Leitsatz (amtlich)
Hat das SG entschieden, daß der Bescheid, in dem festgestellt wird dem Kläger sei Rente nach einem zu hohen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt worden und der Kläger habe empfangene Leistungen zurückzuerstatten, rechtmäßig ist, so betrifft das Urteil des SG sowohl den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als auch den Rückforderungsanspruch. Die Berufung ist nach SGG § 148 Nr 3 a.F. (1. Halbs) nicht statthaft, soweit das Urteil den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit betrifft; das LSG darf sachlich nur entscheiden, soweit das Urteil des SG den Rückforderungsanspruch betrifft (Anschluß an BSGE 6 S 11 ff).
Normenkette
SGG § 148 Nr. 3 Fassung: 1950-06-25; KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Juni 1958 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 1956 wird als unzulässig verworfen, soweit das Urteil des Sozialgerichts den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit betrifft; im übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger begehrte am 20. August 1950 Versorgung wegen verschiedener Leiden, die er auf den Wehrdienst zurückführte. Am 11. Juni 1951 wurde er vom ärztlichen Dienst der Versorgungsstelle des Senators für Sozialwesen in B untersucht, dieser bezeichnete die Leiden mit "teilweiser Verlust der rechten Oberkieferknochenhälfte nach Durchschußbruch, teilweise Versteifung des rechten Ellenbogengelenks mit erheblicher Verkürzung des Unterarms und mäßigem Muskelschwund, vielfache Narbenbildungen im Bereich der rechten Bauch- und Hüftgegend mit Verwachsungen des Darmes und des Bauchfelles und leichter Verwachsungserscheinung des rechten Hüftgelenks" und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) mit 80 v.H., er hielt eine Nachuntersuchung im Jahre 1952 mit zahnärztlicher Begutachtung für erforderlich. Das Versorgungsamt (VersorgA.) II in B erließ am 12. Juli 1951 einen "Bescheid über die vorläufige Gewährung von Beschädigtenbezügen" auf Grund des nach dem Kriegsversorgungsgesetz vom 12. April 1951 auch für Berlin (West) geltenden Bundesversorgungsgesetzes (BVG), es bezeichnete die Leiden ebenso wie der ärztliche Dienst und gewährte vom 1. August 1951 an Rente nach einer MdE., die "vorläufig" auf 80 v.H. festgesetzt wurde, außerdem wurde dem Kläger "auf die für die zurückliegende Zeit zustehenden Versorgungsbezüge" ein "Vorschuß" von 900,- DM bewilligt. Der Bescheid enthielt die Vermerke: "Die endgültige Festsetzung des Grades Ihrer durch Schädigung erfolgten Erwerbsminderung erfolgt bei der abschließenden Beurteilung Ihres Versorgungsleidens" und weiter: "Die vorläufig gezahlten Versorgungsbezüge sowie der Vorschuß werden auf die später endgültig festzusetzenden Versorgungsbezüge angerechnet. Sollte durch die Vorauszahlung eine Überzahlung eintreten, müssen wir die künftige Rente bis zur Tilgung der Überzahlung entsprechend kürzen". Die zahnärztliche Nachuntersuchung fand im August 1952 statt. Am 30. Oktober 1953 erließ das VersorgA. II Berlin einen als "Erstanerkennung" bezeichneten Bescheid, in dem es entsprechend dem zahnärztlichen Gutachten die Oberkieferverletzungen bezeichnete mit "verheilter Gesichtsdurchschuß mit nicht entstellenden Narben, Verlust eines Teiles des Oberkieferfortsatzes", im übrigen es bei der bisherigen Bezeichnung beließ, die MdE. vom 1. Juli 1950 an mit 70 v.H. bewertete, dem Kläger unter Berücksichtigung seines Einkommens vom 1. Juli 1950 bis 30. September 1950 eine Rente nach dem Berliner Gesetz über die Versorgung von Kriegs- und Militärdienstbeschädigten sowie ihren Hinterbliebenen (KVG) von monatlich 49,- DM und vom 1. Oktober 1950 an die seiner MdE. entsprechende Rente nach dem BVG bewilligte und zugleich verfügte, der Kläger habe für die Zeit vom 1. Juli 1950 bis 30. November 1953 - unter Berücksichtigung des Vorschusses von 900,- DM - insgesamt 1. 354,- DM zuviel erhalten, dieser Betrag werde an der laufenden Unterstützung in Raten einbehalten; der "Vorbescheid" vom 12. Juli 1951 trete außer Kraft. Den Widerspruch (Einspruch) des Klägers wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA.) B durch Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 1955 zurück, die Klage wies das Sozialgericht (SG.) Berlin am 23. April 1956 ab: Die MdE. sei mit 70 v.H. richtig bewertet, der Rückforderungsanspruch bestehe zu Recht, die Rückforderung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, die Berufung sei, soweit das Urteil den Grad der MdE. betreffe, nach § 148 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht statthaft, bezüglich des Rückforderungsanspruchs nur, wenn insoweit ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landessozialgericht (LSG.) Berlin durch Urteil vom 12. Juni 1958 das Urteil des SG. und die Bescheide vom 30. Oktober 1953 und vom 10. Mai 1955 ab und verurteilte den Beklagten, dem Kläger wegen der mit dem Bescheid vom 30. Oktober 1953 anerkannten Schädigungsfolgen Versorgung für die Zeit vom 1. Juli 1950 bis 31. Oktober 1955 nach einer MdE. um 80 v.H. und für die Zeit vom 1. November 1955 an nach einer MdE. um 70 v.H. zu gewähren, im übrigen wies es die Berufung zurück: Die Berufung sei in vollem Umfange zulässig; das angefochtene Urteil betreffe zwei Ansprüche, der Kläger habe den Bescheid vom 30. Oktober 1953 angefochten, soweit darin die MdE. nur mit 70 v.H. bewertet worden sei und hilfsweise, soweit darin der Betrag von 1.354,- DM zurückgefordert werde; die Statthaftigkeit der Berufung sei für jeden dieser beiden selbständigen Ansprüche gesondert zu prüfen; die Berufung sei jedoch im vorliegenden Falle insoweit, als das Urteil des SG. den Grad der MdE. betreffe, nicht nach § 148 Nr. 3 SGG ausgeschlossen; wenn sie insoweit ausgeschlossen wäre, würde nach dem Urteil des SG. endgültig und unanfechtbar feststehen, daß die MdE. des Klägers seit 1. Juli 1950 nur mit 70 v.H. zu bewerten sei und damit zugleich, daß er keinen Anspruch auf die Versorgungsbezüge gehabt habe, die Inhalt der Rückforderung seien; der Rückforderungsanspruch sei nach § 47 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zu beurteilen, die Rückforderung habe weder einen Neufeststellungsbescheid (§ 47 Abs. 2 VerwVG) noch einen Berichtigungsbescheid (§ 47 Abs. 3 VerwVG) zur Grundlage; eine selbständige Entscheidung über den Rückforderungsanspruch nach § 47 Abs. 1 VerwVG sei aber nur möglich, wenn hierbei die Angemessenheit des Grades der MdE. in die Prüfung mit einbezogen werde; die Berufung sei deshalb in diesem Sonderfall auch hinsichtlich des Grades der MdE. statthaft, "weil eine Trennung der beiden Ansprüche im Hinblick auf die geforderte Entscheidung über den Rückforderungsanspruch die Zulässigkeit der Berufung wegen dieses Anspruches zu einem in Wahrheit inhaltslosen prozessualen Recht machen würde"; die MdE. sei mit Rücksicht auf die vielfältigen und schweren Verletzungen des Klägers nach den ärztlichen Gutachten bis 31. Oktober 1955 mit 80 v.H. zu bewerten, vom 1. November 1955 an dagegen nur mit 70 v.H., da nach einem ärztlichen Befund vom November 1955 Beschwerden von Seiten des Bauches und der Darmpassage nicht mehr nachzuweisen seien; damit seien bis 31. Oktober 1953 Versorgungsbezüge nicht überzahlt worden und der Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 1.354,- DM sei hinfällig. Die Revision ließ das LSG. zu. Das Urteil wurde dem Beklagten am 20. Juli 1958 zugestellt.
Am 30. Juli 1958 legte der Beklagte Revision ein mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SG. Berlin vom 23. April 1956, soweit sie nicht zurückgewiesen wurde, als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. Berlin zurückzuverweisen.
Nachdem die Revisionsbegründungsfrist verlängert worden war, begründete der Beklagte die Revision am 5. September 1958: Das LSG. habe die §§ 143, 148 Nr. 3, 158 SGG unrichtig angewandt, es habe die Berufung als unzulässig verwerfen müssen, soweit das Urteil des SG. den Grad der MdE. betroffen habe, es habe nur über den Rückforderungsanspruch sachlich entscheiden dürfen, diese Entscheidung sei nicht nur von der Tatsache einer Überzahlung abhängig, sondern auch noch von anderen Umständen, die Prüfung dieses Anspruchs sei also auch dann nicht "inhaltslos", wenn das LSG. bezüglich des Grades der MdE. an das Urteil des SG. gebunden sei.
Der Kläger beantragte,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen und dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
II.
Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), sie ist auch in gehöriger Form und Frist eingelegt und sonach zulässig. Die Revision ist auch begründet.
1. Die Frage, ob die Berufung statthaft gewesen ist, ist nach den § 143 ff. SGG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGG vom 25. Juni 1958 (BGBl. I S. 409) zu beurteilen gewesen (BSG. 8 S. 135 ff.; BSG. SozR. Nr. 3 zu § 143 SGG; Beschluß des erkennenden Senats vom 21.9.1959 - 11 RV 116/59). Das Urteil des SG. hat den Bescheid des Beklagten vom 30. Oktober 1953 "betroffen", dieser Bescheid hat mehrere "Regelungen" oder "Verfügungssätze" enthalten (vgl. BSG. 9 S. 80 ff. (84)): Durch diesen Bescheid sind erstmals die Schädigungsfolgen und die Rente gemäß einer MdE. um 70 v.H. nach dem Berliner KVG und nach dem BVG festgestellt worden; der Bescheid enthält weiter den Widerruf des Bescheids vom 12. Juli 1951 und schließlich die Rückforderung des nach der Meinung des Beklagten zu Unrecht gezahlten Betrages von 1.354,- DM. Der Kläger hat sich weder ausdrücklich noch sinngemäß dagegen gewandt, daß der Beklagte mit dem Bescheid vom 30. Oktober 1953 den Bescheid vom 12. Juli 1951 "außer Kraft" gesetzt, das heißt also auch für die Vergangenheit widerrufen hat. Dieser Widerruf ist auch rechtmäßig gewesen. Der Bescheid vom 12. Juli 1951 ist als Verwaltungsakt mit Widerrufsvorbehalt ergangen (vgl. BSG. 7 S. 226 ff. (228)), weil im Zeitpunkt seines Erlasses die Leistungen noch nicht endgültig haben festgestellt werden können (BSG. a.a.O.); nach dem ärztlichen Gutachten vom 11. Juli 1951 ist die endgültige Bewertung des Grades der Gesamt-MdE. noch von einer späteren zahnärztlichen Nachuntersuchung abhängig gewesen. Der Widerruf des Bescheids vom 12. Juli 1951 hat auch pflichtgemäßem Verwaltungsermessen entsprochen; in dem Bescheid vom 12. Juli 1951 sind die Versorgungsbezüge für die Zeit vom Antragsmonat an (August 1950, irrtümlich nach dem Bescheid vom 30. Oktober 1953: 1. Juli 1950) bis 31. Juli 1951 überhaupt noch nicht festgestellt gewesen, der Kläger hat vielmehr für diese Zeit nur einen Pauschbetrag von 900,- DM als Vorschuß erhalten und auch für die Zeit vom 1. August 1951 an sind ausdrücklich nur "vorläufige" Zahlungen nach einer "vorläufig" mit 80 v.H. bewerteten MdE. bewilligt worden; der Kläger ist in dem Bescheid vom 12. Juli 1951 auch darüber unterrichtet worden, daß bei einer Überzahlung, die sich durch die "Vorauszahlungen" ergibt, die künftige Rente bis zur Tilgung der Überzahlung gekürzt werde. Die Nachuntersuchung, von der die "endgültige", das heißt erstmalige Feststellung der Rente abhängig gewesen ist, hat nach dem Ergebnis der ersten ärztlichen Untersuchung im Juni 1951 nach einem Jahr stattfinden sollen, der Kläger ist auch im August 1952 nachuntersucht worden, er hat nicht damit rechnen können, daß die Nachuntersuchung zu demselben Ergebnis führen werde wie die Untersuchung im Juni 1951 und er hat auch aus der Tatsache, daß bis zum Widerruf des Bescheids vom 12. Juli 1951 durch den angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1953 nach der Untersuchung noch mehr als ein Jahr verstrichen ist, nicht schließen müssen, daß eine Änderung in seinen Bezügen nicht mehr eintreten werde. Der Fall liegt nicht ebenso wie der Fall, über den der erkennende Senat am 19. Juni 1958 entschieden hat (BSG. 7 S. 227 ff.); zunächst ist in jenem Falle Gegenstand der Regelung lediglich die Bewilligung der Vorschußzahlungen, nicht aber die Festsetzung der MdE. gewesen, im vorliegenden Falle ist aber ausdrücklich auch der Grad der MdE. nur "vorläufig" geregelt worden; sodann hat der Kläger in jenem Falle dem Beklagten wiederholt Änderungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angezeigt, der Beklagte hat aber trotzdem überhaupt nichts veranlaßt, während im vorliegenden Falle der Beklagte nach einem Jahr die Nachuntersuchung durchgeführt und dann nach weiteren vierzehn Monaten von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht hat; es mag zwar Bedenken begegnen, daß der Beklagte nicht alsbald nach der Nachuntersuchung die Rente endgültig festgestellt hat, der Senat hat aber nicht verkannt, daß auch der beklagten Versorgungsverwaltung ein zeitlicher Spielraum belassen werden muß; aus den beigezogenen Versorgungsakten ergibt sich auch, daß das Versorgungsamt im Anschluß an die Nachuntersuchung des Klägers zunächst noch einen Antrag auf Heilbehandlung (Zahnersatz) bearbeitet hat und daß auch dadurch eine Verzögerung in der Feststellung der Rente eingetreten ist. Auch der Kläger hat sich nicht dagegen gewandt, daß der Beklagte erst am 30. Oktober 1953 einen "endgültigen" Bescheid erlassen hat, er hat diesen Bescheid vielmehr deshalb angefochten, weil er der Meinung gewesen ist, der Beklagte habe auch bei der "endgültigen" Feststellung die Rente nach einer MdE. um 80 v.H. bewerten müssen, der Beklagte habe zu Unrecht die Rente nur nach einer MdE. um 70 v.H. bewilligt, und weil er weiter der Meinung gewesen ist, er habe für die Zeit vom 1. Juli 1950 bis 30. Oktober 1953 keine Versorgungsbezüge "zu Unrecht" erhalten, der Beklagte dürfe deshalb den Betrag von 1.354,- DM nicht zurückfordern. Das SG. hat deshalb darüber zu entscheiden gehabt, ob diese beiden Regelungen in dem angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1953 - die Bewertung der Rente nach einer MdE. um 70 v.H. einerseits, die Rückforderung der 1.354,- DM andererseits - rechtmäßig gewesen sind, es hat sich auch mit diesen beiden Regelungen befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß beide Regelungen nicht rechtswidrig gewesen sind. Das Urteil des SG. hat damit zwei rechtlich selbständige Ansprüche betroffen (vgl. BSG. 6 S. 11 ff. (14, 15)), den Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Oktober 1953, soweit darin die Rente festgestellt worden ist, und den Anspruch auf Aufhebung des Bescheids, soweit der Kläger durch die Rückforderung belastet gewesen ist. Soweit das SG. über den Rückforderungsanspruch entschieden hat, hat das Urteil nicht mehr den Grad der MdE. betroffen (§ 148 Nr. 3 SGG). Für die Entscheidung über den Rückforderungsanspruch hat das SG. von der Entscheidung über den Grad der MdE. ausgehen müssen, für die zweite Entscheidung hat damit eine der Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs, daß nämlich Versorgungsbezüge teilweise zu Unrecht gewährt worden sind, bereits festgestanden. Der Kläger hat das Urteil des SG. in vollem Umfang mit der Berufung angefochten, er hat sich sowohl gegen die Festsetzung der Rente nach einer MdE. um 70 v.H. gewandt als auch gegen die Rückforderung, falls die Rente zu Recht nach einer MdE. um 70 v.H. bewertet worden ist. Wenn in einem Urteil über mehrere selbständige materiell-rechtliche Ansprüche entschieden worden ist, so ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels für jeden Anspruch selbständig zu prüfen (BSG. a.a.O.; BSG. 3 S. 135 (141)).
2. Soweit es sich um den Streit über den Grad der MdE. gehandelt hat, ist die Berufung nach § 148 Nr. 3 SGG nicht statthaft gewesen. Insoweit ist das Urteil des SG. mit der Verkündung rechtskräftig geworden. Zwar hat der Kläger das Urteil auch insoweit form- und fristgerecht mit der Berufung angefochten, die Berufung hat aber, da sie nicht statthaft gewesen ist, insoweit den Eintritt der Rechtskraft nicht gehemmt, sie hat keinen Suspensiveffekt gehabt (ebenso Niese, Juristenzeitung 1957 S. 73 ff. (76)). Hieran ändert sich nichts dadurch, daß das LSG. - zu Unrecht - die Berufung für zulässig und begründet gehalten und das Urteil des SG. aufgehoben hat. Da das LSG. ein Sachurteil nicht hat erlassen dürfen, hat es insoweit § 148 Nr. 3 SGG unrichtig angewandt, sein Urteil ist daher aufzuheben. Der Senat kann insoweit in der Sache selbst entscheiden, da es sich um eine Rechtsfrage handelt und weitere Feststellungen nicht erforderlich sind; die Berufung ist nach § 148 Nr. 3 SGG insoweit als unzulässig zu verwerfen. Auch das Urteil des erkennenden Senats hat insoweit nur deklaratorische Wirkung, der Senat stellt damit nur fest, daß das Urteil des SG. schon mit der Verkündung insoweit rechtskräftig geworden ist (Niese a.a.O.).
3. Mit der Rechtskraft des Urteils des SG., soweit es den Grad der MdE. betrifft, steht damit auch fest, daß der Kläger die Rente, die er für die Zeit vom 1. August 1951 bis 30. Oktober 1953 nach einer MdE. um 80 v.H. erhalten hat, und den Vorschuß für die Zeit vom 1. Juli 1950 bis 31. Juli 1951, soweit er die Rente nach einer MdE. um 70 v.H. übersteigt, zu Unrecht erhalten hat. Über die Berufung des Klägers ist damit noch insoweit zu entscheiden gewesen, als der Kläger sich gegen den Rückforderungsanspruch wendet, den der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid geltend gemacht hat. Das LSG. hat den angefochtenen Bescheid auch insoweit aufgehoben, weil es - zu Unrecht - davon ausgegangen ist, dem Kläger stehe noch bis 31. Oktober 1955 Rente nach einer MdE. um 80 v.H. zu, er habe daher in der Zeit vom 1. Juli 1950 bis 31. Oktober 1953, auf die sich der Rückforderungsanspruch bezieht, keine Leistungen zu Unrecht erhalten. Diese Frage hat aber das LSG. sachlich nicht mehr prüfen dürfen, insoweit ist das Urteil des SG. rechtskräftig gewesen, das LSG. hat davon ausgehen müssen, daß die Rente nicht nach einer MdE. um 80 v.H., sondern nach einer MdE. um 70 v.H. zu gewähren ist, daß der Kläger die Rente also teilweise zu Unrecht erhalten hat. Die Revision des Beklagten ist auch insoweit begründet, als das Urteil des LSG. den Rückforderungsanspruch betrifft. Die Frage, ob der Kläger Leistungen, die er zu Unrecht erhalten hat, zurückzuerstatten hat, ist, wie auch das LSG. zutreffend angenommen hat, nach § 47 VerwVG zu beurteilen gewesen (BSG. 3 S. 234 ff.). Nach § 47 Abs. 1 VerwVG sind "zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten, soweit in Folgendem nichts anderes bestimmt ist". Der Rückforderungsanspruch ist weder nach § 47 Abs. 2 noch nach § 47 Abs. 3 VerwVG ausgeschlossen gewesen. Der Tatbestand des § 47 Abs. 2 VerwVG liegt nicht vor, weil die Überzahlung nicht auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht (die Verhältnisse haben sich weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht seit dem Bescheid vom 12. Juli 1951 geändert); der Tatbestand des § 47 Abs. 3 VerwVG liegt nicht vor, weil der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid nicht den vorläufigen Bescheid vom 12. Juli 1951 nach § 41 oder § 42 VerwVG "berichtigt" hat (der vorläufige Bescheid vom 12. Juli 1951 mit Widerrufungsvorbehalt ist nicht rechtswidrig gewesen und er ist auch durch den Widerruf nicht rechtswidrig geworden, vgl. BSG. 7 S. 229). Der Beklagte hat zwar die Möglichkeit gehabt, von der Rückforderung abzusehen, wenn sie eine besondere Härte für den Versorgungsberechtigten bedeutet (§ 47 Abs. 4 VerwVG); insoweit hat der Senat jedoch nur prüfen dürfen, ob der Beklagte, wenn er von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat, die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 SGG), hierfür sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Da keine Gründe vorliegen, die die Verpflichtung des Klägers zur Rückerstattung zu Unrecht empfangener Leistungen ausschließen, ist das Urteil des SG. auch insoweit im Ergebnis zutreffend, als es den Rückforderungsanspruch betrifft und die Klage auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids auch insoweit abgewiesen hat. Das LSG. hat das Urteil des SG. insoweit zu Unrecht aufgehoben. Die Berufung des Klägers ist insoweit unbegründet gewesen. Das Urteil des LSG. ist deshalb aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
4. Die Berufung ist, soweit sie zwar statthaft, aber unbegründet ist, nicht, wie das LSG. gemeint hat, zu "einem in Wahrheit inhaltslosen prozessualen Recht" geworden. Es ist zwar richtig, daß im vorliegenden Falle und in allen gleichartigen Fällen mit der Rechtskraft des Urteils über den Grad der MdE. auch feststeht, daß Leistungen "zu Unrecht" empfangen und deshalb nach § 47 Abs. 1 VerwVG zurückzuerstatten sind. Man kann aber nicht sagen, daß ein zulässiges Rechtsmittel deshalb "inhaltslos" ist, weil sich nach materiellem Recht zwingend ergibt, daß es als unbegründet zurückzuweisen ist. Der Kläger wird im vorliegenden Falle nicht anders gestellt, als wenn der Beklagte zunächst in einem Widerrufsbescheid nur die MdE. niedriger festgestellt, einen Rückforderungsanspruch aber nicht geltend gemacht hätte; auch in diesem Fall hätte dem Kläger für die Entscheidung über die Höhe der Rente gemäß § 148 Nr. 3 SGG nur eine gerichtliche Instanz zur Verfügung gestanden, die Berufung hätte als unzulässig verworfen werden müssen; hätte der Beklagte dann, nachdem rechtskräftig in diesem Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Bescheids, der die Höhe der Rente betroffen hat, entschieden worden ist, in einem selbständigen Bescheid nunmehr den Rückforderungsanspruch geltend gemacht, so hätte der Kläger zwar ein Urteil des SG., in dem seine Klage auf Aufhebung des Rückforderungsbescheides abgewiesen worden ist, mit der - statthaften - Berufung anfechten können, auch in diesem Falle hätte sich aber materiell-rechtlich aus der Tatsache, daß er Leistungen zu Unrecht erhalten hat, nach § 47 Abs. 1 VerwVG zwingend ergeben, daß diese Leistungen zurückzuerstatten sind, die Berufung also zurückzuweisen ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, den Kläger dann, wenn der Beklagte die Rente und die Rückforderung in einem Bescheid feststellt, prozessual günstiger zu stellen als dann, wenn jede der beiden "Regelungen" in einem selbständigen Bescheid getroffen worden ist. Der Ausschluß der Berufung im Falle des § 148 Nr. 3 SGG beruht auf der Erwägung, daß über Gradstreitigkeiten - sofern nicht vom Grad der MdE. die Grundrente oder die Schwerbeschädigteneigenschaft abhängig ist - nur eine gerichtliche Instanz sachlich entscheiden soll; an diesem Ausschließungsgrund ändert sich nichts dadurch, daß sich aus der Entscheidung über den Grad der MdE. nach materiellem Recht eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Leistungen ergeben kann, das Gesetz läßt nicht die Auslegung zu, daß dann auch bezüglich des Streites über die Höhe der Rente eine zweite Tatsacheninstanz und möglicherweise - wie der vorliegende Fall zeigt - die Revisionsinstanz eröffnet werden soll und zwar auch dann, wenn sich aus der Entscheidung über die Höhe der Rente möglicherweise nur eine geringfügige Rückzahlung ergeben würde.
5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen