Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschale Ausfallzeit und § 1260c RVO

 

Leitsatz (amtlich)

§ 37c AVG (= § 1260c RVO) hat auf die Ermittlung der pauschalen Ausfallzeit keinen Einfluß; zur "Versicherungszeit" iS des Art 2 § 14 Abs 1 S 4 und 5 ArVNG gehören deshalb auch Ersatzzeiten, die nach § 37c AVG bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben.

 

Orientierungssatz

Art 2 § 14 AnVNG (Art 2 § 14 ArVNG) ist keine reine Berechnungsvorschrift mehr, da die pauschale Ausfallzeit ebenfalls für die Feststellung von Leistungsvoraussetzungen Bedeutung haben kann. Es entspricht dem Sinn und Zweck des § 37c AVG (§ 1260c RVO), nur die unmittelbar rentensteigernde Wirkung der darunter fallenden Zeiten auszuschliessen.

 

Normenkette

AVG § 37c Abs 1 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1260c Abs 1 Fassung: 1977-06-27; AnVNG Art 2 § 14 Abs 1 S 4 Fassung: 1981-12-01; ArVNG Art 2 § 14 Abs 1 S 4 Fassung: 1981-12-01; AnVNG Art 2 § 14 Abs 1 S 5 Fassung: 1981-12-01; ArVNG Art 2 § 14 Abs 1 S 5 Fassung: 1981-12-01

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 26.01.1982; Aktenzeichen L 2 An 40/81)

SG Berlin (Entscheidung vom 24.03.1981; Aktenzeichen S 16 An 2113/80)

 

Tatbestand

Streitig sind die Auswirkungen des § 37c Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) auf die pauschale Ausfallzeit nach Art 2 § 14 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG).

Die Beklagte bewilligte dem 1919 geborenen Kläger ab 1. August 1980 ein Altersruhegeld nach § 25 Abs 2 AVG. Bei dessen Berechnung ließ sie die vom Kläger in den Jahren 1939 bis 1945 zurückgelegten Ersatzzeiten aufgrund des § 37c AVG mit Ausnahme bei der Ermittlung der pauschalen Ausfallzeit unberücksichtigt. Sie gelangte so zu einer pauschalen Ausfallzeit von einem Monat, während eine Nichtberücksichtigung der Ersatzzeiten auch in Art 2 § 14 Abs 1 AnVNG nach Darstellung des Klägers 32 Monate ergeben hätte.

Nach der Abweisung der Klage durch das Sozialgericht (SG) hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verpflichtet, "bei der Berechnung der pauschalen Ausfallzeit die Ersatzzeiten nicht in Ansatz zu bringen". Zur Begründung hat es ausgeführt, auch Art 2 § 14 AnVNG gehöre zu den Berechnungsvorschriften, auf die § 37c AVG anzuwenden sei. Die Ersatzzeit sei dabei als nicht existent zu betrachten. Daß sich so einmal eine kürzere und ein anderes Mal eine längere pauschale Ausfallzeit ergeben könne, sei eine in Kauf zu nehmende Folge der Pauschalierung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 37c AVG. Der damit bezweckten Vermeidung von Doppelanrechnungen diene die Nichtberücksichtigung der Ersatzzeiten in Art 2 § 14 AnVNG nicht; die Konsequenzen wären auch unverständlich, wenn für die besondere Wartezeit des § 25 Abs 7 Satz 1 AVG die pauschale Ausfallzeit anders als bei der folgenden Rentenberechnung ermittelt werden müsse.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; im Gegensatz zur Annahme des LSG hat die Beklagte die pauschale Ausfallzeit richtig ermittelt.

Nach Art 2 § 14 Abs 1 Satz 1 AnVNG ist die Ausfallzeit für die Zeit vor 1957, wenn der Berechtigte nicht längere Ausfallzeiten nachweist, nach den Sätzen 2 bis 6 zu ermitteln. Hierbei ist zunächst eine Gesamtzeit festzustellen (Satz 2) und davon die auf sie entfallende "Versicherungszeit" abzuziehen (Satz 4); die verbleibende Zeit ist bis zu einem Viertel dieser "Versicherungszeit" zu berücksichtigen und mit dem Verhältnis der "Versicherungszeit" zur Gesamtzeit zu vervielfältigen (Satz 5). Soweit dabei von "Versicherungszeit" die Rede ist, entspricht das dem Begriff der "Versicherungszeiten" in § 27 AVG, umfaßt also die Beitragszeiten und die Ersatzzeiten. Sieht man von § 37c AVG ab, gehören sonach die vom Kläger von 1939 bis 1945 zurückgelegten Ersatzzeiten ohne Zweifel zu der in Art 2 § 14 Abs 1 Satz 4 und 5 AnVNG genannten "Versicherungszeit". Hieran ändert aber auch § 37c AVG nichts.

Nach § 37c AVG bleiben Ersatzzeiten (sowie Ausfallzeiten und die Zurechnungszeit) "bei der Berechnung der Versichertenrente unberücksichtigt", soweit sie - wie im vorliegenden Falle - einer Versorgung aus einem vor 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt sind. Da die Zeiten nur bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben, heißt das, daß sie ihren Charakter als Ersatzzeiten nicht verlieren und deshalb im übrigen - außerhalb der Rentenberechnung - nach wie vor Rechtswirkungen entfalten (so vor allem bei der Anrechnung auf die Wartezeiten). Bereits hieraus muß der Senat jedoch schließen, daß die betroffenen Ersatzzeiten ihrem Charakter nach auch eine "Versicherungszeit" iS des Art 2 § 14 Abs 1 Satz 4 und 5 AnVNG bleiben.

Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß Art 2 § 14 AnVNG im ganzen eine Rentenberechnungsvorschrift sei. Das traf zwar ursprünglich zu und hat deshalb in den die Vorschrift einleitenden Worten "bei der Berechnung der Rente" Ausdruck gefunden; Art 2 § 14 AnVNG hat jedoch inzwischen ebenfalls für die Feststellung von Leistungsvoraussetzungen Bedeutung erlangt. Insoweit kann von dem Umfang der pauschalen Ausfallzeit etwa abhängen, ob Ersatzzeiten aufgrund des § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG auf die Wartezeit anrechenbar sind und ob der Versicherte die besondere Wartezeit von 35 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren für ein flexibles Altersruhegeld (§ 25 Abs 7 Satz 1 AVG) erfüllt. Allerdings geht es im vorliegenden Falle nur um die Rentenberechnung. Wollte man aber bei der Rentenberechnung anders verfahren als bei der Feststellung der Leistungsvoraussetzungen, so ergäben sich, worin der Senat der Beklagten zustimmt, befremdliche und nicht mehr einsehbare Konsequenzen. Es könnte nur bei den Leistungsvoraussetzungen oder nur bei der Rentenberechnung eine pauschale Ausfallzeit zu berücksichtigen sein; käme sie beiderseits in Betracht, könnte sie unterschiedlich hoch sein, ohne daß sich für die Rentenberechnung der höhere Wert ergeben müßte. Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber derartige unterschiedliche Zufallsergebnisse hat in Kauf nehmen wollen.

Im übrigen widerspricht die Auslegung des § 37c AVG durch das LSG aber auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit ihr sollte eine zu einer möglichen Überversorgung führende Doppelanrechnung von Zeiten vermieden werden. Der Gesetzgeber will dabei die (schon) der Beamtenversorgung zugrunde liegenden Zeiten nicht zusätzlich in der Rentenversicherung "honorieren"; hier sollen sie keine rentensteigernde Wirkung haben. Mit einer derartigen Wirkung hat aber die Berücksichtigung dieser Zeiten als Versicherungszeit im Rahmen des Art 2 § 14 Abs 1 Satz 4 und 5 AnVNG nichts zu tun; die dortige Berücksichtigung als Versicherungszeit führt angesichts des komplexen Berechnungsmodus der pauschalen Ausfallzeit auch nicht zwangsläufig zu einer höheren pauschalen Ausfallzeit und einer entsprechend höheren Rente. Da § 37c AVG nur die unmittelbare rentensteigernde Wirkung der darunter fallenden Zeiten ausschließen soll, ist für die Anwendung der Vorschrift somit kein Raum, wenn es um die Ermittlung der pauschalen Ausfallzeit geht, auch wenn sie im Einzelfall nur für die Rentenberechnung Bedeutung hat.

Hiernach ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, ohne daß noch zu prüfen wäre, ob vom Standpunkt des LSG aus (das sich hierzu nicht geäußert hat) der Kläger die pauschale Ausfallzeit mit 32 Monaten zutreffend errechnet hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 17

Breith. 1984, 498

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