Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Konkursausfallgeld bei wiederholten Anträgen auf Eröffnung eines Konkursverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die in AFG § 141b genannten Voraussetzungen für die Gewährung des Konkursausfallgeldes - Konkurseröffnung, Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung mangels Masse und Betriebseinstellung - stehen nicht in einem gegenseitigen Rangverhältnis zueinander; maßgebend für die Leistungspflicht ist dasjenige Ereignis, durch das erstmals die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hervorgetreten ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die alternativ in AFG § 141b Abs 1 und 3 genannten 3 Voraussetzungen für die Begründung eines Anspruchs auf Konkursausfallgeld sind gleichwertige Tatbestände; treten 2 dieser Voraussetzungen nacheinander ein, dann richtet sich der Anspruch auf Konkursausfallgeld nach dem zuerst eingetretenen Tatbestand.

2. Ein Anspruch auf Konkursausfallgeld besteht auch dann nicht, wenn der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens vor dem Tage des Inkrafttretens des AFGÄndG 3 (1974-07-20) mangels Masse abgelehnt, das Konkursverfahren jedoch bei fortdauernder Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aufgrund eines erneuten Antrags nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet worden ist.

 

Normenkette

AFG § 141a Fassung: 1974-07-17, § 141b Abs. 3 Fassung: 1974-07-17; AFGÄndG 3 Art. 3 § 1 Fassung: 1974-07-17; AFG § 141b Abs. 1 Fassung: 1974-07-17

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16. Januar 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1974 bis 5. August 1974 Konkursausfallgeld (KauG) zu gewähren.

Der Kläger war seit dem 1. Mai 1970 bei der Fa. "R Fertigmöbel de K und W OHG" in N. beschäftigt. Vom 1. Juni 1974 an wurde ihm, wie auch den übrigen Betriebsangehörigen, wegen Zahlungsschwierigkeiten der Firma fristlos und am 20. Juni 1974 fristgemäß zum nächst zulässigen Termin gekündigt. Durch einen vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich wurde der Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsverhältnisse später auf den 6. August 1974 festgesetzt.

Am 10. Juli 1974 stellte die Arbeitgeberin des Klägers beim Amtsgericht (AG) Koblenz einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen. Sie erklärte, einen Kostenvorschuß nicht zahlen zu können. Mit Beschluß vom gleichen Tage lehnte das AG diesen Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse gem. § 107 Abs. 1 der Konkursordnung (KO) ab. Etwa von diesem Zeitpunkt an soll nach der Aussage des persönlich haftenden Gesellschafters W vor dem AG Koblenz der Betrieb ganz stillgelegen haben.

Am 16. Juli 1974 stellte die Firma zwei ehemalige Arbeitnehmer neu ein und meldete sie bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) an. Nach Auskunft der Firma erfolgte die Neueinstellung für eine befristete Zeit zur Abwicklung der noch zu erledigenden geschäftlichen und betrieblichen Obliegenheiten.

Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1974 beantragte die AOK R, Verwaltungsstelle St. G, als Gläubigerin die Eröffnung des Konkursverfahrens und zahlte einen Massekostenvorschuß in Höhe von 5.000,- DM ein. Durch Beschluß des AG Koblenz vom 5. August 1974 wurde daraufhin das Konkursverfahren eröffnet und ein Konkursverwalter bestellt.

Am 14. August 1974 stellte der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) M einen Antrag auf Gewährung von KauG.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, nach Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG seien Leistungen erstmals in Insolvenzfällen zu gewähren, die nach Inkrafttreten des Gesetzes am 20. Juli 1974 eingetreten seien (Bescheid vom 26. August 1974; Widerspruchsbescheid vom 3. Oktober 1974).

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 16. Januar 1975 abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf KauG. Nach Art. 3 § 1 S. 1 des Gesetzes über KauG (Drittes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG - vom 17. Juli 1974 - BGBl I 1481) seien die Bestimmungen des AFG über die Gewährung von KauG erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen das Konkursverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet worden sei. Da das Gesetz über KauG am 20. Juli 1974 in Kraft getreten sei, liege zwar die Konkurseröffnung (5. August 1974) nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Doch sei gemäß Art. 3 § 1 S. 2 des Gesetzes über KauG in Verbindung mit § 141 b Abs. 3 AFG der Eröffnung des Konkurses die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gleichgestellt. Die Rechtslage sei demnach ebenso zu beurteilen, wie wenn das Amtsgericht Koblenz durch den Beschluß vom 10. Juli 1974 das Konkursverfahren eröffnet hätte. Art. 3 § 1 des Gesetzes über das KauG, der den zeitlichen Geltungsbereich der Vorschriften über das KauG bestimme, sei hinsichtlich der Frage, inwieweit die verschiedenen Tatbestände der Zahlungsunfähigkeit sich zueinander verhielten, anders auszulegen als § 141 b AFG, der den Grund des Anspruches betreffe. § 141 b Abs. 1 AFG stelle es allein darauf ab, daß das Konkursverfahren eröffnet sei. Die weiteren Alternativen (Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse oder vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit) seien der Eröffnung des Konkursverfahrens nur gleichgestellt, wenn ein Konkursverfahren nicht eröffnet worden sei.

Das SG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 8. Februar 1975 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. März 1975 Revision eingelegt. Die Beklagte hat mit am 7. März 1975 eingegangenem Schreiben ihr Einverständnis erklärt.

Der Kläger rügt eine unzutreffende Auslegung des Art. 3 § 1 des Gesetzes über das KauG. Der 2. Halbsatz des § 1 sei so zu verstehen, daß es nur dann auf einen der Hilfstatbestände ankomme, wenn nach Inkrafttreten des Gesetzes der Konkurs nicht eröffnet worden sei. Das SG habe § 141 b AFG richtig ausgelegt, indem es ausgeführt habe, daß es in erster Linie auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens ankomme. Dasselbe habe aber auch für Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG zu gelten. Sowohl bei der Anwendung des § 141 b AFG wie auch des Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG seien die drei in Betracht kommenden Tatbestände, nämlich Konkurseröffnung, Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung mangels Masse und Betriebseinstellung in der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge zu prüfen, und zwar in der Weise, daß bei Bejahung der vorausgehenden Fallgruppe die nachfolgende nicht mehr von Bedeutung sei. Auszugehen sei dabei von der Sachlage zur Zeit der Antragstellung. Sei zu diesem Zeitpunkt das Konkursverfahren eröffnet worden, so sei dieser Tatbestand für die Beklagte allein maßgebend. Daß schon vorher einer der nicht gleichrangigen Hilfstatbestände vorgelegen habe, sei dann nicht mehr erheblich.

Eine Befugnis, zwischen dem Regeltatbestand des § 141 b Abs. 1 AFG und den nicht gleichrangigen Hilfstatbeständen des § 141 b Abs. 3 AFG zu wählen, könne der Beklagten nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zugebilligt werden; denn sonst wäre der Beklagten die Möglichkeit gegeben, sich zum Nachteil der Arbeitnehmer die finanziell jeweils günstigste Fallgruppe herauszugreifen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 16. Januar 1975 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 26. August 1974 und vom 3. Oktober 1974 zu verpflichten, dem Kläger ein Konkursausfallgeld in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für im Ergebnis zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Daß die Zustimmung der Beklagten zur Einlegung der Revision entgegen § 161 Abs. 1 S. 3 SGG nicht der Revisionsschrift beigefügt gewesen ist, ist unschädlich, da sie noch innerhalb der Revisionsfrist eingegangen ist (BSG SozR Nrn.6, 14 und 17 zu § 161 SGG).

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf KauG für die Zeit vom 1. Juni bis 5. August 1974 zu.

Voraussetzung, Art und Umfang des KauG ergeben sich aus den §§ 141 a bis n AFG. Diese Bestimmungen wurden mit Wirkung vom 20. Juli 1974 durch das Gesetz über KauG in das AFG eingefügt (BGBl I 1481). Sie wurden zum Teil durch Art. 27 des Einführungsgesetzes zum Einkommenssteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) rückwirkend zum 20. Juli 1974 (Art. 50 27 Nr. 20 u. 21 EG-EStRG) geändert.

Nach § 141 b Abs. 1 AFG n.F. hat Anspruch auf KauG ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten, der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Eröffnung des Konkursverfahrens stehen nach § 141 b Abs.3 AFG gleich die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG sind die Vorschriften des Dritten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts der AFG erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen das Konkursverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet worden ist; § 141 b Abs.3 des AFG gilt entsprechend. Aufgrund dieser Bestimmungen wäre KauG dem Kläger nur dann zu zahlen, wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens am 5.August 1974 einen Anspruch auf diese Leistung hätte auslösen können. Das ist indessen nicht der Fall.

§ 141 b AFG kennt ebenso wie Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG drei Alternativen: Die Eröffnung des Konkurses, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkurses mangels Masse und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Diese Tatbestände sind nicht nur maßgeblich für das Eintreten des Leistungsanspruchs. Sie bestimmen grundsätzlich auch den Zeitpunkt, von dem aus die drei Monate zu berechnen sind, für die der rückständige Lohn durch das KauG abgedeckt wird. Außerdem richtet sich nach dem Zeitpunkt ihres Eintretens, ob die Bestimmungen über das KauG überhaupt anzuwenden sind (Art. 3 § 1 des Gesetzes über Kaug). Treten zwei dieser Tatbestände nacheinander ein, wie im vorliegenden Fall, so stellt sich die Frage, welcher von ihnen maßgebend sein soll. Wortlaut, Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, und zwar sowohl des § 141 b AFG wie auch des Art. 3 § 1 des Gesetzes über KauG lassen erkennen, daß der zuerst eingetretene Tatbestand entscheidend ist.

Das KauG ist eine Versicherungsleistung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung spricht deshalb davon, daß die Sicherung der Arbeitsentgelte durch eine Konkursausfallversicherung im Rahmen der Sozialversicherung erreicht werde (BR-Drucks. 9/74, S. 1). Versichert sind die Arbeitnehmer gegen den Verlust ihres Lohnes infolge Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers. Gewährt werden die Versicherungsleistungen durch die Bundesanstalt, die die Mittel hierzu von den Arbeitgebern erhält. Versicherungsfall ist dem Grundgedanken des Gesetzes nach die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (§ 141 a AFG). Damit das Arbeitsamt über die Anträge auf KauG schnell entscheiden kann, soll es jedoch nicht selbst prüfen müssen, ob eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorliegt. Die Regelung des § 141 b AFG macht deshalb den Anspruch von leicht zu überblickenden Tatbeständen abhängig, die die Zahlungsunfähigkeit sichtbar machen (Entwurf der Bundesregierung BR-Drucks. 9/74 S. 11/12, Begründung zu § 141 b AFG). Wird daher der Konkursantrag auf Eröffnung des Konkurses mangels Masse abgelehnt, so ist die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und damit eine Voraussetzung für die Gewährung des KauG bereits nachgewiesen. Eine auf der fortdauernden Zahlungsunfähigkeit beruhende spätere Eröffnung des Konkursverfahrens vermag den Versicherungsfall nicht noch einmal herbeizuführen oder den bereits erfolgten Eintritt des Versicherungsfalles wieder rückgängig zu machen.

Die Auffassung des Klägers, die Eröffnung des Konkurses sei der "Grundtatbestand", die beiden anderen Fallgruppen des § 141 b Abs. 3 AFG dagegen nur "Hilfstatbestände", die nur dann von Bedeutung sein können, wenn nicht - sogar zeitlich später - der Konkurs eröffnet werde, kann dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden. Dem § 141 b Abs. 3 AFG ist im Gegenteil zu entnehmen, daß die dort genannten Alternativen der Eröffnung des Konkursverfahrens "gleichstehen".

Richtig an der Auffassung des Klägers ist nur, daß die in § 141 b Abs. 3 AFG zuletzt genannte Alternative aus tatsächlichen Gründen nicht oder nur selten vorliegen kann, wenn das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Wird nämlich der Konkurs durchgeführt, so ist es höchst zweifelhaft, ob vorher schon, wie die dritte Alternative es voraussetzt, "ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen ist".

Nicht nur der Wortlaut, sondern auch Sinn und Zweck des Gesetzes lassen erkennen, daß mit der zuerst verwirklichten Alternative des § 141 b AFG der Versicherungsfall eingetreten und damit die Leistungspflicht der Beklagten ausgelöst worden ist. Eine andere Auffassung würde zu Folgen führen, die dem Gesetzeszweck zuwiderliefen.

Kommt ein Unternehmer derart in geldliche Schwierigkeiten, daß er nicht mehr ausreichend flüssig ist, und muß er daher zum vereinbarten Zeitpunkt der Lohnzahlung (gewöhnlich am Monats- oder Wochenende) den Arbeitslohn schuldig bleiben, so entsteht eine Interessenlage, bei der der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam eine möglichst lange Sicherung der Lohnforderungen durch die Bundesanstalt wünschen müssen, während das Gesetz diesen Zeitraum begrenzen muß, um die die Konkursausfallversicherung tragenden Unternehmer nicht übermäßig zu belasten. Der in Zahlungsschwierigkeiten geratene Arbeitgeber wird nämlich in aller Regel noch versuchen, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten und zu diesem Zweck neue Mittel zu erlangen. Je länger seine Arbeitnehmer auch ohne Lohnzahlung ihm die Treue halten, umso länger hat er diese Chance und umso höher ist der Kredit, den er von ihnen erhält, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er gewöhnlich von einer Bank keinen Kredit mehr erhalten wird. Die Arbeitnehmer sind einerseits darauf angewiesen, ihren Lohn umgehend zu beziehen, werden aber auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten und daher geneigt sein, eine gewisse Zeit stillzuhalten in der Hoffnung, daß der Unternehmer seine Liquidität wiedergewinnen würde.

Das Gesetz über das KauG schützt die Arbeitnehmer vor den Nachteilen, die ihnen aus diesem Verhalten erwachsen, indem es eine Garantie der BA für die Lohnzahlung begründet. Im Interesse der diese Lohngarantie gebenden Versicherung und der sie tragenden Unternehmer kann die Sicherung durch das KauG jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden. Aus den §§ 141 a und 141 b AFG ist zu entnehmen, daß die Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an nicht mehr gesichert sein sollen, zu dem durch das Hervortreten der Tatbestände des § 141 b AFG offenbar ist, daß weiteres Zuwarten zwecklos geworden ist. Ist durch das Konkursgericht die Eröffnung des Konkurses abgelehnt worden, so können die Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr erwarten, für einen weiterhin dem Arbeitgeber gestundeten Lohn durch die Bundesanstalt Ersatz zu erhalten. Wollte man aber entgegen dem Wortlaut der §§ 141 a und 141 b AFG annehmen, daß die verschiedenen Alternativen des § 141 b AFG zueinander in einem Rangverhältnis stehen, so würde der Zeitpunkt ungewiß, bis zu dem die Arbeitnehmer versicherungsrechtlich geschützt vorleisten dürfen. Es würde zudem die Möglichkeit eröffnet, daß der zahlungsunfähige Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schaden der Versicherung zu einem längeren Zuwarten veranlassen könnte, als es nach dem Gesetzeszweck erlaubt sein soll. Wäre z.B. schon der Konkurs mangels Masse abgelehnt (etwa nach Antrag eines Gläubigers), und schuldete der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erst zwei Monatsgehälter, so könnte er sie noch zu weiterem Bleiben veranlassen mit dem Versprechen, er werde schlimmstenfalls noch genügend Masse zusammenbringen, um einen auf seinen Antrag eröffneten Konkurs zu ermöglichen.

Der Gesetzgeber hat diesen Widerstreit der Interessen bereits gesehen und ihn in der Weise lösen wollen, daß nach dem erstmaligen offenbaren Hervortreten der Zahlungsunfähigkeit durch einen der Tatbestände des § 141 b AFG eine Sicherung durch das KauG nicht mehr erfolgen soll. So hat schon die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf darauf hingewiesen, daß es dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht ermöglicht werden solle, mit den Arbeitnehmern "weitgehende Stundungsvereinbarungen zu treffen und damit seinen Kreditrahmen zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern" (BR-Drucks. 9/74 S. 10).

Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 141 b AFG spricht auch die ursprüngliche Fassung dieser Vorschrift § 141 b in der Fassung vor der Änderung durch das EG-EStRG sah nämlich die Gewährung von KauG nicht für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Konkursverfahrens bzw. des gleichgestellten Ereignisses, sondern für die jeweils dem Ereignis vorausgehenden drei Monate vor. Ein Vorrang der nachträglichen Konkurseröffnung gegenüber ihrer (vorherigen) Abweisung mangels Masse hätte nach altem Recht zur Folge gehabt, daß der Anspruch auf KauG für den Arbeitnehmer möglicherweise verkürzt worden wäre.

Ist aber davon auszugehen, daß die Konkurseröffnung, ihre Abweisung mangels Masse und die vollständige Betriebseinstellung (§ 141 b Abs.1 und 3 AFG) gleichwertige - die endgültige Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nachweisende - Tatbestände für den Anspruch auf KauG sind, so ist aus der Übergangsvorschrift des Art. 3 § 1 des Gesetzes zu schließen, daß die Vorschriften über das KauG nur für die Fälle Anwendung finden, in denen einer dieser Tatbestände "erstmals" nach Inkrafttreten des Gesetzes, also dem 20. Juli 1974, verwirklicht worden ist. Das ist im vorliegenden Falle nach den unangegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des SG jedoch nicht gegeben, denn die Abweisung der Konkurseröffnung mangels Masse (§ 141 b Abs. 3 iVm Art. 3 § 1) ist am 10. Juli 1974 erfolgt.

Das Sg hat zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Falle der Umstand rechtlich unerheblich ist, daß der Arbeitgeber des Klägers zwischen der Abweisung der Konkurseröffnung mangels Masse und der nach dem 20. Juli 1974 erfolgten Konkurseröffnung noch Arbeitnehmer eingestellt hatte. Aus dieser Einstellung, die aus bürotechnischen Gründen erfolgte, können deshalb keine rechtlichen Folgerungen gezogen werden, weil die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers des Klägers in der bezeichneten Zeit bis zur Konkurseröffnung nicht beseitigt worden ist. Die Abweisung der Konkurseröffnung mangels Masse und die spätere Konkurseröffnung beruhten also auf derselben Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

Zu Recht ist das SG ferner davon ausgegangen, daß es im Rahmen des § 141 b Abs. 3 AFG bei Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse nicht auf den Tag der Rechtskraft des Beschlusses des Konkursgerichts, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung ankommt (vgl. dazu Schönefelder/Kranz/Wanka aaO Anm. E 8). Mit dem Erlaß des Beschlusses ist nämlich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers i.S. des § 141 a AFG hervorgetreten und nachgewiesen.

Das SG hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden; die Revision des Klägers ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1647689

BSGE, 121

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