Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Versorgungsberechtigten gegen den Träger der Sozialversicherung geht nach BVG § 71b idF des 1. NOG KOV nicht an Erfüllungs Statt, sondern nur erfüllungshalber auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung über und schließt daher die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs gegen den Versorgungsberechtigten im Rahmen des KOV-VfG § 47 nicht aus.
Orientierungssatz
Eine erst im Revisionsverfahren erhobene Widerklage ist - auch ohne daß sie ausdrücklich in SGG § 168 aufgeführt ist - aus denselben Gründen unzulässig, wie ein neuer Sachantrag in der Revisionsinstanz (vgl Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit Anmerkung zu SGG § 168 am Ende; vergleiche BGH 1958-09-18 II ZR 332/56 = BGHZ 28, 131-137).
Normenkette
BVG § 71b Fassung: 1960-06-27; SGG § 168 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. September 1964 insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. Juli 1963 nicht zurückgewiesen worden ist; in diesem Umfange wird die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Klägerin erhielt als versorgungsberechtigte Witwe seit Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - (vgl. Bescheid vom 14. Juli 1951) die Grundrente und die volle Ausgleichsrente in der jeweils gesetzlich festgelegten Höhe. Mit Bescheid vom 13. Juni 1960 wurde der Klägerin außer der Witwengrundrente letztmalig die volle Ausgleichsrente gewährt. Ferner wurde ihr vom 1. März 1960 an durch Bescheid vom 6. Juli 1960 der Zuschlag nach § 41 Abs. 5 BVG in Höhe von monatlich 15 DM bewilligt, weil sie kein sonstiges Einkommen hatte. Auf die Mitteilung des Versicherungsamts Bad S., daß die Klägerin einen Antrag auf Witwenrente aus der Invalidenversicherung ihres Ehemannes gestellt habe, machte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Schreiben vom 16. Februar 1961 gegenüber der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen im Falle der Bewilligung der Rente vorsorglich einen Ersatzanspruch in voller Höhe der Nachzahlung geltend. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 gewährte die LVA Hessen der Klägerin die beantragte Rente und setzte die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1961 auf 3754 DM fest. Der Beklagte erhielt eine Abschrift dieses Bescheides mit der Aufforderung, den Ersatzanspruch innerhalb 14 Tagen geltend zu machen. Mit Schreiben vom 8. März 1962 teilte auch die Klägerin dem VersorgA (dort eingegangen am 16. März 1962) mit, daß sie eine Invalidenwitwenrente erhalte und um deren Berücksichtigung bitte, damit später keine Rentenüberzahlung eintrete. Die LVA erinnerte ferner mit Postkarte vom 19. Februar 1962 das VersorgA an die Erledigung ihrer Anfrage vom 6. Dezember 1961, ob ein Ersatzanspruch geltend gemacht werde, und wiederholte diese Erinnerung mit Schreiben vom 25. April 1962 unter Hinweis darauf, daß der einbehaltene Betrag von 3754 DM an die Klägerin ausgezahlt werde, falls bis zum 4. Mai 1962 kein Ersatzanspruch angemeldet werde. Als keine solche Anmeldung erfolgte, ordnete die LVA Hessen am 23. Mai 1962 die Auszahlung dieses Betrages an die Klägerin an.
Mit Bescheid vom 24. September 1962 stellte der Beklagte die Witwenausgleichsrente der Klägerin im Hinblick darauf, daß sie seit dem 1. Januar 1957 eine Invalidenwitwenrente erhalte, für die Zeit vom 1. Februar 1957 bis zum 31. Mai 1960 neu fest und errechnete eine Überzahlung von 805 DM. Durch weiteren Bescheid vom 25. September 1962 errechnete der Beklagte für die Zeit ab 1. Juni 1960 eine Überzahlung in Höhe von 1161 DM und forderte den gesamten überzahlten Betrag von 1966 DM von der Klägerin zurück. Der gegen diese Bescheide eingelegte Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Bescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Hessen vom 8. April 1963).
Durch Urteil vom 3. Juli 1963 hat das Sozialgericht (SG) Wiesbaden die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, daß der Beklagte die Rückforderungsbescheide vom 24. und 25. September 1962 im Hinblick auf die erst am 16. März 1962 erfolgte Meldung der Klägerin über die Rentennachzahlung seitens der LVA in der für die Bearbeitung von Neufeststellungsanträgen angemessenen Frist von sechs Monaten erlassen habe und daß die Höhe des Nachzahlungsbetrages von 3754 DM die Anwendung des § 47 Abs. 2 Buchst. b des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) rechtfertige. Daß der Beklagte den Forderungsübergang gemäß § 71 b BVG nicht geltend gemacht habe, stehe seinem Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin nicht entgegen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluß vom 7. September 1964 die LVA Hessen beigeladen, weil die Ansprüche der Klägerin gegen diese für die Zeit bis zum Ablauf des Jahres 1961 nach § 71 b BVG insoweit auf den Beklagten übergegangen seien, als sie zur Minderung der Versorgungsbezüge führten. Durch Urteil vom 15. September 1964 hat das Hessische LSG das Urteil des SG und die Bescheide vom 25. September 1962 und 8. April 1963 insoweit abgeändert, als Versorgungsleistungen für die Zeit bis zum Ablauf des Jahres 1961 zurückgefordert werden; im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Klägerin von dem Beklagten bis zum Ablauf des Jahres 1961 keine Versorgungsleistungen zu Unrecht erhalten habe, weil die Feststellungsbescheide über die Gewährung der vollen Ausgleichsrente im Zeitpunkt ihres Erlasses richtig gewesen seien. Sie seien auch nicht mit der Bewilligung der Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung unrichtig geworden, denn die Klägerin habe trotzdem ihren bisherigen Anspruch aus der Kriegsopferversorgung behalten; sie habe wegen dieses Versorgungsanspruchs lediglich einen geringeren Anspruch auf die Leistungen aus der Arbeiterrentenversicherung gehabt. Ihr Anspruch auf Nachzahlung für die zurückliegende Zeit sei nach § 71 b BVG insoweit auf den Beklagten übergegangen, als der Anspruch aus der Arbeiterrentenversicherung zur Minderung der Versorgungsbezüge geführt habe. Der Ansicht des Beklagten, daß er für diese Zeit auch einen Anspruch gegen die Klägerin habe, der erst erlösche, sobald die Beigeladene den daneben bestehenden Anspruch nach § 71 b BVG erfülle, könne auch deshalb nicht gefolgt werden, weil bei einem gesetzlichen Forderungsübergang der für eine Abtretung maßgebende Grundsatz, nach dem die Forderung nicht an Erfüllungs Statt, sondern lediglich erfüllungshalber übergehe, nicht anwendbar sei. Der gesetzliche Forderungsübergang trete im Augenblick des Vorliegens der Voraussetzungen kraft Gesetzes ein, ohne daß es insoweit auf die Kenntnis der Beteiligten ankomme oder eine Anzeige erforderlich wäre. Der § 71 b BVG enthalte keine hiervon abweichende Regelung. Demgegenüber sei die Rückforderung der zuviel gezahlten Ausgleichsrente für die Zeit seit Beginn des Jahres 1962 nach § 47 Abs. 2 VerwVG berechtigt, weil die Klägerin seit dem Bescheid der Beigeladenen vom 6. Dezember 1961 gewußt habe, daß die Nachzahlungen aus der Arbeiterrentenversicherung auf ihren Witwenrentenanspruch aus der Kriegsopferversorgung als Einkommen anzurechnen waren.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 9. Oktober 1964 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1964, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 27. Oktober 1964, Revision eingelegt und beantragt:
Das Urteil des Hessischen LSG vom 15. September 1964 wird aufgehoben,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Wiesbaden vom 3. Juli 1963 wird zurückgewiesen.
In der Revisionsbegründung vom 4. Dezember 1964, auf die Bezug genommen wird, hat der Beklagte hilfsweise einen weiteren Antrag gestellt:
Die Beigeladene wird verurteilt, die auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergegangenen Ansprüche auf Nachzahlung der mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 gewährten Invalidenwitwenrente für die Zeit vom 1. Februar 1957 bis 30. November 1962 insoweit durch Zahlung an diesen zu befriedigen, als sie zur Minderung der Versorgungsbezüge geführt haben.
Der Beklagte rügt eine Verletzung der §§ 62, 71 a (aF), 71 b (nF) BVG und des § 47 VerwVG. Er führt zur Begründung seiner Rügen vornehmlich aus, daß die Auffassung des LSG, die Versorgungsbezüge seien an die Klägerin wegen des Ersatzanspruchs gemäß §§ 71 a aF, 71 b nF BVG nicht zu Unrecht geleistet worden, nicht zutreffe. Bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse der vorliegenden Art könnten vielmehr die Versorgungsbezüge nach ständiger Rechtsprechung des BSG rückwirkend neu festgestellt werden. Dem stehe auch die Entscheidung des BSG vom 7. September 1962 (BSG 18, 12) nicht entgegen. Die somit zu Unrecht erhaltenen Versorgungsbezüge könnten von der Klägerin auch nach § 47 Abs. 2 VerwVG zurückgefordert werden, zumindest jedenfalls ab 7. Februar 1961, dem Tag der Stellung des Antrags auf Gewährung von Invalidenwitwenrente, weil die Klägerin von diesem Zeitpunkt an habe wissen müssen, daß ihr die Versorgungsbezüge nicht in dieser Höhe zustehen. Auf jeden Fall sei die Rückforderung aber im Hinblick auf die Höhe der Nachzahlung - 3754 DM gegenüber 1966 DM Rückforderung - gerechtfertigt, unabhängig davon, daß die Nachzahlung auch für eine Zeit vor dem Inkrafttreten des § 47 VerwVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) am 2. Juli 1960 erfolgt sei. Der Rückforderung nach § 47 Abs. 2 VerwVG stünden die §§ 71 a (aF), 71 b (nF) BVG nicht entgegen, weil entgegen der Auffassung des LSG ein gesetzlicher Forderungsübergang im öffentlichen Recht nicht an Erfüllungs Statt erfolge; vielmehr stehe es dem Träger der Kriegsopferversorgung frei, von wem er die zu Unrecht gewährten Versorgungsbezüge zurückfordern will.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet. Sie meint, es könne dahingestellt bleiben, ob die Rechtsauffassung des LSG oder die Ansicht des Beklagten zutreffe; in beiden Fällen sei eine Rückforderung ausgeschlossen. Folge man der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dann seien die Rückforderungsbescheide aus den in dem angefochtenen Urteil dargelegten Gründen rechtswidrig. Sollte entsprechend der Ansicht des Beklagten die auf § 62 BVG gestützte Neufeststellung rechtmäßig und folglich die zuviel gewährte Rente zu Unrecht gezahlt worden sein, dann sei die Rückforderung deswegen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG nicht erfüllt seien. Eine Bösgläubigkeit i. S. dieser Vorschrift könne erst nach Zustellung des Bescheides der Beigeladenen vom 6. Dezember 1961 ab 1. Januar 1962 angenommen werden, weil die Klägerin als einfache Frau mit der Bewilligung der Rente aus der Arbeiterrentenversicherung schon bei Antragstellung nicht zu rechnen brauchte. Die Höhe der Nachzahlung könne die Rückforderung ebenfalls nicht rechtfertigen, weil dieser Tatbestand nur auf Überzahlungen Anwendung finden könne, die nach dem 2. Juli 1960 eingetreten sind. Im übrigen sei der Nachzahlungsbetrag in gutem Glauben zur Deckung dringendster Lebensbedürfnisse verbraucht worden, als wegen des Untätigbleibens des Beklagten nicht mehr damit gerechnet werden konnte, daß er noch im September 1962 einen erheblichen Teil der Rentennachzahlung zurückfordern werde.
Die Beigeladene beantragt,
den Hilfsantrag des Beklagten zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß der Anspruch auf die Rentennachzahlung nach § 71 b BVG mit der Leistung der Rentenbeträge an die Klägerin erloschen sei, wie sich aus den Schuldnerschutzbestimmungen der §§ 407, 412 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebe, die auch auf gesetzliche Forderungsübergänge im Rahmen des Sozialrechts entsprechend anzuwenden seien (vgl. BSG 10, 160). Das VersorgA sei mehrfach aufgefordert worden, seine Ansprüche alsbald geltend zu machen, ohne daß dies geschehen sei. Das Risiko, daß Rentenbeträge an den bisherigen Gläubiger ausgezahlt werden, trage im Rahmen des § 407 BGB der neue Gläubiger; ein etwaiges Verschulden des Schuldners an der Unkenntnis sei insoweit ohne jede rechtliche Bedeutung.
Die vom LSG nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene und somit statthafte Revision ist vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Ansicht vertreten, die Bescheide über die Feststellung der Witwenausgleichsrente seien im Zeitpunkt ihres Erlasses richtig gewesen und auch mit der Bewilligung der Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung des Ehemannes der Klägerin nicht unrichtig geworden, weil sie trotz der Bewilligung dieser Rente ihren bisherigen Anspruch aus der Kriegsopferversorgung (KOV) behalten habe und sich wegen dieses Anspruchs lediglich der Anspruch auf die Leistungen aus der Arbeiterrentenversicherung ihres Ehemannes verringert habe. Dieser Rechtsauffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden, weil die Versorgungsbehörde nach § 62 Abs. 3 BVG in der hier maßgebenden Fassung des 1. NOG berechtigt ist, eine Versorgungsleistung für die in Betracht kommenden Feststellungszeiträume neu festzustellen, wenn mit Wirkung auf den Zeitraum, für den die vom Einkommen abhängige Leistung endgültig festgestellt worden ist, eine Änderung der maßgebend gewesenen Verhältnisse eintritt. Eine solche Änderung, die zu einer rückwirkenden Neufeststellung der Witwenausgleichsrente der Klägerin berechtigt, ist mit der Bewilligung der Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung ihres Ehemannes vom 1. Januar 1957 an eingetreten, so daß die Bewilligungsbescheide aus der KOV hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrente unrichtig geworden sind und daher insoweit nach § 62 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG vom Beginn des Zeitraums an, für den wiederkehrende Leistungen aus der Arbeiterrentenversicherung bewilligt sind, zurückgenommen werden konnten (vgl. BSG 13, 56). Da die Klägerin zu Unrecht wegen der Bewilligung einer Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung eine zu hohe Ausgleichsrente erhalten hat, kann die eingetretene Überzahlung von dem Beklagten grundsätzlich nach § 47 VerwVG zurückgefordert werden, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.
Dem steht nicht entgegen, daß die Ansprüche der Klägerin gegen die Beigeladene für die Zeit vom 1. Januar 1957 an nach § 71 b BVG idF des 1. NOG auf den Beklagten insoweit übergegangen sind, als sie zur Minderung oder zum Wegfall der Versorgungsbezüge führen. Schon nach § 71 a BVG idF vor dem 1. NOG war ein gesetzlicher Forderungsübergang in Fällen der vorliegenden Art vorgesehen, sofern allerdings eine schriftliche Anzeige des VersorgA an den Versicherungsträger erfolgte. Zu dieser Vorschrift hat das BSG mehrfach ausgesprochen, daß der kraft Gesetzes bewirkte Übergang der Ansprüche des Versorgungsberechtigten gegen den Träger der Sozialversicherung auf den Kostenträger der KOV nicht davon abhängig ist, daß ein Rückforderungsanspruch gegen den Versorgungsberechtigten nach § 47 VerwVG besteht (BSG 18, 12; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 12. August 1966 - 10 RV 573/64 -). Auch der 8. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 1965 - 8 RV 1025/63 - für § 71 b des Reichsversorgungsgesetzes, der dem § 71 a BVG aF entspricht, dieselbe Auffassung vertreten. In diesen Urteilen ist das BSG, ohne daß es wegen der klaren Rechtslage ein ausdrückliches Eingehen hierauf für notwendig hielt, davon ausgegangen, daß durch den Anspruch des Kostenträgers der KOV gegen den Träger der Sozialversicherung auf Grund des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 71 a BVG aF (jetzt § 71 b BVG nF) der Rückforderungsanspruch gegen den Versorgungsberechtigten nach § 47 VerwVG nicht ausgeschlossen wird.
Anders wäre die Rechtslage nur dann, wenn bei einem gesetzlichen Forderungsübergang die Forderung an Erfüllungs Statt an den neuen Gläubiger, also im vorliegenden Fall an den Beklagten, übergegangen wäre. Wie aus den in dem angefochtenen Urteil angeführten Zitaten (Palandt, BGB, 23. Aufl., § 364 Anm. 1; Staudinger, BGB, 9. Aufl., § 364 Anm. I 2 b) hervorgeht, teilt das LSG offenbar die in diesen Kommentaren vertretene Rechtsauffassung, daß bei einer Abtretung die Forderung grundsätzlich nicht an Erfüllungs Statt, sondern lediglich erfüllungshalber übergeht; es hält allerdings diesen für die Abtretung maßgebenden Grundsatz bei einem gesetzlichen Forderungsübergang nicht für anwendbar, ohne jedoch dafür eine Begründung zu geben. Aus dem Umstand, daß der Forderungsübergang kraft Gesetzes im Augenblick des Vorliegens der Voraussetzungen eintritt, ohne daß es insoweit auf die Kenntnis der Beteiligten ankommt oder gar eine Anzeige erforderlich wäre, läßt sich, wie anscheinend das LSG meint, nichts für die Frage entnehmen, ob der gesetzliche Forderungsübergang an Erfüllungs Statt oder lediglich erfüllungshalber erfolgt. Nach § 412 BGB finden auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes die meisten Vorschriften über die Abtretung entsprechende Anwendung. Schon daraus ist zu folgern, daß der für die Abtretung geltende Grundsatz, daß die abgetretene Forderung lediglich erfüllungshalber übergeht, grundsätzlich auch für den gesetzlichen Forderungsübergang gilt. Nach § 364 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt annimmt. Diese Vorschrift setzt in jedem Falle einen entsprechenden Vertrag zwischen den Beteiligten in der Richtung voraus, daß der Gläubiger die andere Leistung ausdrücklich an Erfüllungs Statt und nicht nur erfüllungshalber annimmt, wovon im Zweifel auszugehen ist (vgl. hierzu Staudinger aaO Anm. I 1 zu § 364 und Palandt aaO Anm. 1 zu § 364). Der § 364 BGB gilt somit nur für die Annahme einer anderen Leistung an Erfüllungs Statt durch Vertrag; die Vorschrift bringt insbesondere klar zum Ausdruck, daß im Zweifel eine Leistung erfüllungshalber anzunehmen ist. Für die Fälle des gesetzlichen Forderungsübergangs geht daher die Forderung lediglich erfüllungshalber an den neuen Gläubiger über, es sei denn, daß im Gesetz selbst ausdrücklich bestimmt ist, daß der Übergang an Erfüllungs Statt erfolgt und damit das ursprüngliche Schuldverhältnis erlischt. Ein Forderungsübergang an Erfüllungs Statt läßt sich jedoch weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des § 71 b BVG entnehmen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, daß § 71 b BVG durch das 1. NOG als neue Vorschrift - unter Abänderung des § 71 a BVG aF - aufgenommen worden ist und daß ebenfalls durch das 1. NOG unter Art. II Nr. 8 § 47 Abs. 2 VerwVG der Buchst. b neu gefaßt worden ist. Beruht die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, wie im vorliegenden Falle, dann ist der Empfänger der Versorgungsleistung zur Rückerstattung ua nur verpflichtet, soweit die Rückforderung wegen der Höhe einer ihm von einem Träger der Sozialversicherung, einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar ist. Der Gesetzgeber hat somit im 1. NOG den § 71 b BVG neu eingeführt und wegen desselben Sachverhalts - nämlich der Bewilligung einer Nachzahlung durch einen Träger der Sozialversicherung usw - den § 47 Abs. 2 VerwVG unter Buchst. b geändert. Wenn die vom LSG in dem angefochtenen Urteil vertretene Rechtsauffassung richtig wäre, daß durch den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 71 b BVG ein Rückforderungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin überhaupt nicht entsteht bzw. erlischt, weil bei einem gesetzlichen Forderungsübergang die Forderung an Erfüllungs Statt übergeht, dann wäre die Änderung des § 47 VerwVG durch das 1. NOG völlig unverständlich und sinnlos, weil bei der Auffassung des LSG ein Rückgriff der Versorgungsverwaltung auf die bereits an den Versorgungsberechtigten geleistete Nachzahlung durch einen Träger der Sozialversicherung niemals möglich wäre. Ein derartiges Vorgehen kann dem Gesetzgeber sicher nicht unterstellt werden, zumal beide Vorschriften (§ 71 b BVG und § 47 VerwVG) in demselben Gesetz eine neue Fassung erhalten haben. Auch aus der Begründung zu dem Entwurf des 1. NOG geht hervor, daß der gesetzliche Forderungsübergang nach § 71 b BVG erfüllungshalber erfolgt und daneben der Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde gegen den Versorgungsberechtigten im Rahmen des § 47 VerwVG bestehen bleibt. In dieser Begründung ist zu § 70 (jetzt § 71 b) BVG ausgeführt, daß diese Vorschrift einen gesetzlichen Forderungsübergang schafft, um die Inanspruchnahme von Nachzahlungen anderer Sozialleistungsträger künftig nicht von den Zufälligkeiten der schriftlichen Anzeige abhängig sein zu lassen und gleichzeitig eine Vereinfachung der Verwaltungsarbeit zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. Nr. 1239 vom 27. August 1959 S. 33 zu § 70). In der Begründung des Entwurfs zum 1. NOG ist ferner zu der Änderung des § 47 VerwVG ua ausgeführt, daß die Ergänzung in Abs. 2 Buchst. b hinsichtlich des Rückgriffs auf erfolgte Nachzahlungen, die bereits an den Versorgungsberechtigten geleistet worden sind, einen Doppelempfang durch diesen verhindern soll (vgl. die angeführte BT-Drucks. S. 36).
Der Auffassung des LSG, daß der Beklagte einen Rückforderungsanspruch nach § 47 VerwVG wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 71 b BVG von vornherein niemals geltend machen kann, ist daher nicht zuzustimmen. Da eine Befriedigung des Beklagten aus der Nachzahlung durch die Beigeladene nicht erfolgt ist - wobei die Gründe hierfür zunächst keine Rolle spielen -, hat der Beklagte gegen die Klägerin auch für die Zeit vom 1. Februar 1957 bis 31. Dezember 1961 einen Rückforderungsanspruch, sofern die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG idF des 1. NOG vorliegen. Hierbei ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß die Nachzahlung der Witwenrente der Klägerin aus der Arbeiterrentenversicherung durch die Beigeladene auch für einen Zeitraum erfolgt ist, der vor dem Inkrafttreten des § 47 VerwVG idF des 1. NOG am 2. Juli 1960 liegt (vgl. Art. IV § 4 Abs. 1 des 1. NOG). Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift dann keine Anwendung finden könnte, wenn der Bescheid über die Bewilligung einer Nachzahlung aus der Rentenversicherung schon vor dem Inkrafttreten des § 47 VerwVG in der geänderten Fassung am 2. Juli 1960 erteilt worden ist; im vorliegenden Falle beruht die Nachzahlung der Witwenrente an die Klägerin aus der Arbeiterrentenversicherung ihres Ehemannes auf dem Bescheid der Beigeladenen vom 6. Dezember 1961, der somit nach dem 2. Juli 1960 ergangen ist. Der § 47 Abs. 2 Buchst. b VerwVG idF des 1. NOG kann nur dahin ausgelegt werden, daß bei Bewilligung einer Nachzahlung durch einen Träger der Sozialversicherung usw die Rückforderung auf diese Vorschrift in der vollen Höhe der Nachzahlung auch dann gestützt werden kann, wenn die Nachzahlung für Zeiträume geleistet worden ist, die vor dem 2. Juli 1960 liegen. Dafür, daß auch Nachzahlungen für eine Zeit vor dem Inkrafttreten des § 47 VerwVG idF des 1. NOG erfaßt werden, sind dieselben Gründe anzuführen, die das BSG in seinem Urteil vom 28. November 1962 - 9 RV 786/59 - zu § 71 a BVG aF in der Richtung dargelegt hat, daß der durch diese Vorschrift bewirkte Forderungsübergang auch Überzahlungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 71 a BVG aF am 11. August 1953 erfaßt.
Da das LSG auf Grund seiner unzutreffenden Rechtsauffassung die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG idF des 1. NOG hinsichtlich des vom Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsanspruchs für die Zeit bis zum Ablauf des Jahres 1961 nicht geprüft hat - der Rückforderungsanspruch des Beklagten vom 1. Januar 1962 an ist nicht mehr streitig, weil die Klägerin nicht Revision eingelegt hat -, mußte das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben werden, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Wiesbaden vom 3. Juli 1963 nicht zurückgewiesen worden ist; in diesem Umfange war die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Beklagte hat hilfsweise beantragt, die Beigeladene zu verurteilen, die auf den Kostenträger der KOV übergegangenen Ansprüche auf Nachzahlung der mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 gewährten Invalidenwitwenrente für die Zeit vom 1. Februar 1957 bis 30. November 1962 insoweit durch Zahlung an diesen zu befriedigen, als sie zur Minderung der Versorgungsbezüge geführt haben. Da dem Hauptantrag des Beklagten auf Aufhebung des angefochtenen Urteils entsprochen wird, bedarf es keiner Entscheidung mehr über seinen Hilfsantrag. Abgesehen davon, hat der Beklagte den Hilfsantrag erstmals im Revisionsverfahren gestellt. Ein solcher neuer Antrag, der erst in der Revisionsinstanz gestellt wird, wäre jedoch nicht zulässig, weil die Revision ihrem Wesen nach auf die Rechtskontrolle des angefochtenen Urteils beschränkt ist und das Revisionsgericht daher einen Sachverhalt nicht selbst würdigen kann, der noch nicht der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz unterlag. Im übrigen wäre dieser Hilfsantrag auch dann unzulässig, wenn man ihn als Widerklage gegen die Beigeladene ansehen wollte, weil eine Widerklage in den Tatsacheninstanzen erhoben werden muß. Eine erst im Revisionsverfahren erhobene Widerklage ist - auch ohne daß sie ausdrücklich in § 168 SGG aufgeführt ist - aus denselben Gründen unzulässig, wie ein neuer Sachantrag in der Revisionsinstanz (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb, Anm. zu § 168 am Ende; ferner BGHZ 28, 131, 137).
Sollte der Beklagte nach Zurückverweisung der Sache nunmehr den Hilfsantrag auch im Berufungsverfahren stellen, so wird das LSG zu prüfen haben, ob insoweit überhaupt die Voraussetzungen des § 100 SGG für eine Widerklage gegeben sind und ob eine solche Widerklage gegen die Beigeladene gerichtet werden kann. Voraussetzung für die Verurteilung eines beigeladenen Versicherungsträgers ist nach § 75 Abs. 5 SGG, daß seine Sachbefugnis als in Anspruch genommener Beteiligter (Passivlegitimation) gegeben ist, daß also der Anspruch des Klägers sich zu Recht gegen ihn als Verpflichteten richtet (vgl. BSG 9, 67, 70; 14, 86, 89; BSG in SozR SGG § 75 Nr. 26). Wenn der Beklagte die Verurteilung eines beigeladenen Versicherungsträgers zur Leistung nicht an den Kläger, sondern an sich selbst beantragt, wird daher zu prüfen sein, ob dies im Wege einer Widerklage gegen den beigeladenen Versicherungsträger möglich ist. Das BSG hat die Zulässigkeit einer solchen Widerklage jedenfalls dann bejaht, wenn der Versicherungsträger am Verfahren als notwendig Beigeladener i. S. des § 75 Abs. 2 SGG beteiligt ist (vgl. BSG 17, 139, 143).
Die Kostenentscheidung mußte dem abschließenden Urteil vorbehalten bleiben.
Fundstellen