Leitsatz (redaktionell)
Bei der Beurteilung eines Wiedereinsetzungsantrags nach SGG § 67 ist - anders wie nach ZPO § 233 - immer ein subjektiver Maßstab an die konkrete Person anzulegen, wobei neben deren Gesundheits- und Geisteszustand ua Bildungsgrad, Geschäftsgewandtheit, Rechtskenntnisse, aber auch Sprach- und Schreibgewandtheit von Bedeutung sein können.
Nach SGG § 67 "soll" - nicht muß - der Antragsteller die Tatsachen glaubhaft machen.
Auch bei einem Wiedereinsetzungsantrag nach SGG § 671 hat das Gericht den rechtserheblichen Sachverhalt nach SGG § 103 von Amts wegen zu erforschen.
Normenkette
SGG § 67 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 233 Abs. 1 a.F.; SGG § 103 S. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 21. August 1969 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die aus Jugoslawien stammende Klägerin gehört nach ihren Angaben zu den Volksdeutschen; seit März 1948 lebt sie in Argentinien. Am 28. März 1961 beantragte sie bei dem Versorgungsamt (VersorgA) B die Gewährung von Witwen- und Elternrente. Sie gab dabei an, ihr Ehemann und ihre beiden ältesten Söhne hätten dem Heimatschutz angehört und seien am 27. Oktober 1943 in ihrem Heimatort G von Partisanen erschossen worden. Zwei jüngere Söhne seien im Juni 1945 gleichfalls als Mitglieder des deutschen Heimatschutzes in deutschen Uniformen nach Jugoslawien verbracht worden und seither verschollen. Das VersorgA stellte Ermittlungen an und lehnte die Anträge der Klägerin durch zwei Bescheide vom 7. Dezember 1965 ab. Die Widersprüche der Klägerin waren erfolglos (Widerspruchsbescheide des Landesversorgungsamtes - LVersorgA - B vom 21. und 22. Dezember 1966). Die beiden Widerspruchsbescheide wurden der Klägerin laut Zustellungsnachweis der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in B am 9. Februar 1967 zugestellt.
Mit zwei Schriftsätzen vom 3. August 1967, die am 7. August 1967 bei dem Sozialgericht (SG) Bremen eingingen, erhob die Klägerin Klage. Gleichzeitig beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist und trug dazu vor, in den letzten Jahren sei sie sehr krank gewesen. Als sie Anfang Februar 1967 auf der Deutschen Botschaft die Widerspruchsbescheide erhalten habe, habe sie einen solchen Schock erlitten, daß sie völlig zusammengebrochen sei. Aus diesem Grunde sei es ihr rein körperlich verwehrt gewesen, den Pfarrer Sch bei der Deutschen evangelisch-lutherischen Kirche aufzusuchen, der sämtliche Schriftsätze für sie gefertigt und ihr auch bei der Antragstellung und der weiteren Bearbeitung behilflich gewesen sei. Erst am 3. August 1967 habe sie in der Kirchenkanzlei erscheinen können; noch am gleichen Tage sei die Klageschrift gefertigt und abgesandt worden. Sie habe fünf Blutopfer für Deutschland gebracht und müsse heute unter kümmerlichsten Verhältnissen in Argentinien leben.
Das SG hat beide Sachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen durch Urteil vom 10. Juni 1968 als verspätet abgewiesen. Im Berufungsverfahren brachte die Klägerin eine Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. E bei; danach hatten die ärztliche Behandlung wegen Herzinsuffizienz sowie die verordnete Bettruhe vom 13. Februar bis 31. Juli 1967 gedauert. Das Landessozialgericht (LSG) hat die beiden Sachen erneut zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom 21. August 1969 "die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des SG Bremen vom 10. Juni 1968" - gemeint ist die Berufung gegen das Urteil des SG Bremen vom 10. Juni 1968 - als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Klägerin habe die Klagefrist versäumt; Wiedereinsetzung könne ihr nicht gewährt werden, da sie nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, rechtzeitig Klage zu erheben. Der Klägerin könne zwar ohne Bedenken geglaubt werden, daß sie, während die Klagefrist lief, krank und auch bettlägerig gewesen sei. Vor dem SG bestehe jedoch kein Vertretungszwang. Die Klägerin sei daher nicht gezwungen gewesen, nur durch ihren späteren Prozeßbevollmächtigten, Pfarrer Sch, Klage zu erheben. Zur Klageerhebung habe es nur der Absendung einer Postkarte bedurft. Durch die ärztliche Bescheinigung des Dr. E sei nicht glaubhaft gemacht, daß die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, eine derartige schriftliche Nachricht zu verfassen oder durch einen in ihrer Umgebung lebenden Menschen verfassen zu lassen.
Dieses Urteil wurde der Klägerin am 23. September 1969 zugestellt. Die Klägerin hat dagegen mit einem eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz vom 24. November 1969, der am 3. Dezember 1969 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, Revision eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihr das Armenrecht zu bewilligen. Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin eine eigene eidesstattliche Versicherung und eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. E eingereicht. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen. Durch Beschluß des Senats vom 18. September 1970 ist der Klägerin für das Verfahren vor dem BSG das Armenrecht bewilligt und Rechtsanwalt Dr. W Z in K als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden. Dieser hat mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1970, beim BSG eingegangen am 14. Oktober 1970, Revision eingelegt und diese in demselben Schriftsatz begründet.
Die Klägerin beantragt,
1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist zu gewähren,
2) die Urteile des SG Bremen vom 10. Juni 1968 aufzuheben,
3) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Klagefrist zu gewähren,
4) die Bescheide des VersorgA B vom 7. Dezember 1965 und die Bescheide des LVersorgA B vom 21. und 22. Dezember 1966 aufzuheben,
5) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenrente und Elternrente in gesetzlicher Höhe ab 1. März 1961 zu gewähren,
6) der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Bremen zurückzuverweisen.
In ihrer Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, trägt die Klägerin vor, der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Revisionsfrist sei rechtzeitig gestellt. Mit der Revision rüge sie die Verletzung der §§ 67 und 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das LSG. Eine schuldhafte Versäumung der Klagefrist liege nicht vor. Sie, die Klägerin, sei damals 71 Jahre alt gewesen; sie sei eine einfache Frau, die zwar der deutschen Sprache mächtig sei, sie aber nicht schreiben könne. Insbesondere bei amtlichen Schreiben sei sie auf fremde Hilfe angewiesen. Sie lebe ohne Angehörige in ärmlichen Verhältnissen in einem Vorort von Buenos Aires. Während des Laufes der Klagefrist sei sie bettlägerig krank gewesen. Sofort nach ihrer Wiederherstellung habe sie Pfarrer Sch aufgesucht und ihn mit der Erhebung der Klage beauftragt. Die Nachbarinnen - "einfache hiesige Leute" - habe sie dafür nicht in Anspruch nehmen können. Spätestens das LSG habe in Ausübung seiner Aufklärungspflicht gemäß § 106 SGG die gleichen Auskünfte und Bescheinigungen einholen müssen, die das BSG eingeholt habe. Der Rechtsstreit sei auch entscheidungsreif. Sie sei Volksdeutsche und stamme aus dem Grenzbereich des deutschen Siedlungsgebietes in Slowenien. Ihr Ehemann und ihre vier Söhne seien Angehörige des Heimatschutzes gewesen und im Zusammenhang mit dieser Zugehörigkeit umgebracht worden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Sie meint, ein Verfahrensfehler des LSG liege nicht vor.
Die Klägerin hat die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist zunächst versäumt. Ihr war jedoch auf ihren Antrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsfrist und - auch ohne besonderen Antrag (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) - Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren (vgl. BSG in SozR SGG § 67 Nr. 9 und 19). Einer besonderen förmlichen Entscheidung über diesen Wiedereinsetzungsantrag bedurfte es nicht; vielmehr konnte diese Entscheidung in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgetroffen werden (vgl. BSG in SozR SGG § 67 Nr. 14). Das angefochtene Urteil ist der Klägerin am 23. September 1969 in Argentinien zugestellt worden. Die Revisionsfrist lief daher am 23. Dezember 1969 ab (vgl. §§ 87 Abs. 1 Satz 2, 153, 165 SGG). Bis zu diesem Zeitpunkt ist eine den Formvorschriften des § 166 SGG entsprechende Revisionsschrift bei dem BSG nicht eingegangen, sondern lediglich die von der Klägerin handschriftlich unterzeichnete Revisionsschrift vom 24. November 1969 mit dem darin enthaltenen Armenrechtsgesuch. Die Klägerin ist jedoch infolge Armut und somit ohne ihr Verschulden zunächst gehindert gewesen, die zur Durchführung der Revision gebotenen Rechtshandlungen in wirksamer Form, nämlich durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (vgl. § 166 Abs. 2 SGG), rechtzeitig vorzunehmen. Dieses Hindernis ist durch den Beschluß des Senats vom 18. September 1970 behoben worden, durch den der Klägerin das Armenrecht bewilligt und Rechtsanwalt Dr. W Z. als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden ist. Die Klägerin hat alsdann innerhalb eines Monats (vgl. § 67 Abs. 2 SGG) durch ihren Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung beantragen und die versäumten Rechtshandlungen nachholen lassen (vgl. BSG in SozR SGG § 67 Nr. 11 und Nr. 19). Die durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1970 erfolgte Einlegung und Begründung der Revision gilt daher als fristgerecht eingelegt i. S. der §§ 164, 166 i. V. m. § 67 SGG.
Das LSG hat die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen; eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist nicht im Streit. Die Revision ist daher nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (vgl. BSG 1, 150). Die Klägerin rügt in ihrer Revisionsbegründung als wesentlichen Verfahrensmangel Verletzungen der §§ 67 und 106 SGG. Werden mehrere Verfahrensmängel gerügt, so genügt es für die Statthaftigkeit der Revision, wenn einer dieser Verfahrensmängel vorliegt. In einem solchen Fall kommt es für die Statthaftigkeit der Revision nicht mehr darauf an, ob auch die übrigen Rügen durchgreifen (s. dazu BSG in SozR SGG § 162 Nr. 122).
Die Klägerin erblickt die von ihr gerügte Verletzung des § 67 SGG darin, daß das LSG ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist nicht stattgegeben und infolgedessen eine Sachentscheidung unterlassen habe. Diese Rüge einer Verletzung des § 67 SGG greift durch; sie scheitert nicht etwa daran, daß bereits das SG die Wiedereinsetzung abgelehnt und die Klage als verspätet abgewiesen hat, so daß das LSG nur über einen Mangel im Verfahren der ersten Instanz zu entscheiden gehabt hätte (vgl. BSG in SozR SGG § 162 Nr. 40). Gegen das Urteil des SG ist die Berufung uneingeschränkt zulässig gewesen (§ 143 SGG). Die Klägerin hat Berufung eingelegt und in zweiter Instanz u. a. auch den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist gestellt. Das LSG hatte also nicht nur über einen etwaigen Mangel im Verfahren des SG, sondern auch über den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung als Grundlage für das Berufungsverfahren zu entscheiden. Die von dem LSG bestätigte Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages betraf also nicht nur das Verfahren des SG, sondern auch das eigene Verfahren des LSG (vgl. BSG in SozR SGG § 162 Nr. 66)
Die Widerspruchsbescheide vom 21. und 22. Dezember 1966 sind der Klägerin ausweislich des Zustellungsnachweises der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland am 9. Februar 1967 in Buenos Aires/Argentinien, also im Ausland, zugestellt worden. Die Klagefrist betrug daher gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG drei Monate; sie endete am 9. Mai 1967. Die Klageschriften sind jedoch erst am 7. August 1967, also verspätet, beim SG Bremen eingegangen. Zu Unrecht hat das LSG jedoch den von der Klägerin gestellten Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Anders als bei § 233 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird nicht auf ein objektives Moment - Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle -, sondern auf ein subjektives Moment - das Verschulden des Beteiligten - abgestellt. Bei der Beurteilung eines Wiedereinsetzungsantrages ist also immer ein subjektiver Maßstab an die konkrete Person anzulegen, wobei neben deren Gesundheits- und Geisteszustand u. a. Bildungsgrad, Geschäftsgewandtheit, Rechtskenntnisse, aber auch Sprach- und Schreibgewandtheit von Bedeutung sein können (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 67 Anm. 7 S. 213). Wird auf der einen Seite gefordert, daß es unter Umständen für den Rechtsuchenden erforderlich sein kann, den Rat einer rechtskundigen Person einzuholen, um offenbare Rechtsirrtümer zu vermeiden (vgl. BSG in ZfS 1965 S. 347), dann muß andererseits auch dem Rechtsuchenden die Möglichkeit zugebilligt werden, sich vor Einlegung eines Rechtsbehelfs fachkundig darüber beraten zu lassen, ob seine Rechtsverfolgung eine Aussicht auf Erfolg hat oder ob er davon Abstand nehmen soll. Gerade ein gewissenhafter Prozeßführender wird das verständliche Bestreben haben, unter Abwägung des Für und Wider eine sachgemäße Beurteilung über die Einlegung des Rechtsbehelfs zu treffen (vgl. Urteil BGH vom 20. Mai 1970 in Monatsschrift für Deutsches Recht 1970 S. 757). Ob dazu in jedem Falle die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen rechtskundigen Berater erforderlich ist, kann für den vorliegenden Fall dahinstehen. Jedenfalls aber sind die persönlichen Verhältnisse der Prozeßpartei zu berücksichtigen, insbesondere wenn diese geschäftsungewandt ist, die rechtlichen Probleme schlechterdings nicht übersehen und die rein technischen Probleme einer Rechtsmitteleinlegung nicht meistern kann. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob vor dem Rechtsmittelgericht Vertretungszwang besteht oder nicht, denn die vorherige Beratung und Unterstützung bei der Meinungsbildung und technischen Durchführung des Rechtsbehelfs hat mit der späteren Prozeßvertretung nichts zu tun.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bereits im Berufungsverfahren durch die Vorlage der Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. E unter Beweis gestellt, daß sie infolge Herzinsuffizienz vom 13. Februar bis 31. Juli 1967, also gerade während des Laufes der Klagefrist und noch darüber hinaus, bettlägerig krank gewesen ist. Das LSG hat das entsprechende Vorbringen der Klägerin als "ohne Bedenken glaubhaft" bezeichnet und festgestellt, daß die Klägerin, "während die Klagefrist lief, krank und auch bettlägerig gewesen ist". Wenn das LSG jedoch weiter die Feststellung getroffen hat, daß die Klägerin "deshalb" nicht gehindert gewesen ist, rechtzeitig schriftlich Klage zu erheben, und daß die Klägerin in der Lage gewesen ist, eine "derartige schriftliche Nachricht" - gemeint ist eine Postkarte an das SG Bremen mit der Mitteilung der Klageerhebung - entweder selbst zu verfassen oder durch einen in ihrer Umgebung lebenden Menschen verfassen zu lassen, so ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Beweismittel das LSG zu dieser Feststellung gekommen ist. Das LSG scheint insoweit seine Verpflichtungen, die sich aus § 67 SGG ergeben, verkannt zu haben. Auch bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung hat das Gericht im Rahmen des § 103 SGG den Sachverhalt, der für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtserheblich ist, von Amts wegen zu erforschen. Diese Aufklärungspflicht wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß gemäß § 67 SGG der Antragsteller die Tatsachen zur Begründung des Antrages glaubhaft machen "soll" (vgl. BSG in SozR SGG § 67 Nr. 13). Eine unbedingte Pflicht zur Glaubhaftmachung besteht schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht. Die Pflicht zur Aufklärung der für den Antrag auf Wiedereinsetzung rechtserheblichen Tatsachen wird um so ernster zu nehmen sein, je mehr Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß persönlichkeitsgebundene Umstände ein Verschulden ausschließen können. Mit Recht weist die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, daß bereits das LSG die Ermittlungen hätte durchführen müssen, die der erkennende Senat im Rahmen des Armenrechtsverfahrens durchgeführt hat. Alsdann hätte sich ergeben, daß die Klägerin während des Laufes der Klagefrist nicht nur krank und bettlägerig gewesen ist, sondern daß sie auch der deutschen Schriftsprache nur unvollkommen mächtig ist und sich insbesondere bei amtlichen Schreiben auf fremde Hilfe verlassen muß, daß sie für sich allein und ohne Angehörige in einem entfernten Vorort von B (Provincia B) wohnt und daß sie durch "einfache hiesige Leute" - also offenbar durch Argentinier, bei denen eine Kenntnis der deutschen Schriftsprache nicht ohne weiteres angenommen werden kann - während ihrer Krankheit betreut worden ist. Damit entfällt aber auch die Annahme des LSG, daß die Klägerin selbst eine Postkarte zur Klageerhebung schreiben oder durch "einen in ihrer Umgebung lebenden Menschen" verfassen lassen konnte.
Wird weiter berücksichtigt, daß die Klägerin nach den bei den Akten befindlichen Unterlagen aus einem anderen Rechtskreis und Sprachgebiet stammt und nicht nur rechtsunkundig, sondern auch geschäftsungewandt ist, dann muß ihr nach den obigen Ausführungen ferner zugebilligt werden, daß sie sich vor Erhebung der Klage mit Pfarrer Sch, dem ihr Vertrauen gehört, beraten konnte. Diesen Berater hat die Klägerin erst am 3. August 1967, als ihre Krankheit und Bettlägerigkeit überstanden waren, aufsuchen können. Am gleichen Tage ist von Pfarrer Sch die Klageschrift gefertigt und abgesandt worden. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist die Klägerin daher ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Das LSG hat § 67 SGG verletzt, wenn es den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist abgelehnt und aus diesem Grunde eine Sachprüfung und -entscheidung unterlassen hat. Die Revision ist aus diesem Grunde statthaft. Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem gerügten Verfahrensmangel und war daher aufzuheben.
Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil das LSG keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob die Klägerin zu dem versorgungsberechtigten Personenkreis (vgl. § 7 BVG) gehört und ob die sonstigen Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach §§ 38, 49 oder 52 des Bundesversorgungsgesetzes gegeben sind. Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen