Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Gerichts. Angelegenheiten des Kassenarztrechts. Kompetenz als Rechtsverhältnis
Orientierungssatz
1. Rechtsverhältnis iS von § 55 Abs 1 Nr 1 SGG ist die aus einem konkreten Sachverhalt entstandene Rechtsbeziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Gegenstand (vgl BSG vom 27.1.1977 12/8 REh 1/75 = BSGE 43, 148, 150). Als Gegenstand in diesem Sinne ist auch die ausschließliche Kompetenz zur Regelung einer Materie zu verstehen.
2. Geht es um die Rechtsstellung der Zahntechniker-Innung, nämlich um ihre ausschließliche Vertragskompetenz mit den Kassen zur Regelung der Vergütung einschließlich einer Skontogewährung, ist in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenzahnärzte zu entscheiden.
3. Bei der Berufung auf eine Regelungskompetenz nach § 368g Abs 5a RVO zur Einräumung eines Barzahlungsnachlasses bei der Belieferung von Kassenzahnärzten mit zahntechnischen Leistungen handelt es sich um ein konkretes Rechtsverhältnis, an dessen Klärung ein Vertragspartner auf seiten der Zahntechniker ein berechtigtes Interesse hat; es bedarf allerdings der notwendigen Beiladung der als Vertragspartner auf seiten der Krankenkassen in Betracht kommenden Verbände.
Normenkette
SGG § 55 Abs 1 Nr 1; RVO § 368g Abs 5a S 2; SGG § 12 Abs 3 S 1, § 75 Abs 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Landessozialgericht (LSG) hat entschieden, daß die Gewährung und Vereinbarung von Barzahlungsnachlaß (Skonto) zwischen gewerblichen Laboratorien und Kassen-/Vertragszahnärzten ohne ausdrückliche Regelung gemäß § 368g Abs 5a Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unzulässig ist. Dagegen richtet sich die Revision.
Zwischen der Klägerin einerseits und dem Landesverband der Ortskrankenkassen Hamburg, dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordmark, dem Landesverband der Innungskrankenkassen Hamburg sowie der Seekrankenkasse Hamburg andererseits besteht eine - bezüglich der Höhe der Vergütungssätze mehrfach fortgeschriebene - Vereinbarung vom 25. Februar 1980 über die Vergütung zahntechnischer Leistungen. Die Beklagte hat ihre Mitglieder in ihrem Rundschreiben vom 5. August 1982 darauf hingewiesen, daß die Vereinbarung von Rabatten - gleich welcher Art - zwar unzulässig sei, Skonti bis 3 % aber vereinbart werden könnten. An dieser Rechtsauffassung hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren festgehalten. Dies führt nach dem insoweit nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin dazu, daß ihre Mitglieder - die Zahntechniker - Barzahlungsnachlässe hinnehmen müssen.
Die zwischen der Klägerin und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) mit Wirkung vom 1. Januar 1984 geschlossene Vereinbarung über die Vergütung sowie die Rechnungslegung nach einheitlichen Grundsätzen für die zahntechnischen Leistungen der Zahntechniker im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung (ErsK 1984, 212 f) sieht in § 1 Ziffer 7 vor, daß bei Unterschreitung der vereinbarten Höchstpreise der entsprechende Nettobetrag auf der Rechnung auszuweisen ist. Die verdeckte Gewährung von Vergünstigungen jeder Art ist nach § 1 Ziffer 7 Satz 2 aaO unzulässig und stellt einen Verstoß gegen die Vereinbarungen dar. Die Beklagte, die im Rahmen der Vertragsverhandlungen angehört worden ist, mit dieser Vereinbarung aber nicht einverstanden war, hält auch insoweit die Vereinbarung eines Skonto für erlaubt.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Skontogewährung und hilfsweise auf Untersagung einer dem widersprechenden weiteren Erklärung der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Das LSG hat dagegen die eingangs genannte Feststellung getroffen und ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben und die Feststellungsklage zulässig. Die Klage sei begründet, denn die Klägerin habe gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Unterlassung der Empfehlung vom 5. August 1982. Damit habe die Beklagte eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Sie sei an die Vereinbarung der Klägerin mit den RVO-Kassen und mit den Ersatzkassen gebunden. Nach der Vereinbarung im Ersatzkassenbereich sei die Gewährung eines Skonto nicht erlaubt. Nach den Vorstellungen der Beklagten solle das Skonto auf jeden Fall beim Zahnarzt verbleiben. Dazu bestünde selbst dann keine Berechtigung, wenn der Zahnarzt häufig den Zahnersatz für die Kasse vorfinanzieren sollte. Es sei vielmehr Aufgabe der zuständigen Vertragspartner, dafür zu sorgen, daß der Zahnarzt die Kosten der Vorfinanzierung von den Kassen erstattet bekomme. Im RVO-Bereich sei die Skontogewährung ebenfalls nicht erlaubt. Die von der Beklagten empfohlene Skontoregelung sei rechtswidrig, weil sie den nach ihr handelnden Zahnarzt zu einem Verstoß gegen § 24 der Berufsordnung der Hamburger Ärzte vom 1. Juli 1980 verleite. Das Verbot einer Skontogewährung ergebe sich auch aus § 368 Abs 6 Satz 3 RVO iVm § 368g Abs 5a letzter Satz RVO.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, die Klage sei unzulässig, da mit ihr die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage begehrt werde und nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. In das zwischen der Klägerin und den Krankenkassen bestehende Rechtsverhältnis habe sie, die Beklagte, nicht eingegriffen. Durch den Ausschluß von Rabatten werde die Gewährung eines Skonto nicht erfaßt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. November 1986 - II KABf 4/84 - aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 1984 - 3 KA 46/82 - zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält ihre Klage für zulässig und verweist dazu auf das Urteil des Senats vom 18. Februar 1986 - 6 RKa 15/85 -, dessen Rechtssätze zum Feststellungsinteresse im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden seien.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenzahnärzte entschieden, denn es handelt sich um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts (§ 40 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- iVm §§ 33 Satz 2, 12 Abs 3 Satz 1 SGG). Maßgebend für die Besetzung des Gerichts ist der vom Kläger erhobene Anspruch. Danach geht es im vorliegenden Fall um eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung von Kassen und Kassenzahnärzten. Die Klägerin macht nämlich geltend, die Gewährung eines Skonto könne ausschließlich in den Verträgen zwischen ihr und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen geregelt werden. Dies hat die Klägerin insbesondere durch die geänderte Formulierung ihres Antrags, daß die Gewährung... ohne ausdrückliche Regelung gemäß § 368g Abs 5a Satz 2 RVO unzulässig sei, zum Ausdruck bringen wollen. Sie hat diese Antragsänderung mit der umfassenden Regelungskompetenz der Kassen und Zahntechnikerinnungen begründet. Aus der Kompetenz leitet sie auch ihr Rechtsschutzinteresse her. Nach dem Vorbringen der Klägerin geht es nicht um die Rechtsverhältnisse zwischen ihr und den Zahntechnikern sowie diesen und den Kassen-/Vertragszahnärzten. Diese Rechtsverhältnisse sind nur mittelbar betroffen und jedenfalls nicht allein im Streit. Nur mit dem Hilfsantrag hatte die Klägerin aus einem Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten Unterlassung der von dieser gegebenen Empfehlung oder geäußerten Rechtsmeinung begehrt. Der Hilfsantrag macht aber die Sache nicht zu einer Angelegenheit der Kassenzahnärzte.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl Urteil des Senats vom 26. September 1984 - 6 RKa 46/82 - KvRS A-6060/4). Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Sachverhalt entstandene Rechtsbeziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Gegenstand (BSGE 43, 148, 150; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 12. Aufl § 94 II 1). Als Gegenstand in diesem Sinne ist auch die ausschließliche Kompetenz zur Regelung einer Materie zu verstehen. Mit der Klage will die Klägerin nicht die Feststellung erreichen, daß die Gewährung von Skonto durch die Zahntechniker nach den gesetzlichen Bestimmungen unzulässig sei. Sie hat den Klageanspruch durch den Zusatz "ohne ausdrückliche Regelung gemäß § 368g Abs 5a Satz 2 RVO" eingeschränkt. Damit erstrebt sie nicht nur die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aus der Beziehung der Zahntechniker zu den Zahnärzten. Es geht vielmehr, wie schon dargelegt, um ihre eigene Rechtsstellung, nämlich um ihre ausschließliche Vertragskompetenz mit den Kassen zur Regelung der Vergütung einschließlich einer Skontogewährung. Ob materiellrechtlich die Kompetenz mit dieser Ausprägung besteht - insbesondere nach der Neufassung des § 368g Abs 5a Satz 3 RVO durch Art 1 Nr 15 Buchst c des Kostendämpfung-Ergänzungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1578) - ist eine Frage der Begründetheit. Jedenfalls geht die Meinung der Klägerin dahin, daß den einzelnen Zahntechnikern und Kassen-/Vertragszahnärzten die Vereinbarung der Vergütung der zahntechnischen Leistungen umfassend entzogen ist zugunsten einer ausschließlichen Kompetenz nach § 368g Abs 5a Satz 2 RVO. Über den damit bezeichneten Anspruch hat das Gericht zu entscheiden, ohne an die Fassung des Antrags gebunden zu sein (§ 123 SGG).
Die Klägerin behauptet allerdings nicht, daß ihr die Regelungskompetenz allein zusteht. Vielmehr ist die Regelung nach ihrem eigenen Vorbringen durch Vereinbarung mit den Krankenkassen zu treffen. Die Klägerin ist aber prozeßführungsbefugt, da sie ihre Mitkompetenz geltend macht.
Es fehlt schließlich nicht am berechtigten Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung. Mit dem Rundschreiben vom 5. August 1982 hat die Beklagte zwar nicht unmittelbar in die Rechte der Klägerin eingegriffen. Es genügt aber, daß sie durch die Äußerung gegenüber den Zahnärzten, daß Skonti zulässig seien, die behauptete ausschließliche (Mit)Kompetenz der Klägerin bestreitet.
Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, denn es fehlt an der Beiladung der Landesverbände der Krankenkassen sowie des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen. Ihre Beiladung ist nach § 75 Abs 2 SGG notwendig. An dem Rechtsverhältnis sind diese Verbände derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Gegenstand des streitigen Rechtsverhältnisses ist die Regelungskompetenz. Sie steht nach § 368g Abs 5a Satz 2 iVm § 525c Abs 2 RVO der Klägerin nicht allein zu, sondern nur zusammen mit den Kassenverbänden. Ob an dem Rechtsverhältnis auch die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen beteiligt sind, kann hier dahinstehen, da die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung Beklagte ist. Die Sache ist an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die Beiladung nachgeholt werden kann - der Senat kann sie nicht selbst vornehmen (§ 168 SGG) -.
Das LSG wird auch über die Kosten der Revisionsinstanz mit zu entscheiden haben.
Fundstellen