Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Berufsunfähigkeit. Kraftfahrer. Tarifvertrag
Orientierungssatz
Zum Berufsschutz eines gelernten Kraftfahrers, wenn der auf ihn angewandte Tarifvertrag die Tätigkeit des Versicherten, die nach der Entscheidung des Arbeitgebers seine Einstufung und Entlohnung bewirkt hat nicht genau beschreibt.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 14.11.1991; Aktenzeichen S 5 J 375/90) |
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 01.10.1993; Aktenzeichen L 2 J 254/91) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1934 geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Lehre in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten beschäftigt. Von 1957 bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1988 war er mit Ausnahme einer Zeit von Januar 1968 bis Juni 1972, in der er selbständig war, als Kraftfahrer tätig. Ab 1. Juli 1972 arbeitete er als Kraftfahrer bei einer Weingüter- und Kellereiverwaltungs GmbH.
Am 1. September 1989 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (EU). Das lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26. Januar 1990; Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1990). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen BU ab 1. Oktober 1989 zu gewähren (Urteil vom 14. November 1991). Der Kläger genieße Berufsschutz als Facharbeiter. Er könne keine ihm zumutbare Tätigkeit mehr ausüben. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 1. Oktober 1993). Der bisherige Beruf des Klägers sei der des Kraftfahrers. Diesen Beruf könne der Kläger zwar nicht mehr ausüben. Der Kläger sei aber als Kraftfahrer der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter oberen Ranges zuzuordnen. Als solcher könne er auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden mit Ausnahme qualitativ geringwertiger Tätigkeiten. Als zumutbare Beschäftigungen könnten dem Kläger Tätigkeiten als Bürohilfskraft benannt werden. Nach Überzeugung des Senats könne sich der Kläger innerhalb von längstens zwei Monaten in diese einfachen Bürohilfskrafttätigkeiten einarbeiten. Er sei auch fähig, vollschichtig zu arbeiten.
Der Kläger genieße nicht etwa Berufsschutz aufgrund seiner tariflichen Einstufung. Er sei zwar nach der Bewertungsgruppe V des Entgeltrahmentarifvertrages für Weinkellereien und Weinhandlungen in Rheinland-Pfalz entlohnt worden. Das sei die Eingangsstufe für Facharbeiter, wie zB Küfer und Schlosser. In dieser Gruppe seien Tätigkeiten erfaßt, die üblicherweise Kenntnisse und Fertigkeiten verlangten, wie sie durch eine abgeschlossene Berufsausbildung erworben würden. Der Entgeltrahmentarifvertrag sei grundsätzlich nach Qualitätsmerkmalen geordnet. Daß die Entlohnung des Klägers auf qualitätsfremden Merkmalen beruhe, lasse sich nicht feststellen. Doch sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das der tarifvertraglichen Einstufung eine überragende Bedeutung beimesse, nicht zu folgen. Die tarifvertragliche Einstufung habe lediglich Indizwirkung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14. November 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen BU gegen die Beklagte.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU richtet sich noch nach § 1246 RVO, da der Rentenantrag bereits im September 1989 - also bis zum 31. März 1992 - gestellt worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (§ 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - ≪SGB VI≫).
Nach § 1246 Abs 2 RVO ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Daß das LSG den Kraftfahrer als bisherigen Beruf des Klägers ansieht, ist nicht zu beanstanden. Bisheriger Beruf iS des § 1246 Abs 2 RVO ist, wie das BSG in zahlreichen Entscheidungen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164 mwN) ausgesprochen hat, in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese die qualitativ höchste ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 66). Eine zuletzt ausgeübte geringerwertige Tätigkeit ist dann unbeachtlich, wenn die vorangegangene höherwertige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO).
Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger seinen Beruf als Kraftfahrer nicht mehr ausüben kann. Dem Kläger steht deshalb nur dann keine Rente wegen BU zu, wenn er eine Tätigkeit ausüben kann, die ihm als ehemaligen Kraftfahrer zuzumuten ist. § 1246 RVO geht vom Gedanken des Berufsschutzes aus. Dem Versicherten soll ein zu starkes Absinken im Beruf erspart bleiben, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der bisherigen Weise arbeiten kann. Das LSG hat indessen ohne Rechtsfehler ausgeführt, daß der Kläger auch auf ungelernte Tätigkeiten verweisbar ist. Daß er von solchen Tätigkeiten zB noch einfache Bürohilfstätigkeiten ausüben kann, hat es in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, ohne daß diese Feststellung mit Revisionsrügen angegriffen worden ist.
Die Rechtsprechung des BSG hat zur BU iS von § 1246 Abs 2 RVO die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung in dieses Prüfungsmuster bestimmt die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Hierbei handelt es sich aber lediglich um Leitberufe. Aus der Dauer der Ausbildung schließt man und hält für gewiß, daß die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zu vermitteln sind, diese Lehrdauer benötigen und entsprechend umfangreich sind (Leitberufe, Qualitätsstufen kraft Ausbildung).
Von allen Senaten des BSG, die für die Arbeiterrentenversicherung zuständig sind, ist immer wieder deutlich gemacht worden, daß ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer dieser Gruppen jedoch nicht allein die Ausbildung, sondern die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt sind, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit. Es kommt also auf das Gesamtbild an. Aufgrund dieses Gesamtbildes kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, einer gelernten oder angelernten gleichgestellt sein. Die Tätigkeit eines Versicherten, der nicht die geforderte Lehrzeit durchlaufen hat, kann im Einzelfall der eines Gelernten gleichstehen, zB ein ungelernter Maurer einem gelernten (Gleichgestellter).
Der Beruf des (gelernten) Kraftfahrers gehört nach diesen Regeln im allgemeinen nur zum angelernten Bereich, da er eine Ausbildungszeit von nur bis zu zwei Jahren erfordert, wie auch das LSG in diesem Falle festgestellt hat. Dementsprechend könnten diejenigen, die dem gelernten Kraftfahrer gleichgestellt werden, auch nur die Stufe des angelernten Arbeiters erreichen.
Zu prüfen ist indessen auch, ob sich aus der tariflichen Einstufung etwas anderes zugunsten des Klägers ergibt. In diesem Rahmen hat das BSG nämlich tariflichen Regelungen Bedeutung beigemessen, und zwar unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen der abstrakten - "tarifvertraglichen" - Klassifizierung der Tätigkeit (iS eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 46, 111, 116, 122, 123, 164), zum anderen der - "tariflichen" - Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrages durch den Arbeitgeber (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 168, 169; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22). In beiden Bereichen sind die Folgerungen für die Wertigkeit einer Arbeit jedoch verschieden. Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufes in Bezug auf die in § 1246 Abs 2 RVO genannten Merkmale entspricht. Demgemäß läßt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Das rechtfertigt sich aus der Annahme, daß die Tarifvertragsparteien, die die genaue Art der Arbeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages kennen, die überdies gewohnt sind, solche Einstufungen vorzunehmen, die Tätigkeit richtig eingeordnet haben. Von dem Grundsatz, daß von der tarifvertraglichen Einstufung bei der Berufsart auszugehen ist, gelten jedoch Ausnahmen, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 101, 123; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13, 22). Der Kläger ist von seinem Arbeitgeber nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für Weinkellereien und Weinhandlungen in Rheinland-Pfalz entlohnt worden, wie er bis zum Ende der Tätigkeit des Klägers (1988) galt. Daß dieser Tarifvertrag nach Qualitätsstufen geordnet ist, hat das LSG festgestellt, ohne daß dies in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden wäre. Dieser Tarifvertrag enthält allerdings keine abstrakte Einordnung des Kraftfahrers überhaupt in eine der Tarifgruppen. Die Gruppe V, in der der Kläger sich befand, ist nur dadurch definiert, daß sie Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, wie sie üblicherweise durch eine abgeschlossene Berufsausbildung erworben werden, ohne daß der Kraftfahrer genannt wäre. Aus dem Tarifvertrag läßt sich daher im vorliegenden Fall nicht herleiten, daß im Geltungsbereich des Tarifvertrages Kraftfahrer den Facharbeitern gleichstehen.
Der tariflichen Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber kommt allerdings darüber hinaus auch eine Bedeutung zu, wenn auch eine schwächere. Sie ist ein Anhaltspunkt dafür, daß die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Das ist in der Rechtsprechung des BSG mitunter als "Indiz" oder "Anhalt" bezeichnet worden. Die Richtigkeit dieser Eingruppierung kann aber durchaus "widerlegt" werden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14 mwN). Das heißt: Die Eingruppierung kann als unrichtig erkannt werden. Die Richtigkeit der Einstufung wird dadurch "widerlegt", daß die Einordnung des Versicherten in die Tarifgruppe anhand der abstrakten Merkmale einerseits und der Tatsachen andererseits geprüft wird, deren Feststellung die abstrakten Merkmale fordern. Rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen die Einordnung in die Tarifgruppe nicht, so steht fest, daß der Arbeitgeber die Einordnung in die Tarifgruppe zu Unrecht vorgenommen hat oder daß er Gründe gehabt hat, die jedenfalls nicht qualitativer Art sind. Handelt es sich aber, wie im vorliegenden Fall, um eine lediglich allgemeine Beschreibung der Voraussetzungen der Tarifgruppe, bei der dem Arbeitgeber ein erheblicher Spielraum verbleibt, welche Tatsachen er zum Anlaß nehmen will, seinen Arbeitnehmer in eine (höhere) Tarifgruppe einzuordnen, so begegnet diese Nachprüfung der richtigen Einordnung weiteren Schwierigkeiten. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der auf den Versicherten angewandte Tarifvertrag die Tätigkeit des Versicherten, die nach der Entscheidung des Arbeitgebers seine Einstufung und Entlohnung bewirkt hat, gerade nicht genau beschreibt. In diesem Fall kann die Frage, ob der Arbeitnehmer tariflich richtig eingeordnet war, nur auf folgende Weise erfolgen: Das Gericht stellt zunächst fest, ob der Arbeitgeber benennbare Gründe tatsächlicher Art gehabt hat, diesen Arbeitnehmer entsprechend hoch einzustufen, und ggf welche, zB die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, die Kenntnisse, Fähigkeiten, besondere Verantwortungsfähigkeit usw voraussetzten. Das Vorliegen solcher benennbarer Tatsachen ist erforderlich, weil es dem Arbeitgeber nicht zusteht, mit Wirkung für die Rentenversicherung ein ganzes Berufsbild anders einzustufen, als es die Allgemeinheit sonst tut. Der einzelne Arbeitgeber kann - anders als etwa die Tarifvertragsparteien - nicht das Bild eines Berufes in der Gesellschaft prägen, das Bild, von dem § 1246 Abs 2 RVO ausgeht. Der Arbeitgeber kann auch nicht (mit Wirkung für die Rentenversicherung) völlig beliebig bestimmen, welche Tatsachen er zum Anlaß nehmen will, eine Tätigkeit, die im allgemeinen in ihrer Bedeutung und ihrem Rang festliegt, im Einzelfall höher einzustufen. Nur dann ist der Schluß von der Einstufung durch den Arbeitgeber auf die Qualität der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit gerechtfertigt, wenn es sich bei den Gründen (tatsächlicher Art) des Arbeitgebers um Fakten handelt, die wirklich qualitativer Art sind, wenn diese tatsächlichen qualitativen Momente, also geforderte Fähigkeiten und Kenntnisse nicht schon ohnehin zu einer unteren Stufe des Tarifvertrages gehören und wenn die Umstände, die der Arbeitgeber zum Anlaß für eine (höhere) Einstufung gemacht hat, "tariflicher Art" sind, also nach den Wertungen des Tarifvertrages und in Bezug zu der Eigenart der ausgeübten Tätigkeit eine qualitative Bedeutung haben. Danach ist festzustellen (bei Grund zum Zweifel), ob diese Tatsachen, die die Höherstufung rechtfertigen sollen, vorgelegen haben.
Liegt also seitens des Arbeitgebers eine Höherstufung im Tarifvertrag vor und damit eine Einstufung etwa wie ein Facharbeiter, so wird sich das Tatsachengericht "gedrängt fühlen müssen", der Frage nachzugehen, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber in der dargelegten Weise berechtigen, die konkrete Tätigkeit seines Arbeitnehmers höher zu bewerten als sie bei Anwendung des generellen Schemas (Qualitätsstufe aufgrund von Ausbildung, Gleichstellung mit einem entsprechend Ausgebildeten aufgrund von gleichwertiger Ausübung des Ausbildungsberufes, Hochbewertung eines Berufsbildes durch einen Tarifvertrag für den Geltungsbereich des Tarifvertrages) gerechtfertigt wäre.
Dieses Gedrängt-Fühlen-Müssen, der Bewertung des Arbeitgebers nachzugehen, kann allerdings nur dann Bedeutung haben, wenn die vom Arbeitgeber vorgenommene Einstufung eindeutig höher ist als sie es nach allgemeinen Gesichtspunkten wäre. Das ist hier nicht der Fall. Der hier angewendete Tarifvertrag, Gruppe V, sagt nur, in diese Gruppe gehörten Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Das können indessen Gelernte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (üblicherweise, wenn auch nicht völlig richtig als "Angelernte" bezeichnet, richtigerweise handelt es sich um "Gelernte bis zu zwei Jahren") und auch Gelernte mit einer Ausbildung über zwei Jahren sein (üblicherweise als "Facharbeiter" bezeichnet). Wenn dann im Tarifvertrag gesagt wird, in diese Gruppe gehörten zB Küfer und Winzer, so sind das nur Beispiele für Berufe, die auch in diese Gruppe fallen. Daraus, daß der Arbeitgeber des Klägers den Kläger in die Gruppe V eingeordnet hat, läßt sich also nicht erkennen, daß er ihn aufgrund seiner Bewertung als Arbeitgeber zu den Facharbeitern gezählt hat. Die Gruppe V wird auch nicht dadurch zu einer echten (dh allein für Facharbeiter geltenden) Tarifgruppe, daß es dort heißt, den "Gelernten" seien gleichwertig Personen, die drei Jahre "angelernt" worden seien. Drei Jahre Anlernung sind keine Lehre von drei Jahren. Im allgemeinen versteht man unter "Anlernen" eine Art des Lernens, die dadurch erfolgt, daß der Lernende neben oder gerade durch seine Arbeitsausübung lernt, während man unter einer Lehre eine organisierte, pädagogisch geplante Form des Lehrens und Lernens versteht mit zumindest teilweiser Zurückdrängung der praktischen Arbeitsausübung und mit Überwachung der Lernergebnisse - also Prüfungen, Zwischenprüfungen, Jahreszeugnissen, Halbjahreszeugnissen usw -. Man geht davon aus, daß eine Lehre dieser Art auf schnellere und effektivere Art zu Wissen und Können führt als das Anlernen. Von daher ist es verständlich, wenn drei Jahre Anlernung eher einer Lehre bis zu zwei Jahren gleichstehen, auf keinen Fall aber einer dreijährigen Lehre.
Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, wenn das LSG den Kläger zu den "Angelernten" (richtiger ausgedrückt: den Gelernten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren) gerechnet hat. Damit ist auch die Art gerechtfertigt, wie es die Verweisung des Klägers vorgenommen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen