Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung hat die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt hat und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich gemacht worden ist.
2. Zu Beweiserleichterungen in derartigen Fällen (Fortführung von BSG 29.4.1976 12/3 RK 66/75 = BSGE 41, 297 = SozR 2200 § 1399 Nr 4).
Orientierungssatz
Beweislast - Umkehr der Beweislast:
1. Grundsätzlich ist eine personenbezogene Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe seitens der Einzugsstelle zu fordern, Verletzungen der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber oder gar Manipulationen sind nicht unbeachtlich. Sie können vielmehr bei der Entscheidung über die Versicherungspflicht oder -freiheit der einzelnen Arbeitnehmer, ggf auch über die Beitragshöhe, soweit die Entscheidung von der Feststellung von Tatsachen abhängt, im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, unter Umständen können sie sogar zu einer Umkehr der Feststellungslast führen und dann wegen anders nicht unterzubringender Lohnsummen eine pauschale Beitragserhebung gestatten. Vor Anwendung dieses letzten und äußersten Mittels muß aber selbst bei Auftreten erheblicher Aufklärungsschwierigkeiten zunächst versucht werden, auch umfangreiche und verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigsten zum Teil zu klären.
2. Verfahrensmäßig kann in Betracht kommen, daß mehrere Bescheide für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen erlassen werden.
Normenkette
SGB X §§ 31, 37; RVO § 393 Abs. 1, § 1396 Abs. 1, § 1399 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung fordert.
Die Klägerin betreibt ein Gebäudereinigungsunternehmen und beschäftigte in den Jahren 1974/75 im Großraum B und im W etwa 1.800 Reinigungskräfte. Bei einer von mehreren Kassen im April 1974 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß für einige als versicherungsfrei behandelte Reinigungskräfte Lohnkonten unter verschiedenen Namen angelegt waren, um nur ein die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigendes Entgelt erscheinen zu lassen. Die Beklagte berechnete für fünf Arbeitnehmer Beiträge in Höhe von 26.662 DM nach, die die Klägerin auch entrichtete.
Im November 1974 brachte eine Arbeitnehmerin bei der Beklagten vor: Sie erhalte ebenso wie andere Reinigungskräfte neben dem auf dem Lohnzettel ausgewiesenen Entgelt "unter der Hand" weitere Zuwendungen, bei deren Berücksichtigung die Geringfügigkeitsgrenze überschritten werde und Versicherungspflicht bestehe; dennoch führe die Klägerin keine Beiträge ab. Ferner erhielt die Beklagte im Februar 1975 von der Klägerin Anmeldungen und Versicherungskarten für Personen, die auf Befragen angaben, niemals bei der Klägerin beschäftigt gewesen zu sein. Daraufhin wurde im März 1975 erneut eine Betriebsprüfung vorgenommen. Dabei traten umfangreiche Unstimmigkeiten zutage.
Die Beklagte und zwölf andere Ortskrankenkassen versuchten nun, durch Verhandlungen mit der Klägerin eine Lösung zu finden. Aufgrund einer pauschalen Berechnung nach Lohnsummen gelangten sie für die Zeit vom 1. April 1974 bis zum 31. März 1975 zu einer Beitragsforderung von 561.279,78 DM zur Kranken- und Rentenversicherung. Hiervon machte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 1975 einen auf sie entfallenden Betrag von 32.984,78 DM geltend, den sie durch Änderungsbescheid vom 6. September 1976 auf 29.769,30 DM ermäßigte. Die Klägerin erhob Widerspruch und beanstandete vor allem die pauschale Beitragsberechnung.
Im November 1976 bekam die Beklagte von der Klägerin zwei Listen, in denen angeblich sämtliche in der Zeit vom 1. April 1974 bis 31. März 1975 laut Lohnjournal bei ihr tätig gewesenen Aushilfen namentlich verzeichnet waren und die eine Aufstellung der Aushilfen laut Aushilfenkartei enthielten. Ferner gingen ihr 193 Einzellohnkonten für Aushilfen zu. Die Beklagte überprüfte die Lohnunterlagen und bemühte sich gemeinsam mit der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen um eine Einzelbefragung der 193 Personen, für die Lohnkonten überreicht worden waren. Bei 56 benannten Arbeitnehmern unterblieb eine Befragung, weil sie nach Angaben der Prüfer nicht erreichbar waren. Die Antworten der befragten 137 Personen wurden auf Fragebögen festgehalten und von ihnen unterschrieben. Als Ergebnis der Überprüfung stellte die Beklagte fest: Eine Vollständigkeitskontrolle der Lohnunterlagen sei nicht möglich gewesen, weil die Klägerin an verschiedenen Orten arbeite, mehrere Kassen örtlich zuständig seien und nur Lohnkonten für Aushilfen vorgelegen hätten, und selbst diese vermutlich auch nicht vollzählig. Über 51 % der Befragten hätten eingeräumt, außer dem im Lohnkonto verbuchten Lohn weitere Zahlungen erhalten zu haben wie Anwesenheitsprämien, Treueprämien sowie Überstundenvergütungen für Krankheitsvertretungen, Urlaubsvertretungen und sogenannte Grundreinigungen. Obwohl die monatlich von den Reinigungskräften geleisteten Arbeitsstunden unterschiedlich gewesen seien, habe die Klägerin einen gleichbleibenden Lohn vereinbart, verbucht und auch ausgezahlt. Dieser Festlohn habe die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten. Darüber hinausgehende sogenannte Spitzenbeträge aber hätten die Objektleiter oder Vorarbeiterinnen ohne Verbuchung für die betreffende Arbeitskraft bar auf die Hand oder durch Scheck beglichen, um so der Klägerin eine Beitragsentrichtung zu ersparen. In einigen Fällen hätten Objektleiter auch dazu aufgefordert, Namen und Anschriften von Verwandten und Bekannten anzugeben, für welche dann Lohnkonten angelegt und die an die Arbeitnehmer nebenher gezahlten "Spitzenbeträge" verbucht worden seien. Ferner seien auf Lohnkonten von Arbeitnehmern, die mit ihrem Lohn weit unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten, "überhöhte" Buchungen nachgewiesen worden. Schließlich seien für Familienangehörige des Geschäftsführers und der Objektleiter Lohnkonten mit erheblichen monatlichen Entgelten geführt worden, obwohl es zumindest zweifelhaft erscheine, ob sie überhaupt bei der Klägerin beschäftigt gewesen seien. Durch all diese Maßnahmen hätten wahrscheinlich zur Umgehung der Beitragsentrichtung "schwarz" gezahlte Entgeltbeträge "weggedrückt" werden sollen.
Daraufhin hob die Widerspruchsstelle der Beklagten den Beitragsbescheid vom 6. September 1976 mit Bescheid vom 31. Januar 1977 auf; er müsse aufgrund von umfassenden Ermittlungen als überholt angesehen werden. Gleichzeitig forderte die Beklagte durch einen neuen Bescheid vom 31. Januar 1977 nunmehr Beiträge in Höhe von 106.999,27 DM nach. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen sei sie davon überzeugt, daß im Grunde nur die auf den Lohnkonten vermerkten Arbeitsstunden zutreffend seien; auf diese baue sie daher ihre Beitragsberechnung auf. Für die gereinigten "Objekte" (zB Firmen, Schulen) ergebe sich für 1974 und 1975 bei 132.188,25 Stunden zu dem damals gezahlten tariflichen Stundenlohn von 5,40 DM eine Lohnsumme von 713.816,55 DM. Hinzuzusetzen seien für elf Arbeitnehmer, für die keine Stunden angegeben seien, Entgelte zwischen 531,84 DM und 10.644,12 DM, so daß das Gesamt-Bruttoentgelt 739.707,73 DM betrage. Da nach ihrem Befragungsergebnis 81,75 vH der beschäftigten Arbeitnehmer versicherungspflichtig gewesen seien, sei ein entsprechender Prozentsatz des Gesamt-Bruttoentgelts, nämlich 604.711,06 DM, "sozialversicherungspflichtig". Nach "Beitragsabsetzungen" für eine Reihe namentlich benannter Arbeitnehmer ergebe sich der geforderte Betrag von 106.999,27 DM. Die Klägerin erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch, der erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 5. April 1977).
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat durch Urteil vom 25. November 1980 der Aufhebungsklage stattgegeben und die Beklagte zur Rückzahlung der inzwischen unter Vorbehalt entrichteten 106.999,27 DM verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 25. August 1982 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Grundlage der Beitragserhebung müsse die Feststellung der Versicherungspflicht namentlich bezeichneter Beschäftigter und des an sie gezahlten, der Höhe nach zu bestimmenden Entgelts sein. Diese Konkretisierung sei vor allem für die Rentenversicherung unerläßlich, weil anderenfalls nicht gewährleistet sei, daß die betreffenden Arbeitnehmer entsprechende Rentenanwartschaften erwürben. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei es nur ausnahmsweise zulässig, die Beiträge personenunabhängig allein nach Lohnsummen zu berechnen und sie nach Art von Steuern unter einem allgemeinen Haushaltstitel zu verbuchen, nämlich nur dann, wenn die Beschäftigten infolge der Verletzung von Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten durch den Arbeitgeber unbekannt und nicht mehr zu ermitteln seien. Für eine "Umkehr der Beweislast" reiche es hingegen nicht, wenn eine Aufklärung nur in erheblichem Ausmaß erschwert sei. Diesen Anforderungen werde der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Er enthalte keine personenbezogene Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe, obwohl nicht ausgeschlossen sei, daß sie aufgrund der bisher durchgeführten und weiterer Ermittlungen wenigstens für manche Beschäftigte möglich sei, da die übermittelten Einzellohnkonten Namen, Wohnort und teilweise auch vollständige Anschriften auswiesen. Soweit Versicherungspflicht festgestellt werde, seien im übrigen vom vollen Entgelt und nicht nur von 81,75 vH des Entgelts Beiträge zu erheben. Wenn sich andererseits hinsichtlich bestimmter Personen Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung ergebe, seien die entsprechenden Entgelte entgegen der bisherigen Handhabung durch die Beklagte voll von der Beitragserhebung auszunehmen. Nur soweit hiernach Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe oder aber Versicherungs- und Beitragsfreiheit nicht personenbezogen festgestellt werden könnten, sei eine Beitragserhebung nach Lohnsummen zulässig.
Die Beklagte hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde eingelegt. Durch Bescheid vom 9. Februar 1983 hat sie den Beitragsbescheid vom 31. Januar 1977 abgeändert und nunmehr 152.096,42 DM an Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung sowie - erstmals - auch Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit verlangt. Der erkennende Senat hat die Revision durch Beschluß vom 28. April 1983 zugelassen.
Die Beklagte hat die Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 393, 1396 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungs-, Beitragspflicht und Beitragshöhe sei entbehrlich und eine "Umkehr der Beweislast" auch dann geboten, wenn der Arbeitgeber durch Verletzung seiner Aufzeichnungspflicht und durch umfangreiche Manipulationen die erforderlichen Feststellungen in erheblichem Maße erschwert habe, wenn sie praktisch nahezu unmöglich geworden oder der Verwaltung nicht mehr zumutbar seien. Dieses sei hier der Fall. Im übrigen habe das LSG die notwendige Beiladung der Arbeitnehmer unterlassen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. August 1982 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. November 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend.
Die Beigeladene schließt sich der Rechtsauffassung und dem Antrag der Beklagten an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich der Beitragsbescheid vom 31. Januar 1977 über 106.999,27 DM in der - unveränderten - Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 1977. Hingegen ist der weitere Bescheid vom 9. Februar 1983 über 152.096,42 DM nicht in das Revisionsverfahren einbezogen worden. Das ergibt sich aus § 171 Abs 2 SGG. Danach gilt, wenn während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt (hier: der Bescheid vom 31. Januar 1977) durch einen neuen Bescheid (hier: den vom 9. Februar 1983) abgeändert wird, der neue Verwaltungsakt - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - als mit der Klage beim SG angefochten. Diese Regelung gilt entsprechend, wenn der neue Bescheid wie im vorliegenden Fall während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen ist (BSG SozR 1500 § 171 Nr 2).
Das Verfahren des Berufungsgerichts leidet entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deshalb an einem wesentlichen Mangel, weil die Arbeitnehmer der Klägerin nicht beigeladen worden sind. Das gilt unabhängig davon, ob hier eine nicht personenbezogene ("pauschale") Beitragserhebung nach Lohnsummen zulässig war oder nicht. Bei deren Zulässigkeit wird von dem Erfordernis, im Beitragsbescheid bestimmte Arbeitnehmer namentlich zu bezeichnen, schon für das Verwaltungsverfahren abgesehen; dementsprechend ist auch im gerichtlichen Verfahren die Beiladung einzelner Arbeitnehmer entbehrlich. War dagegen schon für den angefochtenen Bescheid eine personelle Bestimmtheit zu fordern, so kann ihr Fehlen im gerichtlichen Verfahren nicht durch eine Beiladung nachgeholt werden (BSGE 45, 206 = SozR 2200 § 1227 Nr 10). Auch soweit in dem angefochtenen Bescheid einige wenige Arbeitnehmer namentlich genannt sind, war deren Beiladung nicht erforderlich. Denn auch hinsichtlich dieser Arbeitnehmer sind die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe nicht personenbezogen festgestellt, sondern ihre Löhne oder Gehälter lediglich als Berechnungsfaktoren in die pauschale Beitragsberechnung einbezogen worden. Aus dem Bescheid läßt sich nicht entnehmen, ob und in welcher Höhe Beiträge für die namentlich aufgeführten Arbeitnehmer in der geforderten Gesamtsumme enthalten sind. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine im Bescheid fehlende personenbezogene Spezifizierung der Beitragsforderung nachzuholen.
Die Entscheidung des LSG ist auch in der Sache zutreffend. Die Rechtmäßigkeit der streitigen Beitragsforderung hängt davon ab, welche der für die Klägerin in den Jahren 1974 und 1975 tätig gewesenen Arbeitnehmer kranken- und rentenversicherungspflichtig gewesen sind und ob die Versicherungspflichtigen beitragspflichtiges Entgelt in der Höhe bezogen haben, wie es der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist. Nach § 393 Abs 1 und § 1396 Abs 1 RVO in den hier anzuwendenden Fassungen - die Verletzung beider Vorschriften wird von der Revision gerügt - hatten bzw haben die Arbeitgeber Beiträge "für ihre Versicherungspflichtigen" bzw "für versicherungspflichtige Beschäftigte" zu entrichten. Daraus hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung entnommen, daß die Erhebung einer Beitragsforderung die individuelle, auf die Person der einzelnen Arbeitnehmer bezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe voraussetzt (vgl BSGE 37, 114, 115/116 = SozR 2200 § 1399 Nr 1; 41, 297, 299 = SozR 2200 § 1399 Nr 4; 45, 206, 207/208 = SozR 2200 § 1227 Nr 10). Diese Art der Beitragserhebung entspricht auch mehr als eine pauschale Berechnung rechtsstaatlichen Grundsätzen, indem sie erst die Verwaltungsentscheidung voll überprüfbar macht oder jedenfalls deren Überprüfbarkeit erleichtert. Besondere Bedeutung hat dabei eine personenbezogene Beitragserhebung für die Rentenversicherung, worauf das LSG mit Recht hingewiesen hat. Denn dort werden Rentenanwartschaften - von den gesetzlich den Beitragszeiten gleichgestellten beitragslosen Zeiten abgesehen - vom einzelnen Versicherten in der Regel (Ausnahme § 1397 Abs 6 RVO) nur erworben, wenn die Beitragsentrichtung nachgewiesen ist. Der dazu übliche Weg über die Eintragung durch den Arbeitgeber in die Versicherungskarte (§§ 1401, 1411 Abs 1 RVO) ist von der Klägerin nicht oder nicht korrekt beschritten worden. Deshalb kommt hier der personenbezogenen Beitragserhebung durch die Beklagte erhöhte Bedeutung zu, weil sie entscheidend dazu beitragen kann, Pflichtversicherten trotz der Versäumnisse des Arbeitgebers den Nachweis der Beitragsentrichtung noch zu ermöglichen. Eine pauschale Beitragsberechnung würde dagegen für die Rentenversicherung das wesentliche Ziel der Beitragsentrichtung verfehlen, nämlich zum Erwerb von individuellen Rentenanwartschaften zu führen, und nur allgemein der Versichertengemeinschaft Einnahmen verschaffen.
Die Last für eine den genannten Grundsätzen entsprechende, dh personenbezogene, Feststellung der Beitragsforderung (Feststellungslast) trägt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Beklagte, und zwar für die Beiträge zur Rentenversicherung in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle (§ 1399 Abs 3 RVO; vgl BSGE 37, 114, 117; 41, 297, 299/300). In dem letztgenannten Urteil hat der Senat jedoch für einen Fall, in dem der Arbeitgeber nicht einmal die Personalien von Aushilfskräften aufgezeichnet hatte, entschieden, daß der Beweis zugunsten der Kasse als geführt anzusehen ist, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten, zu denen insbesondere die Aufzeichnungspflicht gehört, schuldhaft verletzt und so die erforderliche Aufklärung verhindert hat. Die Kasse kann nämlich ihrer Feststellungslast ("Beweislast") hinsichtlich der für die Versicherungspflicht notwendigen Tatsachen nur genügen, wenn der Arbeitgeber seinen für den Beitragseinzug maßgebenden Mitwirkungspflichten nachgekommen ist (zum Ganzen - für die Aufzeichnungspflicht bei unständig beschäftigten Arbeitnehmern - auch BSG SozR 2200 § 317 Nr 2).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die ordnungsgemäße Beitragserhebung für namentlich bestimmte Arbeitnehmer durch Mängel oder sogar Manipulationen in den Aufzeichnungen zwar erheblich erschwert, sie aber nicht unmöglich gemacht. Das LSG, dessen tatsächliche Feststellungen nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), hat dazu ausgeführt: Die von der Klägerin übermittelten Einzellohnkonten enthielten Namen, Wohnort und teilweise vollständige Anschriften der Personen, die tatsächlich, möglicherweise auch nur angeblich, in der fraglichen Zeit bei der Klägerin beschäftigt gewesen seien; nur deshalb sei es der Beklagten überhaupt möglich gewesen, zur Sachverhaltsaufklärung eine Befragung durchzuführen. Unter diesen Umständen seien zumindest für einen Teil der Arbeitnehmer personenbezogene Feststellungen über die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe möglich, wenn dieses auch außerordentlich schwierig und zeitraubend sei. Im Anschluß daran hat das LSG die Rechtsauffassung vertreten, daß eine pauschale Nachberechnung von Beiträgen nur zulässig sei, soweit nach Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Beweismittel Lohnsummen nicht "untergebracht" werden könnten.
Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe ist, vor allem zur Sicherung von Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer, von solchem Gewicht, daß sie, sofern und soweit überhaupt möglich, grundsätzlich auch dann erfolgen muß, wenn das mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist. Auch wenn es, was im vorliegenden Fall wahrscheinlich ist, wegen einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht oder sogar aufgrund von Manipulationen des Arbeitgebers unmöglich sein sollte, bei einigen, vielleicht sogar der Mehrzahl der Arbeitnehmer genaue Feststellungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht sowie zur Beitragshöhe zu treffen, ist es im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, bei denen sich die erforderlichen Tatsachen noch ermitteln lassen, nicht gerechtfertigt, das Erfordernis der personenbezogenen Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Arbeitnehmer preiszugeben.
Ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG, nach denen erfolgversprechende weitere Ermittlungen durch die Beklagte zumindest hinsichtlich eines Teils der Arbeitnehmer möglich waren, genügt der angefochtene Bescheid den dargelegten Anforderungen nicht. Darin ist eine personenbezogene Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe der Arbeitnehmer der Klägerin ausnahmslos unterblieben. Statt dessen ist die Beitragsforderung pauschal berechnet worden. So sind zunächst 132.188,25 Arbeitsstunden, die in einzelnen Objekten (zB Firmen, Schulen) geleistet worden sind, mit einem Stundenlohn von 5,40 DM multipliziert und dann für einige wenige Arbeitnehmer Lohnsummen hinzugesetzt worden. Dann ist von dem so errechneten Gesamt-Bruttoentgelt 81,75 vH als beitragspflichtig behandelt, davon sind Beiträge berechnet und für eine Reihe von Arbeitnehmern "Beitragsabsetzungen" vorgenommen worden. Für welche Arbeitnehmer welche Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung erhoben worden sind, läßt sich daraus nicht ersehen.
Das LSG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß bei den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern das gesamte Entgelt (bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen) beitragspflichtig war, andererseits bei Arbeitnehmern, die die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten hatten und daher versicherungsfrei waren, das gesamte Entgelt außer Ansatz zu bleiben hatte. Selbst wenn die Beklagte nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren die versicherungsfreien Arbeitnehmer ausgeklammert haben sollte, war es nicht zulässig, anhand des Ergebnisses der Befragung, bei der im übrigen zahlreiche Arbeitnehmer nicht erreicht worden waren, das pauschal errechnete Gesamt-Bruttoentgelt personenunabhängig mit einem Prozentsatz von 81,75 vH zur Beitragsberechnung für die Kranken- und die Rentenversicherung heranzuziehen, nur weil die Beklagte aufgrund der Befragung 81,75 vH der Arbeitnehmer für versicherungspflichtig angesehen hatte.
Ist hiernach auch in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich eine personenbezogene Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe seitens der Einzugsstelle zu fordern, so sind deswegen Verletzungen der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber oder gar Manipulationen nicht unbeachtlich. Sie können vielmehr bei der Entscheidung über die Versicherungspflicht oder -freiheit der einzelnen Arbeitnehmer, gegebenenfalls auch über die Beitragshöhe, soweit die Entscheidung von der Feststellung von Tatsachen abhängt, im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, unter Umständen können sie sogar zu einer Umkehr der Feststellungslast führen und dann wegen anders nicht unterzubringender Lohnsummen eine pauschale Beitragserhebung gestatten. Vor Anwendung dieses letzten und äußersten Mittels muß aber selbst bei Auftreten erheblicher Aufklärungsschwierigkeiten zunächst versucht werden, auch umfangreiche und verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigstens zum Teil zu klären, wie es nach den Feststellungen des LSG auch hier möglich war. Dazu hätten diejenigen in den Listen aufgeführten Beschäftigten, die glaubhaft angegeben hatten, nie in dem Unternehmen der Klägerin gearbeitet zu haben, vorab ebenso als versicherungsfrei behandelt werden können wie diejenigen, bei denen sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben hatte, daß das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hatte. Bei anderen Arbeitnehmern, bei denen entgegen den Angaben in Listen und Konten ausreichende Hinweise auf ihre Versicherungspflicht vorliegen, hätte sich die Beklagte angesichts des Ausmaßes der zutage getretenen Unregelmäßigkeiten schon aufgrund dieser Hinweise die Überzeugung vom Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze verschaffen können. Bei Zweifeln über die Höhe des von den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern empfangenen Entgelts hätte dessen Höhe unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden können; dabei wäre einzelnen Arbeitnehmern unter Umständen auch das Arbeitsentgelt zuzurechnen gewesen, das in Konten und Listen für ihre nicht beschäftigt gewesenen Verwandten oder Bekannten ausgewiesen ist. Von Lohnsummen schließlich, die weder als beitragsfrei den gering verdienenden versicherungsfreien Arbeitnehmern noch als beitragspflichtig den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, wäre dann eine personenunabhängige, pauschale Beitragsberechnung zulässig gewesen. Verfahrensmäßig wäre hiernach der Erlaß mehrerer Bescheide für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen in Betracht gekommen. Ein letzter Bescheid hätte die nicht unterzubringende Lohnsumme erfassen können.
Im übrigen hat der Senat schon früher, und zwar bereits vor Erlaß des hier angefochtenen Bescheides, darauf hingewiesen, daß die Einzugsstellen verschiedene rechtliche Möglichkeiten haben, Mißständen bei unkorrekt handelnden Arbeitgebern entgegenzuwirken (BSGE 41, 297, 302). Die entsprechenden Vorschriften sind allerdings inzwischen teilweise aufgehoben und teilweise durch § 98 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) ersetzt worden. Im vorliegenden Fall hätte sogar noch nach § 318a Abs 2, § 1427 Abs 6 RVO - bis zur Aufhebung dieser Vorschriften - die Möglichkeit bestanden, dem Arbeitgeber die Barauslagen einer besonders aufwendigen Beitragsüberwachung aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 60365 |
BSGE 59, 235-242 (LT1-2) |
BSGE, 235 |
RegNr, 16100 |
KVRS, A-3090/4 (LT1-2) |
BR/Meuer RVO § 393, 17-12-85, 12 RK 30/83 (T) |
USK, 85145 (LT1-2) |
Die Beiträge 1986, 244-248 (LT1-2) |
ErsK 1986, 215-216 (SP1-2) |
EzS, 55/78 (LT1-2) |
SozR 2200 § 1399, Nr 16 (LT1-2) |
SozSich 1986, RsprNr 3989 (LT1-2) |