Leitsatz (amtlich)
Zur Revisionsbegründung gehört auch die Darlegung, aus welchen Gründen und mit welchen Erwägungen die Vorentscheidung angegriffen wird; es reicht deshalb nicht aus, lediglich Rechtsansichten des LSG als unrichtig zu bezeichnen; es muß hinzugefügt werden, warum sie nicht geteilt werden.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Berechnung eines Übergangsgeldes.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin im Juni 1978 eine berufliche Umschulung, die am 2. Oktober 1978 begann und bis zum Juni 1980 dauerte. Vor dem Beginn der Maßnahme wurde die Klägerin noch als Kontoristin tätig, und zwar vom 17. Juli 1978 an (mit 45 Wochenstunden) bei der Firma R (R.) und daneben vom 28. August 1978 an (mit 26 Wochenstunden) bei der Firma J (J.). Beide Beschäftigungsverhältnisse wurden zum 30. September 1978 gelöst.
Die Beklagte berechnete das Übergangsgeld allein auf der Grundlage des bei der Firma R. für September 1978 erzielten Entgelts. Die Klage mit dem Ziel der Berücksichtigung auch des bei der Firma J. erhaltenen Entgelts hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung des Berufungsurteils ist ausgeführt, dieses Entgelt könne nicht auch als wegen der Rehabilitationsmaßnahme entgangenes regelmäßiges Entgelt (Regellohn) iS des § 18 Abs 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) iVm § 182 Abs 4 und 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) angesehen werden. Dem stehe zwar nicht entgegen, daß es sich um eine Zweitbeschäftigung gehandelt habe, aus der die noch im September 1978 einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge erst nachträglich abgeführt worden seien. Der Berücksichtigung stehe jedoch die Lohnersatzfunktion des Übergangsgeldes entgegen. Danach dürfe nur das Entgelt zugrunde gelegt werden, das der Versicherte unter "regelmäßigen" Umständen, dh wenn die Maßnahme nicht notwendig gewesen wäre, erzielt hätte. Unter "regelmäßigen" Umständen hätte die Klägerin die Beschäftigung bei der Firma J. weder aufgenommen noch neben ihrer Hauptbeschäftigung gesundheitlich durchstehen können. Die Klägerin sei dieses Beschäftigungsverhältnis zumindest überwiegend im Blick auf die Maßnahme eingegangen, sie habe die Beschäftigung nicht neben der Hauptbeschäftigung, sondern neben der Maßnahme ausüben wollen, dies dann jedoch als nicht durchführbar erkannt. Die aus der Zweitbeschäftigung erzielten Einnahmen seien deshalb nicht geeignet, den Lebensstandard zu repräsentieren, wie er sich ohne die Notwendigkeit der Maßnahme darstellen würde.
Mit der vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 18 AVG und des § 182 RVO.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen sowie den angefochtenen
Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der
Berechnung des Übergangsgeldes zusätzlich das im
September 1978 bei der Firma J. erzielte Entgelt zu
berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet worden ist.
Zur Begründung der Revision hat die Klägerin im Anschluß an ihren Revisionsantrag in zwei Sätzen lediglich vorgetragen, entgegen der Auffassung der Instanzen sei das bei der Firma J. erzielte Entgelt auch zu berücksichtigen, weil es sich hierbei um ein unter regelmäßigen Umständen erzieltes Entgelt handele; gerügt werde, daß die Vorinstanzen die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zweitbeschäftigung bei der Berechnung des Übergangsgeldes iS der §§ 18 ff. AVG zu berücksichtigen sei, unrichtig beantwortet und die Einkünfte der Klägerin aus der Zweitbeschäftigung nicht als regelmäßiges Entgelt iS der §§ 18 AVG iVm 182 RVO angesehen hätten. Diese Begründung genügt nicht den Anforderungen, die das Gesetz an die Revisionsbegründung stellt.
Hinsichtlich der Revisionsbegründung bestimmt § 164 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinem Satz 1 allgemein, daß die Revision in der dort genannten Frist "zu begründen" ist, und in seinem Satz 3, daß die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm (sowie bei Verfahrensrügen außerdem die den Mangel ergebenden Tatsachen) bezeichnen muß. Die von der Klägerin gegebene Begründung wird zwar dem Gebot des Satzes gerecht. Satz 3 umschreibt jedoch nicht erschöpfend den Inhalt einer formgerechten Revisionsbegründung; er stellt für sie keine Definition, sondern nur bestimmte Erfordernisse auf; zu ihnen treten weitere hinzu, die sich allgemein aus der Pflicht zur "Begründung" und im besonderen aus dem Sinn und Zweck der nur durch Prozessbevollmächtigte iS des § 166 SGG vornehmbaren Revisionsbegründung ergeben (vgl BFHE 102, 217, 219).
Hiernach gehört zu der Revisionsbegründung auch die Darlegung, aus welchen Gründen und mit welchen Erwägungen die Vorentscheidung angegriffen und ihre Aussagen für unrichtig angesehen werden (BSG SozR 1500 § 164 Nrn 5 und 12; BFHE 88, 230, 101 356; 121 19 f). Dementsprechend muß sich der Prozessbevollmächtigte in der Revisionsbegründung mit den Gründen des angefochtenen Urteils zumindest kurz auseinandersetzen (SozR aaO Nr 12; BFHE 101 und 121 aaO) und auf diese Weise das Rechtsmittel zugleich rechtfertigen. Es reicht nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen; vielmehr ist hinzuzufügen, warum sie nicht geteilt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung näher begründet hat; in diesem Falle ist ein Eingehen auf den Gedankengang des Berufungsgerichts unumgänglich.
Im vorliegenden falle hat die Klägerin in der Revisionsbegründung nur geltend gemacht, das LSG habe das Entgelt aus ihrer Zweitbeschäftigung zu Unrecht nicht als regelmäßiges bzw unter regelmäßigen Umständen erzieltes Entgelt angesehen. Damit hat sie Rechtsansichten des LSG lediglich eigene Rechtsansichten (Rechtsbehauptungen, vgl BFHE 88, 230) gegenübergestellt. Das LSG hat im angefochtenen Urteil eingehend dargelegt, aus welchen Erwägungen es zu den von der Klägerin für unrichtig gehaltenen Ansichten gelangt ist; die Klägerin hätte daher - wenn auch nur kurz - aufzeigen müssen, worin sie eine Fehlerhaftigkeit der zu den angegriffenen Ergebnissen hinführenden Gedankengänge des LSG erblickt. Da die von der Klägerin gegebene Begründung indessen jegliche Ausführungen dieser Art vermissen läßt, muß ihre Revisionsbegründung als nicht dem Gesetz entsprechend angesehen werden.
Hiernach war die revision nach § 169 SGG mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen