Leitsatz (redaktionell)
1. Auch BVG § 30 Abs 3 idF des 3. NOG-KOV erfordert einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen.
2. Die Prüfung des Einkommensverlustes nach BVG § 30 Abs 3 und 4 entfällt nicht schon deshalb, weil der Schwerbeschädigt das angestrebte Berufsziel erreicht hat.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. November 1968 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger, geboren 1891, ist Beschädigter aus dem ersten Weltkrieg. Er bezieht seit dem 1. November 1951 nach dem Ausführungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) vom 24. Mai 1956 Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H. für
1. "linksseitige Lungenschrumpfung mit Rippenfellschwarte,
2. knöchern verheilte Rippenschußbrüche links mit Auswirkungen auf Atmung und Kreislauf"
als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung. Er hat von 1898 bis 1906 die Volksschule besucht, anschließend bis Juli 1909 eine kaufmännische Lehre im Lebensmitteleinzelhandel durchlaufen und gleichzeitig von Ostern 1906 bis Ostern 1908 eine öffentliche Handelslehranstalt (Lehrlingsschule) besucht. Nach Abschluß der Lehre hat der Kläger zunächst als Verkäufer, seit Februar 1911 als Reisender gearbeitet, leistete ab Oktober 1911 für zwei Jahre Militärdienst und wurde nach einer weiteren Tätigkeit als Reisender im August 1914 zum Wehrdienst einberufen. Nach seiner Verwundung 1917 und Entlassung vom Militär 1919 war der Kläger von 1921 bis Mitte 1930 als Reisender, anschließend als selbständiger Großhändler für Lebensmittel und Süßwaren, von 1933 bis 1945 als freier Vertreter und ab 1948 wiederum als Handelsvertreter für Lebensmittel und Süßwaren tätig. Die Gewerbezulassung wurde im Februar 1952 auf den Großhandel mit Süßwaren und Trockenfrüchten erweitert. Seit August 1956 bezieht der Kläger ein Altersruhegeld von der Bundesversicherungsanstalt. Zum 31. Dezember 1965 hat der Kläger sein Gewerbe abgemeldet. Das VersorgA hat mit Bescheid vom 18. November 1966 seinen Antrag vom Januar 1964 auf Gewährung von Berufsschadensausgleich mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei vor der Schädigung Reisender gewesen und habe diesen Beruf dann bis weit über die Altersgrenze hinaus ausgeübt. Ein besonders berufliches Betroffensein sei bei ihm insofern nicht anzunehmen, als er keinen Einkommensverlust von mindestens 75,- DM im Monat habe. Nach erfolglosem Widerspruch hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 8. August 1967 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen eingelegte Berufung mit Urteil vom 12. November 1968 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat u. a. die Auffassung vertreten, auch nach § 30 Abs. 3 BVG in der Fassung (i. d. F.) des Dritten Neuordnungsgesetzes (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl. I S. 750) sei wie schon vorher zwischen dem Einkommensverlust einerseits und den Schädigungsfolgen andererseits ein ursächlicher Zusammenhang weiterhin zu fordern, wie der Gesetzgeber gerade in dieser Vorschrift selbst mit den Worten "durch die Schädigungsfolgen" deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Der Wegfall der Einkommensverlustgrenze von 75,- DM und der Worte "beruflich insoweit besonders betroffen" lasse nicht den Schluß zu, daß nunmehr an die Gewährung des Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG geringere Voraussetzungen als an die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG geknüpft würden. Die Abs. 2, 3 und 4 des § 30 BVG stünden in einem inneren Zusammenhang, was durch die Beibehaltung der Worte "nach Anwendung des Abs. 2" bestätigt werde. Für den Einkommensverlust nach § 30 BVG gelte also weiterhin die im Versorgungsrecht anzuwendende Kausalitätsnorm, d. h. die anerkannten Schädigungsfolgen müßten wesentlich zu der Einkommensminderung beigetragen haben. Einen durch Schädigungsfolgen bedingten Einkommensverlust habe der Kläger jedoch nicht erlitten. Wenn ihm vor der Schädigung vorgeschwebt habe, sich als Kaufmann selbständig zu machen, so habe er dieses Ziel trotz der Schädigungsfolgen erreicht. Damit entfalle eine Prüfung des Einkommensverlustes nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG, weil diese voraussetze, daß er die erstrebte höhere Berufs- oder Wirtschaftsgruppe nicht erreicht habe. Es sei kein Beweis dafür erbracht worden, daß er als selbständiger Großhändler vom Juli 1930 bis Ende März 1933 und vom 19. November 1951 bis Ende 1965 wegen der Schädigungsfolgen einen Einkommensverlust erlitten habe. Sein Erfolg als Großhändler und selbständiger Handelsvertreter habe im wesentlichen auf der Gewandtheit im Auftreten und der Geschicklichkeit im Verhandeln beruht, ohne daß es entscheidend auf den körperlichen Einsatz angekommen sei.
Dies gelte insbesondere deswegen, weil der Kläger für die Ausübung seines Berufes immer einen Kraftwagen gebraucht und auch besessen habe, wobei aber nicht Schädigungsfolgen eine Rolle gespielt hätten, sondern die Art der Tätigkeit, die die Benutzung eines Kraftwagens für den Kläger - wie auch für Gesunde - erfordert habe. Desgleichen sei es nicht wahrscheinlich, daß der Kläger durch die Schädigungsfolgen am Aufstieg in die Position eines leitenden kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe II im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung (DVO) mit entsprechendem Verdienst gehindert worden sei. Er habe nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst nur Tätigkeiten verrichtet, die der Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten entsprochen hätten. Für einen Aufstieg zum leitenden kaufmännischen Angestellten habe es ihm indes an der notwendigen Schul- und Berufsausbildung gefehlt, wofür aber die Schädigungsfolgen nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Schließlich sprächen auch die vorliegenden Zeugnisse dagegen, daß dem Kläger wegen seiner Beschädigung Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten entgangen seien.
Das LSG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG der ursächliche Zusammenhang zwischen Einkommensverlust einerseits und den Schädigungsfolgen andererseits weiterhin zu fordern ist.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG. Der Nachweis eines nach Auffassung des LSG notwendigen ursächlichen Zusammenhangs zwischen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen werde seit dem Inkrafttreten des 3. NOG nicht mehr gefordert, sondern nur vermutet. Selbst wenn er aber erforderlich wäre, hätte das LSG den Kausalzusammenhang zu Unrecht verneint und den Begriff des Kausalzusammenhangs verkannt. Die Vorinstanzen hätten ferner die allgemeinen Regeln über die Aufklärungspflicht, die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung verletzt. Im gesamten bisherigen Verfahren sei zwar immer allgemein davon gesprochen worden, der Kläger habe infolge der Schädigung keinen Verdienstverlust erlitten, konkrete Zahlen seien aber niemals genannt worden. Es hätte im einzelnen festgestellt werden müssen, wie hoch sein Verdienst nach der Schädigung in den jeweiligen Berufspositionen gewesen sei und welcher Verdienst in diesen Berufszweigen von Gesunden hätte erzielt werden können. Die Aufrechnungsbescheinigungen der Angestelltenversicherung und die in dem Journalbuch des Klägers niedergelegten Umsätze ergäben nämlich ein Einkommen, das zum Teil unter dem eines ungelernten Hilfsarbeiters gelegen habe und Folge der ständigen Behinderung durch die Kriegsbeschädigung gewesen sei. Es komme deshalb auch nicht auf die vorgelegten Zeugnisse an (Zeugnis der Firma Sch vom 30. Juni 1930 und der Firma G vom 26. Juni 1950). Das gleiche gelte für den Entschluß, sich selbständig zu machen. Dieser habe auf der Tatsache beruht, daß ihm Direktor Sch von der Firma Sch erklärt habe, ein Aufstieg in diesem Betrieb zum Prokuristen oder leitenden Angestellten komme wegen seiner dauernden Krankheit und Abwesenheit vom Betrieb nicht in Betracht. Schließlich habe er, entgegen der Auffassung des LSG, auch die für einen solchen Aufstieg notwendige Ausbildung besessen, da er die Mittelschule mit den Lehrfächern Physik, Geometrie und Biologie und eine dreijährige Handelsschule besucht und dort Fremdsprachen erlernt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 1967 und des Landessozialgerichts Berlin vom 12. November 1968 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des VersorgA II Berlin vom 18. November 1966 und des Bescheides des VersorgA Berlin vom 2. Januar 1967 zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1964 an einen Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Durchschnittseinkommens eines Beamten nach der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes oder eines kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe II zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß das Urteil der materiellen Rechtslage entspricht und sieht die Rügen der Revision nicht als begründet an, da es bereits an dem Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Einkommensminderung und den Schädigungsfolgen fehle. Das LSG habe somit keine Veranlassung gehabt, die Höhe eines etwaigen Einkommensverlustes des Klägers zu ermitteln. Das gleiche gelte für einen etwaigen mangelnden Aufstieg des Klägers in eine leitende Position als kaufmännischer Angestellter, da dieser schon wegen der feststehenden mangelnden Ausbildung des Klägers zu verneinen gewesen sei. Insoweit hätten auch die Schädigungsfolgen nicht wesentlich dazu beigetragen, daß der Kläger dieses Ziel nicht erreicht habe.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Ziff. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und daher zulässig. Sie ist insofern begründet, als der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist; denn die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils reichen zur endgültigen Entscheidung nicht aus (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Ansicht der Vorinstanzen, daß auch noch nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Einkommensverlust einerseits und Schädigungsfolgen andererseits zu fordern sei, ist zuzustimmen. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs richtet sich für die Zeit ab Januar 1964 nach § 30 Abs. 3 BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl. I, S. 85), für die Zeit ab 1. Januar 1967 nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl. I S. 750). Nach der Vorschrift des § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. NOG erhielt ein Schwerbeschädigter, der "durch die Schädigungsfolgen beruflich insoweit besonders betroffen ist, als er einen Einkommensverlust von monatlich mindestens 75,- Deutsche Mark" hatte, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des Verlustes, jedoch höchstens 400,- DM monatlich. Nach der Neufassung durch das 3. NOG erhalten Schwerbeschädigte, "deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust)", nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich von vier Zehntel des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes, jedoch höchstens 500,- DM monatlich. Diese Neufassung des § 30 Abs. 3 BVG hat aber nicht, wie die Revision meint, dazu geführt, daß mit Inkrafttreten des 3. NOG ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Einkommensverlust einerseits und Schädigungsfolgen andererseits zu Gunsten des Beschädigten kraft Gesetzes nur noch vermutet, ein Nachweis im einzelnen hierfür aber nicht mehr verlangt wird. Eine solche Neuregelung, wie auch ein Verzicht auf diesen ursächlichen Zusammenhang überhaupt, der eine Lösung von der sonst im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm (s. dazu BSG 1, 72, 76; 1, 150; 1, 268) bedeuten würde, findet weder im Wortlaut der Vorschrift noch im Sinn und Zweck der Gesetzesänderung eine Stütze. Auch noch nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG muß, ebenso wie idF des 2. NOG (vgl. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1969 - 9 RV 730/67 - in SozR BVG § 30 Nr. 36 sowie das Urteil des 10. Senats des BSG vom 23. Juli 1969 - 10 RV 711/67 -), zwischen dem Einkommensverlust einerseits und den Schädigungsfolgen im Sinne des BVG andererseits ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, also die Schädigungsfolge eine wesentliche Bedingung im Sinne der in der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm für den Einkommensverlust sein (so Urteil des 10. Senats - aaO -, wo als genügend, aber auch als notwendig angesehen wurde, daß der Schwerbeschädigte durch die Schädigungsfolgen einen Einkommensverlust erlitten hat; Pullmann-Sawusch, Das BVG und seine Anwendung, Stand September 1969, Erl. zu § 30 Abs. 3 BVG, S. 645; Schieckel-Gurgel, BVG, Stand Januar 1970, S. 277 (01); Wilke, BVG, 3. Aufl. 1968, S. 249; Kempe KOV 1967, 178 ff). Dieser ursächliche Zusammenhang ist in § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG dem Wortlaut nach auch noch ausdrücklich mit den Worten "durch die Schädigungsfolgen" als gesetzliche Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs bezeichnet worden. Hinweise dafür, daß sich trotz dieses eindeutigen Wortlauts der Vorschrift an diesem Erfordernis durch das 3. NOG insoweit etwas geändert hat, als der ursächliche Zusammenhang zwischen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen überhaupt entfallen, oder aber zu Gunsten des Beschädigten ohne weiteren Nachweis vermutet werden soll, sind nicht ersichtlich. Nach der Amtlichen Begründung zum 3. NOG (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksachen V/1012, Seite 26 zu § 30 BVG), nach dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden (7. Ausschuß, Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksachen V/1216, Seite 5 zu § 30 BVG) und nach dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 18. Januar 1967 (- V/2 - 5114.30 - 180/67 - in BVBl. 1967 Seite 34 Nr. 9) sollte durch den Wegfall der Worte "beruflich insoweit besonders betroffen" in § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG klargestellt werden, daß die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nicht unbedingt eine Höherbewertung der MdE nach Abs. 2 voraussetzt. Mit dieser Gesetzesänderung wurde somit lediglich einer bereits vorher vertretenen Rechtsauffassung Rechnung getragen (s. hierzu u. a. Sonntag in "Der Kriegsblinde" 1964, Nr. 10, 2; Rohr in ZfS 1964, Seite 299; Tichy in KOV 1964, 128, 129; Vorberg in Vers. Bea. 1965, 1/2), die dann für § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF des 2. und 3. NOG vom BSG bestätigt worden ist (s. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1969, aaO, die Urteile des 8. Senats des BSG vom 27. März 1969 - 8 RV 611/67, 8 RV 629/67 und 8 RV 827/68 - und das Urteil des 10. Senats des BSG vom 23. Mai 1969 - 10 RV 558/68 -). Gleichzeitig sollte die Einkommensverlustgrenze von 75,- DM monatlich entfallen, so daß seit Inkrafttreten des 3. NOG am 1. Januar 1967 zur Gewährung eines Berufsschadensausgleichs jeder Einkommensverlust genügt, den der Beschädigte in seiner Tätigkeit erleidet (s. Materialien, aaO; BMA, aaO). Die Neuregelung des § 30 Abs. 3 BVG durch das 3. NOG entspricht diesen Vorstellungen des Gesetzgebers in vollem Umfang. Ein Verzicht auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Einkommensverlust einerseits und den Schädigungsfolgen andererseits oder auch nur ein Verzicht auf einen entsprechenden Nachweis im einzelnen hätte im übrigen der Systematik des BVG widersprochen, wonach regelmäßig Ansprüche auf Versorgungsleistungen von Voraussetzungen abhängen, welche ursächlich auf eine Schädigung im Sinne des Gesetzes zu beziehen sind. Wo ein solcher ursächlicher Zusammenhang ausnahmsweise nicht gefordert wird, wie z. B. in § 10 Abs. 2 BVG idF des 1., 2. und 3. NOG, muß dies ausdrücklich bestimmt sein. Das gleiche hat nach Auffassung des erkennenden Senats auch für die Vermutung eines ursächlichen Zusammenhangs zu gelten (s. die ausdrückliche Regelung z. B. in § 25 a Abs. 3 BVG idF des 2. und 3. NOG), da es ebenfalls der Systematik des BVG entspricht, daß der Beschädigte grundsätzlich die objektive Beweislast für die den Anspruch begründenden feststellungsbedürftigen Tatsachen trägt (BSG 6, 70, 72/73). An einer solchen ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzgebers über einen Verzicht auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Einkommensverlust einerseits und Schädigungsfolgen andererseits oder über dessen Vermutung zu Gunsten des Beschädigten fehlt es indessen im § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG. Der dabei an sich bestehenden gesetzgeberischen Möglichkeit widerspricht es auch nicht, daß an die Gewährung des Berufsschadensausgleichs nach den Abs. 3 und 4 des § 30 BVG idF des 3. NOG geringere Anforderungen als an die Erhöhung der MdE nach Abs. 2 dieser Vorschrift gestellt werden. Abs. 2 sowie Abs. 3 und 4 des § 30 BVG stehen nicht, wie das LSG (so auch Wilke, aaO. S. 249) meint, in einem inneren Zusammenhang, es handelt sich vielmehr bei den in Abs. 2 und 3 getroffenen Regelungen um zwei verschiedene Arten eines schädigungsbedingten beruflichen Schadensausgleichs (s. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1969 - 9 RV 730/67 - in SozR BVG zu § 30 Nr. 36), so daß sich aus den Worten "nach Anwendung des Abs. 2" in § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG auch keine Folgerungen für die Frage ziehen lassen, ob nach Abs. 3 dieser Vorschrift ein ursächlicher Zusammenhang weiterhin gefordert oder aber zugunsten des Beschädigten vermutet wird. Gemeinsam ist beiden Bestimmungen jedoch, daß sie beide der Systematik des BVG hinsichtlich der Kausalitätsnorm und dem Beweiserfordernis unterstehen. Im Ergebnis war deshalb insoweit der Rechtsauffassung des LSG hinsichtlich der Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG beizupflichten.
Nicht zugestimmt werden kann aber der Auffassung des LSG, daß ein durch die Schädigungsfolgen bedingter Einkommensverlust deswegen nicht erwiesen sei, weil der Kläger das angestrebte Berufsziel eines selbständigen Kaufmanns erreicht habe, wodurch eine Prüfung des Einkommensverlustes nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG entfalle.
Das Urteil des LSG enthält keine Angaben über das seit Januar 1944 erzielte Einkommen des Klägers. Nach den zu den Versorgungsakten eingereichten Berechnungen und Unterlagen hatte er im Jahre 1964 einen jährlichen Gewinn von 764,83 DM, 1965 einen solchen von 1.320,- DM. Den Nachweis aber, daß der Kläger als selbständiger Großhändler (vom 1. Juli 1930 bis 31. März 1933 und vom 19. November 1951 bis 31. Dezember 1965) durch seine Schädigungsfolgen einen Einkommensverlust erlitten hat, hat das LSG insbesondere deshalb nicht als erbracht angesehen, weil dieser sein Gewerbe bis weit über die Erreichung der Altersgrenze im Jahre 1956 ausgeübt und erst am 31. Dezember 1965 abgemeldet, sich bei der Berufsausübung eines Kraftwagens bedient habe und deshalb durch die Schädigungsfolgen beruflich nicht besonders betroffen gewesen sei, weil es für den Erfolg eines Großhändlers und selbständigen Handelsvertreters im wesentlichen auf die Gewandtheit und die Geschicklichkeit im Verhandeln, nicht aber auf den körperlichen Einsatz ankomme.
Das LSG hat damit zu Unrecht eine Abhängigkeit des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG von dem besonderen beruflichen Betroffensein nach § 30 Abs. 2 BVG angenommen. In dem bereits genannten Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1969 (aaO) ist eingehend dargelegt, daß diese Rechtsauffassung nicht richtig ist. Da der Kläger überwiegend den Beruf eines Selbständigen (als Großhändler und freier Vertreter) ausgeübt hat, nämlich insgesamt etwa 20 Jahre, dagegen in einem abhängigen Arbeitsverhältnis nur etwa 16 Jahre gearbeitet hat, ist § 5 DVO anzuwenden und nicht auf § 3 DVO zurückzugreifen. Ein durch die Schädigungsfolgen verhinderter Berufsaufstieg, der nach § 2 vorletzter Satz der DVO auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Beschädigte die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat, kommt, wie das LSG zutreffend erkannt hat, hier nicht in Betracht, da der Kläger auf Grund seiner Berufsausbildung, die für die Einstufung nach § 5 DVO maßgeblich ist, keine Einstufung in eine höhere Besoldungsgruppe als A 7 verlangen kann. Es hätte somit geprüft werden müssen, inwieweit der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1964 das für seine Berufsgruppe als Selbständiger mit abgeschlossener Berufsausbildung nach § 5 DVO maßgebliche Durchschnittseinkommen nach Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen nicht erreicht hatte. Da er zu diesem Zeitpunkt das 65. Lebensjahr bereits überschritten hatte, war gemäß § 5 Abs. 2 DVO i. V. m. § 3 Abs. 5 DVO das Endgrundgehalt von 782,- DM nebst dem Ortszuschlag von 152,- DM um 25 v. H. zu kürzen, so daß sich ein Durchschnittseinkommen von 700,50 DM ergab.
Der Kläger hatte im Januar 1964 zwar schon das 72. Lebensjahr überschritten, und die Gutachten des Dr. R vom 18. Juni 1952 und des Dr. K vom 15. Oktober 1955 enthielten auch Befunde über im wesentlichen anlagebedingte erhebliche Gesundheitsstörungen, nämlich eine Arterienverkalkung, eine überwiegend schädigungsunabhängige Verkrümmung der Brustwirbelsäule und anginöse Beschwerden, die auf altersbedingten arteriosklerotischen Veränderungen der Herzkranzgefäße beruhten. Das letzte, zur Frage der Gewährung einer Benzinhilfe erstattete Gutachten des Dr. N vom 30. Juni 1958 enthält zwar Befunde, aber keine gutachtliche Stellungnahme über die Einwirkungen der Schädigungsfolgen auf den Gesundheitszustand des Klägers. Da somit seit langem eine für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigungsfolgen und Einkommensverlust verwertbare medizinische Beurteilung nicht vorlag, hätte sich das LSG veranlaßt sehen müssen, die von der Versorgungsverwaltung nach Antragstellung versäumte Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nachzuholen. Ein solcher Versuch wäre jedenfalls nicht aussichtslos gewesen, wenn das LSG zB eine Stellungnahme des Arztes eingeholt hätte, der den Kläger seit Januar 1964 behandelt hatte. Es ist einzuräumen, daß bei dem hohen Alter des Klägers nur schwer noch festgestellt werden kann, ob für den Einkommensverlust seit 1964 und die Aufgabe seines Gewerbes am 31. Dezember 1965 die anerkannten Schädigungsfolgen wesentliche Bedingungen im Sinne der Kausalitätsnorm gewesen sind. Auf eine gelegentliche Vermutung hätte das LSG seine Entscheidung aber nicht stützen dürfen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der Kläger überwiegend auf Grund der mit einer MdE um 80 v. H. bewerteten Lungenverletzung einschließlich der von Dr. K schon 1955 festgestellten Verwachsung des Herzbeutels mit dem Zwerchfell ein nur noch sehr geringes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt und diese dann schließlich aufgegeben hat. Dem Kläger, der niemals Ausgleichsrente bezogen hatte und der weit über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus in seinem Beruf tätig gewesen war, ist jedenfalls nicht abzusprechen, daß er mit außerordentlicher Energie versucht hat, sich trotz seines schweren Leidens im Berufsleben zu behaupten. Das LSG hat nicht festgestellt, welches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit der Kläger in den letzten Jahren vor 1964 gehabt hat. Wenn jedoch die von dem Kläger im Revisionsverfahren vorgetragenen Ziffern über die insbesondere seit 1958 erzielten Einnahmen zwischen netto 3.239,- DM und 4.879,- DM zutreffen, so ist es nicht ausgeschlossen, daß in dem besonderen Fall des Klägers trotz des hohen Alters der Abfall des Einkommens seit dem 1. Januar 1964 (und auch schon 1963) seine Ursache oder Mitursache ganz oder teilweise in den Schädigungsfolgen hatte, und daß er als Nichtbeschädigter unter Berücksichtigung seiner Angestelltenrente (ab 1. Januar 1964 318,40 DM, ab 1. Januar 1965 342,70 DM, ab 1. Januar 1966 371,60 DM, ab 1. Januar 1967 406,80 DM) das für Selbständige maßgebliche Durchschnittseinkommen erreicht hätte.
Das LSG hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 6 DVO gegeben waren. Dazu bestand auch kein Anlaß, da der Kläger in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf als Angestellter noch keine besondere Stellung erreicht hatte. Er befand sich vielmehr noch am Anfang seiner beruflichen Laufbahn, und die bis zur Schädigung erteilten Zeugnisse lassen nicht erkennen, daß er in seinem abhängigen Beruf überdurchschnittliche Leistungen erbracht und entsprechend hohe Einkünfte erzielt hatte (Zeugnisse der Firma F T vom 10. Oktober 1909 und der Firma P H vom 1. Februar 1911).
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen ohne Rücksicht darauf, inwieweit sie von der Revision angegriffen sind, zu einer sachlichen Entscheidung nicht aus. Deshalb war das LSG-Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen