Leitsatz (amtlich)
1. Die KK hat ihren Mitgliedern auch im Falle einer Tuberkuloseerkrankung eine medizinisch notwendige Krankenpflege zu gewähren (RVO § 184); diese geht als Pflichtleistung auch nach dem BSHG den entsprechenden Leistungen des Trägers der Tuberkulosehilfe vor.
2. Hat der Träger der Tuberkulosehilfe an Stelle der vorleistungspflichtigen KK die erforderliche Hilfe geleistet (BSHG § 49 Abs 2 Nr 1), so ist die KK ihm insoweit erstattungspflichtig; ihre Erstattungspflicht richtet sich bis zum 1969-09-30 nach den RVO §§ 1531 ff.
3. Der Revisionsantrag kann bis zum Schluß der mündlichen Revisionsverhandlung erweitert werden, wenn der Revisionskläger damit weder die Klage ändert noch neue Revisionsgründe geltend macht.
Leitsatz (redaktionell)
Die KK gehören iS des BSHG § 132 zu den "sonstigen zur Tuberkulosebekämpfung verpflichteten Stellen". Deshalb entbindet die Tatsache, daß die Tuberkulosehilfe neben der Heilung des Kranken auch dem Schutz der Umgebung dient (BSHG § 48 Abs 1), die KK nicht von ihrer Verpflichtung, die Kosten einer stationären Behandlung eines an Tuberkulose erkrankten Versicherten zu übernehmen.
Der allgemeine Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (BSHG §2) gilt auch dann, wenn der Versicherte an Tuberkulose erkrankt ist und deshalb stationärer Behandlung bedarf.
Normenkette
RVO § 184 Fassung: 1911-07-19, § 1531 Fassung: 1931-06-05; BSHG § 2 Fassung: 1969-09-18, § 48 Abs. 1 Fassung: 1969-09-18, § 49 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1969-09-18; SGG § 164 Fassung: 1953-09-03, § 168 Fassung: 1953-09-03; BSHG § 132 Fassung: 1969-09-18
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1966 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der beklagten Krankenkasse zur Erstattung von Behandlungskosten, die der klagende Sozialhilfeträger für ein Pflichtmitglied der Beklagten übernommen hat.
Die Versicherte A K befand sich wegen einer Erkrankung an Lungentuberkulose entsprechend einem amtsärztlichen Behandlungsvorschlag vom 6. Dezember 1961 bis zum 6. Juni 1962 in einer Heilstätte (A.-klinik in E). Nachdem die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) ihre Leistungspflicht wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 1244 a Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) verneint und auch die beklagte Krankenkasse eine Kostentragung abgelehnt hatte, weil eine Heilstättenkur keine Krankenhausbehandlung sei und deshalb nicht zu ihren Leistungen gehöre, übernahm der Kläger - als der für die Tuberkulosehilfe zuständige überörtliche Sozialhilfeträger - im Oktober 1962 vorläufig die Behandlungskosten von 643 DM (bis Ende 1961) und von 6.248 DM (für die anschließende Zeit bis zum 6. Juni 1962), um, wie er vorgetragen hat, die Versicherte vor einer Inanspruchnahme zu schützen.
Auf seine Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung von 643 DM (Urteil vom 10. April 1963). Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage ab und hielt auch die Anschlußberufung des Klägers, mit der er die Erstattung eines weiteren, nach §§ 1533 Nr. 2, 1524 RVO pauschalierten Kostenanteils von 1.445,03 DM beantragt hatte, für unbegründet: Nach §§ 1531 ff RVO brauche die Beklagte dem Kläger keinen Ersatz zu leisten, da seine Verpflichtung zur Gewährung von stationärer Heilbehandlung im Rahmen der Tuberkulosehilfe Vorrang habe vor der von der Beklagten als Ermessensleistung zu gewährenden Krankenhauspflege; das ergebe sich aus dem am 1. Juni 1962 in Kraft getretenen und deshalb hier maßgebenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG), insbesondere aus dessen § 48 Abs. 3 Satz 2, der den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) für die Tuberkulosehilfe im Verhältnis zu Ermessensleistungen anderer Stellen durchbreche. Solchen Leistungen, zu denen auch die Krankenhauspflege nach § 184 RVO gehöre, gehe mithin die Tuberkulosehilfe schlechthin vor. Die gleiche Rechtslage habe schon nach dem Tuberkulosehilfegesetz (THG) vom 23. Juli 1959 bestanden. Auch die historische Entwicklung der Tuberkulosehilfe, ihre besondere gesundheitspolitische Zwecksetzung (Schutz der Umgebung des Kranken vor Ansteckung) und die Regelung der Kostenbeteiligung des Bundes in den §§ 66, 138 BSHG sprächen für die Ansicht des LSG. Eine Schlechterstellung der tuberkulosekranken Versicherten brauche durch ihre Verweisung an den Träger der Tuberkulosehilfe nicht einzutreten, wenn dessen Leistungspflicht nur insoweit als vorrangig angesehen werde, als er die Behandlungskosten ohne Beteiligung des Versicherten trage (Urteil vom 14. Juli 1966).
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Erstattungsanspruch weiter. Seiner Ansicht nach hat das LSG die genannten Vorschriften des BSHG unrichtig ausgelegt und auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) über die Verpflichtung der Krankenkassen zur Gewährung einer medizinisch notwendigen Krankenhauspflege nicht genügend berücksichtigt. Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1966 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 10. April 1963 zurückzuweisen und auf seine Anschlußberufung die Beklagte zur Erstattung weiterer 1.445,03 DM zu verurteilen.
Die Beklagte und die beigeladene LVA beantragen unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Er hat innerhalb der Revisionsfrist nur beantragt, "unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung abzuweisen" (Revisionsschrift vom 27. September 1966). In der mündlichen Verhandlung hat er den Revisionsantrag dahin ergänzt, daß auch seiner Anschlußberufung stattgegeben wird; mit ihr hatte er über den ihm vom SG zugesprochenen Betrag von 643 DM hinaus die Erstattung weiterer 1.445,03 DM beantragt. Eine solche Ergänzung des Revisionsantrages ist bis zum Schluß der mündlichen Revisionsverhandlung zulässig, wenn damit weder die Klage geändert wird noch neue Revisionsgründe geltend gemacht werden (vgl. §§ 168 SGG, 554 Abs. 6 ZPO; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 164 SGG Anm. 3, Anm. zu § 168 SGG unter Hinweis auf Entscheidungen des BGH; Baumbach-Lauterbach, ZPO 28. Auflage, § 554 Anm. 4 A). Durch die Neufassung des Revisionsantrages hat der Kläger die - mit der Anschlußberufung zulässig erweiterte - Klage nicht geändert; der neue Revisionsantrag schöpft vielmehr nur den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Klagantrag aus. Er enthält auch keine neuen Revisionsgründe, sondern stützt sich auf die gleichen, mit denen der Kläger schon den bisherigen Revisionsantrag begründet hatte. Ziel des Revisionsbegehrens, von dem der Senat auszugehen hat, ist mithin neben der Aufhebung des Berufungsurteils die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung von 643 und 1.445,03 = 2.088,03 DM, die der Kläger für die stationäre Behandlung eines Mitgliedes der Beklagten (A K) in der Zeit vom 6. Dezember 1961 bis 6. Juni 1962 aufgewendet hat.
Ob dieser Erstattungsanspruch begründet ist, beurteilt sich, wie das LSG insoweit zutreffend angenommen hat, nach §§ 1531 ff RVO. Dabei kann offenbleiben, ob diese Vorschriften hier unmittelbar zur Anwendung kommen oder nur über § 59 BSHG, der seit dem Inkrafttreten des BSHG am 1. Juni 1962 in Tuberkulosefällen die "vorläufige Hilfeleistung" durch den Sozialhilfeträger regelt. Auch nach § 59 BSHG in der hier noch anzuwendenden alten Fassung galten für die Erstattungspflicht der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die §§ 1531 bis 1543 RVO entsprechend (vgl. dazu BSG 29, 87, 90 f; seit dem 1. Oktober 1969 haben dagegen die Krankenversicherungsträger dem Sozialhilfeträger das zu ersetzen, was sie selbst nach dem Recht der Krankenversicherung hätten leisten müssen; sie können sich jetzt also nicht mehr auf die Pauschalierungsregelung in § 1533 Nr. 2 i.V.m. § 1524 Abs. 1 RVO berufen, vgl. Art. 1 Nr. 24 und Art. 2 § 9 des Gesetzes vom 14. August 1969, BGBl I 1153).
Nach § 1531 i.V.m. § 1541 RVO und § 139 BSHG kann der überörtliche Sozialhilfeträger, der als Träger der Tuberkulosehilfe (§ 100 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) einen Versicherten für eine Zeit unterstützt hat, für die dieser einen Anspruch nach der RVO hatte oder noch hat, bis zur Höhe dieses Anspruchs Ersatz nach Maßgabe der §§ 1532 bis 1537 RVO verlangen. Bei abgeschlossener Hilfeleistung hängt der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers mithin davon ab, ob der Unterstützte gleichzeitig einen Anspruch auf Versicherungsleistungen hatte, und zwar auf solche Leistungen, die denen des Sozialhilfeträgers entsprechen, da Ersatz nur aus "entsprechenden" Leistungen gefordert werden kann (vgl. § 1533 Nr. 2 und Nr. 3 RVO und BSG 29, 87, 91 oben).
Hat der Sozialhilfeträger, wie hier der Kläger, im Rahmen der Tuberkulosehilfe stationäre Heilbehandlung durch Übernahme der Behandlungskosten gewährt (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 BSHG), dann entspricht seiner Leistung auf seiten der (für den Versicherten zuständigen) Krankenkasse die Gewährung von Krankenhauspflege nach § 184 RVO. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherte in einer "Heilstätte" oder in einem "Krankenhaus" behandelt worden ist, wenn nur die Heilstätte zugleich die Merkmale eines Krankenhauses aufweist, was für moderne Heilstätten in aller Regel zutrifft. Krankenhauspflege nach § 184 RVO umfaßt dann - entgegen einer früher verbreiteten Meinung - auch die Behandlung in Spezialkliniken für Tuberkulosekranke (vgl. SozR Nr. 19 und Nr. 21 zu § 184 RVO; ebenso schon für die Zeit der Geltung des Gesetzes über die Tuberkulosehilfe vom 23. Juli 1959 Muthesius-Spahn-Caesar, Recht der Tuberkulosehilfe, Erl. 3 zu § 184 RVO, S. 214 f, und jetzt Podleschny, Die Sozialversicherung 1969, 161, 164; a.A. Vowe, Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung 1964, 288, 330 ff, 369 ff).
Der Versicherte hat auch einen "Anspruch" im Sinne des § 1531 RVO auf die Gewährung von Krankenhauspflege, wenn Art und Schwere seiner Krankheit sie medizinisch erfordern. In diesem Fall darf die Krankenkasse nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Krankenhauspflege nicht verweigern, ohne die Grenzen ihres Ermessens zu überschreiten (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG); der Anspruch des Versicherten gegen seine Kasse auf richtigen Ermessensgebrauch verdichtet sich dann zu einem Anspruch auf die Leistung selbst, d.h. auf die Gewährung der Krankenhauspflege (vgl. SozR Nr. 21 zu § 184 RVO unter Hinweis auf BSG 9, 112, 124).
Das gilt - entgegen der Ansicht des LSG - auch in Fällen, in denen ein Versicherter an Tuberkulose erkrankt und deswegen stationärer Behandlung bedarf. Daß für solche Versicherte während der Geltung des THG (1. Oktober 1959 bis zum Inkrafttreten des BSHG am 1. Juni 1962) die stationäre Heilbehandlung durch die Krankenkassen "gesetzlich sichergestellt war" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 THG), weil auch sie einen "Anspruch" auf Krankenhauspflege gegen ihre Kasse hatten, hat der Senat bereits entschieden (SozR Nr. 21 zu § 184 RVO). Er hat dabei offengelassen, ob durch das BSHG insoweit eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist; diese Frage brauchte damals nicht entschieden zu werden, weil in jenem Falle die Heilbehandlung vor dem Inkrafttreten des BSHG beendet worden war.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem früheren insofern, als hier die Behandlung der Versicherten (6. Dezember 1961 bis 6. Juni 1962) zum Teil in die Zeit nach dem Inkrafttreten des BSHG (1. Juni 1962) fällt. Ob in einem solchen "Übergangsfall" eine - noch nach dem "alten" Recht des THG begründete - Zuständigkeit der Krankenkasse für die ganze Behandlungszeit erhalten blieb, selbst wenn nach dem BSHG an sich ein Zuständigkeitswechsel hätte eintreten müssen, kann dahinstehen (vgl. § 36 Abs. 2 THG, §§ 143 f BSHG; ferner Urteil des Senats vom 18. November 1969, 3 RK 24/68, zur Weitergewährung einer einmal von der Krankenkasse bewilligten Krankenhauspflege, DOK 1970, 173). In Fällen der vorliegenden Art hat das Inkrafttreten des BSHG an der Zuständigkeit der Krankenkasse zur Gewährung der Krankenhauspflege nichts geändert; auch jetzt kann ein Versicherter, der wegen Tuberkulose stationärer Heilbehandlung bedarf, diese von seiner Krankenkasse beanspruchen.
Nach § 2 BSHG (Nachrang der Sozialhilfe) werden "die Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, ... durch dieses Gesetz nicht berührt" (Abs. 2 Satz 1). Das bedeutet, daß Pflichtleistungen Dritter denen eines Sozialhilfeträgers vorgehen; dieser kann mithin einen Hilfesuchenden an den vorleistungspflichtigen Dritten verweisen und hat gegen ihn einen Ersatzanspruch, wenn er an Stelle des Dritten Hilfe geleistet und damit dessen Leistungspflicht erfüllt hat (§§ 90 BSHG, 1531 RVO; BSG 9, 112, 114 unten). Das gleiche gilt grundsätzlich für "auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die jedoch kein Anspruch besteht", d.h. für sog. Ermessensleistungen; sie "dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz entsprechende Leistungen vorgesehen sind" (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG). Eine wichtige Ausnahme macht insoweit jedoch die Tuberkulosehilfe; auf sie ist § 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG nach ausdrücklicher Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 2 BSHG nicht anzuwenden.
Mit dieser erst während der parlamentarischen Beratungen eingefügten Ausnahmebestimmung sollte das BSHG "auch in der Frage des Nachranges der Tuberkulosehilfe gegenüber Ermessensleistungen anderer der Regelung des § 1 THG angeglichen" werden (BT-Drucksache III/2673, S. 7, zu § 45 des Entwurfs = § 48 des Gesetzes). Die Tuberkulosehilfe sollte also auch nach dem BSHG, ebenso wie schon nach dem THG, "in der Rangordnung der Sozialleistungen ihren Platz vor den Ermessensleistungen anderer Träger" behalten (Muthesius-Spahn-Caesar aaO, Erl. 8 zu § 1 THG, S. 34). Begründet hat man dies mit der Notwendigkeit rascher Entscheidungen bei Tuberkuloseerkrankungen; die Bewilligung der Tuberkulosehilfe dürfe "nicht ausgesetzt werden im Hinblick auf die Möglichkeit, daß eine andere Stelle eine Ermessensleistung gewährt" (Muthesius-Spahn-Caesar aaO, ähnlich Gottschick, Das BSHG, 2. Auflage, § 48 Anm. 5 a; Luber, Tuberkulosehilfe im Rahmen des BSHG, § 48 BSHG Anm. IV 1; Jehle, Sozialhilferecht, § 48 BSHG Anm. 6).
Eine solche Gefahr, daß nämlich die Behandlung von Tuberkulosekranken sich dadurch verzögert, daß erst noch die unsichere und unter Umständen zeitraubende Entscheidung einer anderen Stelle über die Gewährung von Ermessensleistungen abgewartet werden muß, besteht dagegen nicht, wenn jene Stelle zur Leistungsgewährung verpflichtet ist; in diesem Fall tritt deshalb die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers - unbeschadet seiner Pflicht zur vorläufigen Hilfeleistung nach § 59 BSHG - hinter der der anderen Stelle zurück. Andere Stelle in diesem Sinne ist, wie ausgeführt, auch die Krankenkasse gegenüber ihren Mitgliedern, wenn die Gewährung der Krankenhauspflege medizinisch notwendig ist. Ähnlich wie hier während der Geltung des THG die erforderliche Hilfe durch die Krankenkasse "gesetzlich sichergestellt" war und deshalb ein Anspruch des Versicherten gegen den Träger der Tuberkulosehilfe entfiel (§ 1 Abs. 2 THG), ist jetzt - nach dem Inkrafttreten des BSHG - die Krankenkasse, wenn sie dem Versicherten die Leistung nicht versagen darf, im Verhältnis zum Sozialhilfeträger vorleistungspflichtig; ihre Verpflichtung wird durch die - nachrangige - Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers "nicht berührt" (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Auch § 48 Abs. 3 Satz 2 BSHG, der allein den zweiten Satz des § 2 Abs. 2 BSHG betrifft, ändert daran nichts.
Ob die gesetzgebenden Organe bei Schaffung des BSHG die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Mitgliedern auch in Tuberkulosefällen die medizinisch notwendige Krankenhauspflege zu gewähren, ebenso gesehen haben, läßt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, ist aber auch nicht entscheidend; denn diese - das Recht der Krankenversicherung betreffende - Frage hat das BSHG nicht geregelt. Festgelegt hat es lediglich den Grundsatz, daß die Tuberkulosehilfe gegenüber Ermessensleistungen anderer Stellen vorrangig, gegenüber deren Pflichtleistungen dagegen nachrangig sein soll. Welche Leistungen dabei jeweils der einen oder der anderen Gruppe zuzuordnen sind, hat es nicht bestimmt, sondern insoweit auf die einschlägigen Gesetze verwiesen.
Nicht durchschlagend ist deshalb der Hinweis des LSG auf eine Bemerkung in der Begründung zum THG, aus der sich nach Ansicht des LSG ergeben soll, der Gesetzgeber habe die von den Krankenkassen zu gewährende Krankenhauspflege als eine Ermessensleistung angesehen; sonst hätte er nämlich, wie das LSG meint, bei Anführung der Fälle, in denen die erforderliche Hilfe für tuberkulosekranke Versicherte "anderweitig gesetzlich sichergestellt" sei, auch die Krankenhauspflege und nicht nur "die ambulante Behandlung Krankenversicherter und ihrer Familienangehörigen" erwähnt (vgl. BT-Drucksache III/349 zu § 1 des Gesetzentwurfs, S. 14 oben). Selbst wenn diese Bemerkung mit dem LSG dahin zu verstehen wäre, daß für die Mitglieder der Krankenkassen nur die ambulante, nicht aber auch die stationäre Behandlung als gesichert angesehen worden ist, so haben entsprechende Vorstellungen im Gesetz selbst jedenfalls keinen Ausdruck gefunden. Im übrigen zwingt die lediglich beispielhafte Aufzählung von Fällen, in denen die erforderliche Hilfe durch andere Stellen sichergestellt ist ("dies gilt vor allem ..."), nicht zu dem Schluß, die - dabei unerwähnt gebliebene - stationäre Behandlung habe man nicht für sichergestellt gehalten, zumal dann, wenn die Krankenkasse sie ohne Überschreitung ihres Ermessens nicht verweigern darf.
Daß ferner die §§ 66 und 138 BSHG in der ursprünglichen Fassung zwar für die Sozialhilfeträger sowie für die Träger der Renten- und der Unfallversicherung, nicht aber für die Krankenkassen eine Beteiligung des Bundes an den Kosten einer stationären Dauerbehandlung im Sinne von § 66 Abs. 2 BSHG aF vorsahen, braucht entgegen der Annahme des LSG nicht zu bedeuten, daß der Gesetzgeber die Gewährung solcher Behandlung allein den genannten Stellen hat aufbürden wollen und deshalb eine Entlastung der Krankenkassen insoweit nicht für erforderlich gehalten hat. Wie das LSG zunächst selbst erwogen hat, kann der Gesetzgeber bei dieser, dem THG entnommenen Regelung (vgl. dessen § 35) noch von der alten "Aussteuerungsfrist" der Krankenkassen von 26 Wochen, die auch bei Verkündung des BSHG (5. Juli 1961) noch galt, ausgegangen sein und die Verbesserungen, die erst auf Grund des Gesetzes vom 12. Juli 1961 am 1. August 1961 wirksam wurden (Verlängerung der Bezugsdauer des Krankengeldes und der Krankenhauspflege bis zu 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren), unberücksichtigt gelassen haben; in diesem Falle hatte er keinen Anlaß, die Krankenkassen in die fragliche Regelung, die nur die Kosten einer Dauerbehandlung, d.h. einer länger als ein Jahr dauernden Behandlung, betraf, einzubeziehen. Weitere oder andere mögliche Motive des Gesetzgebers sind im Schrifttum erörtert worden (vgl. Winkler, Zeitschrift für das Fürsorgewesen 1968, 66, 67; Satzinger, Die Sozialversicherung 1968, 334, 336). Im übrigen ist die Kostenbeteiligung des Bundes mit Wirkung vom 1. Januar 1968 weggefallen (Art. 6 und Art. 22 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967, BGBl I 1259; dazu Lutz, Deutsche Versicherungszeitschrift 1959, 118).
Nicht beitreten kann der Senat dem LSG auch darin, daß von den beiden Zielen der Tuberkulosehilfe - Heilung der Tuberkulosekranken und Schutz ihrer Umgebung vor Ansteckung (§ 48 Abs. 1 BSHG) - das zweite nicht zum Aufgabenbereich der sozialen Krankenversicherung gehöre und deren Leistungen schon deshalb denen der Sozialhilfeträger nachgehen müßten. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist der (von der Tuberkulosehilfe mitverfolgte) Zweck des Schutzes der Allgemeinheit vor Ansteckungsgefahren keine Besonderheit der von den Sozialhilfeträgern gewährten Tuberkulosehilfe, sondern eine legitime Aufgabe auch der Krankenkassen (SozR Nr. 21 zu § 184 RVO; vgl. ferner Urteil des Senats vom 17. Oktober 1969, SozR Nr. 23 zu § 184 RVO, zur Leistungspflicht der Krankenkasse in Fällen, in denen polizeiliche Gründe eine Unterbringung im Krankenhaus erfordern). Von besonderer Bedeutung ist insofern, daß auch die Krankenkassen zu den "sonstigen zur Tuberkulosebekämpfung verpflichteten Stellen" gehören (§ 132 BSHG und Überschrift davor; BSG 29, 149, 153). Als solche haben sie die Kranken und ihre Familienangehörigen zu beraten und aufzuklären, "wie die Heilung gefördert und gesichert, die Pflege durchgeführt und die Ansteckung vermieden werden kann" (§ 136 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Zu diesem Zweck können sie den genannten Personen die erforderlichen Weisungen erteilen und Barleistungen ganz oder teilweise versagen, wenn und solange die Genannten in grober Weise oder beharrlich gegen die Weisungen verstoßen oder wenn sie andere Personen, den Erfolg der Heilbehandlung oder einer Eingliederungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährden (§ 136 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BSHG). Durch diese Bestimmungen wird klargestellt, daß auch die Tuberkulosebekämpfung durch die Krankenkassen gesundheitspolizeilichen Zielen, nämlich dem Schutz Dritter vor Ansteckung, dient. Die gleiche Zwecksetzung der von den Sozialhilfeträgern gewährten Tuberkulosehilfe kann somit nicht deren vorrangige Leistungspflicht begründen.
Auch die historische Entwicklung der Tuberkulosehilfe, auf die sich das LSG für seine Auffassung berufen hat, spricht eher gegen das LSG, wenn man nämlich mit dem erkennenden Senat davon ausgeht, daß nach dem THG die stationäre Heilbehandlung von tuberkulosekranken Kassenmitgliedern Aufgabe der Krankenkassen selbst war, so daß ihre Vorleistungspflicht nach dem BSHG nur den bisherigen Rechtszustand aufrechterhalten hat. Daß im übrigen durch den Einbau der Tuberkulosehilfe in das allgemeine Sozialhilferecht an der bestehenden Zuständigkeitsverteilung zwischen den Trägern der Krankenversicherung und der Sozialhilfe nichts geändert werden sollte, macht die Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 3 Satz 2 BSHG deutlich (vgl. die bereits angeführte BT-Drucksache III/2673 zu § 45, S. 7).
Gegen die Ansicht des LSG, das seine Entscheidung im Ergebnis offenbar selbst nicht für voll befriedigend gehalten hat, spricht letztlich, daß Kassenmitglieder, die wegen einer Tuberkuloseerkrankung Krankenhauspflege benötigen, grundsätzlich nicht anders und vor allem nicht schlechter behandelt werden dürfen als die übrigen Versicherten. Während diesen die Krankenkasse eine medizinisch notwendige Krankenhauspflege nicht verweigern darf, könnte sie nach der Ansicht des LSG ein tuberkulosekrankes Mitglied an den Sozialhilfeträger verweisen. Dessen Leistungen in Gestalt stationärer Heilbehandlung (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 BSHG) würden zwar denen der Krankenkasse nach Art und Umfang nicht nachstehen; der Sozialhilfeträger könnte jedoch - je nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterstützten - von ihm einen Kostenbeitrag fordern (vgl. §§ 28, 58 BSHG und dazu Satzinger, Die Sozialversicherung 1968, 334). Für eine solche Sonder- und Schlechterstellung der tuberkulosekranken Versicherten fehlen ausreichende Gründe. Der Senat sieht im Gegensatz zum LSG auch keine rechtlich gangbaren Wege, um bei Annahme einer vorrangigen Leistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers eine Diskriminierung der tuberkulosekranken Kassenmitglieder hinsichtlich einer kostenfreien Gewährung von stationärer Heilbehandlung zu vermeiden.
Hat mithin ein Versicherter, der wegen Tuberkulose der stationären Behandlung bedarf, auf deren Gewährung einen Anspruch gegen seine Krankenkasse und geht deren Verpflichtung auch nach dem BSHG der entsprechenden Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers vor (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG), dann erfüllt dieser, wenn er dem Versicherten an Stelle der vorleistungspflichtigen Krankenkasse Heilbehandlung gewährt, deren Verpflichtung und erwirbt gegen sie einen Ersatzanspruch nach §§ 1531 ff RVO (ebenso im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung Satzinger aaO, Winkler aaO, Podleschny und Engelmann, Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung 1969, 7 ff und 235, 237 f; Podleschny, Die Sozialversicherung 1969, 161, 164 ff; unklar Luber aaO; a.A. Vowe aaO, insbesondere S. 291 f unter B).
Ob im vorliegenden Fall die Versicherte A K wegen ihrer Tuberkuloseerkrankung einer Krankenhauspflege bedurfte, hat das LSG - von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus - nicht festgestellt. Feststellungen fehlen auch über die Art der stationären Behandlung der Versicherten in der A.-klinik in E, deren Kosten der Kläger übernommen hat; dabei ist es allerdings in hohem Maße wahrscheinlich, daß seinerzeit die Behandlung der Versicherten einer "Krankenhauspflege" entsprochen hat. Schließlich bleibt noch zu klären, in welcher Höhe der Kläger Ersatz verlangen kann, wenn ihm dem Grunde nach ein Ersatzanspruch zusteht. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen hat der Senat den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen, der auch die abschließende Kostenentscheidung überlassen bleibt.
Fundstellen