversicherung (Medibank-Standard) hinreichend im Sinne einer Krankenkostenvollversicherung geschützt sei. Unter der Herrschaft dieses Systems habe jedermann in Australien unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit Anspruch auf eine staatlich finanzierte ärztliche Versorgung und Krankenhauspflege. Dieser Schutz sei so ausgestaltet, daß für ärztliche Leistungen, einschließlich solcher im Krankenhaus, Honorarsätze festgelegt worden seien, von denen Medibank 85% erstatte. Bei Krankenhauspflege gewähre Medibank freie Unterkunft und Behandlung in der Standardklasse, die etwa der ehemaligen dritten Pflegeklasse in Deutschland vergleichbar sei. Augenarzt- und Zahnarztkosten würden in der Regel nicht erstattet, für medizinische Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte zahle Medibank nichts. Ein solcher Schutz decke zwar nicht alle, wohl aber die für die deutsche gesetzliche Krankenversicherung begriffswesentlichen Risiken ab und genüge damit den Erfordernissen einer "Kernversicherung". Ab 1. Oktober 1976 werde allerdings von allen Steuerzahlern unter bestimmten Voraussetzungen ein Betrag von 2,5% des steuerpflichtigen Einkommens für Medibank einbehalten (sog. Medibank-Levy). Von dieser Zahlungspflicht werde freigestellt, wer einen entsprechenden privaten Versicherungsschutz nachweise; er könne dann den Schutz von Medibank nicht in Anspruch nehmen. Daß der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sei jedoch für die Frage des Beitragszuschusses unerheblich. Ein Wahlrecht zwischen Privatversicherung und Pflichtversicherung widerspreche dem Sinn und Zweck des Beitragszuschusses. Dieser sei auch unter Berücksichtigung von § 173a Reichsversicherungsordnung (RVO) solchen Rentnern vorbehalten, die zumindest ursprünglich wegen Fehlens einer ausreichenden Vorversicherungszeit nicht in die Krankenversicherung der Rentner einbezogen worden seien. Zudem sei die Befreiung nach § 173a RVO im Gegensatz zum australischen Recht unwiderruflich und werde von einem Wegfall ihrer Voraussetzungen nicht berührt.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und beantragt sinngemäß,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zur Weitergewährung des Beitragszuschusses ab 1. Juli 1975 zu verurteilen.
Nach seiner Ansicht bietet Medibank keinen den der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren vollen Versicherungsschutz. Insbesondere seien die sog. Standardgebühren, von denen Medibank 85% erstatte, für die Ärzte nicht bindend; tatsächlich würden entsprechend einer Empfehlung der ärztlichen Standesorganisation regelmäßig höhere Honorare berechnet. Das LSG habe auch zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß dem Kläger durch die Verfolgung ein Anspruch auf kostenlosen Krankenversicherungsschutz verlorengegangen sei und daß mithin seinem Begehren schon unter dem Gesichtspunkt der Wiedergutmachung entsprochen werden müsse.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur insoweit Erfolg, als hinsichtlich der Zeit ab 1. Oktober 1976 die Sache an das LSG zurückzuverweisen war; im übrigen ist sie unbegründet.
Wie der Senat in seinem heutigen Urteil in der Sache 11 RAz 1/78 im einzelnen ausgeführt hat, genügt das australische System des staatlichen Krankenschutzes noch den Anforderungen, die an ein der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbares System zu stellen sind. Damit bestand, solange der Kläger von diesem System erfaßt war, kein Anspruch auf einen Beitragszuschuß. Der Kläger wurde aber von diesem System nicht mehr erfaßt, nachdem er von der Beitragspflicht freigestellt wurde und Leistungen von Medibank nicht mehr in Anspruch nehmen konnte. Von welchem Zeitpunkt an der Kläger nicht mehr unter dem Schutz von Medibank stand (und ob sein von da an gegebener privater Krankenversicherungsschutz den Erfordernissen der §§ 381 Abs 1 Satz 2 RVO aF; 82e Abs 1 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - entspricht), ist den bisher getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Diese Feststellungen werden, da der Senat sie nicht selbst zu treffen vermag, nunmehr vom LSG nachzuholen sein. Die Sache war daher - unter Zurückweisung der Revision im übrigen - hinsichtlich der Zeit ab 1. Oktober 1976 an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1, 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). In seiner Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen