Leitsatz (amtlich)

Die Zuordnung der vor dem ersten Weltkrieg abgeleisteten Militärdienstzeit und der während des ersten Weltkrieges abgeleisteten Kriegsdienstzeit eines zuvor bei einem Elsaß-Lothringischen Versicherungsträger Versicherten zur deutschen oder zur französischen knappschaftlichen Rentenversicherung richtet sich gemäß 2. Verbg Frankreich Grenzgänger Abschnitt 1 Art 3 und 4 in Verbindung mit den Bestimmungen der Entscheidung des Rats des Völkerbundes vom 1921-06-21 (Baseler Schiedsspruch) danach, ob zuletzt vor dem 1922-01-01 Versicherungszeiten bei einem deutschen Versicherungsträger mit dem Sitz außerhalb Elsaß-Lothringens oder bei einem französischen Versicherungsträger (einschließlich der Elsaß-Lothringischen Versicherungsträger) zurückgelegt worden sind.

Sind unmittelbar vor diesem Stichtag Versicherungszeiten bei einem saarländischen Versicherungsträger zurückgelegt, so ist für die Zuordnung dieser Militär- und Kriegsdienstzeiten maßgebend, ob zuletzt vor diesem saarländischen Versicherungszeiten solche zu deutschen Versicherungsträgern (mit dem Sitz außerhalb Elsaß-Lothringens) oder zu französischen Versicherungsträgern (einschließlich der Elsaß-Lothringischen Versicherungsträger) zurückgelegt worden sind.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 6 Abs. 2 Buchst. e; GrenzgVbg FRA Abschn. 1 Art. 3-4

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 1961 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob die Beklagte bei der Berechnung der Rente des während des Revisionsverfahrens gestorbenen Versicherten die Militärdienstzeit von 1912 bis 1914 und die Kriegsdienstzeit von 1914 bis 1919 zu berücksichtigen hat.

Der Rechtsvorgänger der jetzigen Kläger, der frühere Bergmann Michael B (B.) - der Versicherte -, war vom 11. Dezember 1906 bis zum 12. März 1910 bei der Saarknappschaft, von Mai 1910 bis August 1911 in der deutschen Invalidenversicherung und vom 14. September 1911 bis zum 30. September 1912 bei seinem elsaß-lothringischen Knappschaftsverein pflichtversichert. Vom 16. Oktober 1912 bis zum 31. Juli 1914 genügte er seiner Militärdienstpflicht und nahm vom 1. August 1914 bis zum 15. Dezember 1919 am 1. Weltkrieg teil. Anschließend war er vom 16. Dezember 1919 bis zum 30. Oktober 1920 wieder pflichtversichert bei der Elsaß-Lothringischen Knappschaft, vom 6. November 1920 bis zum 15. Juli 1922 bei der Saarknappschaft und vom 26. Juli 1922 bis zum 31. August 1923 wieder bei einem elsaß-lothringischen Knappschaftsverein. Für die Zeit vom 5. Oktober 1933 bis zum 31. Oktober 1935 wurde er zur deutschen Invalidenversicherung nachversichert. Vom 14. Dezember 1939 bis zum 9. Februar 1942 war er in der deutschen Invalidenversicherung pflichtversichert und vom 1. Januar 1949 bis zum 31. Dezember 1953 freiwillig versichert.

Auf Antrag des Versicherten wurde diesem von der Beklagten mit Bescheid vom 29. Juni 1954 die Knappschaftsrente seit 1. Februar 1954 und mit Bescheid vom 4. Oktober 1955 die Knappschaftsvollrente seit 1. Juni 1955 als Gesamtleistung nach innerstaatlichem deutschem Recht unter Berücksichtigung der Kriegsdienstzeit gewährt. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, er werde weitere Nachricht erhalten, sobald die endgültige Entscheidung des französischen Versicherungsträgers vorliege. Dieser habe den Rentenantrag aus der französischen knappschaftlichen Versicherung abgelehnt und eine Nachprüfung des Rentenanspruchs aus der französischen allgemeinen Sozialversicherung zugesichert. Nachdem der französische Versicherungsträger dem Kläger aus der allgemeinen französischen Sozialversicherung in Verbindung mit dem Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 eine Teilrente rückwirkend vom 1. April 1955 an gewährt hatte, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 1957 die Umrechnung der deutschen Rente vor und stellte sie mit Bescheid vom 5. November 1958 gemäß dem Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) als Knappschaftsruhegeld um.

Gegen die Bescheide vom 25. Mai 1957 und 5. November 1958 erhob B. Widerspruch. Er beanstandete, daß die Beklagte seine Militärdienstzeit von 1912 bis 1914 und die Kriegsjahre von 1914 bis 1919 bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt habe.

Mit Schreiben vom 19. Juni 1959 teilte der französische Versicherungsträger mit, daß er die Kriegsjahre berücksichtige, jedoch die aktive Militärdienstzeit nach dem innerstaatlichen französischen Recht nicht berücksichtigen könne.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 14. Juli 1959 mit der Begründung zurückgewiesen, daß nach den vertraglichen Abmachungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich Versicherungszeiten, die von Arbeitern in knappschaftlich versicherten Betrieben vor dem 1. Januar 1922 zurückgelegt worden seien, als nach der Gesetzgebung des Landes zurückgelegt gälten, in welchem der Versicherungsträger seinen Sitz habe, dem der Versicherte zuletzt vor diesem Tage angehört habe. Die Militär- und Kriegsdienstzeiten seien daher von dem französischen Versicherungsträger zu entschädigen.

Am 27. Juli 1959 hat der Versicherte Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gießen erhoben. Er hat geltend gemacht, daß er am Stichtag, dem 1. Januar 1922, der Saarknappschaft, also keinem französischen Versicherungsträger angehört habe. Mithin obliege dem Versicherungsträger in der Bundesrepublik die Anrechnung seiner Militärdienstzeiten. Er hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 5. November 1958 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 14./22. Juli 1959 zu verurteilen, bei Feststellung der Gesamtrente die Militär- und Kriegsdienstzeit vom 16. Oktober 1912 bis zum 15. Dezember 1919 zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf die Bestimmungen des Allgemeinen deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommens vom 10. Juli 1950 in Verbindung mit der Zweiten Ergänzungsvereinbarung und den nach dieser Vereinbarung weiterhin geltenden Bestimmungen der Entscheidung des Rates des Völkerbundes vom 21. Juni 1921 (Baseler Schiedsspruch) berufen und hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. Mai 1960 abgewiesen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Versicherten mit gleichem Klageantrag hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen durch Urteil vom 29. Mai 1961 zurückgewiesen und hat die Revision zugelassen. Es hält das Urteil des SG für zutreffend und führt im wesentlichen aus: Für die Beurteilung der in Deutschland und in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten gälten nach Abschnitt I Art. 1 der Zweiten Vereinbarung vom 18. Juni 1955 zur Ergänzung des deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommens vom 10. Juli 1950 die Bestimmungen des Art. 1 der Entscheidung des Rates des Völkerbundes vom 21. Juni 1921 über die Sozialversicherung in Elsaß-Lothringen auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des deutsch-französischen Abkommens, soweit nicht in Art. 2 und 3 der 2. Ergänzungsvereinbarung, die jedoch im Falle des Klägers keine Anwendung fänden, etwas anderes bestimmt ist. Nach Art. 1 §§ 24 ff (§ 28) der Entscheidung des Völkerbundrats müßten die am 1. Januar 1919 laufenden und bis zum 31. Dezember 1921 erworbenen Anwartschaften von dem knappschaftlichen Versicherungsträger berücksichtigt werden, der nach dem "bisher geltenden Recht" dazu berufen ist. Mit der Bezugnahme auf das bisherige Recht sei der "Wartburg-Vertrag" vom 1. September 1917 gemeint. Somit habe der Versicherungsträger, dem der Versicherte am 31. Dezember 1921 oder zuletzt vorher angehört habe, die bis dahin erworbenen Anwartschaften zu übernehmen. Wenn der Kläger in diesem Zeitpunkt einer deutschen Knappschaft angehört hätte, läge die gesamte Versicherungslast dagegen bei dem deutschen Versicherungsträger. Es erhebe sich daher die Frage, ob der Kläger durch seine Zugehörigkeit zur Saarknappschaft am Stichtag einem deutschen Versicherungsträger angehört habe oder ob die Saarknappschaft in dem damaligen Zeitpunkt nicht als deutscher Versicherungsträger anzusehen sei. Diese Entscheidung des Völkerbundrats betreffe nur die Auseinandersetzung zwischen den deutschen und den elsaß-lothringischen Versicherungsträgern. Nicht unmittelbar geregelt sei der Fall der Abwanderung von Elsaß-Lothringen über das Saargebiet in das deutsche Reichsgebiet.

Das Saarland sei zwar nur vorübergehend von dem übrigen Reichsgebiet getrennt gewesen, der Zusammenhang mit der deutschen Sozialversicherung sei jedoch unterbrochen gewesen. Die Saarknappschaft habe am 1. Januar 1922 daher nicht zu den Versicherungsträgern gehört, die ihren Sitz im Gebiet des deutschen Reiches in seinen damaligen Grenzen hatten. Die von dem Kläger im Saargebiet zurückgelegte Versicherungszeit müsse daher für die Beantwortung der Frage, welcher Versicherungsträger die in Elsaß-Lothringen erworbene Anwartschaft zu berücksichtigen habe, außer Betracht bleiben. Der Kläger sei nicht am 1. Januar 1922 bei einem Versicherungsträger mit dem Sitz im damaligen Reichsgebiet versichert gewesen, sondern habe zuletzt vorher der knappschaftlichen Pflichtversicherung in Elsaß-Lothringen angehört. Es gälten deshalb die vom 14. September 1911 bis zum 30. Oktober 1920 in knappschaftlich versicherten Betrieben in Lothringen zurückgelegten Versicherungszeiten einschließlich der dazwischenliegenden Militär- und Kriegsdienstzeiten als auf Frankreich übergegangen.

Gegen dieses Urteil hat der Versicherte Revision eingelegt.

Er hält das angefochtene Urteil für unzutreffend. Auf Grund der Verordnung über die Überleitung der Sozialversicherung des Saarlandes vom 15. Februar 1935 (RGBl I 240) gelte für die Sozialversicherung des Saarlandes das Reichsrecht. Nach § 1 der Verordnung gelte für die Sozialversicherung des Saarlandes vom 1. März 1935 an deutsches Recht. Die Saarknappschaft sei spätestens seit diesem Tage, also vor Eintritt des Versicherungsfalles, zu einem deutschen Versicherungsträger geworden. Ihr Status am Stichtage (1. Januar 1922) spiele keine Rolle mehr; denn es könne von diesem Tage an nur noch deutsches Versicherungsrecht angewandt werden.

Das Saargebiet sei zudem auf Grund des Versailler Vertrages nicht endgültig aus dem Verband des Deutschen Reiches gelöst worden, seine Zugehörigkeit zum Deutschen Reich sei nur suspendiert und das Saargebiet vorläufig unter die Regierung des Völkerbundes gestellt worden. Dadurch sei das Saargebiet nicht zum Ausland geworden und seine Versicherungsträger seien infolgedessen auch nicht als ausländische Versicherungsträger im Sinne des Art. 3 der 2. Ergänzungsvereinbarung zum Deutsch-Französischen Sozialversicherungsabkommen vom 18. Juni 1955 anzusehen. Nach dieser Bestimmung finde die Gesetzgebung desjenigen Landes Anwendung, dessen knappschaftlicher Versicherung der Berechtigte am Stichtage angehört habe. Selbst wenn man der Auffassung sei, daß diese Vereinbarung den Fall des Klägers treffe, so könne es jedenfalls auf den Status des Saarlandes oder auf die Frage, ob die saarländischen Knappschaftsversicherungen deutsche Versicherungsträger seien, nicht ankommen. Der Art. 3 der 2. Ergänzungsvereinbarung spreche von der Gesetzgebung, die Anwendung finden solle, nicht von der staatsrechtlichen Stellung des Versicherungsträgers. Nach der Verordnung vom 15. Februar 1935 komme aber deutsches Recht zur Anwendung, so daß er auch Anspruch auf "die deutsche Regelung der Ersatzzeiten" habe. Die Präambel der Entscheidung des Völkerbundes vom 21. Juni 1921 lasse erkennen, daß eine umfassende Regelung beabsichtigt gewesen sei. Es sei daher nicht zu verstehen, weshalb die Versicherungsträger des Saarlandes, das ja gerade unter die Verwaltung des Völkerbundes gestellt worden sei, von dieser Regelung ausgenommen sein sollten. Der Grundgedanke der Entscheidung des Rates des Völkerbundes erstrecke sich daher auch auf das Saargebiet. Infolgedessen fände auch § 28 der Völkerbundsentscheidung volle Anwendung auf die Saarknappschaft. Das LSG habe zudem nicht geprüft, ob die Rente unter Anwendung der EWG-Verordnung Nr. 3 berechnet werden müsse. Diese Verordnung sei zu Unrecht unberücksichtigt geblieben.

Er beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 29. Mai 1961 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. Juli 1959 aufzuheben, sowie den Bescheid vom 5. November 1958 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei Feststellung des Altersruhegeldes die Militär- und Kriegsdienstzeit vom 16. Oktober 1912 bis zum 15. Dezember 1919 zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie vertritt die Ansicht, daß von der Entscheidung des Völkerbundrats nur der Wechsel zwischen Elsaß-Lothringen und dem Reichsgebiet ohne das Saarland erfaßt werde, weil im Zeitpunkt dieser Entscheidung das damals abgetrennte Saargebiet vom Reichsgebiet losgelöst gewesen sei. Der Versicherte sei demnach am 31. Dezember 1921 bei einem Versicherungsträger versichert gewesen, der von der Völkerbundratsentscheidung nicht erfaßt worden sei. Zuletzt vor dem maßgebenden Stichtag habe er der knappschaftlichen Versicherung in Lothringen angehört, so daß die elsaß-lothringischen Versicherungszeiten als nach der Gesetzgebung Frankreichs zurückgelegt gälten. Die Tatsache, daß der Versicherungsfall erst im Jahre 1954, also nach Inkrafttreten der seit 1. März 1935 geltenden Verordnung über die Überleitung der Sozialversicherung des Saarlandes vom 15. Februar 1935 eingetreten sei, habe keinen Einfluß auf den Übergang der Versicherungszeiten. Durch die Übernahme der in der Völkerbundratsentscheidung geregelten Lastenverteilung in die Zweite Ergänzungsvereinbarung zum Deutsch-Französischen Abkommen sei in einer zwischenstaatlichen Sondervorschrift eine vom innerstaatlichen Recht abweichende Regelung getroffen.

Art. 3 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung spreche an keiner Stelle von "ausländischen Versicherungsträgern". Es werde auch nicht behauptet, die Saarknappschaft sei ein französischer Versicherungsträger gewesen. Die Versicherungszeit bei der Saarknappschaft habe nur deshalb keine Auswirkungen, weil das Saarland von der Entscheidung des Völkerbundrats nicht erfaßt worden sei.

Die Auffassung der Revision, bei der Rentenberechnung seien die am 1. Januar 1959 in Kraft getretenen EWG-Verordnungen Nr. 3 und 4 zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, treffe nicht zu. Eine Neufeststellung der nach bisherigem zwischenstaatlichem Recht festgesetzten Renten sei nur auf Antrag des Berechtigten vorzunehmen; ein solcher Antrag sei aber nicht gestellt worden. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, könnten die in Rede stehenden Versicherungszeiten nicht anders zugeordnet werden als geschehen. Abschnitt I der Zweiten Ergänzungsvereinbarung (Bestimmungen zur Anwendung des Baseler Schiedsspruches auf gewisse Versicherungszeiten) sei nämlich in Anhang D der EWG-Verordnung Nr. 3 aufgenommen und bleibe daher in vollem Umfang anwendbar (Art. 6 Abs. 2 Buchst. e EWG-Verordnung Nr. 3).

Nach innerstaatlichem französischem Recht werde die aktive Militärdienstzeit des Klägers vom 16. Oktober 1912 bis zum 31. Juli 1914 nicht berücksichtigt. Das habe jedoch nicht zur Folge, daß dann ersatzweise die aktive Militärdienstzeit aus der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zu entschädigen sei. Nach Art. 3 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung seien die gesamten elsaß-lothringischen Versicherungszeiten auf Frankreich übergegangen. Art. 4 lege ergänzend hierzu fest, daß bei der Anwendung des Art. 3 auch die Zeiten der Erfüllung der Wehrpflicht sowie die Mobilmachungs- und Kriegsdienstzeiten als Versicherungszeiten zu berücksichtigen seien.

Auch die Ersatzzeiten gehörten also im vorliegenden Fall zu den französischen Versicherungszeiten. Der Umstand, daß nach innerstaatlichem französischem Recht die aktive Militärdienstzeit nicht als Ersatzzeit anerkannt werde, ändere nichts daran, daß sie in die französische Versicherungslast falle.

Der Versicherte ist am 24. März 1962 gestorben. Die Sonderrechtsnachfolgerin, seine mit ihm bis zu seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft lebende Witwe, die den Rechtsstreit aufgenommen hat, ist am 6. Mai 1964 ebenfalls gestorben. Deren Erben, ihr Sohn und ihre Tochter, haben daraufhin das Verfahren aufgenommen.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Zu Recht haben die Vorinstanzen die Auffassung der Beklagten bestätigt, daß die Militärdienstzeit des Versicherten von 1912 bis 1914 und die Kriegsdienstzeit von 1914 bis 1919 bei der Gewährung der deutschen knappschaftlichen Rente nicht rentensteigernd zu berücksichtigen sind.

Es kann dahinstehen, ob die streitigen Zeiten nach § 53 i. V. m. § 56 Abs. 1, § 50 und § 51 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) bei der Berechnung der deutschen Rente des Versicherten berücksichtigt werden müßten. Das könnte nur dann der Fall sein, wenn es sich um deutsche Versicherungszeiten handeln würde. Nach dem im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 (Gesetz vom 18. Oktober 1951 - BGBl II 177 ff -) - Deutsch-Französisches Sozialversicherungsabkommen - in Verbindung mit der Zweiten Vereinbarung zur Ergänzung des Allgemeinen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 sowie der Ersten, Zweiten und Vierten Zusatzvereinbarung zu diesem Abkommen vom 18. Juni 1955 (Gesetz vom 24. Dezember 1958 - BGBl II 1958, 755 -), in Kraft getreten am 1. Januar 1952 (Bekanntmachung vom 29. Juni 1959 - BGBl II 838 -), - Zweite Ergänzungsvereinbarung - fallen diese Zeiten aber seit dem 1. Januar 1952 in die Last der französischen Sozialversicherung, soweit dies nicht schon nach früherem Recht der Fall gewesen sein sollte. Dies aber bedeutet, daß sie nicht mehr als deutsche Versicherungszeiten behandelt werden können.

Nach Abschnitt I Art. 3 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung gelten die Bestimmungen des Art. 1 der Entscheidung des Rates des Völkerbundes vom 21. Juni 1921 (Baseler Schiedsspruch) auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Deutsch-Französischen Sozialversicherungsabkommens weiter, soweit nicht in Art. 2 und 3 etwas anderes bestimmt ist. Nach Art. 3 Abs. 1 gelten Versicherungszeiten, die von Arbeitern in knappschaftlich versicherten Betrieben vor dem 1. Januar 1922 in der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung oder bei den Bergwerkskassen der französischen Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle zurückgelegt worden sind, als nach der Gesetzgebung des Landes zurückgelegt, in welchem der Versicherungsträger seinen Sitz hat, dem der Versicherte zuletzt vor diesem Tag angehört hat. Da allgemein von Versicherungszeiten, die in der deutschen "knappschaftlichen Rentenversicherung" zurückgelegt sind, und nicht etwa von Versicherungszeiten, die in der knappschaftlichen Pensionsversicherung zurückgelegt sind, die Rede ist, gilt diese Vorschrift sowohl für die damalige knappschaftliche Pensionsversicherung als auch für die damals von den Knappschaften durchzuführende Invalidenversicherung. Durch diese Bestimmung werden Art. 1 Abschn. I § 6 und Abschn. 5 § 28 des Baseler Schiedsspruches (RGBl 1921, 1289 ff) mit zum Teil allerdings abweichendem Inhalt zusammengefaßt. Der Baseler Schiedsspruch erging auf Grund des Art. 312 Abs. 4 des Versailler Vertrages (RGBl 1919, I 687 ff). Dieser Schiedsspruch sollte gefällt werden, wenn die deutsche und die französische Regierung sich nicht auf ein Abkommen zur Durchführung des Art. 312 einigen konnten. Da diese Einigung nicht zustande kam, wurde sie durch diesen Schiedsspruch ersetzt. Als Ersatz des an sich vorgesehenen deutsch-französischen Übereinkommens kann er nur soweit wirken, wie die französische und die deutsche Regierung eine Vereinbarung hätten treffen können. Dies bedeutet, daß er nur für Deutschland in den Grenzen gilt, für welche die deutsche Regierung damals handlungsfähig war, d. h. ohne Elsaß-Lothringen und ohne das Saarland, und für Frankreich einschließlich Elsaß-Lothringens, aber ebenfalls ohne das Saarland. Denn für das Saarland war seit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages weder die deutsche Regierung noch die französische Regierung, sondern allein die Regierungskommission des Saarlandes handlungsfähig (Art. 45 ff des Versailler Vertrages). Die deutsche und die französische Regierung konnten also damals keine für das Saarland verbindlichen Verträge abschließen. Der Baseler Schiedsspruch oder zumindest sein materiell-rechtlicher Inhalt ist auch nicht etwa später - während der Zeit, in welcher das Saarland wieder der deutschen Regierungsgewalt unterstand - auf das Saarland ausgedehnt worden. Vor allem ist er nicht etwa durch Abschnitt I Art. 1 ff der Zweiten Ergänzungsvereinbarung im Saarland eingeführt worden. Abgesehen davon, daß diese Vereinbarung nur die Weitergeltung des Baseler Schiedsspruches regelt, ihn also damit nicht etwa auf Gebiete ausdehnt, in welchen er bis dahin nicht gegolten hat, ist in Art. 3 des Gesetzes über diese Vereinbarung vom 24. Dezember 1958 (BGBl II 1958, 755) ausdrücklich bestimmt, daß dieses Gesetz nicht im Saarland gilt. Der Baseler Schiedsspruch hat also nur Bedeutung für Frankreich und Deutschland ohne das Saarland.

Nach Abschnitt I Art. 3 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung ist die Zuteilung von Versicherungszeiten zur deutschen oder zur französischen Sozialversicherung davon abhängig, in welchem Land der Versicherungsträger seinen Sitz hat, dem der Versicherte zuletzt vor dem 1. Januar 1922 angehört hat. Nach Art. 4 aaO gilt dasselbe für Zeiten der Erfüllung der Wehrpflicht und des Kriegsdienstes. Schwierigkeiten treten im vorliegenden Fall deshalb auf, weil der Versicherte unmittelbar vor dem 1. Januar 1922 der Saarknappschaft angehört hat, also einem Versicherungsträger, der in einem Gebiet seinen Sitz hat, das von dem Baseler Schiedsspruch nicht erfaßt ist.

Da nicht anzunehmen ist, daß der Baseler Schiedsspruch in diesen Fällen überhaupt nicht angewandt werden soll, kann er nur dahin verstanden werden, daß es in einem solchen Fall darauf ankommt, ob der Versicherte zuletzt vor dem maßgebenden Stichtag, ohne Berücksichtigung der Zeit, während welcher er in einem nicht von dem Baseler Schiedsspruch erfaßten Gebiet versichert war, bei einem elsaß-lothringischen oder bei einem deutschen Versicherungsträger (mit dem Sitz außerhalb Elsaß-Lothringens) versichert gewesen ist. Die unmittelbar vor dem maßgebenden Stichtag bei saarländischen Versicherungsträgern zurückgelegten Versicherungszeiten können hierbei ebensowenig wie die bei Versicherungsträgern dritter Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten maßgebend sein. Denn man muß davon ausgehen, daß nur solche Versicherungszeiten diese für alle vorhergehenden Versicherungszeiten bestimmende Bedeutung haben können, die auf Grund des Baseler Schiedsspruches zuteilungsfähig sind. Die saarländischen Versicherungszeiten werden aber durch den Baseler Schiedsspruch ebensowenig wie ausländische Versicherungszeiten der deutschen oder der französischen Sozialversicherung zugeteilt, weil der Baseler Schiedsspruch sie nicht erfaßt (so im Ergebnis auch Geselle, Komm. zum Reichsknappschaftsgesetz Anm. 5 zu § 237).

Da der Versicherte zuletzt vor dem 1. Januar 1922, wenn von den saarländischen Versicherungszeiten abgesehen wird, Versicherungszeiten bei elsaß-lothringischen Versicherungsträgern zurückgelegt hat, gelten die streitigen Zeiten als in Frankreich zurückgelegt und können daher bei Berechnung der deutschen Rente nicht berücksichtigt werden.

Auf das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 (BGBl I 848 idF v. 21. Januar 1956 - BGBl I 17 - und vom 4. September 1956 - BGBl I 767 -) - FAG - kann der geltend gemachte Anspruch nicht mit Erfolg gestützt werden, weil dieses Gesetz nach § 1 Abs. 1 aaO gegenüber zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen nur subsidiär gilt, hier aber durch das Deutsch-Französische Sozialversicherungsabkommen einschl. der 2. Ergänzungsvereinbarung eine abschließende Regelung getroffen worden ist. Dasselbe gilt hinsichtlich des Fremdrentengesetzes idF des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93). Denn nach § 2 aaO ist das Fremdrentengesetz (FRG) nicht anzuwenden, wenn Versicherungszeiten nach zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen von einem der beteiligten Länder anzurechnen sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall angerechnet werden. Nach Abschn. I Art. 4 i. V. m. Art. 3 des Zweiten Ergänzungsabkommens fallen aber sowohl die Militärdienstzeit wie die Kriegsdienstzeit in die französische Sozialversicherungslast. Der Umstand, daß der französische Versicherungsträger die Militärdienstzeit - sei es zu Recht oder zu Unrecht - nicht berücksichtigt, ist unerheblich.

Durch den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage (Gesetz vom 22. Dezember 1956 - BGBl II 1587) ist eine Änderung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs nicht eingetreten, obwohl der Versicherte von 1919 bis 1920 Versicherungszeiten im Saarland zurückgelegt hat. Denn nach Art. 34 aaO gilt weiterhin das Deutsch-Französische Sozialversicherungsabkommen, weil der Versicherte bei Stellung seines Rentenantrags im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, außerhalb des Saarlandes wohnte.

Entgegen der Ansicht der Kläger können die Militär- und Kriegsdienstzeit des Versicherten auch nicht etwa deshalb als deutsche Versicherungszeiten angesehen werden, weil der Versicherte in den Jahren 1920 und 1922 im Saarland gewohnt und gearbeitet hat und bei einem saarländischen Versicherungsträger versichert gewesen ist. Dies würde nur möglich sein, wenn diese Zeiten durch saarländisches Gesetz saarländische Versicherungszeiten geworden wären, da sie nur dann bei der jeweiligen Wiedereingliederung des Saarlandes in das Deutsche Reich deutsche Versicherungszeiten hätten werden können. Es ist aber kein entsprechendes saarländisches Gesetz ergangen.

Auch durch das Gesetz zur Angleichung des Sozialversicherungsrechts im Saarland an das im übrigen Bundesgebiet geltende Recht (Sozialversicherungs-Angleichungsgesetz Saar) vom 15. Juni 1963 (BGBl I 402 ff) ist kein Anspruch auf Anrechnung der elsaß-lothringischen Versicherungszeiten in der deutschen Sozialversicherung entstanden. Zwar bleiben nach § 27 aaO Leistungen, auf die im Zeitpunkt der Verkündung dieses Gesetzes nach dem saarländischen Gesetz Nr. 345, das nach § 35 Abs. 2 Buchst. b aaO mit Wirkung vom 1. Januar 1959 außer Kraft getreten ist, ein Anspruch bestand, erhalten. Der Versicherte hatte aber nach dem Gesetz Nr. 345 keinen Anspruch, weil er - seit 1922 - nicht Einwohner des Saarlandes gewesen ist. Nach § 28 des Sozialversicherungs-Angleichungsgesetzes Saar ist der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht begründet, weil der Versicherungsfall bereits vor Verkündung dieses Gesetzes (27. Juni 1963) eingetreten ist. Auch nach § 29 aaO ist der erhobene Anspruch nicht begründet. Es kann schon zweifelhaft sein, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift überhaupt gegeben sind, denn ein Anspruch besteht schon aus einem anderen Grunde nicht. Eine Leistung von dem Inkrafttreten des Gesetzes an scheidet aus, weil der Versicherte bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gestorben ist. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift kann eine Leistung allerdings auch für die zurückliegende Zeit, frühestens vom 1. Januar 1959 an, gewährt werden. Dies setzt jedoch voraus, daß diese Leistung binnen zwei Jahren nach der Verkündung des Gesetzes, d. h. bis zum 27. Juni 1965 beantragt worden ist. Das ist jedoch nicht geschehen. Der Versicherte war wegen seines Todes nicht mehr in der Lage, diesen Antrag zu stellen. Die Rechtsnachfolger des Versicherten aber können ihn nicht stellen, weil es sich um einen seiner Art nach höchstpersönlichen Antrag handelt, der, ebenso wie der Rentenantrag, allein von dem Versicherten gestellt werden kann.

Der Anspruch kann auch nicht etwa vom 1. Januar 1959 an auf die Verordnungen Nr. 3 und 4 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Verordnungen Nr. 3 und 4) - BGBl 1959 II 473 ff - gestützt werden. Denn Teil (Abschnitt) I der Zweiten Ergänzungsvereinbarung vom 18. Juni 1955 ist im Anhang D der EWG-Verordnung Nr. 3, Abschnitt Bundesrepublik Deutschland-Frankreich unter Nr. 5 aufgenommen und bleibt daher nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. e EWG-VO Nr. 3 in vollem Umfange anwendbar. Unter der Herrschaft der EWG-VOen Nr. 3 und 4 können daher die streitigen Zeiten von dem deutschen Versicherungsträger aus denselben Gründen nicht berücksichtigt werden, die für die vorhergehende Zeit nach dem Deutsch-Französischen Sozialversicherungsabkommen und der Zweiten Ergänzungsvereinbarung maßgebend sind.

Auch aus der Bekanntmachung über die Fürsorge für Versicherte aus den abgetretenen Gebieten vom 28. November 1930 (AN 1930, 497) können die Kläger keinen Anspruch herleiten. Denn Grundlage dieser Fürsorgeleistung ist kein Gesetz, sondern nur eine Bekanntmachung, d. h. eine Verwaltungsanordnung des damaligen Reichsarbeitsministers (vgl. Rosenberg, Reichsversicherung 1931, 51; Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, Komm. zum AVG, 2. Aufl. S. 373). Auf dem Gebiet des Leistungsrechts der Rentenversicherung können aber einklagbare Rechtsansprüche auf Leistungen nur auf Grund eines Gesetzes oder einer gesetzesgleichen Verordnung entstehen. Denn das Leistungsrecht der Rentenversicherung ist gesetzlich abschließend geregelt, so daß der Verwaltung ein gesetzesfreier Raum nicht zur Verfügung steht. Das galt auch schon zur Zeit des Erlasses dieser Bekanntmachung im Jahre 1930. Ob in der Zwischenzeit von 1933 bis 1945 etwas anderes gegolten hat, bedarf hier keiner Untersuchung. Da die Beklagte Leistungen auf Grund dieser Bekanntmachung, soweit sie auf elsaß-lothringischen Versicherungszeiten beruhen, schon seit 1940 nicht mehr erbringt, können die Kläger sich auch nicht darauf berufen, daß ihnen unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine Leistung gewährt werden müsse.

Aus dem Umstand, daß die Beklagte in früheren Bescheiden, die vor dem Bescheid des französischen Versicherungsträgers ergangen sind, die Kriegsdienstzeit berücksichtigt hat, kann nicht gefolgert werden, daß sie diese auch in dem jetzt allein noch angefochtenen Bescheid vom 15. November 1958, der auf dem Deutsch-Französischen Sozialversicherungsabkommen beruht, ebenfalls berücksichtigen müßte. Ob in dem allein noch angefochtenen Bescheid vom 15. November 1958 die Höhe der Rente im übrigen zutreffend festgestellt worden ist, ist nach dem Klageantrag nicht im Streit.

Da somit kein Anspruch auf rentensteigernde Berücksichtigung der Militärdienstzeit von 1912 bis 1914 und der Kriegsdienstzeit von 1914 bis 1919 bei der deutschen knappschaftlichen Rente besteht, erweist sich die Revision als unbegründet, so daß sie zurückgewiesen werden muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 175

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