Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsmaßstab in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Arbeitsbedarf. Unfallgefahr. Rechtsetzungsbefugnis
Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung des Beitrages in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach dem Arbeitsbedarf.
Orientierungssatz
1. Satzungsbestimmungen eines Unfallversicherungsträgers sind als autonom gesetztes objektives Recht durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daraufhin zu prüfen, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (vgl BSG 1977-11-25 2 RU 9/76 = SozSich 1978, 118).
2. Berechnet eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Beiträge nach dem Arbeitsbedarf, so hat sie ihr eingeräumtes Recht zur Bestimmung des Beitragsmaßstabes nicht dadurch überschritten, daß sie in ihrer Satzung von der Abstufung der Beiträge nach der Höhe der Unfallgefahr abgesehen hat (§ 803 Abs 2 S 2 RVO). Auch soweit eine Differenzierung nach der Unfallgefahr möglich ist, wird die eingeräumte Möglichkeit der Abstufung für die Berufsgenossenschaft nicht zum gesetzlichen Zwang.
3. Bei dem Arbeitsbedarfsmaßstab mit einheitlichem Abschätzungstarif und der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaß sind gewisse Härten hinzunehmen (vgl BSG 1982-04-28 12 RK 3/81 = SozR 5800 § 4 Nr 2).
4. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (vgl BVerfG 1971-05-18 1 BvL 7/69 = BVerfGE 31, 119).
Normenkette
RVO §§ 725, 776, 803 Fassung: 1963-04-30, § 806 Fassung: 1963-04-30, § 809 Abs 1 Fassung: 1963-04-30, § 812 Fassung: 1963-04-30, § 803 Abs 2 S 2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 28.01.1981; Aktenzeichen L 6 U 383/80) |
SG Hannover (Entscheidung vom 20.10.1980; Aktenzeichen S 9 U 20/80) |
Tatbestand
Der Kläger ist als Unternehmer eines 32,76 ha großen landwirtschaftlichen Betriebes Mitglied der beklagten H. landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG). Die Beiträge zur Unfallversicherung berechnet die Beklagte nach dem Arbeitsbedarf, der für die Unternehmen mit überwiegender Bodenwirtschaft einheitlich unter Berücksichtigung der Größe der bewirtschafteten Fläche und der Kulturart geschätzt wird. Der Vorstand der Beklagten konnte das Abschätzungsergebnis ändern, wenn die Abschätzung infolge einer von der üblichen erheblich und nachhaltig abweichenden Wirtschaftsweise zu einem unter Berücksichtigung der Unfallgefahr offensichtlich unbilligen Ergebnis führte (§ 48 der Satzung der Beklagten Ausgaben 1964, 1967 und 1976 sowie § 54 Ausgabe 1978). Dementsprechend pflegte die Beklagte nach einer Entscheidung ihres Vorstandes vom 12. März 1972 bei Unternehmen mit viehloser Wirtschaftsweise das Abschätzungsergebnis ua auf Antrag um ein Viertel zu ermäßigen.
Im Oktober 1967 hatte der Kläger unter Hinweis darauf, daß er viehlos wirtschafte, gemäß § 48 Abs 6 der Satzung Ausgabe 1964 eine Beitragsermäßigung beantragt. Auf seine Klage gegen den eine Herabsetzung des Abschätzungsergebnisses ablehnenden Bescheid der Beklagten schlossen die Beteiligten vor dem Sozialgericht (SG) Hannover (S 9 U 11/69) am 31. August 1970 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte bereit erklärte, das der Beitragsberechnung zugrunde zu legende Abschätzungsergebnis vom 1. Januar 1968 an um ein Drittel zu ermäßigen (Ausführungsbescheid vom 15. September 1970). Bei dieser Ermäßigung verblieb es auch in den folgenden Jahren.
Durch Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 18. Dezember 1979 wurde die Satzung Ausgabe 1978 mit Wirkung vom 1. Januar 1980 geändert (1. Nachtrag, genehmigt durch den Niedersächsischen Sozialminister am 10. Januar 1980): § 54 Abs 5 (früher § 48 Abs 6 bzw § 48 Abs 5) wurde ersatzlos gestrichen; in § 54 Abs 2 wurde der Ansatz an Arbeitstagen für Ackerland (Acker, Hausgarten, Feldgemüsebau, Tabak) bei Unternehmen bis 2,5 ha (Größenklasse I) von 30 auf 29, bei Unternehmen bis 12 ha (Größenklasse II) von 25 auf 23 und bei Unternehmen bis 75 ha (Größenklasse III) von 20 auf 18 herabgesetzt; der Ansatz von 15 Arbeitstagen bei Unternehmen über 75 ha (Größenklasse IV) blieb unverändert; der Ansatz für Grünland (Wiesen, Weiden) wurde für die vier Größenklassen um je zwei Punkte auf 14, 12, 10 und 10 heraufgesetzt.
Daraufhin erteilte die Beklagte am 29. Januar 1980 einen "Änderungsbescheid", in dem sie ausführte, infolge Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung entfalle künftig die wegen viehloser Wirtschaftsweise gewährte Ermäßigung. Sie veranlagte in demselben Bescheid den Kläger für 32,27 ha Ackerland und 0,49 ha Grünland mit insgesamt (aufgerundet) 650 Arbeitstagen.
In Schreiben vom 4. Februar und 6. März 1980 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Streichung des § 54 Abs 5 sei beschlossen worden, weil die in den Vorjahren allein an den Leistungsaufwendungen orientierten, zur unmittelbaren Senkung der Beiträge bestimmten Bundesmittel vom Jahre 1980 an nach einem einkommensbezogenen Maßstab zugeteilt würden. Durch diese Neuverteilung werde sie - die Beklagte - jährlich drei Millionen DM weniger als bisher erhalten. Es sei deshalb nicht mehr gerechtfertigt, besondere Beitragsermäßigungen für bestimmte Betriebsstrukturen fortbestehen zu lassen. Den Widerspruch des Klägers gegen die Veranlagung nach dem vollen Arbeitsbedarf wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 25. März 1980).
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte könne sich der Verpflichtung aus dem Vergleich vom 31. August 1970 nicht entziehen. Durch die Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung habe die Vertreterversammlung ihr Selbstverwaltungsermessen offensichtlich mißbraucht. Der nach § 54 Abs 2 der Satzung erhobene Beitrag habe keinen Bezug mehr zur Unfallgefahr; der Arbeitsbedarf eines viehlos bewirtschafteten Betriebes liege wesentlich unter demjenigen eines viehhaltenden Betriebes. Die Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 29. Januar und 25. März 1980 zu verurteilen, dem Kläger die bisher gemäß § 54 Abs 5 der Satzung gewährte Beitragsermäßigung wegen viehloser Wirtschaftsweise weiter zu gewähren, hat das SG Hannover durch Urteil vom 20. Oktober 1980 abgewiesen. Die Berufung des Klägers, die sich - nach Anfrage des Berichterstatters des Landessozialgerichts (LSG) - allein auf die Aufhebung des Urteils des SG und der beiden Bescheide der Beklagten richtet, hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1981). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Durch die Änderung der Satzung (Streichung des § 54 Abs 5) sei die Rechtsgrundlage für den Vergleich entfallen; die Beklagte habe deshalb die Beitragsermäßigung für die Zukunft rückgängig machen dürfen; der Veranlagungs-Änderungsbescheid sei nicht rechtswidrig. Die Satzungsänderung sei ordnungsgemäß zustandegekommen und genehmigt worden, sie halte sich auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Es erscheine nicht notwendig, daß der Satzungsgeber über den Ansatz von vier Größenklassen und sechs Kulturarten hinaus gehalten sein sollte, die Kulturart Ackerland noch in viehhaltende und viehlose Wirtschaftsweise mit etwa unterschiedlichem Arbeitsbedarf aufzuteilen. Der Satzungsgeber sei nicht gehindert gewesen, das seiner Rechtsetzungsbefugnis unterliegende Rechtsgebiet durch Streichung einer Vergünstigung (§ 54 Abs 5 der Satzung Ausgabe 1978) veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Eine Koppelung zwischen Streichung der allgemein anwendbaren Bestimmung zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen und einer weiteren Unterteilung der Kulturarten sei nicht anzuerkennen. Im übrigen sei der Arbeitsbedarf zum Teil anders angesetzt und damit eine Neuverteilung der Beitragslast vorgenommen worden (§ 54 Abs 2 idF des 1. Nachtrags). Ob eine bessere Regelung möglich gewesen wäre, etwa durch Abstufung der Beiträge nach der Unfallgefahr, sei eine Frage der Zweckmäßigkeit, die allein in der Entscheidungsbefugnis der Vertreterversammlung liege.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision (Beschluß vom 27. August 1981) rügt der Kläger die Verletzung der §§ 802 ff Reichsversicherungsordnung (RVO), der Art 3 und 105 des Grundgesetzes (GG) und der Sachaufklärungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Der von der Beklagten gewählte Maßstab des Arbeitsbedarfs sei nicht angemessen iS des § 803 Abs 1 RVO, weil bei den danach errechneten Beiträgen die unterschiedliche Unfallgefahr verschiedener Betriebsarten nicht zum Ausdruck komme. Dies zeige sich besonders deutlich bei der Gegenüberstellung von viehlos und viehhaltend wirtschaftenden Betrieben bei gleichem Arbeitskräftebedarf; der Beitragsmaßstab der Beklagten führe dazu, daß die viehlos wirtschaftenden Betriebe durch überhöhte Beiträge die viehhaltenden Betriebe mitfinanzierten, obwohl der tatsächliche Arbeitsbedarf und die Unfallgefahr bei viehloser Wirtschaftsweise geringer seien. Das LSG hätte den Sachverhalt insoweit aufklären müssen. Der pauschalierende Beitragsbemessungsmaßstab sei willkürlich und gebe den Beiträgen den Charakter einer Sondersteuer bzw Sonderabgabe (Verstoß gegen Art 3 und 105 GG). Da jeder Beitragsmaßstab eine größtmögliche individuelle Beitragsgerechtigkeit zum Ziel haben müsse, sei bei Anwendung eines pauschalierenden Maßstabes - wie hier - eine Billigkeitsregelung in Form einer Härteklausel erforderlich. Die Beklagte hätte deshalb § 54 Abs 5 ihrer Satzung Ausgabe 1978 nicht ersatzlos streichen dürfen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG Niedersachsen vom 28. Januar 1981, das Urteil des SG Hannover vom 20. Oktober 1980 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1980 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist darauf, daß seit dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) anders als nach der früheren Gesetzeslage für die landwirtschaftliche Unfallversicherung die Abstufung der Beiträge nach der Unfallgefahr nicht mehr zwingend vorgeschrieben, vielmehr nur noch fakultativ vorgesehen und damit abgewertet sei. Darüber hinaus sei auch nicht erkennbar, daß Tierhaltung generell unfallträchtiger sei als Getreide- und Hackfruchtanbau. Auch müsse Tierhaltung nicht zwangsläufig arbeitsaufwendiger sein als viehlose Wirtschaftsweise. Eine vom Kläger zu Unrecht vermißte Härteklausel enthalte § 55 der Satzung. Danach sei für bestimmte Fälle (zB Abmelk-, Mast- oder Zuchtunternehmen) eine abweichende Abschätzung des Arbeitsaufwandes - sogar unter Berücksichtigung der Unfallgefahr - vorgesehen. Es sei somit sichergestellt, daß der Kläger nicht durch anderweitig etwa auftretende Übermaßrisiken mitbelastet werde. Sowohl den Interessen des Ackerbaues als auch den Veränderungen der Landwirtschaft sei schließlich dadurch Rechnung getragen worden, daß zugleich mit der Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung die Arbeitstagezahl für Ackerland in den Größenklassen I bis III reduziert und für Grünland in allen Größenklassen erhöht worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 29. Januar 1980 nicht aus.
Durch den angefochtenen Bescheid hat die Beklagte das landwirtschaftliche Unternehmen des Klägers neu veranlagt ("Änderungsbescheid"), indem unter Hinweis auf die Streichung des § 54 Abs 5 der Satzung 1978 durch den 1. Nachtrag mit Wirkung vom 1. Januar 1980 an anders als in den voraufgegangenen Jahren eine Ermäßigung der Gesamtveranlagungstage um ein Drittel abgelehnt wurde. Der Kläger erstrebt eine günstigere (niedrigere) Veranlagung seines Unternehmens als nach den Bestimmungen der Satzung Ausgabe 1978 idF des 1. Nachtrages, der nach den Feststellungen des LSG, wie auch die Revision nicht bestreitet, ordnungsgemäß zustandegekommen und aufsichtsbehördlich genehmigt worden ist. Dieses Ziel kann er nicht schon, wie er noch im Verwaltungs- und im vorinstanzlichen Verfahren gemeint hat, aufgrund des am 31. August 1970 geschlossenen Vergleiches erreichen. Die von der Beklagten vergleichsweise zugestandene Ermäßigung des Abschätzungsergebnisses stützte sich dem Antrag des Klägers entsprechend auf die dem Vorstand in der Satzung Ausgabe 1964 (§ 48 Abs 6) eingeräumte Befugnis zur Änderung des satzungsgemäß errechneten Ergebnisses in allgemein bezeichneten Härtefällen. Diese Rechtsgrundlage, von der die Beteiligten beim Abschluß des Vergleiches ausgingen, ist jedoch durch die Streichung der mit § 48 Abs 6 der Satzung Ausgabe 1964 übereinstimmenden Härteklausel des § 54 Abs 5 in der bis zum Inkrafttreten des 1. Nachtrags geltenden Fassung weggefallen. Dadurch hat für die Zukunft die mit der neuen Rechtslage nicht mehr vereinbare vergleichsweise Regelung ihre Wirksamkeit verloren, wie das LSG zutreffend angenommen hat. Mit der Revision macht der Kläger jedoch weiterhin geltend, die vom 1. Januar 1980 an in Kraft gesetzte Fassung der Satzung verletze Vorschriften der RVO und verfassungsrechtliche Grundsätze.
Zutreffend geht der Kläger insoweit davon aus, daß die Satzungsbestimmungen, auf die der angefochtene Bescheid gestützt ist, als vom beklagten Unfallversicherungsträger autonom gesetztes objektives Recht durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daraufhin zu prüfen sind, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (s BSGE 13, 189, 194; 27, 237, 240; 38, 21, 29; BSG Urteil vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - SozSich 1978, 118).
In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (§§ 776 ff RVO) werden wie in der allgemeinen Unfallversicherung (§§ 646 ff RVO) die Mittel für die Ausgaben der BGen durch Beiträge der Unternehmer aufgebracht (§ 802 iVm § 723 RVO). Der Maßstab für die Berechnung der Beiträge muß in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung durch die Satzung bestimmt werden, die außerdem das Nähere über die Abschätzung und Veranlagung enthalten muß, wenn die Beiträge nicht nach einem steuerlichen Maßstab berechnet werden (§§ 798 Nr 1, 803 Abs 2 Satz 1 RVO). Von den in § 803 Abs 1 RVO zur Wahl gestellten Beitragsmaßstäben für Unternehmen mit Bodenwirtschaft (s § 805 RVO für andere Unternehmen) - Arbeitsbedarf, Einheitswert oder "anderer angemessener Maßstab" - hat sich die Vertreterversammlung der Beklagten in ihrer Satzung (§§ 52 ff) für den Arbeitsbedarf entschieden und dabei auch das Nähere über die Abschätzung und Veranlagung bestimmt (§ 54).
Nach § 809 Abs 1 Satz 1 RVO ist der Arbeitsbedarf nach dem Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen Arbeit zu schätzen. Die Einzelheiten der Abschätzung des Arbeitsbedarfs sind jedoch dem Versicherungsträger überlassen, dessen Satzung insoweit das "Nähere" zu bestimmen hat (§ 809 Abs 1 Satz 2 RVO). Vorgegeben ist dem Satzungsgeber durch das Merkmal des Durchschnittsmaßes ein objektiver Maßstab, der sich schematisierend in einem in Arbeitstagen festzulegenden betriebsnotwendigen Arbeitsbedarf ausdrückt (s Noell-Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, § 809 Anm 2).
Die Satzung der Beklagten hält sich insofern innerhalb des Rahmens der aufgezeigten Rechtsetzungsbefugnis, als einheitlich für die Unternehmen der Landwirtschaft mit überwiegender Bodenwirtschaft, der Forstwirtschaft und von Sonderkulturen für die Abschätzung je ha und Jahr unterschiedlich nach der Größe der bewirtschafteten Fläche und der Kulturart eine festgelegte - unterschiedliche - Zahl von Arbeitstagen anzusetzen ist (§ 54 Abs 1 und 2). Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Recht zur Bestimmung des Beitragsmaßstabes nicht dadurch überschritten, daß sie in ihrer Satzung von der Abstufung der Beiträge nach der Höhe der Unfallgefahr abgesehen hat (§ 803 Abs 2 Satz 2 RVO). Der Gesetzgeber des UVNG hat es anders als nach der früheren Gesetzeslage (vgl § 990 RVO aF) ausdrücklich der Entscheidung der Selbstverwaltung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung überlassen, ob sie die Beiträge nach der Unfallgefahr abstufen will. Auch soweit eine Differenzierung nach der Unfallgefahr möglich ist, wird die eingeräumte Möglichkeit der Abstufung für die BG nicht zum gesetzlichen Zwang. Zwar ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Unfallgefahr für die Bemessung der Beiträge von Bedeutung (s BSG Urteil vom 25. November 1977 aa0; Noell-Breitbach, aa0, § 809 Anm 3), wie ua schon aus dem Hinweis auf dieses Merkmal zB in § 806 und 812 RVO hervorgeht. Ein bestimmender Faktor wie in der allgemeinen Unfallversicherung - s § 725 RVO, der nach § 802 iVm § 803 Abs 2 RVO nicht gilt - ist sie jedoch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht. Für den hier angewendeten Arbeitsbedarfsmaßstab ist der Gesetzgeber des UVNG davon ausgegangen, daß schon durch die unterschiedliche Abschätzung des Arbeitsbedarfs der einzelnen Kulturarten ihren Gefahrenunterschieden genügend Rechnung getragen werden kann (s Begründung zum UVNG, BT-Drucks IV/120 S 72; s auch Noell-Breitbach, aa0, § 803 Anm 4; Linthe, BG 1963, Sonderheft 27.5.1963 S 36), sofern der tatsächliche durchschnittliche Arbeitsbedarf in Ansatz gebracht wird.
Der Abschätzungstarif der Beklagten sieht in § 54 Abs 2 der Satzung, wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen ist, für unterschiedliche Kulturarten (sechs) den Ansatz von verschiedenen Arbeitstagen je ha und Jahr vor (von 1 bis 90). Darüber hinaus hat die Beklagte, erkennbar aufgrund der Erwägung, daß sich mit steigender Größe der bewirtschafteten Fläche der Arbeitsbedarf je ha in der Regel verringere, die Unternehmen in vier Größenklassen eingeteilt mit dem Ergebnis, daß die Zahl der Arbeitstage je ha in den jeweiligen Kulturarten bei den größeren Unternehmen (außer Forsten und "sonstigen Flächen") geringer als bei den kleineren angesetzt wird. Da mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen die Grundlagen der Abschätzung in ihrer Höhe im einzelnen nicht bekannt sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Anwendung des schematisierenden Arbeitsbedarfsmaßstabes (Durchschnittsmaßstab, s § 809 Abs 1 RVO) durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach Kulturarten und Größenklassen unter Berücksichtigung der Praktikabilität des Maßstabes den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Die mit einer Schematisierung notwendig verbundenen Abweichungen in Einzelfällen müssen dabei außer Betracht bleiben, wenn sie im Verhältnis zur Gesamtzahl der erfaßten landwirtschaftlichen Unternehmen im örtlichen Geltungsbereich der Beklagten nicht ins Gewicht fallen (s BSG Urteil vom 25. November 1977 aa0; BSG Beschluß vom 30. März 1982 - 2 BU 207/81 -; Noell-Breitbach, aa0, § 809 Anm 3).
Hierzu macht der Kläger, wie schon in den Vorinstanzen, geltend, viehlose Landwirtschaft, die von ihm betrieben werde, liege im Unfallrisiko erheblich niedriger als der Betrieb von Viehwirtschaft, ohne daß dies bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werde. Zwar trifft es zu, daß nach der Satzung der Beklagten (§ 54 Abs 2) nicht ausdrücklich zwischen Unternehmen mit und ohne Viehhaltung unterschieden wird. Ob und ggf in welchem Umfang gleichwohl im Abschätzungstarif beim Ansatz der Arbeitstage dies insoweit berücksichtigt ist oder ggf nach § 55 der Satzung berücksichtigt sein kann, ist den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Bei dem Arbeitsbedarfsmaßstab mit einheitlichem Abschätzungstarif und der damit verbundenen Typisierung nach dem Durchschnittsmaß sind gewisse Härten hinzunehmen (BVerfGE 51, 115, 122; BSG Urteil vom 28. April 1982 - 12 RK 3/81-). Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (s BVerfGE 4, 7, 18; 17, 319, 330; 31, 119, 130). Gäbe es aber im Zuständigkeitsbereich der Beklagten in nicht geringer Anzahl gleichartige Betriebe, bei denen zB aufgrund ihrer Betriebsstruktur eine derartige Abweichung vom Durchschnittsmaß vorliegt, daß die durchgeführte Abschätzung nach Arbeitstagen, in denen sich, wie ausgeführt, ua die Unfallgefahr ausdrückt, zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führt, würde die Abschätzung insoweit nicht der Ermächtigungsgrundlage (§ 809 Abs 1 RVO) entsprechen. Denn eine Härteklausel, der das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wiederholt für die erforderliche Milderung offensichtlich unbilliger Ergebnisse besondere Bedeutung beigemessen hat (s BVerfGE 35, 283, 291 mwN), oder sonstige, in der Wirkung ähnliche Regelungen, enthält die Satzung der Beklagten idF des 1. Nachtrages nicht mehr.
Aus den vom Kläger außerdem vorgebrachten Gründen läßt sich der Klageanspruch nicht herleiten. Unzutreffend ist die vom Kläger vertretene Ansicht, die den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften durch § 803 Abs 1 und 2 RVO zur Auswahl gestellten Beitragsbemessungsmaßstäbe seien nach einem allgemeinen Grundsatz des Beitragsrechts, daß Leistung und Gegenleistung einander entsprechen müßten, nur dann "beitragsgerecht" und damit verfassungskonform, wenn der geforderte Beitrag - individuell - die möglichen Unfallgefahren nach Quantität und Qualität betriebsbezogen berücksichtige. Wie bereits dargelegt ist, kann in der Unterscheidung zwischen Kulturarten und in dem Ansatz von verschiedenen Arbeitstagen je Hektar und Jahr sowie in der Regelung des § 55 der Satzung der Beklagten die betriebliche Unfallgefahr bei der Beitragsgestaltung bereits ausreichend beachtet sein. Eine darüber hinaus vom Kläger erstrebte auf den einzelnen Betrieb individuell abgestellte Beitragsbemessung ist auch der landwirtschaftlichen Unfallversicherung - auch zu Gunsten der einzelnen Unternehmen bei schweren Arbeitsunfällen und hoher laufender unfallbedingter Aufwendungen - fremd, wie für den Beitragsmaßstab des Arbeitsbedarfs zudem aus dem auf einer Schätzung beruhenden Durchschnittsmaß erkennbar ist (s § 809 Abs 1 Satz 1 RVO). Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls bereits wiederholt, und zwar auch in dem vom Kläger zitierten Beschluß vom 16. Oktober 1962 (BVerfGE 14, 312,317) entschieden, daß der abgabenrechtliche Grundsatz, daß zu Beiträgen nur herangezogen werden dürfe, wer von einem bestimmten öffentlichen Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten habe, für die Sozialversicherung nicht gilt (s schon BVerfGE 11, 105,117). Aus den Ausführungen des erkennenden Senats ergibt sich ebenfalls, daß auch der Auffassung des Klägers, die Anwendung eines pauschalierenden Beitragsmaßstabes erfordere stets ein "Billigkeitsventil" in Form einer Härteklausel, die in jedem Einzelfall eine den individuellen Verhältnissen angepaßte Beitragsbemessung ermöglichen müsse, nicht zu folgen ist. Ob und in welcher Ausgestaltung eine Härteklausel oder eine andere in ihrer Wirkung ähnliche Regelung notwendig ist, hängt vielmehr entscheidend davon ab, in welchem Ausmaß bereits das nach § 809 Abs 1 Satz 1 RVO maßgebende Durchschnittsmaß auch unter Berücksichtigung des § 55 der Satzung der Beklagten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend differenziert.
Das LSG wird demnach zu prüfen haben, ob die Anwendung des schematisierenden Arbeitsbedarfsmaßstabes (Durchschnittsmaßstab, s § 809 Abs 1 RVO) durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach Kulturarten und Größenklassen unter Berücksichtigung der Praktikabilität des Maßstabes den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, auch soweit es die viehlosen landwirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Die mit der Schematisierung notwendig verbundenen Abweichungen in Einzelfällen müssen dabei außer Betracht bleiben. Sollte jedoch im Abschätzungstarif bei einer nicht geringen Zahl von viehlosen landwirtschaftlichen Betrieben auch ggf unter Berücksichtigung des § 55 der Satzung der Beklagten die Abschätzung nach Arbeitstagen, in denen sich, wie ausgeführt, die Unfallgefahr ausdrückt, zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führen, würde die Abschätzung insoweit in Anbetracht des Fehlens einer Härteklausel oder einer sonstigen in ihrer Wirkung ähnlichen Regelung nicht der Ermächtigungsgrundlage (§ 809 Abs 1 RVO) entsprechen.
Da das BSG die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.
Fundstellen
BSGE, 232 |
Breith. 1983, 974 |