Leitsatz (amtlich)
Kein Ersatzanspruch einer KK gegen Versorgungsverwaltung wegen Kosten für Zahnersatz, der einem Schwerbeschädigten unabhängig von Schädigungsfolgen gewährt wird (Anschluß an BSG 1974-05-21 10 RV 451/73 = SozR 3100 § 18c Nr 1).
Leitsatz (redaktionell)
Ausschluß der nach BVG § 10 Abs 2 zustehenden Leistung der Versorgungsverwaltung durch den Zuschuß der Krankenkasse zu den Zahnersatzkosten:
Schon vor dem Inkrafttreten des BVG § 18c Abs 6 S 2 und 3 schloß der Zuschuß der Krankenkasse zu den Zahnersatzkosten die für nichtschädigungsbedingten Zahnersatz gemäß BVG § 10 Abs 2 zustehende Leistung aus, wenn der Zahnersatz auf Kosten des Schwerbeschädigten eingegliedert worden ist und er damit von der Versorgungsverwaltung die Leistung nicht mehr in Natur, sondern nur noch eine Erstattung hätte verlangen können.
Normenkette
BVG § 10 Abs. 2, § 18 Abs. 4, § 18c, § 18c Abs. 6 Sätze 2-3
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1974 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. August 1973 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin gewährte den bei ihr versicherten Schwerkriegsbeschädigten K. und S. auf deren Antrag im Jahre 1968 Zuschüsse zu den Kosten für nicht schädigungsbedingten Zahnersatz in Höhe von DM 856,10, davon DM 743,90 als vollen Kostenersatz an S. und DM 112,25 als teilweisen Kostenersatz (Gesamtkosten DM 124,50) an K. Das Einkommen beider Beschädigten unterschritt in dieser Zeit die in § 10 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF erwähnte Jahresarbeitsverdienstgrenze.
Mit Schreiben vom 28. März 1969 forderte die Klägerin vom Beklagten die Erstattung dieser irrtümlich an dessen Stelle erbrachten Zuschüsse, die von ihr nach § 13 Abs. 10 der Versicherungsbedingungen nicht zu leisten gewesen seien.
Der Beklagte lehnte die Erstattung mit Schreiben vom 22. April 1969 ab, weil der gewährte Zuschuß zum Zahnersatz keine einer von ihm auf Antrag zu erbringenden Sachleistung gleichwertige Leistung sei.
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage, mit der die Klägerin den Erstattungsanspruch weiterverfolgte, mit Urteil vom 3. August 1973 ab, weil primär für die Behandlung von Nichtschädigungsfolgen die Krankenkasse leistungspflichtig sei, was sich unabhängig von der Zuständigkeitsregelung des § 18c Abs. 1 BVG aus § 10 Abs. 2 und 5 BVG ergebe und durch § 18c Abs. 6 Satz 2 BVG nF klargestellt werde.
Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten zur Zahlung von DM 856,15 an die Klägerin (Urteil vom 14. Februar 1974, veröffentlicht in ErsK 1974, 471 - 474). Das LSG hielt die Berufung der Klägerin entgegen der Ansicht der übrigen Beteiligten für zulässig. Es ist den Erwägungen im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juli 1972 (SozR Nr. 5 zu § 14 BVG) gefolgt.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Klägerin habe die Zuschüsse nicht ohne Rechtsgrund erbracht und nicht "anstelle" der Verwaltung gewährt. Ansprüche Schwerbeschädigter auf Heilbehandlung von Nichtschädigungsfolgen seien ausgeschlossen, wenn ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet sei. Damit sei das Rangverhältnis zwischen Versorgungsbehörde und Krankenkasse hinsichtlich der Kostentragung im Innenverhältnis in der Weise geregelt, daß bei Nichtschädigungsfolgen die Lasten einer Heilbehandlung in erster Linie von den Sozialversicherungsträgern zu übernehmen seien. Durch die Neufassung des § 18c Abs. 6 BVG werde der bisherige Rechtszustand klargestellt. Nach der Eingliederung des Zahnersatzes wäre für die Versorgungsbehörde anstelle der Sachleistung nur noch eine Kostenerstattung nach § 18 Abs. 2 BVG in Betracht gekommen, die dem gleichen Zweck gedient hätte wie die Zuschüsse der Klägerin. Die Klägerin könne sich hinsichtlich des Ausschlusses der Beschädigten von der Zuschußgewährung nicht auf § 13 Abs. 10 ihrer Versicherungsbedingungen berufen. Da die Klägerin die Zuschüsse pflichtgemäß erbracht habe, sei die Leistung nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des LSG an.
Die Beigeladene stellt den inhaltsgleichen Antrag wie der Beklagte und vertritt die Ansicht, die Voraussetzung für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei nicht gegeben und die Klägerin auch nicht aufgrund des § 13 Abs. 10 ihrer Versicherungsbedingungen von der Leistung befreit. Dem Wort "entsprechende" in § 18c Abs. 6 BVG aF komme eine andere Bedeutung zu als in § 10 Abs. 6 BVG aF. Während es in § 10 Abs. 6 BVG aF darum gehe, Leistungen nach dem BVG auszuschließen, stelle § 18c Abs. 6 BVG darauf ab, den Versorgungsberechtigten Leistungsmöglichkeiten anderer Träger offen zu halten, wobei es auf eine Kongruenz nach "Art und Umfang" der Leistungen nicht ankomme. Das LSG hätte prüfen müssen, ob § 13 Abs. 10 der Versicherungsbedingungen sich nicht nur auf Leistungen für Schädigungsfolgen beziehe. Bei der selbst durchgeführten Heilbehandlung hätte nach § 18 Abs. 2 BVG eine Kostenerstattung nur erfolgen müssen, wenn zwingende Gründe die Inanspruchnahme der Versorgungsbehörde unmöglich machten. Da solche Gründe nicht vorgelegen hätten, habe auch keine Leistungspflicht des Beklagten bestanden, ihm habe durch die Leistung der Klägerin kein Vermögensvorteil entstehen können, denn er sei nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Beklagten ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das LSG hat die Berufung zutreffend als zulässig angesehen, weil sich der Beschwerdewert (§ 149 SGG) bei Ersatzstreitigkeiten zwischen Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts nach dem Gesamtbetrag des Beschwerdegegenstandes richtet. Betrifft die Beschwer mehrere Ansprüche, so werden diese zusammengerechnet (BSG 24, 260). Die Revision erweist sich auch als erfolgreich, weil die Klägerin entgegen der Auffassung des LSG keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz der von ihr den Beschädigten K. und S. gewährten Zuschüsse für Zahnersatz hat.
Ein solcher Ersatzanspruch kann unstreitig nicht auf die §§ 19, 20 BVG gestützt werden, weil die Zuschüsse an krankenversicherte Beschädigte wegen nicht als Schädigungsfolgen anerkannten Zahnverlusten gewährt wurden. Dadurch wird zwar ein öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch der Klägerin, mit dem durch einen internen Leistungsausgleich ungerechtfertigte Rechtsgüterverschiebungen zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern des öffentlichen Rechts ausgeglichen werden sollen, nicht schlechthin ausgeschlossen (SozR Nr. 5 zu § 14 BVG aF; SozR 3100 § 18c Nr. 1 m. w. Nachw.). Da die Klägerin den nach ihren Versicherungsbedingungen vorgesehenen Zuschuß für Zahnersatz geleistet hat und der Beklagte nach § 10 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 BVG aF nicht leistungspflichtig war, kommt ein solcher Ausgleich aber hier nicht in Betracht. Denn nach § 10 Abs. 2 und 5a BVG aF war der Anspruch Schwerbeschädigter auf Heilbehandlung - worunter nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 BVG auch Zahnersatz fiel - für Gesundheitsstörungen, die nicht als Schädigungsfolgen anerkannt waren, u.a. dann ausgeschlossen, wenn ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet war. Dafür, daß dem Wort "entsprechend" in § 10 Abs. 5a BVG eine andere Bedeutung als in § 18c Abs. 6 BVG nF zukam - wie die Beigeladene meint -, ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Nach Abschnitt I Nr. 4 des 1968 noch gültigen Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 2. November 1943 (vgl. AN 1943, II S. 485 f.) konnten die Krankenkassen Zuschüsse zu den Kosten für Zahnersatz gewähren (BSG 22, 67). Von dieser Möglichkeit hatte die Klägerin in § 13 ihrer Versicherungsbedingungen (Stand: 1. September 1968) Gebrauch gemacht und die näheren Einzelheiten über Beteiligung an den Kosten einer prothetischen Behandlung mittels eines Zuschusses je nach Mitgliedschaftsdauer geregelt (§ 13 Abs. 4 bis 7 der Versicherungsbedingungen). Bei Zahnverlust infolge Arbeitsunfall bzw. Berufserkrankung sowie bei prothetischer Versorgung von Kriegsbeschädigten und Heimkehrern bestimmte sich der Anspruch des Mitgliedes nach den hierfür geltenden besonderen Vorschriften (§ 13 Abs. 10 Versicherungsbedingungen). Ob mit der Beigeladenen die Auslegung zu erwägen ist, auch bei prothetischer Versorgung von Kriegsbeschädigten und Heimkehrern komme es hiernach auf einen ursächlichen Zusammenhang des Zahnverlustes mit einem schädigenden Ereignis an, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst bei Anwendung der "für Kriegsbeschädigte und Heimkehrer geltenden besonderen Vorschriften" im Sinne der von der Klägerin vertretenen Auffassung wäre ein Ausschluß der Beschädigten K. und S. von der Zuschußgewährung nicht gerechtfertigt. Wie der 10. Senat des BSG im Urteil vom 21. Mai 1974 - 10 RV 451/73 - (SozR 3100 § 18c Nr. 1) bereits ausgeführt hat, gehört nämlich zu den "besonderen Vorschriften" auch § 18c Abs. 6 BVG, wonach auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen öffentlich-rechtlicher Leistungsträger, auf die jedoch kein Anspruch bestand, nicht deshalb versagt werden durften, weil nach den §§ 10 bis 24a BVG entsprechende Leistungen vorgesehen waren. Hiernach ist davon auszugehen, daß die Klägerin in Fällen der vorliegenden Art leistungspflichtig vor dem Beklagten war. Eine "entsprechende Leistung" war nämlich immer dann gegeben, wenn nach § 18 Abs. 2 BVG lediglich noch eine Geldleistung in Betracht kommen konnte, weil die Sachleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 18c Abs. 1 BVG) wegen der bereits durchgeführten Heilbehandlung (Zahnersatz) nicht mehr möglich war. Zumindest in diesen Fällen handelte es sich - wie der 10. Senat in seinem Urteil vom 21. Mai 1974 (aaO) ausgesprochen hat - um eine "kongruente" Leistung, die den Voraussetzungen einer "entsprechenden Leistung" genügte. Durch die "Zuständigkeitsregelung" des § 18c Abs. 1 BVG in der wegen des Zeitpunktes der Leistung anzuwendenden Fassung des 3. Neuordnungsgesetzes (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BVBl I 750) war zwar für die Gewährung von Zahnersatz und für Zuschüsse für die Beschaffung von Zahnersatz die Verwaltungsbehörde zuständig, während im übrigen die §§ 10, 11, 12, 17, 18a bis 19, 21 und 24a BVG durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenkassen) durchgeführt wurden (§ 18c Abs. 2 BVG; BT-Drucks. V 1012, S. 25 Nr. 14). Andererseits besagte § 18 Abs. 2 Satz 1 BVG aber, daß die Kosten einer nach der Anerkennung selbst durchgeführten Heilbehandlung in angemessenem Umfang zu erstatten seien, wenn zwingende Gründe die Inanspruchnahme der Krankenkasse (§ 18c Abs. 2 BVG) oder der Versorgungsbehörde (§ 18c Abs. 1 BVG) unmöglich machten. Für versorgungsberechtigte Krankenkassenmitglieder sollte dies jedoch nur gelten, wenn die Kasse nicht zur Leistung verpflichtet war, sowie hinsichtlich der Leistungen, die nach § 18c Abs. 1 BVG durch die Verwaltungsbehörde zu gewähren waren. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, daß krankenversicherte Beschädigte unter den genannten Voraussetzungen u.a. Kosten für Zahnersatz erstattet erhielten, sofern die Krankenkasse nicht zur Leistung verpflichtet war. Die Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall scheitert aber bereits daran, daß die Beschädigten K. und S. die Krankenkasse tatsächlich in Anspruch genommen und auf deren Kosten den Zahnersatz auch schon erhalten hatten, zwingende Gründe also der Inanspruchnahme der Versorgungsbehörde nicht entgegengestanden haben. Auch deshalb entfiel eine Leistungspflicht des Beklagten. Dieser Rechtsauffassung steht die Entscheidung des 8. Senats vom 28. Juli 1972 (SozR Nr. 5 zu § 14 BVG), der inzwischen nicht mehr für Kriegsopferversorgung (KOV) zuständig ist, nicht entgegen, weil der dort entschiedene Fall dadurch gekennzeichnet gewesen ist, daß der Verlust von 7 Zähnen als Schädigungsfolge anerkannt war, also ein Anspruch auf Heilbehandlung nicht nach § 10 Abs. 2, sondern nach § 10 Abs. 1 BVG bestand. Zwar können nach § 18c Abs. 1 BVG auch Zuschüsse in angemessener Höhe zur Beschaffung von Zahnersatz von der Verwaltungsbehörde gewährt werden, jedoch unterliegen diese Kann-Leistungen ebenfalls den Voraussetzungen des § 10 Abs. 4, 5 und 6 BVG, sind also gegenüber der Leistungspflicht der Klägerin in jedem Fall subsidiär (§ 12 Abs. 2 BVG). Der Umstand, daß ein öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch der Klägerin durch die §§ 19, 20 und 81b BVG nicht ausgeschlossen wäre, kommt demzufolge hier nicht zum Tragen. Eine irrtümliche Leistungspflicht der Klägerin hat nicht vorgelegen, sie hat auch kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft ausgeführt (§ 677 f. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) und den Zuschuß nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Auf die mit dieser Ansicht übereinstimmende Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) im Rundschreiben vom 29. Januar 1973 (BVBl 1973, S. 11) wird ergänzend hingewiesen. Auch nach dem Rundschreiben des BMA vom 6. März 1967 (BVBl 1967, 48, 51) sollte § 18c Abs. 6 BVG aF sicherstellen, daß andere öffentlich-rechtliche Leistungsträger ihre Ermessensleistungen nicht mit der Begründung versagen oder kürzen, das BVG sehe entsprechende Leistungen vor (vgl. auch BSG 28, 54). Die von der Klägerin hervorgehobene Erläuterung zu § 11 (aaO S. 49) betrifft den Fall, daß eine Naturalleistung nach dem BVG in Betracht kommt, der - wie bereits dargelegt - hier nicht gegeben ist. Deshalb kann es auf die Frage, ob das 3. Anpassungsgesetz vom 16. Dezember 1971 (BGBl I 1953) durch die Ergänzung des § 18c Abs. 6 BVG eine gesetzliche Änderung für die Zeit ab 1. Januar 1972 gebracht oder lediglich den bereits vorher vorhandenen Rechtszustand im Hinblick auf unterschiedliche Rechtsauffassungen der Beteiligten weiter geklärt hat, nicht mehr ankommen. Da das SG im Ergebnis zutreffend einen Ersatzanspruch der Klägerin verneint hat, war die Berufung der Klägerin unter Aufhebung des Urteils des LSG zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen