Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsgeld bei Drogentherapie. Freie Arztwahl und Wahl der Rehabilitationseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Bewilligt der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einem suchtkranken Versicherten als Maßnahme zur Rehabilitation eine langfristige Drogenentwöhnung, so obliegt dem Träger die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßen Ermessen.
2. Zur Frage, wann ein berücksichtigungsfähiger Wunsch des Versicherten iS von SGB 1 § 33 S 2 vorliegt.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Drogentherapie in einer selbst gewählten Rehabilitationsstätte besteht kein Anspruch auf Übergangsgeld.
Orientierungssatz
Für die Wahl der Rehabilitationseinrichtung ist § 368d RVO, der sich auf die an der kassenärztlichen Versorgung iS von §§ 368 bis 368c RVO teilnehmenden Ärzte beschränkt, weder unmittelbar noch analog anwendbar, weil der Rentenversicherungsträger seine Leistung zur Rehabilitation nicht in Bindung an das Kassenarztsystem erbringen kann.
Normenkette
AVG § 13; RVO §§ 1236, 368d; SGB 1 § 33 S. 2 Fassung: 1975-12-11, § 39 Abs. 1 Fassung: 1975-12-11; RVO § 1240; AVG § 17
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.03.1983; Aktenzeichen L 13 An 59/81) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 28.01.1981; Aktenzeichen S 5 An 147/80) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Übergangsgeld für eine Drogentherapie in einer von ihr selbst gewählten Rehabilitationsstätte beanspruchen kann.
Die 1957 geborene Klägerin hatte sich am 13. Februar 1980, damals heroinsüchtig, in das Psychiatrische Krankenhaus H. des Landeswohlfahrtsverbands Hessen begeben, um dort eine Entzugsbehandlung durchzuführen und sich auf eine Langzeittherapie vorbereiten zu lassen.
Am 10./14. März 1980 beantragte die Klägerin bei der Beklagten medizinische Leistungen zur Rehabilitation, die vom Leitenden Arzt des Psychiatrischen Krankenhauses H. befürwortet wurden. In einem dem Antrag beigefügten "Sozialbericht" des Krankenhauses heißt es außerdem, als Behandlungsstätte werde die Drogenhilfe T. e.V., B. Straße 17, vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 20. März 1980 bewilligte die Beklagte der Klägerin im Wege der "Sonderkostenübernahme" eine Heilbehandlung in der "Behandlungsstätte... Drogenhilfe T./B. Straße 17" für eine Dauer von zunächst 6 Monaten. Einen Abdruck dieses Bescheides übersandte die Beklagte dieser Behandlungsstätte mit dem Vermerk, daß ihre Kostenzusage "nur für das obige Haus" gelte.
Die Klägerin ließ sich in der Folge nicht in dieses Haus, sondern am 1. April 1980 in eine andere Einrichtung der Drogenhilfe T. e.V., in das "Sch. B., Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige" in H.-M. (Unterfranken) aufnehmen.
Eine Kostenanforderung dieser Rehabilitationsstätte lehnte die Beklagte unter dem 21. April 1980 schriftlich ab und wies daraufhin, daß ihr Bescheid vom 20. März 1980 nur für die dort genannte Einrichtung, "nicht aber für das Sch. B." gelte. Von diesem Schreiben übersandte die Beklagte der Klägerin eine Durchschrift zur Kenntnis. Diese ließ hiergegen Widerspruch einlegen und vorbringen, in der Einrichtung T./B. Straße 17 hätten sich Klienten befunden, mit denen sie Drogen konsumiert habe; das gefährde eine erfolgreiche Behandlung. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1980 zurück und führte aus, sie behalte sich vor, die für eine Entwöhnungsbehandlung geeigneten Heilstätten besonders sorgfältig zu prüfen und auszuwählen. Die Einrichtung "Sch. B." werde von ihr "nicht in Anspruch genommen". Das eigenmächtige Verhalten der Klägerin könne nicht gebilligt werden.
Hiergegen hat die Klägerin Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verpflichten, die Kosten "für die Maßnahmen bei der Drogenhilfe e.V. Rehabilitationszentrum Sch. B. zu tragen". Mit Urteil vom 28. Januar 1981 hat das Sozialgericht (SG) die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin als unzulässig abgewiesen. Die Kosten der Unterbringung der Klägerin in Sch. B. habe bereits der Bezirk Unterfranken als Träger der Sozialhilfe übernommen und getragen. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) in der angefochtenen Entscheidung vom 23. März 1983 zurückgewiesen und ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig gewesen, weil die Sozialhilfe nur nachrangig einzutreten habe, die Klägerin einem Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt sei und sie im übrigen von der Beklagten - an Stelle des ihr tatsächlich gezahlten Taschengeldes - Übergangsgeld beanspruchen könne. In der Sache sei die Beklagte aber nicht verpflichtet, die von der Klägerin selbst betriebene Rehabilitation zu fördern. Im Recht der Rehabilitation herrsche das Sachleistungsprinzip, nicht das Kostenerstattungsprinzip. Die Beklagte könne daher "die Beschaffung der Behandlung" nicht dem Versicherten überlassen. Sie sei berechtigt, den Versicherten in "ein eigenes oder ein Vertragshaus einzuweisen", wenn auch nach § 33 Satz 3 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 1) die Wünsche des Versicherten zu berücksichtigen seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision ficht die Klägerin diese Entscheidung an und führt aus: Die Leistungen zur Rehabilitation seien "erfolgsabhängig", so daß sie ein Zusammentreffen mit Bekannten aus der Drogenszene in der von der Beklagten vorgesehenen Therapieeinrichtung in T. habe vermeiden müssen; die Entscheidung der Beklagten sei deshalb ermessensfehlerhaft, zumal beide in Frage stehenden Einrichtungen vom gleichen Träger mit gleichem Konzept betrieben würden. Die Beklagte verkenne auch den Grundsatz der freien Arztwahl nach § 368d der Reichsversicherungsordnung (RVO), der zumindest analog heranzuziehen sei. Die Drogentherapie werde vom "Gedanken der Freiwilligkeit" getragen. Zu ihm gehöre auch freie Wahl der Therapieeinrichtung. Im übrigen habe die Beklagte und hätten die Vorinstanzen § 33 SGB 1 übersehen und ihren, der Klägerin, Wünschen rechtswidrig nicht entsprochen. Sie habe ein "Recht auf Selbsthilfe ohne Nachteil, ohne daß hierbei der Ermessensspielraum des Versicherungsträgers berührt" werde. Das folge auch daraus, daß der Versicherte sein Begehren auf geldliche Förderung einer Rehabilitation grundsätzlich auch dann weiterverfolgen könne, wenn er nach der Antragstellung vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers seine Rehabilitation selbst betrieben habe (Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- in SozR 2200 § 1236 Nr 14, 15, 16, 24 und § 1237a Nr 10 und 15). Eine andere Entscheidung verstoße daher gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerin beantragt, 1) die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. März 1983, des Sozialgerichts Würzburg vom 28. Januar 1981 und den Bescheid der Beklagten vom 21. April 1980 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 1980 aufzuheben, 2) die Beklagte zu verurteilen, ihr Übergangsgeld für die Dauer der Entwöhnungsbehandlung in der Therapieeinrichtung Drogenhilfe T.e.V., Rehabilitationszentrum Sch. B., H./Unterfranken zu zahlen; 3) hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen und 4) der Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Erfolgsaussicht einer Drogentherapie hänge keineswegs davon ab, daß ein Drogenabhängiger in einer Therapieeinrichtung Bekannte treffe oder nicht treffe. Im übrigen würden Einrichtungen der Drogenhilfe T.e.V. von ihr, der Beklagten, grundsätzlich nicht in Anspruch genommen. Nur ausnahmsweise und in einzelnen Fällen werde von ihr im Wege einer Sonderkostenübernahme ohne eine vertragliche Bindung die Einrichtung B. Straße 17 in T. herangezogen. Grund hierfür sei, daß die Drogenhilfe T.e.V. nicht oder nur sehr unvollständig die notwendigen medizinischen Berichte auf den dazu entwickelten Vordrucksätzen erstatte. Außerdem sei der Drogenhilfe T. e.V. sehr daran gelegen, alle ihre Therapiestätten - bei freien Kapazitäten und erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten - auszulasten; sie weiche dabei auch von eindeutigen Weisungen der Leistungsträger ab. Sie, die Beklagte, belege flächendeckend den gesamten Raum der Bundesrepublik und Westberlins mit "von ihr ausgesuchten speziellen Drogentherapieeinrichtungen". Der von der Klägerin angesprochene Grundsatz der freien Arztwahl finde für den Bereich der Rehabilitation keine Anwendung. Wünsche des Versicherten berücksichtige sie sehr wohl. Im konkreten Fall sei sie einem ausdrücklichen Vorschlag des Psychiatrischen Krankenhauses H. gefolgt. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BSG seien vorliegend nicht einschlägig. Keinesfalls habe das BSG dem Versicherten das Recht eingeräumt, ohne Rücksprache mit dem Leistungsträger eine Einrichtung seiner Wahl aufzusuchen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Verfahrensrechtlich unbedenklich ist, daß die Klägerin vor dem Senat ihren Antrag unter Nr 2 im Vergleich zu dem zuletzt vor dem Berufungsgericht geltend gemachten Begehren eingeschränkt hat und nur noch die Verurteilung der Beklagten auf Gewährung von Übergangsgeld für die Dauer der Behandlung im "Sch. B." verlangt; vor dem LSG hatte sie noch darauf angetragen, die Beklagte zu verurteilen, "als Leistungsträger die Maßnahme im Rehabilitationszentrum B. zu übernehmen". Eine solche bloße Einschränkung des vor dem Tatsachengericht zuletzt gestellten Begehrens iS von § 99 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stellt keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung iS von § 168 SGG dar.
Das Begehren der Klägerin zu Nr 2 ihres Antrags auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Übergangsgeld betrifft eine Leistung, die eine Langzeit-Maßnahme zur Entwöhnung von Drogen - als im weitesten Sinne medizinische Maßnahme zur Rehabilitation nach §§ 12 Nr 1, 13 und 14 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG, vgl hierzu insbesondere BSG in SozR 2200 § 1237 Nr 19) - ergänzt (sog. ergänzende Leistung zur Rehabilitation, vgl § 14b Abs 1 Nr 1 AVG).
Auf dieses von der Klägerin erhobene Leistungsbegehren finden im vorliegenden Fall die §§ 13 Abs 1 und 14b aaO in der - bis zum Inkrafttreten des Haushalts-Strukturgesetzes (HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl 1 1523) geltenden - Fassung des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl 1 1881) Anwendung: Nach der Rechtsprechung des Senats richtet sich der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm, die eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht, grundsätzlich, dh auch in Bezug auf die ergänzenden Leistungen danach, wann die Maßnahme aus den im Gesetz genannten Gründen notwendig geworden war (vgl BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr 3; BSGE 45, 212 = SozR 2200 § 182 Nr 29 und in SozR 2200 § 1237 Nr 10; vgl auch BSG in SozR 2200 § 1236 Nr 16). Die Maßnahme zur Drogenentwöhnung, zu deren Ergänzung die Klägerin von der Beklagten Übergangsgeld beansprucht, war offensichtlich bereits im Jahre 1980 geboten und in diesem Jahr auch begonnen worden.
Nach § 13 Abs 1 Satz 1 AVG idF des RehaAnglG kann die beklagte BfA Leistungen zur Rehabilitation in dem in §§ 14 bis 14b AVG bestimmten Umfang gewähren. Das bedeutet, daß die Klägerin gegen die Beklagte auf eine Drogenentwöhnung der in den Vorinstanzen noch uneingeschränkt eingeklagten Art keinen Anspruch haben konnte; ihr Anspruch gegen die Beklagte beschränkte sich insoweit iS von § 39 Abs 1 SGB 1 auf die Ausübung pflichtgemäßen, fehlerfreien Ermessens (vgl dazu den erkennenden Senat zB in SozR 2200 § 1236 Nr 21 und die hierzu bestätigende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 9. Februar 1983 - 1 BvR 257/80). Der ursprünglich unverkürzte, mit einer Aufhebungsklage verbundene Antrag der Klägerin auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Maßnahmen zur Rehabilitation war daher gem § 54 Abs 4 SGG unstatthaft; das SG hat deshalb die Klage insoweit im Ergebnis zutreffend als bereits unzulässig abgewiesen.
Einen klagefähigen Anspruch auf Übergangsgeld, wie ihn die Klägerin vor dem Senat nur noch geltend macht, kann sie auch aus dem Bescheid der Beklagten vom 20. März 1980 nicht herleiten. Zwar hat die Beklagte mit diesem Bescheid der Klägerin eine langfristige Drogentherapie bewilligt. Richtig ist auch, daß der Versicherte nach der - zur Veröffentlichung bestimmten - Entscheidung des erkennenden Senats vom 24. März 1983 - 1 RA 61/82 - durch die materiell-konstitutiv wirkende Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme, also durch rechtsbegründenden begünstigenden Verwaltungsakt (Bescheid) des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung einen Rechtsanspruch auf die "Einzelansprüche" erwirbt, die im Recht der Rehabilitation vorgesehen sind. Zu diesen Einzelansprüchen wird regelmäßig auch der hier streitige Anspruch der Klägerin auf Übergangsgeld nach § 14b Abs 1 Nr 1 AVG zählen. Indessen hat die Beklagte der Klägerin im konkreten Fall durch den Bescheid vom 20. März 1980 langfristige Heilbehandlung ausdrücklich nur in der Rehabilitationsstätte "T./B. Straße 17" bewilligt. Hierbei handelt es sich um keine Nebenbestimmung des Bewilligungsbescheids, sondern um einen zentralen Bestandteil der Bewilligung der Entwöhnungsbehandlung. Da sich die Klägerin nicht in die Rehabilitationsstätte T./B. Straße 17 hat aufnehmen lassen, sondern eine andere Rehabilitationseinrichtung - Sch. B.- selbst gewählt hat, hat sie von der Begünstigung des ihr von der Beklagten am 20. März 1980 erteilten rechtskonstitutiven Bescheids keinen Gebrauch gemacht.
Das - nur noch - auf Übergangsgeld gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin ist auch nicht deswegen zulässig, weil sie sich "ohne Zutun der Beklagten selbst geholfen, selbst rehabilitiert" hätte und, "da Rehabilitation regelmäßig keinen Aufschub zuläßt,... bei begründeten Antrag so zu stellen (wäre), als ob (sie) die beantragte Leistung... rechtzeitig erhalten hätte" (so der 11. Senat des BSG in SozR 2200 § 1236 Nr 14 und in ständiger Rechtsprechung, vgl SozR aaO Nr 15, 16 und 24; SozR aaO § 1237 Nr 18; SozR aaO § 1237a Nr 10 und 15). Vorliegend hat sich die Klägerin nicht "ohne Zutun der Beklagten", sondern trotz und entgegen deren Rehabilitation bewilligenden Bescheid vom 20. März 1980 "selbst geholfen". Es kann also nicht fingiert werden, daß die Beklagte der Klägerin eine Drogenentwöhnung in der Rehabilitationseinrichtung "B." rechtskonstitutiv und sie bindend bewilligt hätte.
Nach allem ist auch der - eingeschränkte - Leistungsantrag der Klägerin auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Übergangsgeld weiterhin unzulässig und ihre Revision insoweit schon deshalb unbegründet.
Was das - mit der unzulässigen Leistungsklage verbundene - weitere Begehren der Klägerin zu Nr 1 ihres Antrags auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. April 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 1980 betrifft (Aufhebungsklage, vgl § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 2 SGG), mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die Kosten (einschließlich Übergangsgeld) der von der Klägerin selbst beschafften Rehabilitation in der "B." zu übernehmen, ist die Revision ebenfalls, und zwar aus folgenden Gründen nicht erfolgreich:
Bedenken dagegen, daß nicht die Klägerin selbst, sondern die Drogenhilfe T.e.V. bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Behandlung der Klägerin in der "B." beantragt, die Beklagte den angegriffenen Bescheid vom 21. April 1980 auch an die Drogenhilfe e.V. gerichtet und der Klägerin hiervon nur in Abdruck Kenntnis gegeben hat, kann der Senat als unerheblich zurückstellen: Die Beklagte hat durch diesen Bescheid auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin die Gewährung jeglicher Leistungen zur Rehabilitation in der Einrichtung "B." ganz klar abgelehnt. Diese auch der Klägerin bekanntgegebene Ablehnung, die auch dieser gegenüber einen belastenden Verwaltungsakt darstellt (vgl §§ 31 Satz 1, 46 SGB 10), ist in der Sache jedoch nicht zu beanstanden. Der Senat kann einen Verwaltungsakt, mit dem der Versicherungsträger - wie hier - eine Leistung ablehnt, auf die der Versicherte keinen einklagbaren Anspruch hat, nur begrenzt überprüfen. Während er die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm, die den Versicherungsträger zur Leistung ermächtigen, uneingeschränkt rechtlich überprüfen kann, kann er die Frage, ob der Versicherungsträger bei erfülltem gesetzlichen Tatbestand die Leistung zu Recht abgelehnt hat, nur beschränkt rechtlich kontrollieren; es ist ihm nur gestattet, zu prüfen, ob der Versicherungsträger die gesetzlichen Grenzen des ihm zustehenden Ermessens gewahrt und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG; § 39 Abs 1 SGB 1; vgl hierzu auch BSGE 48, 74 = SozR 2200 § 1237a Nr 6; BSGE 50, 34, 38 = SozR aaO Nr 11; BSGE 50, 156, 157 = SozR aaO § 1237 Nr 15 und ständige Rechtsprechung). Die - naturgemäß in Bezug auch auf das Übergangsgeld als ergänzende Leistung (s.o.) notwendige - Prüfung, ob dem Versicherten bei gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in Form eines stationären Aufenthalts in einer entsprechenden Therapieeinrichtung gewährt werden soll, betrifft den Bereich des Ermessens des Versicherungsträgers. Dies gilt erst recht für die im Vergleich hierzu offenkundig engere Frage, in welcher konkreten Rehabilitationsstätte die stationäre Behandlung durchgeführt werden soll. Die medizinische Rehabilitation, zu der die Gewährung einer langfristigen Drogenentwöhnung zählt (s.o.), umfaßt nach § 14 AVG therapeutische Maßnahmen "in Kur- und Spezialeinrichtungen einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung". Entgegen der Ansicht der Klägerin steht es nicht dem Versicherten zu, die Rehabilitationseinrichtung zu bestimmen: § 368d RVO, der sich auf die an der kassenärztlichen Versorgung iS von §§ 368 bis 368c RVO teilnehmenden Ärzte beschränkt, ist weder unmittelbar noch analog anwendbar, weil der Rentenversicherungsträger seine Leistung zur Rehabilitation nicht in Bindung an das Kassenarztsystem erbringen kann. So verlangt eine langfristige Drogenentwöhnung in einer Einrichtung der hier streitigen Art durchaus nicht ausschließlich oder auch nur überwiegend eine ärztliche Behandlung; notwendig sind vielmehr, wie sogleich noch auszuführen, zahlreiche nichtärztliche pädagogische Maßnahmen, um Drogenabstinenz des Versicherten zu erreichen (vgl dazu BSG in SozR 2200 § 1237 Nr 18). Die Auswahl einer Rehabilitationsstätte entzieht sich daher dem Begriff der "freien Arztwahl", ganz abgesehen davon, daß der Suchtkranke zumeist nicht in der Lage sein wird, die Geeignetheit einer stationären Einrichtung zum Zwecke der für ihn notwendigen Rehabilitation zu überblicken und zu beurteilen. Es ist daher nicht nur nicht zu beanstanden, sondern zur Erreichung des finalen Zwecks der Rehabilitation - nachhaltige Drogenentwöhnung - unabdingbar, wenn die Bundesverbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VdR) in der Empfehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker (sog Suchtvereinbarung) vom 20. November 1978 (DOK 1979, 489) in § 2 Abs 3 festgelegt haben, daß "Art, Ort und Dauer der Entwöhnungsbehandlung... der Rehabilitationsträger... (bestimmt)" und für die Entwöhnungsbehandlung in Abs 2 Satz 1 aaO nur "Einrichtungen in Betracht" kommen läßt, die ganz bestimmte Voraussetzungen - der Anlage 1 der Vereinbarung - erfüllen. Hierzu gehört zB, daß die Einrichtung über ein wissenschaftlich begründetes Therapiekonzept verfügt, dessen Effektivität in bezug auf die Gesamtbehandlung vom Versicherungsträger überprüfbar ist und daß auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit qualifizierte und erfahrene Ärzte, Diplompsychologen, Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten und ähnliche Kräfte vorhanden sind (vgl im einzelnen Nr 2 bis 10 der Anlage 1 aaO). Diese Regelung der Suchtvereinbarung stimmt mit der von der Vertreterversammlung der beklagten BfA beschlossenen Richtlinien über die Gewährung von Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation idF zuletzt vom 4. Juni 1982 (DAngVers 1982, 380) überein; nach § 7 Abs 1 aaO bestimmt die BfA im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie der Rehabilitationseinrichtung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach pflichtgemäßem Ermessen.
Bestimmt mithin nach dem Recht der medizinischen Rehabilitation nicht der Suchtkranke, sondern - in dessen wohlverstandenen Interesse - aufgrund pflichtgemäßen Ermessens der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Einrichtung, in der eine langfristige Drogenentwöhnung durchgeführt werden soll, so könnte die Aufhebungsklage der Klägerin nur erfolgreich sein, wenn die Beklagte bei der Auswahl der Rehabilitationsstätte T./B. Straße 17 die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten hätte. Hierfür besteht kein Anhalt. Zwar hatte die Beklagte bei der Auswahl der Einrichtung zur Rehabilitation iS von § 33 Satz 2 SGB 1 - übereinstimmend mit § 2 Abs 3 Satz 2 der Suchtvereinbarung - angemessene Wünsche des Rehabilitanden zu berücksichtigen. Wünsche in diesem Sinne hat die Klägerin bei der Beklagten aber nicht angemeldet. Sie hat die ihr von der Beklagten bewilligte Rehabilitation in der Einrichtung T./ B. Straße 17 nicht angenommen, sich in eine andere Rehabilitationsstätte aufnehmen und in der Folge nicht erkennen lassen, daß sie bereit wäre, mit der Beklagten über eine andere Art der Unterbringung auch nur zu reden. Sie hat die Beklagte also vor vollendete Tatsachen gestellt und schlüssig gefordert, sie anzuerkennen. Darin liegt kein - angemessener - "Wunsch". Im übrigen ist folgendes zu berücksichtigen:
Abgesehen davon, daß die Nichtberücksichtigung von Wünschen schon ganz allgemein keinen Ermessensfehler zu begründen braucht, sehen die genannten Bestimmungen nur eine "angemessene" Berücksichtigung von Wünschen des Versicherten vor. Angemessen ist im Bereich der Drogenentwöhnung ganz sicher nicht der Wunsch des Versicherten nach stationärer Unterbringung in einer Einrichtung, die nicht die volle Gewähr für eine erfolgreiche Drogenentwöhnung bietet. Die Beklagte ist nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt davon ausgegangen, daß sie die Einrichtung B. ganz allgemein für ungeeignet halten müsse und sie grundsätzlich nicht in Anspruch nehme, weil sie kein im Interesse des Versicherten voll überprüfbares Entwöhnungsverfahren praktiziere. Im übrigen beruft sich die Beklagte darauf, daß es sich bei der Auswahl der Einrichtung T./B. Straße 17 an den konkreten Vorschlag im Sozialbericht des Psychiatrischen Krankenhauses H. gehalten habe (über Inhalt und Bedeutung des Sozialberichts vgl § 5 Abs 1 der Suchtvereinbarung iVm dem Vordruck nach Anl 2). Aus alledem läßt sich nicht entnehmen, daß die Beklagte bei der Auswahl der Rehabilitationsstätte sachfremd vorgegangen wäre und sich über Wünsche der Klägerin in nicht angemessener Weise hinweggesetzt hätte. Der weiteren Behauptung der Klägerin, sie habe vermeiden müssen, in der Tübinger Einrichtung mit Bekannten aus der Drogenszene zusammenzutreffen, hat die Beklagte den Einwand entgegengesetzt, daß ein solches Zusammentreffen der Drogentherapie nicht schädlich sei; entsprechend verfahre die Drogenhilfe T.e.V. sogar in der "B.". Schließlich hat das LSG den weiteren Vortrag der Beklagten, die Drogenhilfe T.e.V. halte sich nicht immer an die zulässigen Weisungen der kostentragenden Versicherungsträger und teile die Suchtkranken nach ihren eigenen Vorstellungen auf ihre verschiedenen Therapieeinrichtungen auf, laut angefochtenem Urteil offensichtlich nicht für widerlegt gehalten.
Hat aber die Beklagte bei der Entscheidung, die Klägerin nicht in der Einrichtung "B.", sondern in der Therapieeinrichtung "T./B. Straße 17" langfristig zu entwöhnen, nicht erkennbar ermessensfehlerhaft und damit nicht rechtswidrig gehandelt, so sind der angefochtene Bescheid vom 21. April 1980 und der bestätigende Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1980 nicht zu beanstanden. Das LSG hat dies richtig erkannt, so daß die Revision der Klägerin gegen das angefochtene Urteil im vollen Umfang als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen