Leitsatz (amtlich)

Zulässigkeit der Berufung - Unterschiedlichkeit von Rente und Ausgleichsleistung - Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen: 1. Die Ausgleichsleistung nach dem ZVALG gilt nicht als Rente iS von SGG § 145 Nr 2, § 146; bei einem Streit um Ausgleichsleistung für vergangene Zeit findet daher aufgrund von SGG § 143 die Berufung statt.

2. Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (ZVALG § 12 Abs 4 Nr 2) kann auch durch private Arbeitgeber aus Privatvermögen gewährt werden; Voraussetzung ist jedoch, daß die Versorgung auf dem Alimentationsprinzip beruht; sie muß demnach auf Grund früher zugesicherter lebenslänglicher Versorgung nach Voraussetzung, Art und Umfang ungeachtet gewisser Abweichungen dem Beamtenrecht entsprechen.

 

Normenkette

ZVALG § 12 Abs. 4 Nr. 2 Fassung: 1974-07-31; SGG § 143 Fassung: 1953-09-03, § 145 Nr. 2 Fassung: 1958-06-25, § 146 Fassung: 1958-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.04.1979; Aktenzeichen L 14 Z 31/77)

SG Dortmund (Entscheidung vom 18.01.1977; Aktenzeichen S 8(6) Z 29/76)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach dem Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) ausschließt.

Der 1908 geborene Kläger war von 1938 bis 1967 Förster in einem privaten Forstbetrieb. Seine ehemaligen Arbeitgeber zahlen ihm aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches eine Altersversorgung, die "sich nach der Besoldungsgruppe A 10 LBesG NW richtet und 68 % vom Grundgehalt, 68 % des Ortszuschlages sowie Kindergeld nach den gesetzlichen Bestimmungen umfaßt". Zusätzlich ist im Vergleich bestimmt, daß sich die Dienstaltersstufe nicht ändert, daß im Falle des Todes des Klägers seine Witwe 60 % der Versorgungsbezüge erhält und daß auf die Versorgung des Klägers bzw seiner Witwe Renten aus der Angestelltenversicherung angerechnet werden.

Im September 1974 beantragte der Kläger, der seit 1970 Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung bezieht, bei der Beklagten Ausgleichsleistungen nach dem ZVALG; dabei verneinte er die Frage nach einem Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Die Beklagte bewilligte ihm den Anspruch auf Ausgleichsleistungen und zahlte zugleich für die Zeit von Juli 1973 bis Juni 1974 einen Jahresbetrag von 600,- DM aus. Mit Bescheid vom 1. Juni 1976 nahm sie den bindend gewordenen Bewilligungsbescheid zurück mit der Begründung, nach § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG habe der Kläger keinen Anspruch, weil er Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhalte; dies habe sie erst im November 1975 erfahren. Den Widerspruch des Klägers leitete sie mit seiner Zustimmung als Klage dem Sozialgericht (SG) zu.

Das SG hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen. Zwar sei die Berufung unbeschadet des § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, sie sei aber nicht begründet. Die Beklagte habe den Bewilligungsbescheid nach § 10 Abs 1 Nr 2 ZVALG iVm § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) überprüfen dürfen. Dabei sei sie zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Kläger keine Ausgleichsleistungen zustünden. Er erhalte eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, möge sie auch aus einem privaten Vermögen gezahlt werden. § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG sei nicht auf eine Versorgung aus öffentlichen Mitteln beschränkt; er stelle ganz allgemein auf den Begriff der "Versorgung" ab. Überdies gehe aus der Gesamtregelung des Abs 4 hervor, daß das Gesetz einen Ausschluß von Ausgleichsleistungen in allen Fällen von doppelter Altersversorgung bezwecke.

Mit der - zugelassenen - Revision beantragt der Kläger,

die Urteil der Vorinstanzen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Er rügt, das LSG habe § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG unrichtig angewandt. Er erhalte eine private Altersversorgung, die sich lediglich an Versorgungsbezügen des öffentlichen Dienstes orientiere, ihn zudem mehrfach schlechter als einen vergleichbaren Beamten stelle; § 12 Abs 4 ZVALG solle nur den Doppelbezug aus öffentlichen Mitteln vermeiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG); der vom LSG festgestellte Sachverhalt läßt eine abschließende Entscheidung des Senates darüber, ob dem Kläger Ausgleichsleistungen nach dem ZVALG zustehen, nicht zu.

Darin, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zulässig war, ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels folgt schon daraus, daß der Kläger vor dem LSG ohne Einschränkung die Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 1976 begehrt hat. Mit dem Bescheid hat die Beklagte den Bewilligungsbescheid von 1974 insgesamt zurückgenommen; letzterer enthält indessen in erster Linie die zeitlich unbefristete Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichsleistung dem Grunde nach; die außerdem gemäß den §§ 14, 15 ZVALG getroffene Festsetzung des Jahresbetrages für die Zeit von Juli 1973 bis Juni 1974 hat nur der Verwirklichung des Grundanspruchs für diese Zeit dienen sollen. Demnach fand aufgrund von § 143 SGG die Berufung statt. An diesem Ergebnis würde sich hier auch dann nichts ändern, wenn es sich bei dem Streitgegenstand der Berufung um zwei - zu trennende - Ansprüche handeln würde; denn dann beträfe zwar der Streit um den Anspruch bis Juni 1974 einen abgelaufenen Zeitraum; nach den §§ 144 ff SGG könnte aber auch für diesen die Berufung nicht ausgeschlossen sein. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nicht anstelle des für Angelegenheiten der Rentenversicherung geltenden § 146 SGG die den Berufungsausschluß in Angelegenheiten der Unfallversicherung regelnde Vorschrift des § 145 SGG (Nr 2) heranzuziehen wäre (vgl dazu § 10 Abs 1 Nr 2, Abs 2 ZVALG und § 30 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - GAL -); denn die Ausgleichsleistung nach dem ZVALG kann nicht als "Rente" im Sinne beider Vorschriften gelten. Diese Vorschriften sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen; sie sind nicht auf Leistungen anwendbar, die - wie die Ausgleichsleistung nach dem ZVALG - sich in ihren Voraussetzungen und ihrer Berechnung deutlich von Renten aus der Rentenversicherung und der Unfallversicherung unterscheiden (SozR 1500 § 146 Nr 8). Eine Bestimmung, aus der gleichwohl ein Wille des Gesetzgebers auf eine Gleichstellung mit den Renten beim Berufungsausschluß zu erkennen wäre, enthält das ZVALG nicht (vgl einerseits den Wortlaut von §§ 10 Abs 2 ZVALG und 78 Abs 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte und andererseits den von § 30 GAL).

Bei der Prüfung, ob die Klage begründet ist, ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides die Vorschrift des § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO iVm § 10 Abs 1 Nr 2 ZVALG heranziehen konnte; denn nach seinen Feststellungen ist die Beklagte erst Ende 1975 in Stand gesetzt worden, den zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber 1969 abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich als eine Urkunde im Sinne des Gesetzes zu benutzen, die nach ihrem Erachten einen ihr günstigeren Verwaltungsakt herbeigeführt haben würde. Gleichwohl war die Beklagte zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides nur befugt, wenn die dem Kläger von seinen ehemaligen Arbeitgebern gewährte Versorgung nach § 12 Abs 4 ZVALG Ausgleichsleistungen ausschließt. Das läßt sich aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

Das LSG hält ebenso wie die Beklagte den Ausschlußgrund der Nr 2 des § 12 Abs 4 ZVALG für gegeben; danach haben keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen Personen, denen Versorgung nach beamten- oder kirchenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zusteht.

Das Eingreifen dieses Ausschlußgrundes ist entgegen der Ansicht des Klägers allerdings nicht schon deshalb zu verneinen, weil er die strittige Versorgung von privaten Arbeitgebern aus deren Privatvermögen erhält. Denn die in § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG bezeichnete Versorgung muß nicht immer aus öffentlichen Mitteln gewährt werden. Eine solche Einschränkung ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen; sie ergibt sich auch nicht aus vergleichbaren anderen Regelungen oder aus dem Zusammenhang mit den übrigen Ausschlußgründen in § 12 Abs 4 ZVALG. Gesetzliche Regelungen, die ebenfalls Rechtsfolgen an eine - zustehende oder gewährleistete - Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen anknüpfen, finden sich außer in § 52 des Gesetzes zu Artikel 131 des Grundgesetzes und § 18 Abs 3 Satz 1 des Fremdrentengesetzes vor allem in den Bestimmungen über die Ausnahmen von der Versicherungspflicht in der Kranken- und in der Rentenversicherung. Jedenfalls letztere kennen aber in den §§ 172 Abs 1 Nr 3 RVO, 8 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes auch Fälle, in denen (Lehrern und Erziehern) Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen aus nicht öffentlichen Mitteln zu gewähren ist. Demgemäß muß einer solchen Versorgung die Herkunft aus öffentlichen Mitteln nicht immanent sein. Ebensowenig beschränken sich die sonstigen Ausschlußgründe in § 12 Abs 4 ZVALG auf Zuflüsse aus öffentlichen Mitteln. Das verdeutlicht die Nr 3, die vom Anspruch auf Ausgleichsleistung Personen ausschließt, denen nach einer Ruhelohnordnung oder einer entsprechenden Bestimmung Ruhegeld oder Ruhelohn zusteht; hierbei handelt es sich zumeist um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung außerhalb des öffentlichen Dienstes.

Steht hiernach die Gewährung durch die früheren Arbeitgeber der vom LSG angenommenen Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht entgegen, so hat das LSG jedoch im übrigen nicht alle sonst für eine solche Versorgung geforderten Merkmale berücksichtigt. Es hat zwar richtig erkannt, daß die Versorgung auf dem Alimentationsprinzip beruhen muß; deshalb hatte der Senat jedoch bereits früher entschieden (BSGE 26, 181, 184 mit Nachweisen), daß eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" nur vorliegt, wenn die Versorgung ungeachtet gewisser Abweichungen "nach Voraussetzung, Art und Umfang" dem Beamtenrecht entspricht. Demgegenüber hat sich das LSG im wesentlichen auf eine Prüfung dem Umfang nach beschränkt.

Was den Versorgungsumfang betrifft, ist ihm freilich darin zuzustimmen, daß die Abstriche gegenüber der Versorgung eines zur Besoldungsgruppe A 10 des Landes Nordrhein-Westfalen gehörenden Beamten (Begrenzung auf 68 % des Grundgehalts und des Ortszuschlags, kein Weihnachtsgeld - die weiteren Punkte betreffen nur Sonderfälle -) hier nicht so gewichtig sind, um der Substanz nach eine "Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen" zu verneinen. Auch kennt das Beamtenrecht Bestimmungen zur Vermeidung von Doppelleistungen im Verhältnis zur Rentenversicherung, so daß ferner die Anrechnung von Renten aus der Angestelltenversicherung der bezeichneten Versorgung nicht entgegensteht. Schließlich kann die Sicherung bei einem Konkurs der früheren Arbeitgeber hier keine ausschlaggebende Rolle spielen, weil dann § 12 Abs 2 Nr 2 ZVALG jedenfalls wegen Ausfalls der Versorgung nicht mehr gegen den Kläger anwendbar sein könnte.

Diese sonach, wenn auch mit Abweichungen, gegebene Gleichstellung im Umfang mit der Beamtenversorgung genügt zum Ausschluß des Klägers von der Ausgleichsleistung indessen nicht. Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ist nicht jede vertragliche Regelung, die an eine beamtenrechtliche Versorgung anknüpft; daß die Besoldungsordnung Bemessungsmaßstab (Index) der Versorgung ist, kann nicht ausreichen. Wie schon hervorgehoben, muß die Versorgung auf dem Alimentationsprinzip beruhen und deshalb ferner in ihrer "Voraussetzung und Art" der Beamtenversorgung entsprechen. Das bedeutet aber nicht nur, daß sie nach dem (letzten) Arbeitsentgelt und nach der Dauer der Beschäftigung ausgerichtet sein muß (BSG aaO S 185; BVerfGE 11, 203), sondern auch, daß sie ihre Grundlage in einer früheren Zusicherung einer lebenslänglichen Versorgung in Anlehnung an das Beamtenrecht haben muß (vgl § 52 Abs 2 Satz 2 G 131). Darauf kann auch im Rahmen des § 12 Abs 4 ZVALG nicht verzichtet werden. Das Gesetz enthält dort detaillierte Regelungen für den Ausschluß von der Ausgleichsleistung, die entgegen der Meinung des LSG nicht alle Fälle einer möglichen "Doppelversorgung" im Alter erfassen. Es müssen daher jeweils alle Tatbestandsmerkmale der einzelnen Ausschlußgründe erfüllt sein, um die daran geknüpfte Ausschlußwirkung eintreten zu lassen.

Ob die Altersversorgung des Klägers gemäß dem arbeitsgerichtlichen Vergleich den vorstehend genannten, zusätzlich noch zu erfüllenden Kriterien entspricht, vermag der Senat nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt nicht zu entscheiden. Es fehlen Feststellungen, ob die Arbeitgeber des Klägers ihm für den Fall des Ausscheidens aus der Beschäftigung eine lebenslängliche Versorgung in Anlehnung an eine beamtenrechtliche Versorgung zugesichert (bzw mit ihm vereinbart) hatten, ob die Versorgung gemäß dem arbeitsgerichtlichen Vergleich im wesentlichen der Erfüllung dieser Zusicherung dienen sollte und ferner, ob sich die Versorgung am (letzten) Arbeitsentgelt des Klägers und an der Dauer der Beschäftigung orientiert. Solche Feststellungen kann der Senat als Revisionsgericht nicht selbst treffen; er muß daher den Rechtsstreit an das LSG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Dieses wird gegebenenfalls noch die Anwendbarkeit des § 12 Abs 4 Nr 3 ZVALG prüfen müssen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Versorgung des Klägers sich auf eine "Ruhelohnordnung oder eine entsprechende Bestimmung" gründet.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI925836

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