Entscheidungsstichwort (Thema)
Überwiegender Familienunterhalt (hier: Krankenhaustagegeld. freiwillige Rentenversicherungsbeiträge)
Orientierungssatz
1. Ein Krankenhaustagegeld, das nicht regelmäßig, sondern nur für den einzelnen Tag einer stationären Behandlung und nur als pauschalierter Ausgleich für den durch die Aufwendungen für Krankenpflege erlittenen Vermögensschaden des Erkrankten selbst zu zahlen ist, kann nicht die Funktion eines auf Dauer angelegten Beitrags zum Familienunterhalt haben.
2. Freiwillige Rentenversicherungsbeiträge sind ein Beitrag zum Familienunterhalt iS des § 43 AVG. Dem steht die Rechtsprechung des 11. Senats des BSG (vgl BSG vom 16.12.1981 - 11 RA 69/80 = BSGE 53, 34 = SozR 2200 § 1266 Nr 19), daß Pflichtbeiträge (Beitragsanteile) zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht als Familienunterhalt zu behandeln seien, nicht entgegen.
Normenkette
AVG § 43 Abs 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1266 Abs 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 16.01.1987; Aktenzeichen L 1 An 171/85) |
SG Hannover (Entscheidung vom 13.08.1985; Aktenzeichen S 1 An 379/83) |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Witwerrente.
Der 1916 geborene Kläger, der bis Juni 1980 als selbständiger Schaufenstergewerbegestalter tätig und sodann bis zum 31. Dezember 1980 abhängig beschäftigt war, bezieht seit dem 1. August 1981 von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover ein Altersruhegeld (ARG) wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und seit dem 1. November 1981 vom Sozialamt der Landeshauptstadt Hannover Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Bis zum Tode seiner Ehefrau, der Versicherten, am 27. Mai 1980 lebte er mit ihr in einer Eigentumswohnung von 67 qm, die den Eheleuten je zur Hälfte gehörte. Ab Juni 1979 war für die Haushaltsführung eine Hausgehilfin gegen ein Entgelt von 500,-- DM monatlich zuzüglich freier Kost eingestellt worden. Die darüber hinaus in dem Zwei-Personen-Haushalt anfallenden Arbeiten erledigten die Eheleute. Die Versicherte bezog seit Februar 1976 von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vorgezogenes ARG nach § 25 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), das in der Zeit vom 1. Mai 1979 bis zum 30. April 1980 in Höhe von insgesamt 5.951,20 DM gezahlt wurde. Der Kläger wies ferner in seinem Kassenbuch für die Monate Mai und Juni 1979 ein Ehegattengehalt von insgesamt 620,-- DM aus. Schließlich leistete die Deutsche Krankenversicherung-Aktiengesellschaft (DKV) für die Versicherte in fünf Teilzahlungen zwischen dem 10. April 1979 und dem 17. Juli 1980 Krankenhaustagegeld von insgesamt 8.140,-- DM, nach Angaben des Klägers bei einem Tagessatz von 110,-- DM. Der Kläger entnahm in der Zeit vom 1. Mai 1979 bis zum 30. April 1980 aus seinem Gewerbebetrieb (nach Abzug seiner Einlagen) 14.584,03 DM. Nach den Einkommensteuerbescheiden des Finanzamtes Hannover-Süd vom 25. Juni 1982 und vom 22. Juli 1982 hatte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahre 1979 in Höhe von 3.929,-- DM, im Jahre 1980 in Höhe von 1.081,-- DM, weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von jeweils 1.054,-- DM. Im Dezember 1979 entrichtete der Kläger freiwillige Beiträge zu seiner Rentenversicherung, für das Jahr 1979 in Höhe von insgesamt 864,-- DM, zahlte im Dezember 1980 freiwillige Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit von Januar 1980 bis Mai 1980 in Höhe von 360,-- DM, außerdem für die Zeit vom 17. Mai 1979 bis zum 16. April 1980 freiwillige Krankenversicherungsbeiträge an die Allgemeine Ortskrankenkasse Hannover (AOK) in Höhe von insgesamt 3.181,50 DM und für die Zeit vom 1. Mai 1979 bis zum 30. April 1980 als Beitrag zur Krankenhaustagegeldzusatzversicherung insgesamt 783,68 DM. Nach eigenen Angaben zahlte er schließlich Schuldzinsen (687,-- DM) für die Kreditfinanzierung der Privatentnahme aus dem Gewerbebetrieb.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Witwerrente lehnte die BfA durch Bescheid vom 31. März 1982 ab, weil die Versicherte entgegen § 43 Abs 1 AVG den Unterhalt ihrer Familie nicht überwiegend bestritten habe. Mit dem streitigen Bescheid vom 2. Juni 1983, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 18. November 1983, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 30. Juni 1982 auf Überprüfung des Bescheides vom 31. März 1982 nach § 44 Abs 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB 10) ab, weil der frühere Bescheid rechtmäßig sei.
Das Sozialgericht Hannover (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des streitigen Bescheides verurteilt, dem Kläger ab Juni 1980 Witwerrente zu zahlen (Urteil vom 13. August 1985). Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16. Januar 1987) und ausgeführt: Die Versicherte habe den Familienunterhalt überwiegend bestritten. Maßgeblich seien die Unterhaltsbeiträge der Ehepartner während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Versicherten. Dieser habe vom 1. Mai 1979 bis zum 30. April 1980 angedauert, wie das SG mit der zutreffenden Erwägung erkannt habe, die Versicherte sei in den letzten 12 Monaten vor ihrem Tode krank gewesen, und es sei in dieser Zeit keine wesentliche Änderung in den wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnissen der Familienmitglieder eingetreten. Die Versicherte habe in dieser Zeit mit insgesamt 12.781,20 DM (5.951,20 DM Altersruhegeld; 6.210,-- DM Krankenhaustagegeld; 620,-- DM Arbeitslohn) zum gemeinsamen Unterhalt beigetragen. Der Kläger habe 11.992,03 DM beigesteuert. Zwar habe er durch die Privatentnahme aus dem Gewerbebetrieb über ein Einkommen von 14.584,03 DM verfügen können; jedoch seien die für die Jahre 1977, 1978 und 1979 nachentrichteten freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 2.592,-- DM davon abzusetzen. Es habe sich nämlich um Vorsorgeaufwendungen gehandelt, die - wie Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung - zu Zwecken des Familienunterhalts faktisch nicht verfügbar gewesen seien. Dahingestellt bleiben könne, ob auch die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung abzuziehen seien, und ob der Kläger Schuldzinsen für die durch Bankkredit 1980 erfolgten Entnahmen aus seinem Gewerbebetrieb gezahlt habe. Der Wert der Haushaltsführung sei beiden Ehepartnern zu gleichen Teilen zuzuordnen, weil der wesentliche Teil der Arbeiten ab Juni 1979 durch die Hausgehilfin K. geleistet worden sei, für deren Entgelt der Kläger und die Versicherte zu gleichen Teilen hätten aufkommen müssen. Im übrigen sei nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, daß jeder Ehepartner nur eingeschränkt habe mitwirken können. Daher hebe sich der Wert der Haushaltsführung gegeneinander auf. Entsprechendes gelte für den Wert der gemeinsamen Eigentumswohnung.
Zur Begründung der - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Beklagte vor, die freiwilligen Rentenversicherungsbeiträge dürften von dem verfügbaren Nettoeinkommen des Klägers nicht abgesetzt werden. Entscheidend sei das erzielte verfügbare Einkommen (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSGE 53, 34 = SozR 2200 § 1266 Nr 19 = Breithaupt 1982, 785). Anders als bei sozialversicherungsrechtlichen Pflichtabgaben ständen bei freiwilligen Vorsorgeaufwendungen die Beträge den Betroffenen zunächst frei zur Verfügung. Freiwillige Beitragsleistungen erfolgten also gerade aus den verfügbaren Einkünften zugunsten der Familie (Hinweis auf LSG Berlin, Urteil vom 16. November 1982 - L 12 An 128/80). Ferner gehöre eine angemessene Versicherung für die Fälle der Krankheit, des Alters und der Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit zum Unterhaltsbedarf, wie sich für die letztgenannten Risiken auch aus § 1578 Abs 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 13. August 1985 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die mit Schriftsatz vom 16. März 1987 gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Januar 1987 eingelegte Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Regelungen des § 1578 BGB sprächen dafür, daß freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung ebenso zu behandeln seien wie Pflichtbeiträge (Hinweis auf BSGE 46, 11 = SozR 2200 § 1265 Nr 29; BSGE 50, 210 = SozR 2200 § 1265 Nr 51; BSGE 53, 34 = SozR 2200 § 1266 Nr 19).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht begründet. Die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen reichen für eine das Verfahren abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts nicht aus.
Mit dem streitigen Bescheid vom 2. Juni 1983, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 18. November 1983, hat die Beklagte die Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides vom 31. März 1982 abgelehnt, in dem der Antrag des Klägers auf Gewährung einer Witwerrente zurückgewiesen worden war. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB 10 ist der Bescheid vom 31. März 1982 zurückzunehmen, soweit sich ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Witwerrente zu Unrecht nicht gewährt worden ist. Entscheidend ist mithin, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente hatte. Rechtsgrundlage hierfür ist § 43 Abs 1 iVm § 40 Abs 2 AVG. Zwar ist die erstgenannte Vorschrift durch Art 2 Nr 17 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) mit Wirkung vom 1. Januar 1986 aufgehoben und statt dessen durch Art 2 Nr 15 HEZG § 41 Abs 2 AVG eingefügt worden; dieser gilt jedoch gemäß § 17a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG), dort eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1986 durch Art 5 Nr 2 HEZG, nur, wenn der Tod der Versicherten nach dem 31. Dezember 1985 eingetreten ist. Daraus folgt, daß § 43 Abs 1 AVG weiterhin anzuwenden ist, wenn die Versicherte - wie im vorliegenden Fall - vor dem 31. Dezember 1985 gestorben ist.
Gemäß § 43 Abs 1 AVG erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau Witwerrente, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. Nach § 40 Abs 2 AVG wird Hinterbliebenenrente ua nur gewährt, wenn der Verstorbenen zur Zeit ihres Todes Versichertenrente zustand. Nach den tatsächlichen, für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG lebte der Kläger mit der Versicherten zur Zeit ihres Todes in rechtsgültiger Ehe. Sie bezog von der Beklagten vorzeitiges ARG. Indessen kann die Frage, ob die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, noch nicht abschließend beantwortet werden. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt und dem LSG als Tatsacheninstanz vorbehalten sind. Dies ergibt sich aus folgendem:
Eine Versicherte hat den Unterhalt der Familie "überwiegend bestritten", wenn ihr Unterhaltsbeitrag während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor ihrem Tode mehr als die Hälfte des gesamten Familienunterhalts ausgemacht hat (st Rspr, zuletzt: BSG SozR 2200 § 1266 Nr 23). Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen sind die tatsächlichen Verhältnisse während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes mit der Folge maßgeblich, daß als Unterhaltsbeiträge nur solche Leistungen und Aufwendungen berücksichtigt werden können, die in diesem Zeitraum effektiv beigesteuert bzw getätigt worden sind (st Rspr, zuletzt BSG SozR 2200 § 1266 Nr 21 S 81 mwN). Die Auffassung des LSG, der hier maßgebliche letzte wirtschaftliche Dauerzustand habe in der Zeit von Mai 1979 bis einschließlich April 1980 vorgelegen, hält mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG beginnt der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten mit der letzten wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung und endet im Regelfall mit ihrem Tode (zuletzt: BSG SozR 2200 § 1266 Nr 23 S 90 mwN). Dazu, wann die letzte wesentliche Änderung in den Einkommensverhältnissen des Klägers oder der Versicherten eingetreten ist, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr als maßgeblich erachtet, daß von Mai 1979 bis Ende April 1980 keine derartige wesentliche Änderung eingetreten und die Versicherte krank gewesen sei. Auf die objektiven Verhältnisse während des letzten Jahres vor dem Tode der Versicherten kommt es indessen nur dann an, wenn entweder die letzte wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse eines Familienmitgliedes ein Jahr vor dem Versicherungsfall eingetreten ist oder wenn die Einkommensverhältnisse der Familienmitglieder seit mehreren Jahren unverändert geblieben sind (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nrn 17, 12; SozR Nr 4 zu § 1266 Reichsversicherungsordnung - RVO). Im letztgenannten Fall umfaßt das vor dem Tode der Versicherten liegende Jahr einen hinreichenden, den schon zuvor gegebenen Dauerzustand abbildenden Zeitraum, der - nach einer am Todestag vorgenommenen objektiven Betrachtung - die begründete Annahme erlaubt, der wirtschaftliche Zustand hätte ohne den Tod für einen ins Gewicht fallenden Zeitraum fortgedauert. Die vom LSG getroffenen, mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen nicht angefochtenen und darum für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen lassen nicht erkennen, wann der letzte wirtschaftliche Dauerzustand begonnen hat. Bezüglich der Einkommensverhältnisse des Klägers geben die Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anhaltspunkt dafür, ob sie seit Jahren unverändert geblieben sind oder wann eine Änderung eingetreten ist. Gleiches gilt mit Blick auf die Einkommensverhältnisse der Versicherten, wobei ins Auge springt, daß das LSG einerseits den maßgeblichen Zeitraum bereits am 1. Mai 1979 beginnen läßt, andererseits aber feststellt, bis Ende Juni 1979 habe ihr der Kläger ein Ehegattengehalt gezahlt. Auch die vom LSG angesprochene Krankheit der Versicherten ermöglicht die Bestimmung des maßgeblichen wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht. Abgesehen davon, daß dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist, wann und woran die Versicherte erkrankt ist und ob sie an der Krankheit, die bereits am 1. Mai 1979 aufgetreten war, oder an einem später sich einstellenden Leiden gestorben ist, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG SozR 2200 § 1266 Nr 23 S 90 mwN) einer Erkrankung der Versicherten nur dann Bedeutung für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes zu, wenn sie eine Verschlechterung der Unterhaltslage verursacht hat. Auch eine solche Erkrankung kann, insbesondere wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hat und ohne den Tod der Versicherten wahrscheinlich fortbestanden hätte, den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand prägen. Im Einzelfall, wenn sie in verhältnismäßig kurzer Zeit zum Tode geführt und somit gleichermaßen die "Vorstufe des Todes" dargestellt hat, kann es allerdings aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, die durch sie bewirkte Verschlechterung der Unterhaltslage nicht als Prüfungsmaßstab für die Voraussetzungen der Witwerrente anzulegen und stattdessen das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den Beginn der zum Tod führenden Krankheit festzulegen (BSG SozR aaO S 90). Da tatsächliche Feststellungen des LSG im Blick auf die Erkrankung der Versicherten und einer dadurch bewirkten Verschlechterung der Unterhaltslage fehlen, entzieht es sich revisionsgerichtlicher Beurteilung, ob eine der vorgenannten Fallgestaltungen hier eingreift. Da das Revisionsgericht die zur Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes notwendigen Tatsachenfeststellungen nicht nachholen darf, kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Auf die Revision der Beklagten muß daher das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Zur weiteren Sachbehandlung wird das Berufungsgericht eine umfassende Aufklärung des Sachverhaltes vornehmen und dazu die nachgenannten Umstände in seine Erwägungen einbeziehen müssen. Derzeit kann der erkennende Senat deshalb noch nicht abschließend beurteilen, ob die von ihm nachfolgend angestellten Überlegungen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein werden. Es ist deshalb insbesondere nicht tunlich, alle anzusprechenden Rechtsfragen bereits jetzt abschließend zu beantworten.
Bezüglich des Unterhaltsbeitrags der Versicherten bedarf zunächst näherer Klärung, ob und in welchem Zeitraum die Versicherte im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses eigenes Erwerbseinkommen hatte. Insoweit fällt ua auf, daß ihr nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts in einem solchen Zeitraum Krankenhaustagegeld, also eine Versicherungsleistung für Zeiten der stationären Behandlung in einem Krankenhaus, gezahlt worden sein soll. Ob das Krankenhaustagegeld überhaupt als Beitrag zum Familienunterhalt zu berücksichtigen ist und ob es ggf ein Beitrag überhaupt der Versicherten, nicht vielmehr des Klägers war, bedarf gleichfalls eingehender rechtlicher Prüfung und tatsächlicher Feststellungen. Soweit die Krankenhaustagegeldleistung der DKV aufgrund einer Krankenhaustagegeldversicherung iS von § 1 Abs 1 Buchst b der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung - MBKK 76) erfolgt ist, erscheint sehr zweifelhaft, ob darin überhaupt ein auf Dauer angelegter, regelmäßiger Beitrag zum Familienunterhalt liegt. Für die Auslegung des Begriffs "Unterhalt der Familie" iS von § 43 Abs 1 AVG ist zwar von den Regelungen des BGB (§§ 1360, 1360a BGB) auszugehen (st Rspr, zuletzt BSG SozR 2200 § 1266 Nr 21 S 80 mwN). Danach umfaßt der angemessene Unterhalt der Familie alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und - hier nicht einschlägig - den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (§ 1360a Abs 1 BGB). § 43 Abs 1 AVG bezweckt, dem Witwer nur dann eine Rentenleistung mit Unterhaltsersatzfunktion zukommen zu lassen, wenn die Versicherte vor ihrem Tode dauerhaft den Familienunterhalt überwiegend bestritten hatte und dieser Zustand - bei generalisierender Betrachtung - ohne den Tod für einen ins Gewicht fallenden Zeitraum fortgedauert hätte (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 15 S 60 mwN). Dann aber kann ein Krankenhaustagegeld, das nicht regelmäßig, sondern nur für den einzelnen Tag einer stationären Behandlung und nur als pauschalierter Ausgleich für den durch die Aufwendungen für Krankenpflege erlittenen Vermögensschaden des Erkrankten selbst zu zahlen ist (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl, 1988, MBKK § 1 B, S 1224 mwN), nicht die Funktion eines auf Dauer angelegten Beitrags zum Familienunterhalt haben. Falls es sich vorliegend aber um eine andere Art privater Versicherungsleistung gehandelt haben sollte, für welche die vorstehenden Erwägungen nicht zutreffen, wird das LSG zu prüfen haben, ob das dem Kläger für die Versicherte von der DKV gezahlte Krankenhaustagegeld (Bl 112 der vom LSG in bezug genommenen Rentenakte) in Wahrheit ein Unterhaltsbeitrag des Klägers, nicht der Versicherten war, zumal der Kläger die Kosten der Krankenhaustagegeldzusatzversicherung getragen hat (Bl 3 des vom LSG in bezug genommenen Urteils des SG).
Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrags des Klägers wird darüber hinaus folgendes zu prüfen sein: Nach den Steuerbescheiden des zuständigen Finanzamtes hat er in den Jahren 1979 und 1980 jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehabt. Unklar ist bislang, ob sie in der vom LSG genannten Privatentnahme aus dem Gewerbebetrieb enthalten waren oder ihm zusätzlich zur Verfügung standen. Im Blick auf die Privatentnahme aus dem Gewerbebetrieb hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - bislang offen gelassen, ob Schuldzinsen, die gerade im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich gezahlt worden sein müssen, zu berücksichtigen sind. In Betracht kommt je nach der Eigenart der behaupteten Kreditaufnahme insoweit zum einen, daß es sich um für die Einkommenserzielung aus Gewerbebetrieb erforderliche Aufwendungen (dazu: BSG SozR 2200 § 1266 Nr 21 S 82 mwN) oder um Zinsen für eine Schuld gehandelt hat, die während der Ehezeit und zur Bestreitung von im Interesse der Familie liegenden Aufwendungen begründet worden ist, die wie Schuldtilgungsbeträge zum Familienunterhalt zu zählen sein könnten (BSG aaO S 80f mwN). Klärungsbedürftig ist daher in diesem Zusammenhang in erster Linie, ob, wann, in welcher Höhe und zu welchem Zweck der Kläger einen Kredit aufgenommen und ob er die Valuta in seinen Gewerbebetrieb eingebracht oder unmittelbar, dh nicht über den Umweg der Privatentnahme aus dem Gewerbebetrieb, zur Bestreitung des Familienunterhalts verwendet hat. Im letztgenannten Falle wird außerdem zu prüfen sein, ob ein auf Dauer angelegter Unterhaltsbeitrag geleistet worden ist. Das könnte jedenfalls dann fraglich sein, soweit der Kläger dem Darlehensgeber keine Sicherheit gestellt oder während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes die Schuld nicht getilgt hat. Denn in diesem Umfang hatte er keine dauerhaften Einkünfte, sondern war zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet.
Hinsichtlich der freiwilligen Rentenversicherungsbeiträge des Klägers scheinen die bisherigen Feststellungen des LSG nicht widerspruchsfrei zu sein. Gestützt auf einen Tagesauszug der Commerzbank und auf das Vorbringen des Klägers hat das LSG einerseits ausgeführt, bei dem per 7. Januar 1980 zur Last geschriebenen Scheck über 2.592 DM habe es sich um die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Jahre 1977, 1978 und 1979 gehandelt. Andererseits hat es durch die Bezugnahme auf die Prozeßakten ebenfalls festgestellt, nach der Auskunft der LVA Hannover vom 1. September 1986 habe der Kläger in der Zeit zwischen dem 1. Mai 1979 und dem 30. April 1980 nur am 31. Dezember 1979 864 DM für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 31. Dezember 1979 als freiwillige Beiträge entrichtet (Bl 69, 65 Nr 2 der Akte des LSG). Ob auch für die Jahre 1977 und 1978 freiwillige Beiträge wirksam entrichtet worden sind, erscheint daher noch fraglich. Falls dies jedoch geschehen sein sollte, wird das LSG seine Rechtsansicht genauer zu prüfen haben, ob diese freiwilligen Rentenversicherungsbeiträge von den zum Familienunterhalt zu rechnenden Einnahmen des Klägers abzuziehen sind. Denn sie sind ein Beitrag zum Familienunterhalt iS des § 43 AVG. Dem steht die Rechtsprechung des 11. Senats des BSG (BSGE 53, 34 = SozR 2200 § 1266 Nr 19 mwN), daß Pflichtbeiträge (Beitragsanteile) zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht als Familienunterhalt zu behandeln seien, nicht entgegen. Denn dort sind Überlegungen ausschließlich und nur für Unterhaltsbeiträge angestellt, die in der Zeit vor dem 1. Juli 1977 geleistet sind, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421), das ua §§ 1360 Satz 2, 1360a Abs 2 Satz 2 BGB neu gefaßt und die Unterhaltsansprüche getrennt lebender (§ 1361 BGB) und geschiedener (§§ 1569 ff BGB) Ehegatten neu geregelt hat (Göppinger, Unterhaltsrecht, 5. neu bearbeitete Aufl, 1987, S 4, 166, 174, 191). Der 11. Senat des BSG hat dazu unter Hinweis auf den Zweck der Hinterbliebenenrenten, immer nur einen gegenwärtigen Lebensbedarf zu befriedigen, und auf den Wortlaut des § 43 AVG, der auf das Verhältnis abstelle, in dem jeder der beiden Ehegatten zum Familienunterhalt beigetragen habe, die Ansicht vertreten, es sei ausgeschlossen, Einkommensteile zu berücksichtigen, über die der einzelne Ehegatte nicht habe verfügen und die er damit auch nicht zur Verfügung habe stellen können. Der Senat weist darauf hin, daß er - wie auch schon vom 1. Senat des BSG angemeldet (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 18 S 70, Nr 21 S 82) - Bedenken trägt, sich der Rechtsansicht des für Streitigkeiten auf dem Gebiet der Angestelltenversicherung nicht mehr zuständigen 11. Senats anzuschließen. Dies bedarf hier jedoch keiner Vertiefung, weil jedenfalls freiwillige Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung auch nach Ansicht des 11. Senats des BSG Beiträge des Familienmitglieds zum Familienunterhalt sind, da sie ihm zugeflossen sind und ihm zur Verfügung gestanden haben.
Das Berufungsgericht wird darüber hinaus hinsichtlich der Nutzung der Eigentumswohnung zu prüfen haben, wer die mit der Nutzung der Wohnung verbundenen Kosten (zB Wasser, Strom, Gas, Müllabfuhr usw) getragen hat. Hinsichtlich der Haushaltsführung, die das Berufungsgericht den Eheleuten zu gleichen Teilen zugeordnet hat, scheinen gleichfalls widersprüchliche Tatsachenfeststellungen vorzuliegen. Zum einen hat das LSG ausgeführt, der Kläger und die Versicherte hätten zu gleichen Teilen für den Monatslohn und die freie Kost der Hausgehilfin K. aufkommen müssen. Hingegen hat es durch Bezugnahme auf die Rentenakte der Beklagten zugleich festgestellt, Frau K. sei von Juni 1979 bis Ende Mai 1980 beim Kläger als Hausgehilfin entgeltlich tätig gewesen (Bl 97 der Rentenakte). Weiterhin hat das Berufungsgericht den Widerspruch nicht ausgeräumt, daß der Kläger einerseits in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, jeder Ehepartner habe nur eingeschränkt an der Führung des Zwei-Personen-Haushalts mitwirken können, während er im Antrag auf Witwerrente vom 23. Oktober 1981 (Bl 55 bis 56 R der Rentenakte) angegeben hatte, er habe sämtliche Hausfrauenarbeiten gemacht, seine Ehefrau habe den Haushalt nicht geführt. Schließlich ist bislang nicht nur offen geblieben, wer die Kosten der Hausgehilfin getragen hat, sondern auch, welche Arbeiten diese im einzelnen erledigt hat.
Nach alledem mußte auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil und die ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückverwiesen werden. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen