Leitsatz (amtlich)

Die - ohne besonderen gesetzlichen Auftrag - in den Erlassen bzw Rundschreiben des BMA vom 1950-12-22 (BVBl 1951, 44), 1951-04-20 (BVBl 1951, 218) und 1951-08-02 - Nr 1 c 1767/1928/51 - getroffene Bestimmung, daß sich der Kostenersatz der Versorgungsbehörden an die Krankenkassen zunächst noch nach den bisherigen Vorschriften (SVD Nr 27) richtet, stellt eine zulässige verwaltungstechnische Übergangsregelung dar, an die die Versorgungsbehörde den Krankenkassen gegenüber gebunden ist.

 

Orientierungssatz

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verjährt in 30 Jahren.

 

Normenkette

BVG § 19 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; BGB § 195; SVD 27 § 21

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1965 sowie des Sozialgerichts Dortmund vom 16. September 1960 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 213,93 DM zu zahlen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin (Allgemeine Ortskrankenkasse - AOK -) zahlte wegen anerkannter Schädigungsfolgen an ihre Versicherten L. und St. Hausgeld nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 im Betrage von 196,28 DM, und zwar für L. in der Zeit vom 27. Oktober bis 15. November 1950 4,60 DM täglich (= 92,- DM) und für den Versicherten St. vom 1. bis 22. Dezember 1950 4,74 DM täglich (= 104,28 DM). Mit dem Kostennachweis nach der SVD Nr. 27 vom 22. Januar 1951 forderte sie vom Versorgungsamt (VersorgA) den Ersatz dieser Aufwendungen. Am 15. Juni 1951 stellte das VersorgA den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1950 fest und zahlte der Klägerin den Ersatz nach den Vorschriften der SVD Nr. 27. Mit Schreiben vom 20. März 1956 forderte das VersorgA diese Beträge zuzüglich eines um 30 % erhöhten Satzes von 6,92 % der Gesamtsumme für Verwaltungskosten zurück und setzte den Betrag bei der Abrechnung für das 1. Vierteljahr 1955 ab, weil die Erstattung von Hausgeld damals nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Auf die Klage der AOK verurteilte das Sozialgericht (SG) am 16. September 1960 den Beklagten, 196,20 DM zu zahlen, der Klägerin die entstandenen Verwaltungskosten zu ersetzen und ihr die Prozeßkosten zu erstatten. Auf die zugelassene Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) nach Beiladung der Bundesrepublik die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 1965 ab. Der Beklagte habe die nach Grund und Höhe unstreitigen Ersatzleistungen für das 1. Quartal 1955 durch Aufrechnung mit der hier strittigen Gegenforderung kürzen dürfen. Er habe die Hausgeldleistungen und die Verwaltungskosten für das 4. Quartal 1950 im Jahre 1951 von vornherein ohne Rechtsgrund der Klägerin ersetzt und könne sie daher nach dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundsatz, der die Rückerstattung zu Unrecht empfangener Leistungen gebiete, von der Klägerin zurückfordern.

Die Klägerin könne Ersatz vom Beklagten nur nach § 19 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) beanspruchen. Diese Vorschrift sehe aber in Abs. 3 einen Ersatz von Verwaltungskosten und von Hausgeld - anders als § 20 BVG, der hier nicht zum Zuge komme - nicht vor. Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des BVG ab 1. Oktober 1950 seien die SVD Nr. 27 und die dazu ergangenen Durchführungsvorschriften außer Kraft getreten, damit auch die Vorschriften des § 21 SVD Nr. 27 idF des Art. 11 des Änderungsgesetzes zur SVD Nr. 27 und der Ziff. 45 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11. Nach diesen Vorschriften seien den Krankenkassen alle tatsächlich entstandenen versorgungsrechtlichen Auslagen und ein Zuschlag zu den Verwaltungskosten zu erstatten gewesen. Die Bestimmungen des BVG über die Heil- und Krankenbehandlung und über das Hausgeld gälten ab 1. Oktober 1950 ohne Einschränkung, was durch das Fehlen einer Übergangsbestimmung bestätigt werde. Die rückwirkende Rechtsänderung hinsichtlich der Erstattung von Hausgeld und Verwaltungskosten habe ohne praktische Schwierigkeiten im Abrechnungsverfahren berücksichtigt werden können. Sie sei auch nicht verfassungswidrig. Das BVG wirke mit den hier maßgebenden Vorschriften nicht in der Weise zurück, daß dies mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar sei. Denn insoweit greife es nicht in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Im Zeitpunkt der Verkündung des BVG habe über die nach altem Recht bis dahin erbrachten Leistungen noch nicht abgerechnet sein können, da die Erstattungsansprüche nachträglich für ein Kalendervierteljahr geltend zu machen gewesen seien. Der Klägerin seien insoweit keine Kriegsfolgelasten aufgebürdet worden, die für ihren Aufgabenbereich nach dem 2. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) etwa sachfremd gewesen wären und die im Verhältnis zur Krankenkasse der Beklagte bzw. der Bund tragen müsse. Denn die Krankenkassen seien gleichzeitig von der Verpflichtung, im Rahmen der Auftragsverwaltung für die Kriegsopferversorgung (§ 14 Abs. 2 BVG) Hausgeld als versorgungsrechtliche Leistung an versicherte Beschädigte zu gewähren, rückwirkend ab 1. Oktober 1950 entlastet worden. Nach § 18 Abs. 2 BVG sei Hausgeld allein den Beschädigten zu zahlen, die Heilanstaltspflege nur auf Grund des BVG und nicht aus der Krankenversicherung erhalten. Damit entfalle ein auf dem BVG beruhender Hausgeldanspruch der nach der RVO versicherten Beschädigten gegen ihre Krankenkasse. Das hier streitige Hausgeld gelte nachträglich nicht mehr als versorgungsrechtliche Leistung. Damit würden die Versicherten nicht rückzahlungspflichtig, bedürften also auch keines Schutzes durch eine Übergangsregelung, wie in § 86 Abs. 1 Satz 3 BVG; sie behielten die Leistungen als solche des Krankenversicherungsrechts. Das Hausgeld sei damit allein eine krankenversicherungsrechtliche Leistung, die die Klägerin im Rahmen der Krankenhilfe nach der RVO unabhängig von der Ursache der behandelten Krankheit zu erbringen und allein aus eigenen Mitteln zu finanzieren habe. Auch der rückwirkende Wegfall der Erstattung von Verwaltungskosten sei nicht verfassungswidrig. Die fragliche Verwaltungsarbeit sei der AOK schon durch ihre Tätigkeit nach der RVO entstanden. Gegen die rückwirkende Beseitigung des Ersatzanspruchs bestünden auch keine Bedenken auf Grund des Auftragsrechts. Das rückwirkende Inkrafttreten des § 19 Abs. 3 BVG (ohne Übergangsregelung) verletze ferner nicht das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Die Klägerin habe den Erstattungsanspruch auch nicht etwa abweichend vom BVG kraft einer Verwaltungsregelung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) behalten. Was der für die Kriegsopferversorgung zuständige BMA regeln dürfe, sei verfassungsrechtlich festgelegt. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum BVG dürfe allein die Bundesregierung, nicht ein einzelner Minister erlassen. Der BMA dürfe auch den Landesversorgungsverwaltungen keine Weisungen erteilen.

Seine Erlasse und Rundschreiben wirkten nicht rechtsgestaltend und -begründend. Er könne darin bloß seine Ansichten über die Auslegung der Gesetzesvorschriften kundgeben, um auf eine einheitliche Gesetzesanwendung im Bundesgebiet hinzuwirken. Seine Erlasse seien bei einem Abweichen vom Gesetz rechtlich nicht zu beachten, was auch für die Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung gelte. Der hier bedeutsame Inhalt der Ministerialerlasse vom 2. (richtig 22.) Dezember 1950 und 20. April 1951 überschreite nicht den Rahmen des BVG; soweit darin Abweichungen vom Gesetz enthalten sein sollten, habe der Rechtscharakter als Empfehlungen eine rechtsbegründende Wirkung ausgeschlossen. Der Inhalt der Rundschreiben, auf die sich die Klägerin beziehe, sei auch nicht Gegenstand eines Vertrages zwischen den Beteiligten geworden, der den umstrittenen Ersatzanspruch begründet hätte. Die Beteiligten seien davon ausgegangen, daß das Auftragsverhältnis einseitig durch die Beigeladene gestaltet werde. Das Verhalten des Beklagten bis zum Schreiben des VersorgA vom 20. März 1956 habe den Rückerstattungsanspruch nicht vernichtet. Er sei nicht verwirkt und die vorgenommene Aufrechnung sei nicht als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Außerdem habe die Klägerin auf Grund des Verhaltens des Beklagten von 1951 bis 1956 nicht darauf vertrauen können, sie werde den nach der SVD Nr. 27 erhaltenen Ersatz behalten dürfen. Die Klägerin hätte mit einer Prüfung des Rechnungswesens des VersorgA rechnen müssen. Eine Verwirkung könne auch nicht damit begründet werden, daß der Beklagte durch die Ersatzleistung 1951 einen Rechtsschein rechtmäßigen Verhaltens geschaffen habe. Die Vermutung der Richtigkeit des Verwaltungshandelns, die im übrigen widerlegbar sei, werde nur für das hoheitliche Handeln gegenüber Gewaltunterworfenen, wie zB den Versorgungsberechtigten, anerkannt. Außerdem könne ein gesetzwidriges Verhalten der Verwaltung keinen Vertrauensschutz mit der Wirkung begründen, daß die Verwaltung später nicht auf rechtmäßigem Weg die eingetretenen Folgen rückgängig machen dürfe. Der Rückerstattungsanspruch sei schließlich auch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist für den 1956 geltend gemachten Anspruch 30 Jahre betragen habe. Die Kostenentscheidung des SG sei gesetzwidrig.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 84 ff BVG und des § 21 der SVD Nr. 27 i. V. m. Nr. 45 der SVA Nr. 11. Die vom LSG angewandte Vorschrift des § 19 Abs. 3 BVG könne allenfalls für die Zeit ab Verkündung des BVG gelten, aber keinesfalls zurückwirken. § 84 BVG müsse dahin ausgelegt werden, daß Leistungen, welche ein Träger der Krankenversicherung einem versicherten Beschädigten für die Zeit bis zur Verkündung des Gesetzes gewährt hat, auch noch nach den bisherigen Vorschriften erstattet werden; das gelte auch für die entsprechenden Verwaltungskosten. Ohne eine solche restriktive Ergänzung widerspräche die Norm dem Gesetzessinn, wie er sich bei verfassungskonformer Auslegung ergebe. Die Regelung der §§ 84 ff BVG erfülle bei wörtlicher Auslegung den Tatbestand der entschädigungslosen Enteignung. Zu Unrecht nehme die Vorinstanz an, die Entziehung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Verwendungsersatz könne nicht unter Art. 14 GG fallen. Das LSG verkenne, daß die tatsächliche Gewährung von Auftragsleistungen nicht rückwirkend ungeschehen gemacht werden könne. Die Gewährung des Hausgeldes als versorgungsrechtliche Leistung habe einen erheblich größeren Verwaltungsaufwand verursacht, als dies bei Hausgeldleistungen aus eigenem Recht der Fall gewesen sei. Wenn die Klägerin auch nicht in allen Fällen gegen entschädigungslose Enteignungen geschützt sein möge, so sei sie jedenfalls gegen staatliche Willkür geschützt. Eine solche läge vor, wenn der Staat rückwirkend in abgeschlossene Tatbestände eingriffe und Ersatzansprüche auf Verwendungen, die in gutem Glauben in die Rechtsbeständigkeit des staatlichen Auftrags gemacht worden seien, abschnitte. Eine rückwirkende Beseitigung der Ersatzansprüche verstieße gegen Art. 2 Abs. 1 GG und gegen das objektiv-rechtliche Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Gesetze, die bereits abgeschlossene Tatbestände i. S. einer Verböserung neu aufrollen, ohne daß sich der Betroffene rechtzeitig darauf einstellen konnte, seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 3, 77, 82) unzulässig. Das Argument des LSG, über die nach altem Recht erbrachten Leistungen sei im Zeitpunkt der Verkündung des BVG noch nicht abgerechnet worden, gehe fehl, denn Aufwendungen, für die zu diesem Zeitpunkt noch kein Ersatz angefordert worden war, hätten deshalb doch nicht rückgängig gemacht werden können. Die fragliche Regelung sei daher ein Überraschungsgesetz gewesen. Der Staat könne nicht die Rechtsmacht haben, erteilte Aufträge rückwirkend zu beseitigen. Daß die §§ 84 ff BVG ohne die erwähnte Einschränkung nicht haltbar wären, ergebe sich auch daraus, daß das BVG in § 19 den Kostenersatz nach anderen Gesichtspunkten als seither regele. Nach der SVD Nr. 27 sei bei ambulanter Behandlung für jeden Arbeitsunfähigkeitstag ein pauschaler Kostenersatz (1,25 DM) geleistet worden, während nach dem neuen Recht der Pauschalersatz (3,00 DM) auf den Behandlungstag ohne Arbeitsunfähigkeit abgestellt sei. Diese Tage seien aber vor Bekanntwerden des BVG von den Krankenkassen nicht ermittelt worden, weil damals kein Anlaß dazu bestanden habe. Die Krankenkassen könnten diese Tage nicht nachträglich ermitteln. Ob ein Versicherter auch Kriegsbeschädigter war, sei nach altem Recht für die Kasse nur dann bedeutsam gewesen, wenn Arbeitsunfähigkeit vorlag oder Krankenhauspflege in Betracht kam. In allen anderen Fällen habe das nicht interessiert und seien den Krankenkassen die Kriegsbeschädigten, für die sie nach neuem Recht Ersatzansprüche hatten, nicht bekannt gewesen. Dieser Umstand, der schwerlich von den Krankenkassen zu vertreten sei, mache ganz deutlich, daß die §§ 84 ff BVG einschränkend ausgelegt werden müßten. Ohne einschränkenden Zusatz verstießen sie auch gegen Art. 120 Abs. 1 GG. Die nachträgliche Umdeutung der versorgungsrechtlichen Leistung in eine versicherungsrechtliche Leistung nach § 186 RVO tue dem Willen der Klägerin Gewalt an und werde auch den seinerzeitigen Vorstellungen des Beklagten nicht gerecht. Durch das Zweite Neuordnungsgesetz vom 21. Februar 1964, BGBl I 85 (2. NOG) sei § 19 Abs. 2 BVG dahin geändert worden, daß nun auch die Erstattung von Hausgeld erfolge. Dadurch werde bestätigt, daß diese Leistungen Kriegsfolgelasten seien. Die Verlautbarungen des BMA seien keineswegs bedeutungslos. Im Schreiben vom 22. Dezember 1950 sei ausgeführt, daß der Kostenersatz an die Krankenkasse sich nach den bisherigen Vorschriften richte, solange die Behandlung nach diesen Vorschriften durchgeführt werde. Zuvor sei ausdrücklich auch das Hausgeld erwähnt. Damit habe der BMA die §§ 84 ff BVG zutreffend, nämlich mit der für Übergangsfälle gebotenen Einschränkung ausgelegt und die Richtigkeit der Auffassung der Klägerin bestätigt. Mit Schreiben vom 20. April 1951 sei das Schreiben vom 22. Dezember 1950 insoweit geändert worden, als die Abrechnung nach altem Recht nur für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. März 1951 zulässig sei und der Ersatz nur die Leistungen, die § 19 Abs. 3 BVG vorsehe, umfassen solle. Aus dem dritten Schreiben des BMA vom 2. August 1951 müsse geschlossen werden, daß sich der BMA bei seinem zweiten Schreiben geirrt habe. Es ändere die fragliche Ziffer des zweiten Schreibens dahin, daß, soweit Kosten im Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens vom 20. April 1951 für das 3. Viertel des Rechnungsjahres 1950 nach bisherigen Vorschriften abgerechnet waren, es dabei verbleiben könne. Damit sei der Inhalt des ersten Schreibens wiederhergestellt. Eine ähnliche Regelung enthalte Ziff. 2 des Schreibens vom 2. August 1951 für das 4. Viertel des Rechnungsjahres 1950. Hiernach werde für jeden nicht mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Behandlungstag - wie bisher nach altem Recht - eine Pauschale von 1,25 DM für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit vorgesehen. Der BMA habe nicht gegen das Gesetz verstoßen, sein Vorgehen sei vielmehr der Erkenntnis entsprungen, daß die Übergangsvorschriften des BVG nicht praktikabel waren. Die Krankenkassen hätten die auf Grund neuen Rechts erforderlichen Angaben, wie bereits erwähnt, nicht nachträglich beschaffen können. Zu Unrecht habe das VersorgA im Schreiben vom 20. März 1956 auf die Abrechnung " durch das Versorgungsamt" abgestellt. Als abrechnende Stelle im Sinne des Schreibens des BMA vom 2. August 1951 könne nur die Krankenkasse gemeint sein. Für die Richtigkeit der Auffassung der Klägerin spreche auch, daß die Versorgungsämter sie bis 1956 geteilt hätten. Der Meinungsumschwung gehe auf Einwirkungen des Bundesrechnungshofes zurück. Selbst wenn der den Krankenkassen erteilte gesetzliche Auftrag rückwirkend hätte beseitigt werden können, so stünden dem Rückforderungsanspruch Treu und Glauben entgegen. Die Vorgänge hätten im Zeitpunkt der Rückforderung 5 Jahre zurückgelegen und seien bis dahin nach Auffassung aller am Verwaltungsverfahren Beteiligten abgeschlossen gewesen. Die Abwicklung der Übergangsfälle sei erst nach längeren schwierigen Überlegungen möglich gewesen. Wenn die Gegenseite Recht hätte, bekäme es die Klägerin nunmehr mit Beträgen aus 1950 in ihrer Jahresrechnung für 1966 zu tun. Sollte dennoch der Rückforderungsanspruch berechtigt sein, so werde dem die Einrede der Verjährung entgegengesetzt. Zwar sei die 2-jährige Verjährung von Rückforderungsansprüchen erstmals durch das 2. NOG für die Zeit ab 1. Januar 1964 geregelt worden. Für die Vergangenheit gelte jedoch auf Grund des Sachzusammenhangs die gleiche Frist.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1965 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 213,93 DM zu zahlen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Das LSG-Urteil sei nicht zu beanstanden. § 19 BVG gelte ab 1. Oktober 1950, weil das BVG rückwirkend ab diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sei. Im übrigen sei die SVD Nr. 27 nicht durch das BVG, sondern die SVD Nr. 31 vom 22. Dezember 1950 aufgehoben worden. Die in § 19 BVG getroffene Regelung sei nicht grundgesetzwidrig. Der nach der SVD Nr. 27 entstandene Anspruch der Klägerin auf Kostenersatz werde nicht von Art. 14 GG erfaßt. Das rückwirkende Inkrafttreten des BVG sei durch die Leistungsverbesserungen zugunsten der Kriegsopfer gerechtfertigt. Das Gesetz sei überdies bereits am 19. Oktober 1950 verabschiedet worden und daher für die Krankenkasse kein Überraschungsgesetz gewesen. Die Rückwirkung verstoße auch nicht gegen Art. 120 GG. Der Hinweis auf die Unmöglichkeit der Umrechnung der beiden Abrechnungsfälle sei nicht recht verständlich, da nicht zu erkennen sei, welchen Kostenersatz die Klägerin etwa anstelle des Ersatzes der Hausgeldleistung nach dem BVG überhaupt verlangen könnte.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch sachlich begründet.

Nach § 21 der SVD Nr. 27 vom 2. Mai 1947 (ArbBl für die britische Zone 1947, S. 155) idF des Art. 11 des Gesetzes zur Änderung der SVD Nr. 27 und der hierzu ergangenen Durchführungsvorschriften betreffend Leistungen an Kriegsbeschädigte vom 12. Juli 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, S. 229) in Verbindung mit Ziff. 45 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 waren den Krankenkassen die tatsächlichen, auf Grund der Direktive zu gewährenden Aufwendungen sowie ein Verwaltungskostenanteil zu erstatten. Nach Ziff. 10 und 38 Nr. 3 der SVA Nr. 11 gehörte zu den Aufwendungen auch das Hausgeld, das nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt wird (§ 186 RVO). Demgegenüber bestimmte § 19 Abs. 3 BVG vom 20. Dezember 1950 - im Gegensatz zu § 20 BVG -, daß den Krankenkassen für bei ihnen versicherte Beschädigte bei Heilanstaltspflege nur drei Viertel der aufgewendeten Krankenhauskosten, sowie bei ambulanter Behandlung das etwa gewährte Krankengeld, sonst 3,00 DM für jeden Behandlungstag und daneben der Aufwand für kleinere Heilmittel ersetzt werden. Nach dieser Vorschrift konnten die Krankenkassen sonach in den vorliegenden Fällen den Ersatz des gewährten Hausgeldes nebst Verwaltungskostenanteil nicht mehr beanspruchen. Das am 21. Dezember 1950 verkündete BVG (BGBl 791) ist gemäß § 84 Abs. 1 rückwirkend ab 1. Oktober 1950 in Kraft getreten; mit dem gleichen Zeitpunkt sind gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 1 c BVG das Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Änderung der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 und der hierzu ergangenen Durchführungsvorschriften vom 12. Juli 1949 außer Kraft getreten. Unerheblich ist dabei, daß die SVD Nr. 27 mit den entsprechenden Vorschriften (hier § 21) auch durch die einen Tag nach Verkündung des BVG erlassene SVD Nr. 31 vom 22. Dezember 1950 aufgehoben worden ist (vgl. BVBl 1951, 44), denn dieser "Widerruf" erfolgte mit Rücksicht auf das BVG und ebenfalls rückwirkend ab 1. Oktober 1950.

Die Übergangsvorschriften der §§ 85 ff BVG enthalten wohl für Renten (§ 86 Abs. 1, § 87 BVG), jedoch nicht für die Erstattung der Kosten der Heilbehandlung an Krankenkassen eine für die Übergangszeit geltende Ausnahmeregelung. § 84 Abs. 3 BVG bestimmte lediglich für das Verwaltungs- und Spruchverfahren, daß es bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung bei den bisherigen Vorschriften verbleibe. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf Verfahrensvorschriften (BSG 1, 59), nicht aber auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen über den Kostenersatz für gewährte Heilbehandlung. Die Auffassung der Klägerin, § 84 Abs. 3 BVG sei dahin zu ergänzen, daß Leistungen, welche ein Träger der Krankenversicherung für die Zeit bis zur Verkündung des BVG gewährt, noch nach den bisherigen Vorschriften erstattet werden, findet daher im Gesetzeswortlaut keine Stütze.

Waren sonach Hausgeld und Verwaltungskostenanteil nach den ab 1. Oktober 1950 geltenden Vorschriften nicht mehr zu ersetzen, so hat der Beklagte insoweit für einen ohne Rechtsgrund gewährten Ersatz einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch an die Klägerin (vgl. BSG 16, 151, 156), sofern der Geltendmachung des Anspruchs nicht ein anderer Rechtsgrund entgegensteht. Dem Erstattungsanspruch des Beklagten, den er an sich im Wege der Aufrechnung geltend machen konnte (vgl. hierzu BSG 15, 37; 19, 19 ff und Entscheidung des erkennenden Senats vom 26. April 1967 - 9 RV 280/66 -), kann nicht entgegengehalten werden, daß die Ersatzforderung der Klägerin am 15. Juni 1951 vom Versorgungsamt als sachlich und rechnerisch richtig "festgestellt" worden ist. Darin liegt weder ein konstitutives Anerkenntnis nach § 781 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), das unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung schaffen würde, noch ein Verwaltungsakt, durch den bindend das Rechtsverhältnis zwischen der Versorgungsverwaltung und der Krankenkasse geregelt wurde. Die Krankenkassen handeln vielmehr als gleichrangige Träger öffentlicher Aufgaben. Ihre Ersatzansprüche ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. April 1967 - 9 RV 280/66 -).

Der erkennende Senat hat mit dem vorerwähnten Urteil entschieden, daß Ansprüche der Versorgungsverwaltung gegen Krankenkassen auf Erstattung zu Unrecht nach § 19 BVG befriedigter Ersatzansprüche bis zum Inkrafttreten des 2. NOG der Verjährungsfrist von 30 Jahren unterlagen. Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Zutreffend ist daher das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Rückerstattungsanspruch des Beklagten 1956 noch nicht verjährt war. Auch die Auffassung des LSG, daß Erlasse und Rundschreiben des BMA - ebenso wie Verwaltungsvorschriften - nicht rechtbegründend und bei einem Abweichen vom Gesetz rechtlich nicht zu beachten sind, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. September 1966 - 9 RV 1006/63 - in SozR Nr. 18 zu § 35 BVG, ferner BSG 6, 175, 252; 8, 140). Das LSG hat jedoch nicht hinreichend beachtet, daß die Erlasse des BMA vom 22. Dezember 1950 - I c 1790/3123/50 - (BVBl 1951, 44 - in Bundesarbeitsblatt 1951 Nr. 1 S. 44 -) und vom 20. April 1951 - I c 1767/1453/51 - (BVBl 1951, 218 ff) nicht etwa für die künftige Handhabung des BVG eine vom Gesetz abweichende Regelung einführten, sondern nur für eine begrenzte Übergangszeit den durch das rückwirkende Inkrafttreten des BVG bei der Abrechnung von Ansprüchen (hauptsächlich) für die Vergangenheit entstehenden Schwierigkeiten in zulässiger Weise Rechnung getragen haben. Im erstgenannten Erlaß war bestimmt worden, daß eine Heilbehandlung, die am Tage der Verkündung des BVG (oder im Zeitpunkt der Zustellung des Umanerkennungsbescheides) eingeleitet war, hinsichtlich der Geldleistungen nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen sei; der Kostenersatz an die Krankenkassen richte sich nach den bisherigen Vorschriften, solange die Behandlung nach diesen Vorschriften durchgeführt werde. Mit dem zweiten Erlaß wurde der erste Erlaß dahin abgeändert, daß für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. März 1951 einheitlich nach bisherigen Vorschriften, vom 1. April 1951 ab aber allgemein nach den Bestimmungen des BVG (§ 19 Abs. 3) abgerechnet werde. Damit hat der BMA sich nicht willkürlich über eine Gesetzesvorschrift hinweggesetzt, sondern nur versucht, den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers durch seine Erlasse mit den bestehenden Verhältnissen in Einklang zu bringen und die Abrechnung mit den Krankenkassen verwaltungstechnisch der veränderten Rechtslage anzupassen.

Der Gesetzgeber hat das BVG, wie der Beklagte hervorhebt, wegen der den Kriegsopfern zugedachten Leistungsverbesserungen rückwirkend in Kraft gesetzt, dabei aber offenbar nicht bedacht, daß eine solche Rückwirkung bei der Heilbehandlung, die von den gesetzlichen Krankenkassen durchzuführen und bei Verkündung des Gesetzes möglicherweise schon abgeschlossen oder bereits eingeleitet war, ohne eine Übergangsregelung zu Schwierigkeiten führen mußte. Die Revision hat vorgetragen, daß zu der Kostenerstattung nach neuem Recht Daten hätten festgestellt werden müssen, auf die es nach altem Recht nicht ankam und die die Krankenkassen nachträglich nicht mehr ermitteln konnten. Dieser einleuchtende Umstand konnte dem BMA sehr wohl Veranlassung geben, durch Erlaß vom 22. Dezember 1950 zu bestimmen, daß sich der Kostenersatz zunächst nach den bisherigen Vorschriften richte; dies um so mehr, als auch offensichtlich von seiten der Versorgungsverwaltung noch nicht die Voraussetzungen für eine Abrechnung nach neuem Recht geschaffen worden waren. Denn in diesem Erlaß ist unter Ziff. 4 betont, daß zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die für die Durchführung der Heilbehandlung nach dem BVG durch die Krankenkassen nötigen Behandlungsscheine vorhanden waren, vielmehr erst vorbereitet wurden. Diese Umstände durften den BMA, als die für die praktische d. h. verwaltungsmäßig reibungslose Durchführung des BVG verantwortliche oberste Bundesbehörde veranlassen, im Rahmen der ihr insoweit zustehenden Organisationsbefugnisse (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 30. September 1966 - 9 RV 1006/63 - in SozR Nr. 18 zu § 35 BVG - Ca 13 -) eine Übergangsregelung zu treffen, die die Versorgungsbehörden und Krankenkassen als maßgeblichen Abrechnungsmodus für die Übergangszeit ansehen durften; an diese Übergangsregelung ist die Versorgungsbehörde den Krankenkassen gegenüber gebunden. Da nach dem durch das Rundschreiben des BMA vom 2. August 1951 klargestellten Erlaß vom 20. April 1951 jedenfalls für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1950 (drittes Viertel des Rechnungsjahres 1950) "einheitlich" nach den bisherigen Vorschriften abzurechnen war und der vorliegende Rechtsstreit nur die Zeit vom 27. Oktober bis 22. Dezember 1950 betrifft, konnte die Klägerin zur Zeit der Aufstellung des Kostennachweises am 22. Januar 1951 und zur Zeit der Abrechnung durch das Versorgungsamt (15. Juni 1951) darauf vertrauen, daß die Abrechnung, so wie sie erfolgte, in Ordnung gehe.

Ob das im Schreiben des VersorgA vom 20. März 1956 zitierte Rundschreiben des BMA vom 2. August 1951 - Nr. I c 1767/1928/51 - (das damals nicht im BVBl veröffentlicht wurde), soweit es auf eine im Zeitpunkt des Eingangs des Rundschreibens am 20. April 1951 bereits erfolgte Abrechnung abhebt, auf die Abrechnung der Krankenkasse oder die des VersorgA abstellen wollte, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnte aus diesem erst im August 1951 ergangenen Schreiben nicht der Schluß gezogen werden, daß damit die ganze Übergangsregelung, d. h. auch diejenige für das 4. Kalendervierteljahr (1. Oktober bis 31. Dezember 1950), für das den Krankenkassen in erheblichem Umfang die nach neuem Recht erforderlichen Daten fehlten, rückgängig gemacht werden sollte. So ist dieses Rundschreiben offenbar auch vom VersorgA, das damals nichts unternommen hat, verstanden worden. Auch dieser spätere Erlaß hat überdies sogar noch für das vierte Viertel des Rechnungsjahres 1950 die Anwendung des alten Rechts vorgesehen und bestimmt, daß ein Pauschbetrag von 1,25 DM für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit erstattet wird, somit eine Ersatzleistung, die vor Inkrafttreten des BVG zustand. § 19 Abs. 3 BVG sah einen solchen Ersatz nicht mehr vor, wohl aber war nach Nr. 45 der SVA Nr. 11 für die krankenversicherten Anspruchsberechtigten (Nr. 39 a) ein solcher Pauschbetrag zu erstatten.

Im übrigen hat das neue Recht den Krankenkassen zB insofern weitergehende Ansprüche gewährt, als die Krankenkassen nach Nr. 45 i. V. m. Nr. 39 a der SVA Nr. 11 für Anspruchsberechtigte, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, nur für jeden mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankungsfall einen Betrag von 1,25 DM täglich erhielten (durch diesen Pauschbetrag galten auch die nicht mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankungsfälle als abgefunden), während § 19 Abs. 3 BVG bestimmte, daß auch bei ambulanter Behandlung, soweit kein Krankengeld zustand, d. h. ohne Arbeitsunfähigkeit 3,00 DM für jeden Behandlungstag zu ersetzen sind. Nach dem Revisionsvorbringen der Klägerin verfügten die Krankenkassen vor Verkündung des BVG nicht über Angaben für Zeiten ambulanter Behandlung ohne Arbeitsunfähigkeit und konnten sie auch nicht nachträglich beschaffen. Dies erscheint jedenfalls für die Zeit, in der die Rückforderung geltend gemacht wurde (1956), einleuchtend; stichhaltige Einwendungen hiergegen sind vom Beklagten nicht vorgebracht worden.

Bei dieser Sachlage war die vom BMA getroffene Übergangsregelung, jedenfalls für den hier streitigen Abrechnungszeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1950, nicht nur zulässig, sondern auch dringend geboten. Da die Unterlagen nicht mehr zu beschaffen sind, fehlt es außerdem an ausreichenden Feststellungen dafür, daß die Klägerin insgesamt höhere Ersatzleistungen erhalten hat, als ihr nach neuem Recht zustanden. Damit läßt sich eine sichere Feststellung, daß die Klägerin nach § 19 Abs. 3 BVG Leistungen ohne Rechtsgrund (BSG 16, 151, 156) erhalten habe, überhaupt nicht treffen. Somit kann auch nicht festgestellt werden, daß die Erlasse des BMA vom 22. Dezember 1950 und 20. April 1951 oder auch 2. August 1951 wegen einer unzulässigen Abweichung vom Gesetz unbeachtlich seien und sich die Klägerin deshalb gegenüber der 1956 geltend gemachten Rückforderung nicht auf sie berufen könne.

Aber auch wenn man die damaligen Erlasse als rechtlich unbeachtlich ansehen wollte, wäre dem Beklagten im vorliegenden Fall die Rückforderung auf Grund eines aus Treu und Glauben abzuleitenden Grundsatzes verwehrt (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, 9. Aufl., S. 162 ff); nach diesem einem allgemeinen Rechtsgedanken entsprechenden Grundsatz darf sich die Verwaltungsbehörde nicht in Widerspruch zum eigenen früheren Verhalten setzen - venire contra factum proprium - (vgl. Forsthoff aaO, S. 166, 212). Dieser Grundsatz ist, wenn auch in engen Grenzen, im öffentlichen Recht ebenfalls anwendbar. Das Vertrauen des Berechtigten wird hiernach jedenfalls geschützt, wenn dem Interesse der Betroffenen an diesem Vertrauensschutz kein überwiegendes öffentliches Interesse an der nachträglichen Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes gegenübersteht (vgl. BVerwG Bd. 9, 160; ferner Schwankhart, BABl 1965, 287, 292). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar steht die Krankenkasse bei der Geltendmachung ihres Ersatzanspruchs zu dem Versorgungsamt nicht im Verhältnis eines Gewaltunterworfenen, sondern handelt hier, wie oben erwähnt wurde, als gleichrangiger Träger öffentlicher Aufgaben, weshalb ihr gegenüber auch kein Verwaltungsakt ergeht, auf dessen Bindung sich die Krankenkasse nach Treu und Glauben berufen könnte (vgl. BSG 19, 293; 3, 82; zur Zusage: BSG 14, 107, 108). Das ändert aber nichts daran, daß die Versorgungsverwaltung zu ihrem Wort stehen muß und sich die Krankenkasse auf einen an die Obersten Arbeitsbehörden der Länder bzw. die Krankenkassenverbände gerichteten allgemeinen Erlaß des BMA berufen darf, der im Rahmen des auftragsähnlichen Verhältnisses für die Versorgungsbehörden eine einheitliche Art der Abrechnung des Kostenersatzes vorschreibt und nach dem sich die Krankenkassen des Bundesgebietes bei ihrer Verwaltungsarbeit jedenfalls tatsächlich richten müssen. Unerheblich ist auch, daß es sich beim Versorgungsamt um eine Behörde des Landes und beim BMA um eine solche des Bundes handelt. Die Versorgungsämter (und Landesversorgungsämter) führen gemäß § 1 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 idF des Vierten Überleitungsgesetzes vom 27. April 1955 (BGBl I 189) die Versorgung der Kriegsopfer nur durch, die Versorgungslast trägt aber die Bundesrepublik Deutschland (vgl. auch Wilke, Kommentar zum BVG, 2. Aufl. S. 19 und Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., Anm. 4 zu § 75 SGG). Die Identität der Verwaltungsbehörde, die - gestützt auf die Erlasse des BMA - den Ersatz geleistet und später wieder zurückgefordert hat, ist im übrigen gewahrt.

Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich, daß die Klägerin auf den Bestand der vom BMA getroffenen Übergangsregelung vertrauen durfte und daß diesem Vertrauensschutz kein überwiegendes öffentliches Interesse an der nachträglichen Beseitigung des Zustandes entgegensteht. Denn die Erlasse des BMA, die einem dringenden Bedürfnis auf einem Gebiet des öffentlichen Rechts (Versorgungsrechts) entsprachen, können - jedenfalls, soweit sie für den hier strittigen Zeitraum vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Dezember 1950 keine nachträglich anderweitige Verrechnung vorsahen, - nicht als eine ungesetzliche Handlung bzw. als eine Regelung angesehen werden, die einem gesetzlichen Gebot oder Verbot widerspricht (vgl. BSG 14, 108). Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der nachträglichen Beseitigung des Zustandes kann um so weniger angenommen werden, als es sich hier um eine kurz befristete Übergangsregelung handelt, die zeitlich nun schon über 16 Jahre zurückliegt.

Sonach steht der Rückforderung des Beklagten auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung, die er in dem genannten Rechtsgedanken gefunden hat, entgegen, weshalb das Urteil des LSG keinen Bestand haben konnte. Aus diesem Grunde brauchte nicht mehr erörtert zu werden, ob der vom Beklagten geltend gemachten Rückforderung weiter entgegengehalten werden könnte, die rückwirkende Rechtsänderung sei verfassungswidrig (Art. 120 Abs. 1 bzw. 14 oder 2 Abs. 1 GG) oder die Geltendmachung des Anspruchs widerspreche den Rechtsgrundsätzen des Auftrags- oder Vertragsrechts.

Auf den zu Unrecht zurückgeforderten Betrag von 196,28 DM entfiel ein Verwaltungskostenanteil von 6,92 % = 13,58 DM zuzüglich 30 % = 4,07 DM, so daß sich ein Gesamtbetrag von 213,93 DM ergibt. Demnach war der Beklagte unter Aufhebung des LSG-Urteils und des SG-Urteils, das den Verwaltungskostenanteil nicht ermittelt hat, zu verurteilen, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2296935

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