Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Unzulässigkeit einer Berufung nach SGG § 146.

Maßgebend für die Abgrenzung des Zeitraumes ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG - vergleiche BSG 1963-12-06 1 RA 191/61 = SozR Nr 12 zu § 146 SGG - der Zeitpunkt der Berufungseinlegung. Diese Rechtsprechung hat der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 1967-11-29 1 RA 301/65 = Breith 1968, 627, dahin fortentwickelt, daß allerdings regelmäßig von dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrag auszugehen sei; beschränke dieser Antrag das Rentenbegehren auf eine Zeit vor der Berufungseinlegung, dann sei der Tatbestand des SGG § 146 erfüllt.

 

Normenkette

SGG § 146 Fassung: 1958-06-25

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. April 1966 dahin geändert, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. November 1963 als unzulässig verworfen wird.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger hatte ab Oktober 1944 eine Rente vom Pensionsinstitut der Böhmischen Unions-Bank in P erhalten. Im Bescheid vom 17. Januar 1956 hatte die Beklagte die Rente erstmals nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 (FremdRG) festgestellt. Die zweite Feststellung nach dem FremdRG traf sie im Bescheid vom 11. Juli 1960; diesen Bescheid focht der Kläger beim Sozialgericht (SG) München an. Am 3. Februar 1961 stellte die Beklagte während des Klageverfahrens die Rente ein drittes Mal nach dem FremdRG (jeweils ab 1. April 1952) fest. Sie unterschied dabei eine Grund- und eine Zusatzleistung und errechnete beide nach verschiedenen Umrechnungskursen: die Grundleistung nach dem Kurs 1 (tschechische) Krone = 10 Dpf., die Zusatzleistung nach dem Kurs 1 Krone = 12 Dpf. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 26. November 1963 beantragte der Kläger, "die Beklagte zu verurteilen, im Sinne des § 8 Abs. 1 a) und Abs. 3 der 1. Durchführungsverordnung zum FAG (= FremdRG) die Rentenleistung so zu berechnen, daß die vom Protektoratsversicherungsträger gewährte Rente zu dem in Abs. 3 festgestellten Kursverhältnis, d.i. 0,12 DM für 1 Kc., auf DM umgestellt werde"; der Kläger wollte also für seine gesamte Rente den Umrechnungskurs 1 : 12 angewandt wissen.

Das SG wies die Klage ab. Der Kläger legte am 9. Januar 1964 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein mit dem Antrag, das Urteil des SG und die Bescheide vom 11. Juli 1960 und 3. Februar 1961 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Rente "unter Anwendung der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 a) und Abs. 3 der 1. DVO zum FAG in Verbindung mit § 48 der Sudetenverordnung" neu zu berechnen. Während des Berufungsverfahrens setzte die Beklagte im Ergänzungsbescheid vom 17. Februar 1966 den Ausgleichsbetrag fest, der dem Kläger ab 1. Juli 1965 nach Artikel 2 § 33 a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) i.d.F. des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 zusteht. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 19. April 1966 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, daß das LSG prüfen müsse, ob auch dieser Bescheid nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Der Kläger erhob verschiedene Einwände gegen den Bescheid, worauf die Beklagte sich bereit erklärte, diese "nochmals zu prüfen und hierüber einen Bescheid zu erteilen". Der Kläger wiederholte anschließend seinen Antrag aus der Berufungsschrift. Mit Urteil vom 19. April 1966 wies das LSG die Berufung als unbegründet zurück. Streitig sei nur der Umrechnungskurs bei der Rentenberechnung, insoweit sei die Auffassung der Beklagten zutreffend. Das LSG habe dieser Frage grundsätzliche Bedeutung beigemessen "und deshalb - allerdings nur hinsichtlich dieser Frage - die Revision zugelassen".

Mit der Revision beantragte der Kläger, das Berufungsurteil aufzuheben, im übrigen wiederholte er seinen Berufungsantrag.

Er rügte eine Verletzung des § 8 der Durchführungsverordnung zum FremdRG.

Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist infolge der Zulassung durch das LSG gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das LSG den Rechtszug vor dem Revisionsgericht auf die Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage hat beschränken wollen; hieran wäre der Senat nicht gebunden, er müßte auch dann das angefochtene Urteil in vollem Umfang nachprüfen (Urt. d. BSG vom 25. April 1962, SozR Nr.170 zu § 162 SGG).

Demnach muß der Senat auch - von Amts wegen - prüfen, ob die Berufung des Klägers zum LSG überhaupt zulässig gewesen ist. Dies ist nicht der Fall. Nach § 146 SGG ist in Angelegenheiten der Rentenversicherung die Berufung nicht zulässig, soweit sie nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Maßgebend für die Abgrenzung des Zeitraumes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - zuletzt Urteil vom 6. Dezember 1963, SozR Nr. 12 zu § 146 SGG - der Zeitpunkt der Berufungseinlegung. Diese Rechtsprechung hat der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 29. November 1967 (1 RA 301/65) dahin fortentwickelt, daß allerdings regelmäßig von dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrag auszugehen sei; beschränke dieser Antrag das Rentenbegehren auf eine Zeit vor der Berufungseinlegung, dann sei der Tatbestand des § 146 SGG erfüllt. Für den vorliegenden Fall hat diese Entscheidung keine Bedeutung, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den gleichen Antrag wie in der Berufungsschrift gestellt hat. Nach diesem Antrag betraf die Berufung des Klägers aber nur die Höhe seiner Rente für die Zeit vor dem 1. Januar 1957. Denn vom 1. Januar 1957 an ist die Rente des Klägers auf die Höchstbeträge beschränkt gewesen, die in Art. 2 § 33 AnVNG und den entsprechenden Vorschriften der Rentenanpassungsgesetze für eine Versicherungsdauer von 40 Jahren vorgeschrieben sind. Diese Höchstbeträge haben auch bei der vom Kläger gewünschten Neufeststellung der Rente nicht überschritten werden können. Das ist dem Kläger bewußt gewesen; schon in der Klageschrift hat er ausgeführt, daß sich ab 1. Januar 1957 keine Änderung der Rente ergebe, weil diese sodann auf Grund der Vorschriften über die Höchstgrenzen begrenzt sei. Die Berufung war deshalb nach § 146 SGG ausgeschlossen. Daran ändert auch nichts das Vorbringen des Klägers im Revisionsverfahren auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis. Der Kläger meint, ursprünglich sei es nur um eine Rentennachzahlung für die Zeit bis 31. Dezember 1956 gegangen, das habe sich aber im Laufe des Berufungsverfahrens auf Grund des neu geschaffenen Art. 2 § 33 a AnVNG geändert. Dieser Einwand kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil die Höhe des dem Kläger ab Juli 1965 nach Art. 2 § 33 a AnVNG zustehenden Ausgleichsbetrages kein Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden ist. Der Kläger hat seine Berufungsanträge nicht darauf erstreckt; die Zulässigkeit einer solchen Erweiterung kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 1966 über den Ausgleichsbetrag ist ferner nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil der Bescheid vom 17. Februar 1966 (nur) die Rentenhöhe ab Juli 1965 regelt, während die Klage und die Berufung (nur) die Rentenhöhe vor 1957 betrafen (vgl. BSG 5, 13; 10, 103). Im übrigen hätte auch eine Erstreckung des Streitgegenstandes auf den ab Juli 1965 zustehenden Ausgleichsbetrag an der Unzulässigkeit der Berufung hinsichtlich der Rente (Rentenhöhe) für die Zeit vor 1957 nichts ändern können, weil die Berufung jedenfalls insoweit (vgl. § 146 SGG: "soweit") nur Rente für einen im Zeitpunkt der Berufungseinlegung abgelaufenen Zeitraum betroffen hat. Wenn der Kläger schließlich geltend macht, daß "der Rentenanspruch (für die Zeit ab 1. Januar 1957) nur wegen der Begrenzungsvorschrift des Art. 2 § 33 AnVNG nicht voll zur Auszahlung gelangen konnte", so geht diese Ansicht ebenfalls fehl; denn die Vorschriften über die Höchstgrenzen begrenzen bereits den Rentenanspruch der Höhe nach und bringen nicht, woran der Kläger offenbar denkt, nur den überschießenden Rententeil zum Ruhen; es kann deshalb offenbleiben, wie es mit der Anwendbarkeit des § 146 SGG stünde, wenn dieser Gedankengang des Klägers zuträfe.

Da auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 150 SGG für die Zulässigkeit einer nach § 146 SGG ausgeschlossenen Berufung gegeben ist, ist die Berufung unzulässig gewesen. Das muß der Senat im Revisionsverfahren von Amts wegen beachten, auch wenn die Vorinstanzen die Unzulässigkeit der Berufung verkannt haben (vgl. BSG 6, 256, 258). Der Senat muß deshalb in Abänderung des Berufungsurteils die Berufung als unzulässig verwerfen.

Der Ergänzungsbescheid vom 17. Februar 1966, der die Rentenhöhe ab 1. Juli 1965 betrifft, ist vom Senat nicht auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen. Das LSG hat darüber nicht entschieden, auch der Revisionsantrag des Klägers erstreckt sich nicht auf diesen Bescheid, der, wie schon dargelegt, kein Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375271

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge