Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 24.01.1962) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger und den Beigeladenen zu 1) bis 10) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Inhaber des Gaststättenbetriebes „Haus Matzberger” in Bad Wörishofen. Sein Personal hatte nach dem Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Oberbayern, Schwaben, Mittel- und Unterfranken (Westbayern) vom 12. Oktober 1954 (Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge – BayAM – XXIX 1) neben dem Barlohnanspruch einen Anspruch auf freie Kost und Wohnung. Nach dem Auslaufen des Tarifvertrages am 31. Dezember 1956 vereinbarte der Kläger mit Wirkung vom 1. Juli 1957 an einzelvertraglich mit seinen Arbeitnehmern einen festen Bruttolohn. Ansprüche auf Wohnung und Verpflegung im Hause wurden ausgeschlossen. Jedoch wurde denjenigen Arbeitnehmern, die an Verpflegung und Wohnung im Hause interessiert waren, die Möglichkeit hierzu eingeräumt. Hierfür behielt der Kläger vertragsgemäß 60 DM vom vereinbarten Bruttolohn ein. Die beigeladenen Arbeitnehmerinnen machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge wurden vom vereinbarten Bruttobarlohn abgeführt.
Bei einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) fest, daß der Kläger die Werte für Kost und Wohnung nicht nach der in der Bekanntmachung des BayAM vom 24. Juni 1957 (Amtsblatt des BayAM S. 160 A) festgesetzten Sätzen, sondern niedriger angesetzt hatte. Daraufhin schlug sie den Unterschiedsbetrag zwischen den amtlichen Sachbezugswerten dem Barlohn zu und forderte für die somit erhöhten Bezüge und den vom Kläger für Unterbringung und Verpflegung berechneten Werten für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis 28. Februar 1958 die Beiträge mit Beitragsberechnung vom 25./26. März 1958 in Höhe von 503,72 DM nach. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19. April 1958 Widerspruch ein. Er ist der Auffassung, bei der dem Personal gewährten Verpflegung handele es sich um „Kasino-Verpflegung”, die nicht als Entgelt, sondern unabhängig vom Lohn gegen Bezahlung gewährt werde. Die dadurch gegebene Vergünstigung sei daher versicherungsrechtlich unbeachtlich.
Mit Bescheid vom 4. Juni 1958 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Anwendbarkeit des Begriffs „Kantinen-Verpflegung” sei bei Haus-, Küchen- und Bedienungspersonal nicht möglich. Die Voraussetzungen des Abschn. 15 Abs. 1 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) vom 20. September 1955 (BStBl I 489) idF vom 25. Juni 1957 (BStBl I 311), der eine lohnsteuerrechtliche Begünstigung bei Kantinenessen voraussehe, seien hier nicht gegeben. Bei Küchen- und Bedienungspersonal in Gaststätten gehöre der Wert der Mahlzeiten stets zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (Abschn. 15 Abs. 2 LStR 1955). In diesen Fällen müßten für die Bemessung des Wertes der Mahlzeiten die amtlich festgesetzten Sachbezugswerte (§ 160 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung – RVO –) selbst dann gelten, wenn tarifvertraglich ein anderer Betrag vom Barlohn abgesetzt werden könnte.
Der Kläger erhob daraufhin vor dem Sozialgericht (SG) Klage mit dem Antrag, den Beitragsbescheid der beklagten AOK idF des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Das SG hat mit Urteil vom 17. November 1959 die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie den Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten AOK aufgehoben (Urteil vom 24. Januar 1962). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung der Streitsache bilde der Gemeinsame Erlaß des Reichsministers der Finanzen (RFM) und des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 10. September 1944 (AN 1944, 281) – Gem. Erlaß 1944 –. Nach diesem Erlaß seien die Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich von dem für die Lohnsteuer maßgebenden Betrage zu errechnen. Das bedeute, daß die Beitragspflicht von Bezügen der Sozialversicherung von deren Lohnsteuerpflicht abhängig sei (Hinweis auf BSG 15, 65). Zwischen den Parteien sei nicht streitig, daß der Kläger mit seinen Arbeitnehmern reine Barlohnabmachungen geschlossen habe.
Daß die Arbeitnehmer die Möglichkeit hätten, beim Arbeitgeber verbilligt zu essen und zu wohnen, rechtfertige nicht die Annahme einer gespaltenen Entlohnung in Bar- und Sachbezüge, da die Bediensteten nur Anspruch auf Barvergütung hätten und es ihnen lediglich freistehe, gegen besondere Bezahlung verbilligte Kost und Wohnung zu erhalten. Wäre der Wert der verbilligten Verpflegung und Wohnung bei den Lohnvereinbarungen nicht außer acht gelassen worden, müßten die Arbeitnehmer, die beim Kläger nicht essen und wohnen würden, einen entsprechend höheren Barlohn erhalten.
Der Wert der den Arbeitnehmern vom Kläger verabreichten verbilligten Mahlzeiten gehöre zwar nach Abschn. 15 Abs. 1 der LStR (BStBl. I 489) idF vom 25. Juni 1957 (BStBl I 311) zum Arbeitslohn. … Die Zuschüsse des … Arbeitgebers blieben jedoch nach dieser Bestimmung steuerfrei, soweit der geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer je Hauptmahlzeit 1,50 DM und je Nebenmahlzeit 0,75 DM nicht übersteige. Dabei richte sich die Bemessung des Wertes der Mahlzeiten nach den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes. Der Senat habe den üblichen Mittelpreis der täglichen Mahlzeiten in Bad Wörishofen auf höchstens 4,50 DM geschätzt. Daß dieser Betrag nicht zu niedrig sei, ergebe sich daraus, daß in der Bekanntmachung des BayAM vom 24. Juni 1957 für Bad Wörishofen für Vollverpflegung nur ein Monatsbetrag von 52,20 DM angesetzt worden sei. Die Arbeitnehmer des Klägers hätten für die tägliche Kost 1,50 DM zu zahlen. Der Zuschuß des Arbeitgebers übersteige somit nicht 5 DM (für eine Hauptmahlzeit und zwei Nebenmahlzeiten). Da dieser Betrag lohnsteuerfrei sei, unterliege er auch nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
Das gelte auch für die Gewährung verbilligter Wohnung. Die Arbeitnehmer, die beim Kläger wohnhaft seien, hätten monatlich 15 DM zu zahlen. Nach dem Bericht der Stadt Wörishofen vom 14. Dezember 1961 (Bl. 32 der LSG-Akten) habe damals die Miete für ein ganz einfaches Zimmer, wie es vom Geschäftspersonal gewöhnlich in Anspruch genommen werde, ca. 30 DM betragen. In der Bekanntmachung des BayAM vom 24. Juni 1957 werde als Wert für die Gewährung von Wohnung einschließlich Heizung und Beleuchtung ein Monatsbetrag von 17,40 DM bestimmt. Der Zuschuß des Klägers zur Wohnung gehe somit über den lohnsteuerfreien Betrag von 20 DM nicht hinaus und sei damit ebenfalls beitragsfrei in der Sozialversicherung.
Gegen dieses Urteil hat die beklagte AOK Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 17. November 1959 zurückzuweisen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die unrichtige Anwendung des § 3 Abs. 1 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) und Abschn. 15 der LStR 1955 durch das LSG. Bei den LStR handele es sich um Verwaltungsanweisungen, an die die Gerichte nicht gebunden seien (Hinweis auf BFH vom 7. Juli 1961, BStBl 1961 III 443). Für die Beurteilung der hier zu entscheidenden Frage sei allein maßgebend, ob es sich nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)bzw. der LStDV bei den verbilligten. Mahlzeiten um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. Weder im EStG noch in der LStDV sei vorgesehen, daß der geldwerte Vorteil der billig abgegebenen Mahlzeiten und Wohnungsmöglichkeiten nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehörten. Seit der Neufassung des § 160 Abs. 2 RVO durch Art. 3 § 4 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) erfolge die Bewertung der Sachbezüge für das Steuerrecht und die Sozialversicherung getrennt. Der Gem. Erlaß 1944 sei insoweit also nicht mehr anwendbar. Das Berufungsgericht habe daher die Bekanntmachung des BayAM vom 24. Juni 1957 seinem Urteil zu Unrecht nicht zugrunde gelegt.
Das Berufungsgericht hätte Abschn. 15 Abs. 1 LStR schon deshalb nicht anwenden dürfen, weil bei Küchen- und Bedienungspersonal in Gaststätten der Wert freier oder verbilligter Mahlzeiten bei der Bemessung des Arbeitslohnes üblicherweise bereits berücksichtigt sei (Abschn. 15 Abs. 2 LStR). Hiermit seien nicht einzelne Betriebe gemeint, sondern der ganze Gewerbezweig. Erst seit Änderung dieser Bestimmung durch die Zweite Verwaltungsanordnung zur Änderung der Lohnsteuerrichtlinien 1955 vom 22. August 1958 (LStBl 1958 I 530, 585) seien auch den in diesem Gewerbezweig beschäftigten Personen die lohnsteuerrechtlichen Vorteile des Abschn. 15 Abs. 1 LStR eröffnet worden. Das gelte aber nicht für den hier streitigen Zeitraum.
Der Kläger hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Er hält an seiner Auffassung fest, daß im vorliegenden Falle eindeutig echte Bruttobarlöhne vereinbart worden seien und daß die in Abschn. 15 Abs. 1 LStR gewährte Lohnsteuervergünstigung sich auch auf die Beitragspflicht seiner Angestellten auswirken müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG den angefochtenen Beitragsbescheid der beklagten AOK als rechtswidrig aufgehoben.
Zutreffend ist das LSG für die Entscheidung der Frage, welcher Entgelt im vorliegenden Falle der Beitragsberechnung zugrunde zu legen ist, von dem Gem. Erlaß 1944 ausgegangen. Hiernach sind Bezüge, für die keine Lohnsteuer zu entrichten ist, grundsätzlich auch nicht bei den Beiträgen für die Sozialversicherung zu berücksichtigen. Um jeden Zweifel auszuräumen, bestimmt der Erlaß des RAM vom 24. Oktober 1944 (AN 1944, 302) überdies noch ausdrücklich, daß Lohnbezüge, die nach dem Gem. Erlaß 1944 bei der Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung außer Ansatz bleiben, nicht als Entgelt i. S. der Sozialversicherung anzusehen sind. Seit der Bindung des sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriffs an das Lohnsteuerrecht kann demnach grundsätzlich nur der Entgelt der Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung zugrunde gelegt werden, der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend ist (vgl. BSG 6, 47, 51; 16, 91, 94 und neuerlich Urteile vom 25. November 1964 – 3 RK 32/60 – und vom 17. Dezember 1964 – 3 RK 51/60 –).
Auch wenn – wie im vorliegenden Falle – Bezüge der Arbeitnehmer in Gestalt verbilligter Unterkunft und Verpflegung beitragsrechtlich zu beurteilen sind, gilt dieser Grundsatz. Dem steht nicht entgegen, daß § 160 Abs. 2 RVO in der hier maßgebenden Fassung des Art. 3 § 4 des ArVNG die Bewertung der Sachbezüge für die Sozialversicherung besonders regelt. Diese Vorschrift greift erst Platz, wenn feststeht, daß überhaupt ein beitragspflichtiger Entgelt in Gestalt von Sachbezügen vorliegt. Diese – vorweg nach Lohnsteuerrecht zu beurteilende – Frage ist aber im vorliegenden Falle zu verneinen.
Maßgebend ist für den hier zu beurteilenden Zeitraum (1. Juli 1957 bis 28. Februar 1958) das EStG idF der Bekanntmachung vom 21. Dezember 1954 (BGBl 1954 I 441 = BStBl I 668) unter Berücksichtigung der Änderungsgesetze vom 11. August 1955 (BGBl I 505), 5. Oktober 1956 (BGBl I 781), 19. Dezember 1956 (I, 918) und 26. Juli 1957 (I 848) i.V.m. der LStDV idF vom 27. August 1955 (BGBl I 542 = BStBl I 461) und der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der LStDV vom 21. Dezember 1956 (BGBl I 979). Nach § 2 Abs. 1 LStDV sind lohnsteuerpflichtig alle Einnahmen des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis, d. h. „alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen”. Hierzu gehört auch der Bezug von freier Kleidung, freier Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kost und sonstigen Sachbezügen, die aus einem Dienstverhältnis gewährt werden (§ 3 Abs. 1 LStDV).
Zu den Bezügen „aus einem Dienstverhältnis” in dem dargelegten Sinn gehört auch die Gewährung verbilligter Verpflegung und Unterkunft an die beigeladenen Arbeitnehmer. Zu Unrecht meint der Kläger, die Gewährung verbilligter Kost und Wohnung für sein Personal von dem Arbeitsverhältnis völlig trennen zu können dergestalt, daß aus diesem seinen Arbeitnehmern nur der vereinbarte Barlohn zufließe und daneben ein zweites selbständiges Vertragsverhältnis zwischen ihm und den Arbeitnehmern bestehe, das ihn zur Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung und die Arbeitnehmer zur Entrichtung eines Betrages von 60 DM verpflichte. Der Kläger hat zwar nicht mehr im Arbeitsvertrag, wie es früher im Gaststättengewerbe üblich war, seinen Arbeitnehmern die Einnahme der Mahlzeiten und das Wohnen bei ihm zur Pflicht gemacht und demzufolge einen aus einem verhältnismäßig niedrigen Barlohn und der „freien Station” als Sachbezug bestehenden – „gespaltenen” – Lohn gewährt, sondern die Inanspruchnahme der von ihm angebotenen Vergünstigung des Wohnens und Essens in seinem Betriebe in das Ermessen der Arbeitnehmer gestellt. Dessen ungeachtet bleibt diese Leistung des Klägers, sofern sie Vergünstigung ist, d. h. für den Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil bedeutet, ein Bezug aus dem Arbeitsverhältnis, der den beigeladenen Arbeitnehmern des Klägers nur deshalb gewährt wird, weil sie beim Kläger in Arbeitsverhältnis stehen. Deshalb rechnen die hier maßgeblichen LStR idF der Bekanntmachung vom 20. September 1957 (BStBl I 489) auch die Gewährung verbilligter Unterkunft und Beköstigung grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl. Abschn. 2 Abs. 2; Abschn. 15 Abs. 1 Satz 1 LStR).
Indessen sieht das Lohnsteuerrecht hiervon unter bestimmten Voraussetzungen für „Arbeitnehmer, die nicht in den Haushalt des Arbeitgebers aufgenommen sind” (Abschn. 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gem.Erlasses 1944) Ausnahmen vor (vgl. Hartmann/Böttcher/Charlier, Komm. z. Lohnsteuerrecht, Bd. I, 12. Nachtrag, Sept. 1964; § 3 LStDV Anm. 2e, 5b). Diese Ausnahmeregelungen greifen auch im vorliegenden Falle Platz; denn die beigeladenen Arbeitnehmerinnen sind nicht in die privaten Räume und den Familienkreis des Klägers aufgenommen. Es ist vielmehr für sie „ein Kasino eingerichtet”, wie der Anstellungsvertrag es ausdrückt. Nach dem Vertrag werden „Kasino-Verpflegung” und „Wohnen im Haus” als betriebliche Leistungen gewährt. Demnach sind die beigeladenen Arbeitnehmer nicht in den Haushalt des Klägers auf genommen.
Für sie bestimmt Abschn. 15 Abs. 1 Satz 3 LStR idF der Bekanntmachung vom 20. September 1957 (BStBl I 489) i.V.m. der Verwaltungsanordnung über die Änderung und Ergänzung der LStR vom 25. Juni 1957 (BStBl I 311) „zur Vereinfachung”, daß u. a. verbilligte Mahlzeiten lohnsteuerfrei bleiben, soweit der geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer je Hauptmahlzeit nicht 1,50 DM und je Nebenmahlzeit nicht 0,75 DM übersteigt. Die Bemessung des Wertes der Mahlzeiten richtet sich dabei nach den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts. Das LSG hat als ortsüblichen Mittelpreis für volle Verpflegung im Jahre 1957 in Bad Wörishofen 4,50 DM täglich festgestellt. Die beigeladenen Arbeitnehmerinnen haben für diese Kasinoverpflegung 45 DM monatlich (1,50 DM täglich) gezahlt. Die vom Kläger gewährte Verbilligung gegenüber dem ortsüblichen Mittelpreis betrug somit 3 DM täglich. Sie hielt sich demgemäß in den Grenzen, die die LStR für die Vergünstigung der Lohnsteuerfreiheit dieses Bezugs gesetzt hatten.
Das gleiche gilt von der Gewährung verbilligter Unterkunft an die beigeladenen Arbeitnehmerinnen. Sie hatten für ihre wohnliche Unterbringung 15 DM monatlich zu zahlen. Der ortsübliche Mietpreis für ein einfaches Zimmer, wie es für Gaststättenpersonal üblicherweise zur Verfügung gestellt wird, betrug damals 30 DM. Die vom Kläger seinen Arbeitnehmerinnen bei der wohnlichen Unterbringung gewährte Verbilligung ging somit über den Grenzbetrag von 20 DM nicht hinaus, der nach Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR für die Einbeziehung solcher Vergünstigungen in den steuerpflichtigen Arbeitslohn gesetzt ist.
Demnach rechnet die Gewährung verbilligter Unterkunft und Verpflegung im vorliegenden Falle nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Doch darf dabei nicht übersehen werden, daß dieses Ergebnis im wesentlichen auf Ausnahmeregelungen in den LStR beruht. Die LStR werden auf Grund des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen. Sie sind „allgemeine Verwaltungsvorschriften” (aaO), die, wie die „Einführung” der hier maßgeblichen LStR selbst es ausdrückt, „vorbehaltlich der Entscheidung der Rechtsmittelbehörden in der Hauptsache Zweifelsfragen und Auslegungsfragen” behandeln. In der steuerlichen Praxis wird den LStR eine ungleich stärkere – normähnliche – Bedeutung beigemessen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in stündiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß diejenigen Vorschriften in den LStR, die auf sogenannte „Milderungserlasse” (Steuermilderungen, die die obersten Verwaltungsbehörden allgemein aus Billigkeitsgründen auf Grund des § 12 der Reichsabgabenordnung aF erlassen konnten; vgl. BFH, BStBl 1957 III 148) aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des GG zurückgehen und unverändert fortgelten, als Rechtsnormen anzusehen und somit allgemein verbindlich sind (vgl. BFH, BStBl 1957 III 221; BStBl 1958 III 265; BStBl 1961 III 167, 261 und neuerlich Urt. v. 24.7.1964 in NJW 1965, 222, 223). Als „rechtsnormähnliche, fortgeltende Bestimmung aus der autoritären Zeit” hat der BFH auch Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR angesehen und damit die Steuerfreiheit eines Zuschusses bis zur Höhe von 20 DM zu einer werkseigenen Wohnung bejaht (BFH vom 9. Februar 1962, BGBl 1962 III 165; vom 8. September 1961, BGBl 1961 III 487). Diese Bestimmung ist aus Abschn. B Nr. 9 des Gem. Erlasses des RMF und des RAM von 20. September 1941 (AN 1941, 371) unverändert in die LStR übernommen worden (aA trotzdem der BFH vom 15. November 1956, BStBl 1957 III 148, wo vom 4. Senat ausgeführt wird, daß es sich um eine Verwaltungsvereinfachung handele).
Der Senat braucht die Frage nach dem Rechtsnormcharakter der im vorliegenden Falle anzuwendenden Bestimmungen der LStR nicht abschließend zu entscheiden. Nach dem Zweck des Gem. Erlasses 1944 muß es genügen, daß Regelungen zur Abgrenzung des steuerpflichtigen Arbeitslohns in der Steuerpraxis allgemein als verbindlich behandelt werden, um sie auch für die Bemessung des beitragspflichtigen Entgelts als verbindlich hinzunehmen. Wenn die mit dem Gem. Erlaß 1944 angestrebte Vereinfachung des Lohnabzugs – nämlich die grundsätzlich gleiche Bemessungsgrundlage für Lohnsteuer und Beiträge zur Sozialversicherung – nicht in vielen für die Praxis bedeutsamen Einzelfragen vereitelt werden soll, müssen die für die Abgrenzung des steuerpflichtigen Arbeitslohns bedeutsamen Regelungen sich in gleichem Maße auch für die Entgeltsbestimmung auswirken. Daß der Gem. Erlaß 1944 in diesem Sinne Zweckmäßigkeit und Praktikabilität in den Vordergrund rückt, deutet schon die Fassung des Grundsatzes (Abschn. 1 Satz 1) an, wonach die Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich „von dem Betrage zu berechnen” sind, „der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend ist”. Noch deutlicher zeigt die Regelung in Abschn. 2 Abs. 1 Nr. 1 des Erlasses, die die Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten in bestimmtem Umfange von der Lohnsteuer – und damit auch von der Heranziehung zu Beiträgen zu der Sozialversicherung – befreit und in diesem Zusammenhang entgegenstehende Bestimmungen der LStR ausdrücklich aufhebt, daß den LStR für den vereinfachten gemeinsamen Lohnabzug maßgebliche Bedeutung beigemessen wird.
Demnach wirkt sich im vorliegenden Falle die Freistellung von der Lohnsteuer auf die Beitragspflicht aus. Weil die Gewährung verbilligter Unterkunft und Verpflegung durch den Kläger nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn der beigeladenen Arbeitnehmerinnen gehört, rechnet dieser Bezug auch nicht zum sozialversicherungsrechtlichen Entgelt.
Die Revision der beklagten AOK war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes.
Unterschriften
Dr. Bogs zugleich für den beurlaubten Bundesrichter Richter, Dr. Langkeit
Fundstellen