Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageänderung. Beteiligtenbezeichnung. Rubrum. Überleitungsanstalt. gemeinsamer Träger. Träger der Sozialversicherung. sachliche Zuständigkeit. Verwaltungsaktbefugnis. Klagebefugnis. Rechtsschutzinteresse. Beitragsforderungen. Forderungsübergang. Sozialversicherungsträger. Gesamthandsvermögen. haushaltsrechtliche Zuordnung. zeitliche Rechnungsbegrenzung. Ist-Prinzip. Soll-Prinzip. Anschubfinanzierung. Liquiditätshilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Der Präsident des BVA ist als Verwalter des Gesamthandsvermögens der Sozialversicherungsträger des Beitrittsgebiets befugt, durch Verwaltungsakt festzustellen, wem die Beitragsforderungen des ehemaligen Trägers der Sozialversicherung der DDR zustehen und wer für dessen Verbindlichkeiten haftet.
2. Das Sozialversicherungs-Vermögensgesetz für das Beitrittsgebiet hat die nachträglichen Einnahmen aus den Beitragsansprüchen des zweiten Halbjahres 1990 den Krankenkassen des Beitrittsgebiets zugewiesen. Dadurch hat es mögliche anderweitige haushaltsrechtliche Zuordnungen außer Kraft gesetzt.
Normenkette
EinigVtr Anlage I Kap VIII F II Nr. 1; EinigVtr Anlage I Kap VIII F III Nr. 1 Buchst. e; EinigVtr Anlage II Kap VIII F III Nr. 2 Buchst. e; BGSVVermG § 2 Abs. 6, § 8 Abs. 1, 6, §§ 9, 14; SGB V § 312 Abs. 2 Buchst. c; SGG § 54 Abs. 5, §§ 75, 98, 168; GVG § 17a Abs. 5; SGB X § 31
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) soll Beitragseinnahmen in Höhe von etwas über 12 Mio DM herausgeben. Der Rechtsstreit wird als Musterprozeß für alle am Aufbau der Gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Bundesländern beteiligten Krankenkassen geführt.
Auf den nunmehr als Kläger auftretenden Präsidenten des Bundesversicherungsamts (BVA) sind die Befugnisse und Aufgaben der Überleitungsanstalt Sozialversicherung übergegangen, die ihrerseits am 1. Januar 1991 an die Stelle des Trägers der Sozialversicherung der DDR („gemeinsamer Träger”) getreten ist. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der zum 1. Januar 1991 errichteten und zum 1. Oktober 1994 mit der AOK Rostock und der AOK Neubrandenburg vereinigten AOK Schwerin.
Der zum 1. Juli 1990 geschaffene und zum 1. Januar 1991 in die Überleitungsanstalt umgewandelte gemeinsame Träger erwirtschaftete im Bereich Krankenversicherung ein Defizit, das durch Haushaltsmittel der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von insgesamt 3 Mrd DM (sog „Anschubfinanzierung”) aufgefangen wurde. Nicht verbrauchte Gelder der Anschubfinanzierung wurden Anfang 1991 den neu errichteten Krankenkassen des Beitrittsgebiets als „Liquiditätshilfe GKV-Ost” zur Verfügung gestellt. Außerdem flossen ihnen in der Folgezeit Krankenversicherungsbeiträge aus dem zweiten Halbjahr 1990 zu, die vom gemeinsamen Träger bzw von den damals zuständigen Finanzämtern nicht mehr eingezogen worden waren. Unter Berücksichtigung dieser Einnahmen errechnete der AOK-Bundesverband und im Anschluß daran der Bundesrechnungshof (BT-Drucks 12/3250 S 72f) ein um knapp 0,6 Mrd DM niedrigeres Defizit. Unter Einbeziehung der geleisteten Bundesmittel ergab sich ein entsprechend höherer „Überschuß” des gemeinsamen Trägers.
Im Dezember 1993 hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den jetzigen Kläger, vor dem Landessozialgericht Berlin (LSG) gegen die AOK Schwerin Klage erhoben und Zahlung des auf diese Krankenkasse entfallenden Teils des fraglichen Überschusses verlangt: Die vom 1. Januar 1991 an für das zweite Halbjahr 1990 eingezogenen Krankenversicherungsbeiträge stünden in Höhe des Überschusses nicht den Krankenkassen des Beitrittsgebiets zu, sondern seien in die Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers einzustellen und daher vom Rechtsnachfolger der Überleitungsanstalt bzw zu dem von diesem verwalteten Gesamthandsvermögen zu vereinnahmen. Mit Urteil vom 4. Juli 1994 hat das LSG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird im wesentlichen ausgeführt: Für die Entscheidung über die Herausgabe von Krankenversicherungsbeiträgen sei das erkennende Gericht nach §§ 8 Abs. 6, 2 Abs. 7 des Gesetzes zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet vom 20. Dezember 1991 (BGBl I S 2313 ≪SozVermG≫) erstinstanzlich zuständig. Die Leistungsklage sei ohne vorherige Verwaltungsentscheidung zulässig, weil zwischen den Beteiligten kein Über- und Unterordnungsverhältnis bestehe. Ein Herausgabeanspruch sei aber nicht gegeben. Die Beitragsforderungen aus dem zweiten Halbjahr 1990 gehörten nicht mehr zum Gesamthandsvermögen nach § 1 Abs. 1 SozVermG, denn sie seien nach § 8 Abs. 1 SozVermG am 1. Januar 1991 auf die Beklagte übergegangen. Diese sei in dem hier rechtlich bedeutsamen Gebiet nach den Vorschriften des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und denjenigen des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) für den Beitragseinzug wie für die Erbringung der Krankenversicherungsleistungen zuständig. Nach dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl II S 899 ≪EinigVtr≫) seien diese Vorschriften zum 1. Januar 1991 bzw ab der Übernahme des Beitragseinzugs durch die Krankenkassen in Kraft getreten. Die im EinigVtr der Überleitungsanstalt übertragene Einziehung krankenversicherungsrechtlicher Forderungen stehe dem nicht entgegen, denn sie dürfe nur wahrgenommen werden, soweit kein Forderungsübergang auf einen Dritten angeordnet sei. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines Betriebsmitteldarlehens sei ebenfalls nicht gegeben, denn diese Forderung habe sich niemals im Gesamthandsvermögen befunden. Mangels Anspruchsgrundlage im SozVermG sei allenfalls der zuständige Bundesminister, aber nicht der Präsident des BVA, zur Geltendmachung berechtigt. Darüber hinaus wäre das LSG Berlin für einen derartigen Streit nicht zuständig.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung einzelner Vorschriften des EinigVtr, insbesondere Anl I Kap VIII Sachgeb F Abschn II Nr. 1 §§ 1 bis 3 (im folgenden „Nr. 1 §§ 1 bis 3 EinigVtr”), des § 8 Abs. 1 und 2 SozVermG und des § 9 SozVermG. Als Nachfolger in die Befugnisse der Über eitungsanstalt Sozialversicherung habe er die Krankenversicherungsbeiträge aus dem zweiten Halbjahr 1990 jedenfalls insoweit zugunsten des Gesamthandsvermögens einzuziehen, als sie zu einem an die Bundeskasse zurückzuzahlenden Überschuß beim gemeinsamen Träger geführt hätten. In diesem Umfang seien sie auch bei der Liquiditätshilfe abzurechnen. Der Einbeziehung in die Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers stünden § 8 Abs. 1 SozVermG und die Zuständigkeitsregeln des SGB V für das Beitrittsgebiet nicht entgegen, denn diese seien erst zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten und daher auf Sachverhalte aus der Zeit davor nicht anzuwenden. Die Ortskrankenkassen seien weder Rechtsnachfolger der bisherigen Sozialversicherung noch hätten sie für Verbindlichkeiten der bisherigen Krankenversicherung aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991 einstehen müssen; vielmehr habe die Überleitungsanstalt bzw er als Rechtsnachfolger noch nach dem 1. Januar 1991 in erheblichem Umfang Krankenversicherungsleistungen aus 1990 erbracht. Die entsprechenden Beiträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991 hätten daher der Überleitungsanstalt zugestanden. § 8 Abs. 1 SozVermG bestimme die Zusammengehörigkeit von Forderungsberechtigung und Leistungserbringung. § 8 Abs. 2 SozVermG betreffe nur den Beitragseinzug ohne materielle Zuordnung zugunsten der Beklagten. Nach Herausgabe der Beiträge an das Gesamthandsvermögen sei eine Rückführung nicht verbrauchter Mittel aus der Liquiditätshilfe an den Bundeshaushalt zu prüfen. Insoweit komme auch § 9 Abs. 1 Satz 1 SozVermG als Anspruchsgrundlage in Betracht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. Juli 1994 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 12.280.793 DM nebst Zinsen in Höhe von zwei vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank auf den Betrag von 21.518.110,00 DM vom 28. Februar 1991 bis 30. Mai 1991, auf den Betrag von 9.304.272,00 DM vom 31. Mai 1991 bis 30. Oktober 1991, auf den Betrag von 11.018.899,00 DM vom 31. Oktober 1991 bis 30. Mai 1992, auf den Betrag von 12.213.744,00 DM vom 31. Mai 1992 bis 30. Dezember 1992 und auf den Betrag von 12.280.793,00 DM vom 31. Dezember 1992 an zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG Berlin für zutreffend. Der in § 8 Abs. 1 SozVermG angeordnete gesetzliche Forderungsübergang habe die Beitragsansprüche dem Gesamthandsvermögen entzogen. Für den Bereich der Krankenversicherung seien nach § 308 SGB V die Krankenkassen zur Leistungserbringung zuständig und nicht der Kläger als Nachfolger der Überleitungsanstalt. Auch soweit es dem Kläger um die Überprüfung von Rückforderungsansprüchen des Bundes wegen überzahlter Liquiditätshilfe gehe, könne er keinen Erfolg haben, denn etwaige Rückforderungsansprüche seien nicht Bestandteil des Gesamthandsvermögens geworden. Im übrigen sei die Befriedigung von Verbindlichkeiten des Gesamthandsvermögens in § 9 SozVermG besonders geregelt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig.
Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, daß der Rechtsstreit nach dem bisherigen Rubrum von anderen Beteiligten geführt wurde: auf der Klägerseite von der Bundesrepublik Deutschland und auf der Beklagtenseite von der AOK Schwerin. Die AOK Schwerin hat durch den Zusammenschluß mit zwei anderen AOKn die Beteiligtenfähigkeit verloren; im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist die jetzige Beklagte an ihre Stelle getreten. Die dadurch erforderliche Berichtigung des Rubrums bedeutet keine nach § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässige Klageänderung (vgl Meyer-Ladewig, SGG 5. Aufl, § 168 RdNr. 2, § 99 RdNr. 7).
Auch auf der Klägerseite hat kein Beteiligtenwechsel stattgefunden. Zwar ist der klagende Präsident des BVA zunächst als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland aufgetreten. Der Rechtsstreit ist aber von Anfang an um Aufgaben und Befugnisse der Überleitungsanstalt Sozialversicherung geführt worden, die nicht auf die Bundesrepublik oder das BVA, sondern nach § 14 SozVermG auf den Kläger übergegangen sind. Da dieser keine juristische Person ist, kann damit nur die natürliche Person des jeweiligen Präsidenten des BVA als Amtsinhaber gemeint sein, was in § 14 SozVermG auch durch die Erwähnung des Geschäftsführers der Überleitungsanstalt zum Ausdruck kommt. Das LSG hat zwar sowohl über die Ansprüche des Nachfolgers in die Befugnisse der Überleitungsanstalt als auch über einen Anspruch der Bundesrepublik Deutschland auf Darlehensrückzahlung entschieden und dabei die fehlende Identität der beiden Anspruchsteller nicht erörtert. Das schließt die jetzige Klarstellung jedoch nicht aus. Hinsichtlich des Anspruchs der Bundesrepublik hat der Senat nicht zu prüfen, ob er zu Recht zum Verfahrensgegenstand gemacht wurde, denn insoweit ist die Klageabweisung durch das LSG rechtskräftig. Im Revisionsverfahren werden allein die Befugnisse des Klägers als Nachfolger des Geschäftsführers der Überleitungsanstalt geltend gemacht. Das ergibt sich nicht nur aus der Revisionsbegründung, sondern ist vom Kläger auch im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Streitgegenstands des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Schwerin (VG) ausdrücklich klargestellt worden. Unter keinem Gesichtspunkt geht es im Verfahren vor dem Senat um die vom BVA nach § 90 Abs. 1 SGB IV wahrzunehmende staatliche Aufsicht über die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger, in deren Rahmen der Kläger vor den Sozialgerichten üblicherweise die Bundesrepublik vertritt. Die von Anfang an irrtümliche Bezeichnung des Klägers als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland konnte infolgedessen auch noch im Revisionsverfahren berichtigt werden (in diesem Sinne auch BSGE 50, 59 = SozR 1500 § 164 Nr. 16; wenn ein Versehen nicht anzunehmen ist, vgl aber BSGE 10, 131, 134).
Im Revisionsverfahren ist demnach ausschließlich über den Umfang der Befugnisse des Klägers zu befinden. Der Erfolg der Revision hängt davon ab, welcher Vermögensmasse der wirtschaftliche Wert der von den Krankenkassen des Beitrittsgebiets nachträglich eingezogenen Krankenversicherungsbeiträge aus dem zweiten Halbjahr 1990 letztlich gutzuschreiben ist: Wenn die Beitragsforderungen auf den an die Stelle der Überleitungsanstalt getretenen Kläger oder in den ungeteilten „Nachlaß” des gemeinsamen Trägers übergegangen sind, hat die Beklagte fremde Forderungen eingezogen und ist verpflichtet, den Erlös herauszugeben. Ist der Wert in die Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers einzustellen, hätte die Beklagte möglicherweise für die dadurch begründete „Nachlaßverbindlichkeit” aufzukommen.
Auch die Verfolgung der eigenen Rechte des Klägers gehört im Revisionsverfahren weiterhin zum Streitgegenstand. Zwar ist im Schriftsatz vom 24. August 1995 ausgeführt, daß ein Forderungsübergang auf die Überleitungsanstalt nicht (mehr) angenommen werde. Den Antrag auf Verurteilung zur Zahlung hat der Kläger jedoch nicht eingeschränkt, obwohl bei fehlender eigener Berechtigung nur die Zahlung auf das von der Überleitungsanstalt eingerichtete Sonderkonto in Frage kommt. Soweit die Überleitungsanstalt nicht selbst Inhaber der am 1. Januar 1991 noch offenen Beitragsforderungen des gemeinsamen Trägers geworden ist, können die Vorschriften über dessen Auflösung den Kläger nämlich nur als Verwalter eines Gesamthandsvermögens berechtigen. Zum 1. Januar 1991 wurde der für die Bereiche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung zuständige Träger der Sozialversicherung der DDR von einer Körperschaft in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt, die den Namen „Überleitungsanstalt Sozialversicherung” führte (Nr. 1 § 1 Abs. 1 EinigVtr). Das Vermögen des gemeinsamen Trägers ging nach Nr. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr auf die für das Beitrittsgebiet zuständigen Sozialversicherungsträger über; das Nähere wurde entsprechend der im Vertrag festgelegten Absicht (vgl Satz 2 a.a.O.) durch das SozVermG geregelt. § 1 Abs. 1 SozVermG bezeichnet das übergegangene Vermögen als Gesamthandsvermögen. Für Zahlungen an das Gesamthandsvermögen waren Sonderkonten einzurichten (vgl ua §§ 6, 13 SozVermG). Nach § 11 Abs. 1 SozVermG ist der Geschäftsführer der Überleitungsanstalt Sozialversicherung bis zur vorgesehenen weiteren Aufteilung berechtigt, die Eigentümer des Gesamthandsvermögens bei der Vornahme notwendiger Verwaltungshandlungen, bei Verträgen über das Vermögen und bei notwendigen Verfügungen über Einnahmen und bewegliches Eigentum zu vertreten. Die Befugnisse und die bei der Auflösung noch nicht erledigten Aufgaben der Überleitungsanstalt und ihres Geschäftsführers sind nach § 14 SozVermG auf den Kläger übergegangen.
Die so verstandene Klage ist insgesamt zulässig. Die – stillschweigende – Rechtswegentscheidung des LSG ist nach § 17a Abs. 5 GVG im Rechtszug nicht zu überprüfen, da die Unzulässigkeit des Rechtswegs vorinstanzlich nicht gerügt war (BGH NJW 1994, 387 = WM IV 1994, 441), Trotz vorinstanzlicher Rüge ist auch die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG verbindlich festgestellt, weil Rechtsmittel gegen Entscheidungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit durch § 98 Satz 2 SGG ganz allgemein und damit auch im Fall der inkorrekten Form der Entscheidung ausgeschlossen sind (vgl BSGE 72, 90 = SozR 3-1720 § 17a Nr. 1; BGHZ 121, 367 = NJW 1993, 1799 jeweils mwN).
Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht daran, daß der Kläger befugt ist, über die rechtliche Zuordnung der ehemaligen Beitragsansprüche des gemeinsamen Trägers und demzufolge auch über die Herausgabe der angeblich zu Unrecht vereinnahmten Beiträge durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Diese Befugnis schließt zwar grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für die hier erhobene Leistungsklage aus (BSGE 60, 209 = SozR 1500 § 54 Nr. 66; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 22). Solange die Frage des richtigen Verfahrens zweifelhaft und höchstrichterlich nicht geklärt ist, darf die Klage mit dieser Begründung jedoch nicht als unzulässig abgewiesen werden (BSGE 58, 54, 55 = SozR 5420 § 87 Nr. 1 S 2; BSGE 66, 176, 181 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 1 S 6 f).
Entgegen der Auffassung des LSG ist allerdings der Rechtsübergang von öffentlich-rechtlichen Forderungen iS des § 8 Abs. 1 SozVermG durch Verwaltungsakt festzustellen, den ursprünglich der Geschäftsführer der Überleitungsanstalt Sozialversicherung bzw eine von ihm ermächtigte Person zu erlassen hatte und der nunmehr nach § 14 SozVermG vom Präsidenten des BVA zu erlassen ist. Die Verwaltungsaktbefugnis ergibt sich aus § 8 Abs. 6 iVm § 2 Abs. 6 Satz 3 SozVermG, wonach auf „die Feststellung im Streitverfahren” das Erste Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuwenden ist. § 8 Abs. 6 SozVermG regelt mehr als nur die Zuständigkeit, denn er verweist auf den gesamten § 2 Abs. 6 SozVermG und nicht nur auf Satz 2. Soweit das „Streitverfahren” öffentlich-rechtliche Forderungen betrifft, hätten Ausnahmen von der Anwendbarkeit des SGB X eigens angeordnet werden müssen, weil das SozVermG auch die anderen Vermögensgegenstände dem öffentlich-rechtlichen Verfahrensrecht unterwirft. Für das unbewegliche Vermögen sieht der schon erwähnte § 2 Abs. 6 SozVermG bei den nach § 2 Abs. 1 bis 5 SozVermG ausnahmslos durch Bescheid zu treffenden Entscheidungen ein Verfahren nach dem Vermögenszuordnungsgesetz vom 22. März 1991 (BGBl I S 766, 784 ≪VZOG≫) vor und erklärt anstelle des Verwaltungsverfahrensgesetzes das SGB X für anwendbar. Dieselben Vorschriften gelten für das Verfahren beim Übergang des Eigentums an beweglichen Sachen, denn auf sie wird in § 7 Abs. 1 Satz 4 SozVermG verwiesen. Von dieser einheitlichen Gesamtregelung können die in § 8 Abs. 1 SozVermG genannten Forderungen nicht ohne weiteres ausgenommen werden.
Für eine Ausnahme reicht die Stellung der betroffenen Sozialversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts schon deshalb nicht aus, weil auch die Entscheidungen nach den §§ 2, 7 SozVermG diesen gegenüber zu treffen sind und weil Verwaltungsakte gegenüber Sozialversicherungsträgern keineswegs generell ausgeschlossen sind (vgl BSGE 58, 54 = SozR 5420 § 87 Nr. 1 mwN). Daß § 8 Abs. 1 SozVermG anders als § 2 SozVermG nicht von Bescheiden spricht und nur den Forderungsübergang anordnet, ist ebenfalls kein Gegenargument, denn auch § 7 Abs. 1 Satz 3 SozVermG schweigt in diesem Punkt. Bestätigt wird die Auffassung des Senats durch § 11 Abs. 1 SozVermG über die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Überleitungsanstalt Sozialversicherung „bis zu einer Übertragung gemäß § 2 oder der Feststellung eines Rechtsüberganges nach den §§ 7 oder 8”. Daraus ist überdies zu schließen, daß im Streitfall eine verwaltungsverfahrensrechtliche Feststellung des Rechtsübergangs auch dann erforderlich ist, wenn der Rechtsübergang unmittelbar vom Vermögen des gemeinsamen Trägers auf den einzelnen Sozialversicherungsträger erfolgt, wie dies die Begründung zu Art. 4 Abs. 1 Satz 2 SozVermG nahelegt (BT-Drucks 12/1522 S 11 zu § 15 des Entwurfs). Für kraft Gesetzes übergegangene Vermögensgegenstände ordnet auch das VZOG im Interesse der Rechtsklarheit ein Feststellungsverfahren an (Allgemeine Begründung, BT-Drucks 12/103 S 56). Da § 7 Abs. 1 Satz 4 und § 8 Abs. 6 iVm § 2 Abs. 6 Satz 1 SozVermG das VZOG für anwendbar erklären, kann hier nichts anderes gelten. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist hinzunehmen, weil er sich nach § 8 Abs. 6 SozVermG auf die streitigen Fälle beschränkt.
Die Verwaltungsaktbefugnis des Klägers erfaßt im Ergebnis auch Feststellungen im Rahmen des § 9 SozVermG. Nach den §§ 2 und 8 SozVermG in der Auslegung durch den Senat ist die Verteilung von Vermögenswerten des gemeinsamen Trägers und deren Umsetzung in Geld durch Verwaltungsakt zu regeln, soweit die Anwendung öffentlichen Rechts überhaupt in Frage kommt. Obwohl entsprechende Vorschriften fehlen, kann für die Verteilung des Erlöses aus der Vermögensverwertung und – wenn die Verbindlichkeiten den Erlös übersteigen – für die Feststellung einer Nachschußpflicht nichts anderes gelten. Die betreffenden Aufgaben der Überleitungsanstalt sind so eng miteinander verzahnt, daß nicht angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe nur für den Bereich der Vermögensverteilung die Verwaltungsaktbefugnis schaffen wollen. Möglicherweise wurde mit „Streitverfahren” nur beim Forderungsübergang und nicht bei der Nachschußpflicht oder bei der Auskehrung des Erlöses gerechnet, weil es dabei eher um Berechnungsfragen als um Rechtsfragen geht. Diese unbeabsichtigte Regelungslücke kann durch Analogie geschlossen werden: Wenn das Problem erkannt worden wäre, hätte es der Gesetzgeber wegen des engen Zusammenhangs mit den Entscheidungen nach den §§ 2 und 8 SozVermG im Sinne einer Verwaltungsaktbefugnis gelöst.
Diese Befugnis schließt die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung iS des § 9 Abs. 1 Satz 1 SozVermG mit ein, auch wenn Abs. 2 Satz 1 a.a.O. entsprechende Zahlungspflichten auf die Spitzenverbände beschränkt. § 9 Abs. 2 SozVermG regelt im Innenverhältnis ebenso wie Abs. 1 Satz 2 im Außenverhältnis lediglich, wie Verbindlichkeiten des Gesamthandsvermögens praktisch abzuwickeln sind; die einzige materiell-rechtliche Regelung der Vorschrift ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 SozVermG enthalten. Diese bietet daher die Grundlage für „die Feststellung im Streitverfahren”. Ist insoweit der Streit geklärt, betreffen dann noch denkbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spitzenverbänden und den einzelnen Trägern nicht mehr das Gesamthandsvermögen und dessen Verwaltung.
Damit ist die Klagebefugnis insgesamt zu bejahen. Denn bei richtiger Verfahrensweise hätte der Kläger sowohl über die eigenen als auch über die Ansprüche der Gesamthandsgemeinschaft sowie auch über die Haftung der Gesamthänder durch Verwaltungsakt entscheiden müssen, den die Beklagte hätte anfechten können. Die wegen unklarer Rechtslage ausnahmsweise zulässige Leistungsklage muß eine sachliche Prüfung im gleichen Umfang erlauben wie die Klage gegen den eigentlich zu erlassenden Verwaltungsakt. Dabei ist der Antrag auf Zahlung an die Gesamthandsgemeinschaft bzw auf Feststellung der Einstandspflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SozVermG als „minus” in dem (allgemeinen) Leistungsantrag enthalten.
Der Senat kann ohne Beiladung der Sozialversicherungsträger, die unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung am Gesamthandsvermögen zu erwägen ist, entscheiden. Da die Gesamthänder die Zugehörigkeit der geltend gemachten Forderung zum Gesamthandsvermögen gerade bestreiten, wäre ihre Beiladung im Interesse dieses Vermögens eine Verfahrensbeteiligung gegen sich selbst. Im übrigen wurde die Überleitungsanstalt eigens geschaffen, um an Stelle der Sozialversicherungsträger des Beitrittsgebiets handeln zu können (vgl Erläuterungen zu den Anlagen zum EinigVtr, BT-Drucks 11/7817 S 145). Aus ähnlichen Gründen hat die Rechtsprechung die notwendige Beiladung schon in vergleichbaren Fällen verneint (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 4 mwN).
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat weder Ansprüche aus dem Einzug der Krankenversicherungsbeiträge für das zweite Halbjahr 1990 durch die AOK Schwerin noch ist die Beklagte verpflichtet, für eine Verbindlichkeit des gemeinsamen Trägers gegenüber der Bundesrepublik Deutschland aufzukommen.
Die offen gebliebenen Beitragsforderungen des gemeinsamen Trägers der Sozialversicherung der DDR sind nach § 8 Abs. 1 SozVermG nicht auf die Überleitungsanstalt übergegangen. Beitragsforderungen sind zwar auch nach dem Recht der ehemaligen DDR Forderungen, die aufgrund einer öffentlich rechtlichen Vorschrift – hinsichtlich der Krankenversicherung aufgrund der §§ 35, 36 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR (SozVersG) – entstanden sind. Wären Beitragsforderungen von § 8 Abs. 1 SozVermG nicht erfaßt, hätte der Gesetzgeber einen wichtigen Teil des vom gemeinsamen Träger hinterlassenen Vermögens nicht zugeordnet und nur die Zuständigkeit für den Einzug (vgl § 8 Abs. 2 Satz 1) geregelt. Das würde § 1 Abs. 1 SozVermG sowie der in Nr. 1 § 3 Abs. 1 Satz 2 EinigVtr festgelegten Absicht widersprechen.
Die Überleitungsanstalt ist aber nach § 8 Abs. 1 SozVermG kein „Sozialversicherungsträger, der für die Erbringung der entsprechenden Leistung zuständig ist”. Das ergibt sich aus den Vorschriften der Nr. 1 EinigVtr und des SozVermG im Zusammenhang.
Mit dem Begriff „Sozialversicherungsträger” als einer derjenigen Körperschaften, denen das Vermögen des gemeinsamen Trägers übertragen wurde, kann die Überleitungsanstalt nicht gemeint sein, denn sie wird an keiner Stelle so bezeichnet. Im EinigVtr werden Organisation und Aufgaben der Überleitungsanstalt (Nr. 1 §§ 1 und 2 EinigVtr) von den Rechten der Sozialversicherungsträger aus dem Vermögen des gemeinsamen Trägers (§ 3) systematisch deutlich getrennt. In § 9 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 SozVermG werden die Überleitungsanstalt bzw ihr Geschäftsführer einerseits und die Sozialversicherungsträger als Gesamthänder bzw als Eigentümer des Gesamthandsvermögens andererseits jeweils einander gegenübergestellt; es fehlt jede Andeutung, daß die Überleitungsanstalt gleichzeitig zu den Sozialversicherungsträgern zählen könnte. Dem entspricht die Bemerkung in der Begründung zu Nr. 1 EinigVtr, daß „nicht die Überleitungsanstalt, sondern die zuständigen Träger der Sozialversicherung” Rechtsnachfolger im Vermögen des gemeinsamen Trägers seien (BT-Drucks 11/7817 S 145). Nur diese Auslegung läßt sich auch mit der begrenzten Funktion der Überleitungsanstalt vereinbaren, während des Zeitraums von nur einem Jahr die Aufgaben der noch nicht funktionsfähigen Sozialversicherungsträger wahrzunehmen (vgl. Nr. 1 § 2 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr und BT-Drucks a.a.O.). Mit der Übertragung von offenen Forderungen wäre jedoch der Aufgabenkreis ausgedehnt, der zeitliche Rahmen womöglich überschritten und das Anliegen vereitelt worden, möglichst rasch eine nach Versicherungszweigen gegliederte Sozialversicherung zu schaffen (vgl Art. 18 Abs. 2 des Staatsvertrags, Art. 30 Abs. 4 EinigVtr). Daß die Überleitungsanstalt nicht als „echter” Sozialversicherungsträger fungieren sollte, ergibt sich darüber hinaus aus der Vorschußpflicht der Träger der Rentenversicherung und der Unfallversicherung nach Nr. 1 § 2 Abs. 1 Satz 5 EinigVtr sowie aus der Nachschußpflicht aller Gesamthänder nach § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SozVermG. Diese Regeln kennzeichnen die Tätigkeit der Überleitungsanstalt als eine solche, die materiell andere trifft, und nicht als die eines selbständigen Sozialversicherungsträgers.
Die Vergleichbarkeit der Überleitungsanstalt mit einem Sozialversicherungsträger hinsichtlich Organisation und Aufgabenstellung (Nr. 1 §§ 1 und 2 EinigVtr) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Allerdings hatte die Überleitungsanstalt die Sozialversicherung im Beitrittsgebiet durchzuführen, was nicht nur die Entscheidung über Leistungen und die Durchführung des Widerspruchsverfahrens, sondern auch die Einziehung von Forderungen umfaßte. Das ist in Nr. 1 § 2 Abs. 2 EinigVtr für den Bereich der Krankenversicherung eigens angeordnet. Dem entscheidenden Argument, daß der Überleitungsanstalt als einer für die Dauer von höchstens einem Jahr geschaffenen Institution keine Aufgaben zugewiesen werden sollten, deren Bewältigung längere Zeit und eine erneute Vermögensabwicklung erfordern würde, ist damit jedoch nicht die Grundlage entzogen. Im Leistungsrecht wird das durch § 312 Abs. 2 Buchst c Satz 2 SGB V belegt, wonach die neuen Krankenkassen mit den Versicherungsverhältnissen auch die Leistungsfälle aus dem Jahre 1990 zu übernehmen hatten; die gleichzeitige Aufhebung des § 24 SozVersG zum 31. Dezember 1990 durch den EinigVtr (§ 308 Abs. 1 Satz 2 SGB V sowie Anl II Kap VIII Sachgeb F Abschn III Nr. 2 Buchst b) unterstreicht den beabsichtigten raschen Zuständigkeitswechsel von der Überleitungsanstalt auf die neuen Träger. Ähnliches gilt im Beitragsrecht. Das Recht und die Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge einzuziehen, war während der Übergangsphase zum gegliederten Sozialversicherungssystem gleich mehreren Stellen übertragen, so daß daraus weder für die davon zu unterscheidende und allein in § 8 Abs. 1 SozVermG geregelte materielle Anspruchsberechtigung noch für die Eigenschaft als Sozialversicherungsträger etwas hergeleitet werden kann. Denn nach dem EinigVtr waren seit dem 1. Januar 1991 neben der Überleitungsanstalt die Krankenkassen und – hilfsweise – die Finanzämter zuständig (Anl I Kap VIII Sachgeb F Abschn III Nr. 1 Buchst e Satz 1 iVm §§ 28a bis r SGB IV; a.a.O. Satz 2 sowie Anl II Kap VIII Sachgeb F Abschn III Nr. 2 Buchst e iVm §§ 48 bis 50 SozVersG). § 8 Abs. 2 SozVermG erstreckte die Zuständigkeit der Krankenkassen auf die Beitragsansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991. Mit der zwei- oder dreifachen Einzugskompetenz für dieselben Forderungen kann eine rechtliche Zuordnung nicht verbunden sein; sie läßt lediglich darauf schließen, daß in der Übergangsphase Beitragsausfälle wegen mangelhafter Funktionsfähigkeit der zuständigen Stellen mit allen Mitteln vermieden werden sollten (vgl Andre SGb B 1991, 17, 20, der insoweit von einer „Angstklausel” spricht).
Als Verwalter des Gesamthandsvermögens hat der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf die Beitragseinnahmen, Dabei kommt es nicht darauf an, ob die fraglichen Forderungen jemals zum Gesamthandsvermögen gehört haben oder unmittelbar auf die Krankenkassen des Beitrittsgebiets übertragen worden sind. Jedenfalls kann der Kläger den Erlös nicht für das Gesamthandsvermögen beanspruchen und die Aufteilung auf die Sozialversicherungsträger bis zur endgültigen Abwicklung nach § 13 SozVermG aufschieben.
Ein Anspruch des Gesamthandsvermögens wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn die durch Nr. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr geschaffene Gesamthandsbindung durch § 8 Abs. 1 SozVermG hinsichtlich der Beitragsansprüche gegenstandslos geworden ist. Dafür spricht, daß § 8 Abs. 1 SozVermG rückwirkend zum 1. Januar 1991, dh zum Zeitpunkt der Auflösung des gemeinsamen Trägers, in Kraft gesetzt wurde, um einen unmittelbaren Forderungsübergang sicherzustellen, wie es in der Begründung heißt (BT-Drucks 12/1522 S 11 zu § 15 des Entwurfs = Art. 4 Abs. 1 Satz 2 SozVermG). Dafür spricht auch, daß der Begriff „Sozialversicherungsträger” anders als in Nr. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr in der Einzahl verwendet wird. Dem unmittelbaren Forderungserwerb kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß die nach § 8 Abs. 6, § 2 Abs. 6 SozVermG erforderliche verwaltungsverfahrensrechtliche Feststellung des Rechtsübergangs fehlt. Daraus ist für das Gesamthandsvermögen nichts herzuleiten, denn ein Aufschub des Rechtsübergangs bis zur Feststellung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Selbst dann wäre der Kläger verpflichtet, die fragliche Feststellung umgehend zu treffen, und die Beklagte so zu stellen, als sei die Feststellung rechtzeitig getroffen worden.
Ein unmittelbarer Übergang von Beitragsforderungen auf die Sozialversicherungsträger und somit auf die Beklagte ist dennoch zweifelhaft, denn nach § 1 Abs. 1 SozVermG sollen die nachfolgenden Vorschriften nur das Gesamthandsvermögen aufteilen; von einer unmittelbaren Verteilung des Vermögens des gemeinsamen Trägers ist dabei nicht die Rede. Vor allem kann der direkte Forderungserwerb aber daran scheitern, daß der Erwerber nach § 8 Abs. 1 SczVermG im einzelnen nicht festliegt, weil die Regelung lückenhaft ist.
Nach dem Gesetzeswortlaut soll derjenige Träger eine bestimmte Forderung – hier eine Beitragsforderung – erhalten, der „für die entsprechende Leistung zuständig ist”. Die „Entsprechung” von Beitragsforderung und Leistungszuständigkeit kann sich nur auf einen bestimmten Versicherten beziehen, denn der einzelne Versicherungsträger ist nicht abstrakt für Krankenversicherungsleistungen, sondern nur für Leistungen an einen konkreten Kreis von Versicherten zuständig. Erst der Bezug zum Versicherten erlaubt die Zuordnung einer Forderung zu einem bestimmten, nämlich dem für diesen Versicherten zuständigen Leistungsträger. Die notwendige „Entsprechung” von Beitrag und Leistungszuständigkeit in der Person des Versicherten macht die Regelung jedoch lückenhaft: Die Beitragsschulden aus dem Jahre 1990 können sich auf Personen beziehen, die damals versichert waren, die aber inzwischen aus der Versicherung ausgeschieden sind. Für solche Beitragsforderungen geht § 8 Abs. 1 SozVermG ins Leere, weil es keinen zuständigen Leistungsträger (mehr) gibt. Außerdem kann der Versicherte den Versicherungsträger wechseln: Mangels Festlegung eines Stichtags ist wiederum unklar, wem die dazugehörige Beitragsforderung aus dem zweiten Halbjahr 1990 zustehen soll. Das spricht gegen einen unmittelbaren Rechtsübergang nach § 8 Abs. 1 SozVermG und für eine pauschale Verteilung nach Mitgliederzahlen, wie sie in § 10 Abs. 1 Satz 3 SozVermG – nach dem Wortlaut jedoch nur für das Gesamthandsvermögen – geregelt ist.
Die Regelungslücke läßt sich nicht dadurch umgehen, daß die Leistungszuständigkeit in Anlehnung an Nr. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr regional verstanden wird. Denn auch dann läßt sich kein einzelner, sondern nur eine ganze Gruppe zuständiger Träger feststellen, ohne daß die weitere Aufteilung geklärt wäre. Die Leistungszuständigkeit zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung kann ebenfalls nicht gemeint sein, denn die Forderungen des damals zuständigen gemeinsamen Trägers sollen gerade übertragen werden. Dagegen spricht auch die Verwendung der Gegenwartsform („… zuständig ist”). An die vorübergehende Leistungszuständigkeit der Überleitungsanstalt nach § 312 Abs. 2 Buchst c Satz 2 SGB V kann schon deshalb nicht angeknüpft werden, weil diese kein Sozialversicherungsträger war.
Der Senat kann offen lassen, ob der vom Gesetzgeber beabsichtigte unmittelbare Forderungsübergang an der aufgezeigten Regelungslücke scheitert oder ob diese sinnvoll ausgefüllt werden kann. Denn selbst wenn die Beitragsforderungen des zweiten Halbjahres 1990 zunächst als Teil des Gesamthandsvermögens anzusehen sind, um die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 1 SozVermG zu ermöglichen, müssen die daraus erzielten Einnahmen nicht herausgegeben werden. Sie waren bereits vor der in § 13 Abs. 1 SozVermG angeordneten Aufstellung des Abschlußsaldos zu verteilen.
Der Abschlußsaldo nach § 13 Abs. 1 SozVermG bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut auf das von der Überleitungsanstalt einzurichtende und vom Kläger als Rechtsnachfolger (§ 14 SozVermG) zu verwaltende Sonderkonto. Welche Zahlungen über das Sonderkonto abzuwickeln sind, ist im Gesetz genau geregelt: Der Erwerbspreis aus der Übertragung von Grundeigentum nach § 6 Satz 1, die Pauschalabfindung für Haftpflichtfälle nach § 8 Abs. 3 Satz 1, der Erlös sonstiger Rechte nach § 8 Abs. 4 Satz 2 und schließlich die Verbindlichkeiten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SozVermG. Das legt den Schluß nahe, daß andere Zahlungseingänge nicht über das Sonderkonto vereinnahmt werden sollen, sondern – nach dem Verteilungsschlüssel des § 10 Abs. 1 SozVermG – unmittelbar an die einzelnen Gesamthänder weiterzuleiten sind. Müßten alle Erlöse ausnahmslos über das Sonderkonto eingezogen werden, wäre die systematische Trennung von Aufteilungsvorschrift (§ 10) und Abwicklungsvorschrift (§ 13) sowie die dadurch notwendige Verweisung (§ 13 Abs. 1 Satz 2) nicht zu erklären.
Diesen Vorschriften ist demnach zu entnehmen, daß die Beitragsforderungen aus dem zweiten Halbjahr 1990 – ebenso wie die des ersten Halbjahres – den Sozialversicherungsträgern des Beitrittsgebiets unmittelbar und ohne Saldierung mit den übrigen Einzelposten des Gesamthandsvermögens zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugutekommen sollten. Der enorme Finanzierungsbedarf bei de Schaffung einer gegliederten Sozialversicherung war bekannt und durch die Bereitstellung der „Liquiditätshilfe” auch anerkannt worden. Unter diesen Umständen kann dem Gesetzgeber des SozVermG nicht ohne weiteres die Absicht unterstellt werden, er habe den neuen Versicherungsträgern die einzig zur Verfügung stehenden versicherungsbezogenen Finanzmittel vorenthalten wollen, um sie in den Abschlußsaldo über das Gesamthandsvermögen einstellen zu können und sie damit – möglicherweise für Monate oder Jahre – praktisch stillzulegen. Denn einerseits mußten die Krankenkassen mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung den bei ihnen Versicherten Leistungen (einschließlich der vom gemeinsamen Träger bewilligten, vgl § 312 Abs. 2 Buchst c Satz 2 SGB V) zur Verfügung stellen und bezahlen. Andererseits war es organisatorisch ausgeschlossen, alle im Jahre 1991 entstehenden Beitragsforderungen auch zeitnah durchzusetzen. Deshalb konnte es bei der Verabschiedung des SozVermG durchaus geboten erscheinen, den Krankenkassen neben den Restmitteln des Jahres 1990 (Liquiditätshilfe) die möglicherweise noch zu erzielenden Beitragseinnahmen zur Verfügung zu stellen, zu deren Einziehung gerade sie nach dem gegliederten Sozialversicherungssystem in erster Linie berufen waren. Dem Gesamthandsvermögen steht ein materieller Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung der fraglichen Beitragseinnahmen nicht (mehr) zu.
Aus einer möglichen Mißachtung seiner verwaltungsverfahrensrechtlichen Befugnisse zur Feststellung und Aufteilung des Gesamthandsvermögens kann der Kläger ebenfalls keine Rückabwicklungsansprüche herleiten. Der Kläger selbst hat diese Befugnisse nicht wahrgenommen. Selbst wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, daß bei der Aufteilung der Beiträge § 10 Abs. 1 Satz 3 SozVermG verletzt worden sein könnte, würde dies nicht das Gesamthandsvermögen, sondern lediglich einen oder mehrere Sozialversicherungsträger benachteiligen. Bei einer verwaltungsverfahrensrechtlich korrekten Abwicklung wäre das Gesamthandsvermögen und der Kläger nicht anders gestellt als jetzt. Deshalb kann eine Rückübertragung nicht verlangt werden.
Eine Haftung der Beklagten für eine Verbindlichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SozVermG läßt sich ebenfalls nicht feststellen. Der Kläger behauptet eine Schuld aus einem dem gemeinsamen Träger gewährten Darlehen des Bundes; Anhaltspunkte für anderweitige Verpflichtungen liegen nicht vor. Die fragliche Schuld soll auf einem zum 31. Dezember 1990 festzustellenden Überschuß im Bereich Krankenversicherung des gemeinsamen Trägers beruhen. Nach den Feststellungen des LSG und dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat der gemeinsame Träger nur dann einen Überschuß erwirtschaftet, wenn die am 31. Dezember 1990 noch offenen Beitragsforderungen in der Schlußrechnung als Einnahmen verbucht werden. Dies würde jedoch dem SozVermG widersprechen, so daß der behauptete Anspruch nicht besteht.
Die Krankenkassen des Beitrittsgebiets sind nach der vom Senat gefundenen Auslegung des SozVermG zumindest wirtschaftlich so zu stellen, als seien sie mit ihrer Entstehung im Jahre 1991 Inhaber der Beitragsforderungen geworden. Haushaltsrechtlich wären die Beitragsforderungen allerdings nach § 2 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung vom 21. Dezember 1977 (BGBl I 3147 ≪SVHV≫) dem Kalenderjahr 1990 zuzuordnen. Denn in der Krankenversicherung gehören Beitragseinnahmen zu demjenigen Haushaltsjahr, in dem die Beiträge gezahlt werden sollen („Soll-Prinzip”); der Zeitpunkt der tatsächlichen oder erwarteten Zahlung („Ist-Prinzip”) hat keine Bedeutung (Brandts/Wirth, Haushaltsrecht in der Sozialversicherung, Stand: Dezember 1995, 250 § 2 RdNr. 2 und 9). Das Haushaltsrecht würde demnach die Krankenkassen entweder dazu zwingen, eine Abrechnung für das Jahr 1990 – also für die Zeit vor ihrer Entstehung – aufzustellen, oder die Einnahmen entgegen der materiellen Zuordnung durch das SozVermG überhaupt nicht zu buchen, weil sie naushaltsrechtlich als Einnahmen des gemeinsamen Trägers anzusehen wären. An derartige haushaltsrechtliche Fiktionen mag zu denken sein, wenn das Gesetz keine andere Auslegungsmöglichkeit zuließe; schon wegen der grundsätzlichen Abdingbarkeit des Soll-Prinzips ist der Widerspruch hier jedoch dadurch zu lösen, daß der materiellen Zuordnung der Vorrang eingeräumt wird.
Ob das Soll-Prinzip für den gemeinsamen Träger früher galt, ist im Hinblick auf § 53 SozVersG fraglich; jedenfalls beruht es ausschließlich auf § 2 SVHV und ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (vgl Brandts/Wirth a.a.O., 210 § 67 RdNr. 14 ff). § 2 SVHV ist als untergesetzliche Rechtsnorm vor Abänderungen durch formale Bundesgesetze wie beispielsweise das SozVermG nicht geschützt. Das gilt insbesondere im Beitrittsgebiet für die Übergangssituation des Jahreswechsels 1990/1991, deretwegen die Aufsichtsbehörde in Anl I Kap VIII Sachgeb F Abschn III Nr. 3 iVm Nr. 2 Buchst b EinigVtr ausdrücklich zu Befreiungen von der SVHV ermächtigt wurde. Selbst wenn zugunsten des Anspruchs des Klägers unterstellt wird, das Soll-Prinzip für die Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers sei durch den Bundeshaushaltsplan 1990 in Gesetzesrang erhoben worden (dagegen allerdings Hailbronner/Nachbaur im vorinstanzlich von der Beklagten vorgelegten Rechtsgutachten, S 73 ff), ist das Ergebnis kein anderes: Das später verabschiedete SozVermG hat die mögliche frühere Festlegung im Haushaltsgesetz wieder aufgehoben; ob § 8 Abs. 1 SozVermG zusätzlich als das spezielle Gesetz Vorrang genießt, weil er nicht alle Einnahmen, sondern nur Forderungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfaßt, braucht nicht entschieden zu werden. Dem Vorrang des SozVermG kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, Stichtag für die Aufstellung der Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers sei der 31. Dezember 1990, so daß der erst am 1. Januar 1991 in Kraft getretene § 8 Abs. 1 SozVermG deren Ergebnis nicht mehr habe beeinflussen können. Dabei ist unerheblich, ob bei dem im Haushaltsgesetz 1990 festgelegten Stichtag vom Ist-Prinzip oder vom Soll-Prinzip auszugehen ist. Im ersten Fall sind die späteren Beitragseinnahmen sowieso nicht zu berücksichtigen. Im anderen Fall deckt sich die im Bundeshaushalt vorgesehene Schlußrechnung des gemeinsamen Trägers inhaltlich mit dem in § 13 SozVermG vorgeschriebenen Abschlußsaldo des Gesamthandsvermögens, für den ein Stichtag nicht genannt ist und in den alle Vermögensbewegungen einzubeziehen sind, die im Rahmen des SozVermG stattfinden. Dann kann die Zuweisung der Beitragseinnahmen an die Krankenkassen des Beitrittsgebiets unter Hinweis auf den Stichtag nicht unberücksichtigt bleiben. In keinem Fall ist eine Verbindlichkeit entstanden, für welche die Beklagte einzustehen hat.
Da das LSG die Klage zu Recht abgewiesen hat, ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG, § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG ist nicht einschlägig.
Fundstellen
Haufe-Index 1049450 |
SozSi 1997, 158 |