Orientierungssatz
Beitragsnachentrichtung nach § 10a WGSVG - Anerkenntnis - Anerkenntnisurteil:* 1. Nimmt der Kläger das Anerkenntnis des beklagten Rentenversicherungsträgers nicht an, ist die Verurteilung des Beklagten nach dem gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 307 ZPO geboten, ohne daß es der Prüfung der Berechtigung des Klageanspruchs bedurfte (vgl BSG 12.12.1979 1 RA 91/78 = SozR 1750 § 307 Nr 2).
Normenkette
WGSVG § 10a; SGG § 202; ZPO § 307
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 11.07.1984; Aktenzeichen L 9 An 18/83) |
SG Berlin (Entscheidung vom 17.08.1983; Aktenzeichen S 8 An 1248/82) |
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Berechtigung des Klägers, nach § 10a des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) Beiträge für die Zeit von Januar 1950 bis Januar 1955 nachzuentrichten.
Dem 1935 verfolgungsbedingt nach den USA ausgewanderten und nach Kriegsende nicht nach Deutschland zurückgekehrten Kläger gestattete die Beklagte auf den Antrag vom Dezember 1975 mit Bescheid vom 21. November 1977 die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a WGSVG für die Monate November und Dezember 1934. Die mit Widerspruch gegen diesen Bescheid beantragte weitere Nachentrichtung für die Zeit von Januar 1950 bis Dezember 1955 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 1978 abgelehnt. In dem nachfolgenden Berufungsverfahren (in dem das Verfahren wegen § 10a WGSVG und ein weiteres wegen § 10 WGSVG verbunden worden waren) gab die Beklagte aufgrund des Senatsurteils vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 15/78 - am 3. März 1980 ein Anerkenntnis ab, mit dem sie die Nachentrichtung nach § 10a WGSVG für die Zeit vom 1. Januar 1950 bis 31. Dezember 1955 gestattete. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. Mai 1980 dem Grunde nach an. In einem gegen die ihm am 10. April 1980 übersandte Beitragsbescheinigung (die die Beiträge für November und Dezember 1934 betraf) gerichteten Widerspruchsschreiben vom gleichen Tage erklärte er sich bereit, 9 (mit Schreiben vom 4. Juni 1980 berichtigt in 11) Beiträge der Klasse 600 für die Zeit vom 1. Februar 1955 bis 31. Dezember 1955 nachzuentrichten. Das Schreiben enthält folgenden Passus: "Durch die Stellung dieses Antrages und durch die Umwandlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit in das Altersruhegeld erlischt weder das Recht zur Nachentrichtung weiterer Beiträge gemäß § 10a Abs 2 WGSVG noch dasjenige auf Fortführung des Rechtsstreits gemäß § 10 WGSVG". Die Beklagte entsprach diesem Belegungsangebot mit Bescheid vom 29. Mai 1980 und Ergänzungsbescheid vom 23. Juni 1980, wobei ein Restguthaben von 648,-- DM verblieb. Beide Bescheide enthalten den Hinweis, daß sie Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens werden. Das Berufungsverfahren endete mit rechtskräftigem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 12. Februar 1981, mit dem die Berufung gegen das die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG verneinende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen wurde.
Am 11. Juli 1981 beantragte der Kläger, sein Guthaben von 648,-- DM für 6 Beiträge für die Monate August 1954 bis Januar 1955 zu verwenden, was die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 1981 "in Ergänzung zum Bescheid vom 23. Juni 1980" zuließ. Mit einem weiteren Antrag vom 27. Oktober 1981 begehrte der Kläger unter Hinweis auf seine Anfrage in dem Schreiben vom 3. September 1981 nach dem zeitlichen Umfange des ihm aufgrund des Anerkenntnisses vom 3. März 1980 noch zustehenden Nachentrichtungsrechts die Nachentrichtung auch noch für die Zeit vom 1. Januar 1950 bis 31. Juli 1954 und bot hierfür 55 Beiträge der Klasse 600 zu 108,-- DM im Gesamtbetrag von 5.490,-- DM an. Dies lehnte die Beklagte unter Berufung auf die Bindung der Bescheide vom 29. Mai 1980 und 23. Juni 1980 ab (Bescheid vom 25. November 1981). Während des Widerspruchverfahrens nahm sie überdies den Bescheid vom 24. September 1981 gemäß § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) - ebenfalls im Hinblick auf die Bindungswirkung der beiden vorgenannten Bescheide - zurück (Bescheid vom 13. Mai 1982). Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1982; Urteil des SG Berlin vom 17. August 1983; Urteil des LSG Berlin vom 11. Juli 1984). Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zum endgültigen Abschluß des Konkretisierungsverfahrens die Auffassung vertreten, daß mit der rechtskräftigen Beendigung des früheren Berufungsverfahrens die Nachentrichtungsbescheide vom 29. Mai 1980 und 23. Juni 1980 bindend geworden seien und das Nachentrichtungsverfahren seinen endgültigen Abschluß gefunden habe.
Mit der - vom Senat durch Beschluß vom 26. Juni 1985 zugelassenen - Revision wendet sich der Kläger gegen die Ansicht des LSG, die ihm durch das Anerkenntnis der Beklagten vom 3. März 1980 gewährten Rechte zur weiteren Konkretisierung seines fristgerecht angemeldeten Anspruchs aus § 10a WGSVG seien mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils des 10. Senats des LSG Berlin vom 12. Februar 1981 im Vorprozeß L 10 An 42/79 verbraucht. Er habe auf das Recht zur weiteren Konkretisierung nicht verzichtet und es auch nicht dadurch verwirkt, daß er am 7. Mai 1980 die Konkretisierung auf einen Teilzeitraum des Anerkenntnisses beschränkt habe. Die Rücknahme des Ergänzungsbescheides vom 24. September 1981 beruhe nicht auf einer verfassungskonformen Anwendung des § 45 SGB 10.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 25. November 1981 und vom 13. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1982 zu verurteilen, ihn zur weiteren Nachentrichtung von Beiträgen nach den Vorschriften des WGSVG unter Berücksichtigung seines Guthabens von 648,-- DM zuzulassen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. November 1985 anerkannt, daß der Kläger aufgrund und im Rahmen des in dem Verfahren L 10 An 42/79 vor dem LSG Berlin abgegebenen Anerkenntnisses vom 3. März 1980 weiterhin berechtigt ist, sein Nachentrichtungsbegehren ergänzend zu konkretisieren und nach ordnungsgemäßer Konkretisierung entsprechend Beiträge nachzuentrichten. Außerdem erkennt die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht für diesen Rechtsstreit dem Grunde nach an.
Der Kläger hat das "Ergänzungsanerkenntnis" nicht angenommen und dabei darauf hingewiesen, daß er seinerzeit das Anerkenntnis vom 3. März 1980 nur unter der von der Beklagten nicht erfüllten Bedingung angenommen habe, daß die Worte "soweit nicht bereits mit Beiträgen belegt" gestrichen werden. Die Annahme des Ergänzungsanerkenntnisses würde die Hauptsache des Rechtsstreits nicht erledigen, nämlich sein Begehren, mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1982 den Zulassungsbescheid vom 24. September 1981 wiederherzustellen. Insoweit bedürfe es auch einer nochmaligen Teilkonkretisierung nicht. In der grundsätzlichen Bereitschaft der Beklagten, vermißt der Kläger eine Äußerung zu den außergerichtlichen Kosten in einer Anzahl von Widerspruchsverfahren und zur Frage der Verzinsung der nachzuzahlenden Rentenbeträge.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Die Beklagte hat mit ihrem Anerkenntnis vom 18. November 1985 dem Klagebegehren materiell-rechtlich voll stattgegeben. Da der Kläger das Anerkenntnis nicht angenommen hat, ist die Verurteilung der Beklagten nach dem gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 307 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geboten, ohne daß es der Prüfung der Berechtigung des Klageanspruchs bedurfte (vgl BSG SozR 1750 § 307 Nrn 1 und 2). Die Beklagte ist sonach ihrem Anerkenntnis entsprechend unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 25. November 1981 und 13. Mai 1982, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1982, sowie unter Aufhebung der Urteile des LSG vom 11. Juli 1984 und des SG vom 17. August 1983 zu verurteilen, dem Kläger unter Anrechnung seines Guthabens von 648,-- DM die Konkretisierung von weiteren Beiträgen gemäß § 10a Abs 1 WGSVG für die Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Januar 1955 zu gestatten. Dabei braucht nicht eigens ausgesprochen zu werden, daß die Nachentrichtung nur für Zeiten zulässig ist, die noch nicht mit Beiträgen belegt sind. Diese Einschränkung ergibt sich schon aus dem Gesetz selbst und ist für die Beteiligten zwingend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie umfaßt das gesamte gegenwärtige Verfahren einschließlich des mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1982 abgeschlossenen Widerspruchverfahrens und des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde. Dagegen sind die Kosten der früheren Gerichts- und Vorverfahren einer Entscheidung im Rahmen dieses Urteils nicht zugänglich, weil sie prozeßrechtlich nicht Teil des jetzigen Verfahrens sind.
Der vom Kläger erwähnte Anspruch auf Verzinsung etwa zu erwartender Rentennachzahlungen war nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Fundstellen