Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei der Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen (RVO § 368f Abs 3) ist die KK an der Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte nicht "beteiligt" iS des SGG § 77 und deshalb - vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Regelungen - an die Honorarbescheide der KÄV, insbesondere an deren Entscheidungen über die Abrechnungsfähigkeit von kassenärztlichen Leistungen, nicht gebunden.
2. Hat die KK kassenärztliche Leistungen, deren Abrechnungsfähigkeit die KÄV zu Unrecht anerkannt hatte, vergütet, so ist ihr die KÄV erstattungspflichtig. Die KK kann mit ihrem Erstattungsanspruch gegen einen - auch ein anderes Quartal betreffenden - Anspruch der KÄV auf Entrichtung der Gesamtvergütung aufrechnen; BGB § 394 steht dem nicht entgegen.
3. Soweit die Vergütung ärztlicher Leistungen sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 1965-03-18 richtet, kann der Arzt nach dem Ansatz einer Beratungs- oder Besuchsgebühr im gleichen Behandlungsfall neben einer Gebühr für eine Sonderleistung keine Beratungsgebühr mehr berechnen; das gilt auch für eine Beratungsgebühr nach Nr 2, 3 oder 4 des Gebührenverzeichnisses der GOÄ (Beratung außerhalb der Sprechstunde, nachts, sonntags). Er kann jedoch zwischen der Gebühr für die Beratung und der für die Sonderleistung wählen.
Normenkette
RVO § 368f Abs. 3 Fassung: 1955-08-17; BGB § 387 Fassung: 1896-08-18, § 394 Fassung: 1896-08-18; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; GOÄ Abschn. A Nr. 1 Fassung: 1965-03-18
Tenor
Auf die Revision der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1968 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die beklagte Krankenkasse (KK), die mit der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) nach Einzelleistungen - unter Zugrundelegung der Gebührenordnung für Ärzte vom 18. März 1965 (GOÄ) - abrechnet, hat von der Gesamtvergütung für das 3. Quartal 1966 einen Teilbetrag von 127,50 DM einbehalten, weil sie insoweit einen Erstattungsanspruch gegen die KÄV aus dem 1. Quartal 1966 zu haben glaubt und damit aufgerechnet hat.
Im 1. Quartal 1966 hatte der beigeladene Kassenarzt Versicherte der beklagten KK in Behandlungsfällen, in denen bereits Beratungsgebühren angefallen waren, 21mal außerhalb der Sprechstunde, nachts oder sonntags beraten und zugleich Sonderleistungen (Abschnitt B des Gebührenverzeichnisses der GOÄ) erbracht. Er hatte dafür neben den entsprechenden Sonderleistungsgebühren Beratungsgebühren nach Nr. 2, 3 oder 4 GOÄ angesetzt. Die KK hält dies für unvereinbar mit der GOÄ (Abschnitt A I 2 c des Gebührenverzeichnisses), die KÄV dagegen für zulässig. Sie hat demgemäß die strittigen Beratungen als berechnungsfähig anerkannt und in dem dem Beigeladenen erteilten Honorarbescheid mit 127,50 DM berücksichtigt. Auch die KK hat die Beratungen zunächst bei Entrichtung der Gesamtvergütung für das 1. Quartal 1966 mitvergütet, nach Überprüfung der Abrechnungsunterlagen jedoch insoweit Erstattung von der KÄV verlangt und mit ihrer Erstattungsforderung gegen den Anspruch der KÄV auf Zahlung der Gesamtvergütung für das 3. Quartal 1966 aufgerechnet.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage der KÄV auf Zahlung einer restlichen Gesamtvergütung von 127,50 DM stattgegeben; nach dem bestehenden Gesamtvertrag stelle die KÄV die Abrechnungsfähigkeit der von den Kassenärzten erbrachten Leistungen auch mit Wirkung für die KK fest (Urteil vom 26. Januar 1968, in dem das SG die Berufung zugelassen hat).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen: Die KÄV habe die fraglichen Beratungen zu Unrecht als abrechnungsfähig anerkannt; die fehlerhafte Entscheidung der KÄV sei weder nach gesetzlichen Vorschriften noch nach bestehenden Verträgen für die KK verbindlich gewesen; diese habe mit ihrem Erstattungsanspruch auch einseitig aufrechnen können. Solange die KKen nicht bereit seien, sich - zwecks "Synchronisierung" der Rechtsbeziehungen zwischen der KÄV und den Ärzten einerseits sowie den KKen andererseits - den Entscheidungen der KÄV über die Abrechnungsfähigkeit von Leistungen vertraglich zu unterwerfen, bleibe der KÄV zur Sicherung der sonst gefährdeten "Deckungsgleichheit" zwischen empfangener und verteilter Gesamtvergütung nur übrig, sich im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) oder im einzelnen Abrechnungsbescheid vorzubehalten, überzahltes Honorar von den Ärzten zurückzufordern (Urteil vom 19. November 1968).
Die KÄV rügt mit der zugelassenen Revision, das LSG habe die Bindungswirkung der von ihr erteilten Honorarbescheide gegenüber den KKen zu Unrecht verneint; für den Ersatzkassenbereich sei dies schon durch BSG 17, 89 klargestellt worden. Die beklagte KK habe auch nicht einseitig aufrechnen können; ihr Erstattungsanspruch sei weder gleichartig noch - mangels förmlicher Feststellung - fällig gewesen. Schließlich habe das LSG die fragliche Bestimmung der GOÄ unrichtig ausgelegt.
Die KÄV beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1968 zurückzuweisen.
Die beklagte KK beantragt unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des LSG,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie wendet sich vor allem gegen das Bestreben der KÄV, das Risiko fehlerhafter Entscheidungen über die Abrechnungsfähigkeit kassenärztlicher Leistungen auf die KKen abzuwälzen; dies widerspreche der auf dem Honorarsektor bestehenden Trennung von Entrichtung und Verteilung der Gesamtvergütung.
Der beigeladene Kassenarzt hat den Antrag der KÄV unterstützt; er beanstandet vor allem die Auslegung der fraglichen Bestimmung der GOÄ durch das LSG.
Der beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen hat den gleichen Antrag wie die beklagte KK gestellt. Er hat die einschlägigen Abrechnungsunterlagen vorgelegt und mitgeteilt, daß in einem neuen Gesamtvertrag mit der KÄV ausdrücklich bestimmt werden solle, daß die KKen Fehler in der Honorarabrechnung innerhalb eines Jahres nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen berichtigen könnten. Die KÄV hat dazu vorgetragen, falls eine solche Regelung zustandekäme, würde nach einer neu in ihren HVM eingefügten Bestimmung der Abrechnungsbescheid gegenüber dem Arzt erst verbindlich werden, wenn entweder die genannte Frist verstrichen oder die Berichtigungsforderung der KK endgültig für unbegründet erklärt worden sei; bis dahin würde eine nachträgliche Korrektur des Abrechnungsbescheides zulässig sein (§ 6 Abs. 6 HVM in der ab 1. Januar 1970 geltenden Fassung). Außerdem enthalte der HVM seit dem 1. Januar 1970 eine Übergangsvorschrift, die gestatte, den Arzt nachträglich "rückzubelasten", wenn die KK einen Berichtigungsanspruch innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungslegung geltend gemacht habe. Eine solche Rückbelastung sei zunächst auch vor dem 1. Januar 1970 praktiziert, vom LSG Nordrhein-Westfalen jedoch mit rechtskräftigem Urteil vom 19. Juni 1969 für unzulässig erklärt worden. Die genannten Bestimmungen des HVM seien im übrigen nicht dahin zu verstehen, daß die KÄV den KKen in Zukunft das Recht zubillige, vermeintliche Erstattungsansprüche ohne förmliche Festsetzung durch Aufrechnung zu befriedigen. Offen sei insbesondere weiterhin, ob die KK eine Berichtigungsforderung einseitig mit der Gesamtvergütung für ein späteres Quartal verrechnen dürfe.
II
Die Revision der klagenden KÄV ist in der Hauptsache unbegründet. Noch nicht entscheidungsreif ist allerdings die Frage, in welcher Höhe die beklagte KK einen Erstattungsanspruch gegen die KÄV erworben und gegen deren Anspruch auf Zahlung von 127,50 DM aufgerechnet hat.
Die KK hat mit der Entrichtung der Gesamtvergütung für das 1. Quartal 1966 21 Beratungen des beigeladenen Kassenarztes vergütet, die dieser außerhalb der Sprechstunde, nachts oder sonntags zugleich mit Sonderleistungen erbracht hatte. Das Gebührenverzeichnis der GOÄ, das nicht nur für die Abrechnung der Kassenärzte gegenüber der KÄV gilt (§ 2 Abs. 2 des HVM vom 15. Mai 1965), sondern auch für die Berechnung der Gesamtvergütung der KK maßgebend ist (§ 3 Abs. 2 des "Rahmenabkommens" zwischen dem Verband der Ortskrankenkassen Rheinland und der KÄV vom 1. April 1965, dem die beklagte KK beigetreten ist), sieht folgende Beratungsgebühren vor: Für die Beratung eines Kranken bei Tage 3 DM (Nr. 1), für eine Beratung außerhalb der Sprechstunde bei Tage 4,50 DM (Nr. 2), für eine Beratung bei Nacht 7,50 DM (Nr. 3), für eine Beratung an Sonn- und Feiertagen 6 DM (Nr. 4). Inwieweit eine Beratungsgebühr neben einer Gebühr für eine Sonderleistung (Nrn. 25 ff des Gebührenverzeichnisses) berechnet werden kann, bestimmt die GOÄ in Abschnitt A I, Ziffer 2 c, Sätze 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses:
Neben einer Gebühr für eine Sonderleistung kann eine Beratungsgebühr in einem Behandlungsfall nur zusammen mit der ersten Sonderleistung berechnet werden. Satz 2 gilt nicht, wenn in dem Behandlungsfall bereits eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden ist.
Diese Regelung besagt zunächst, daß die gleichzeitige Berechnung einer Beratung und einer Sonderleistung - nur das ist Gegenstand der Regelung - bei der ersten Sonderleistung des Behandlungsfalles zulässig ist, es sei denn, daß in dem gleichen Behandlungsfall schon eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden ist; dann kann auch neben der ersten Sonderleistung keine Beratung mehr berechnet werden (daß dies der - allerdings mißverständlich formulierte - Sinn des Satzes 3 ist, zeigt ein Vergleich mit § 4 a der Ersatzkassen-Adgo alter Fassung, die der GOÄ "als Grundlage" gedient hat, Drucksache 549/64 des Bundesrats, Allgemeine Begründung des Entwurfs einer Gebührenordnung für Ärzte, S. 2). Da im übrigen "nur" zusammen mit der ersten Sonderleistung eine Beratungsgebühr angesetzt werden kann, ist sie neben einer zweiten oder weiteren Sonderleistung nicht mehr berechnungsfähig. In jedem Behandlungsfall - im Kassenarztrecht gehört dazu "die gesamte von demselben Arzt innerhalb desselben Kalendervierteljahrs an demselben Kranken vorgenommene Behandlung" (§ 9 Abs. 2 des Bundesmantelvertrags für Ärzte) - kann also "eine Beratungsgebühr" zugleich mit einer Gebühr für eine Sonderleistung nur einmal und nur dann angesetzt werden, wenn nicht zuvor schon eine Beratungs- oder Besuchsgebühr berechnet worden ist.
Das gilt nicht nur für Beratungen während der Sprechstunde (Nr. 1 GOÄ), sondern auch für Beratungen außerhalb derselben bei Tage (Nr. 2), nachts (Nr. 3) oder sonntags (Nr. 4).
Für den Arzt, der "zu ungelegener Zeit" in Anspruch genommen wird, mag das häufig eine Härte bedeuten. Weder der Wortlaut der fraglichen Bestimmung noch ihr systematischer Zusammenhang - als "allgemeine" Bestimmung bezieht sie sich offenbar auf alle Gebührenpositionen in Abschnitt A I des Gebührenverzeichnisses - geben dem Senat indessen die Möglichkeit, Beratungen nach Nrn. 2 bis 4 GOÄ von ihr auszunehmen.
Daß das Problem bei Erlaß der GOÄ nicht unbekannt war, zeigt ein Blick auf die alte Ersatzkassen-Adgo, für die die Vertragspartner seiner Zeit vereinbart hatten, daß Beratungen außerhalb der Sprechstunde oder Sonntagsberatungen neben der zweiten oder einer späteren Sonderleistung mit der einfachen Beratungsgebühr zu berechnen seien (vgl. die "Auslegung" zu Ziffer 2 der Ersatzkassen-Adgo in der Fassung von April 1962). Aus welchen Gründen diese Regelung nicht mit in die GOÄ übernommen worden ist, läßt sich nicht feststellen. Nach Ansicht des LSG ist nicht auszuschließen, daß der Verordnungsgeber gewisse, von ihm erkannte Härten der neuen Gebührenordnung zugunsten einer "vereinfachenden und typisierenden" Regelung bewußt in Kauf genommen hat. Möglicherweise hat er auch darauf vertraut, die Beteiligten würden selbst am besten in der Lage sein, durch eine von der GOÄ abweichende Vereinbarung eine allseits befriedigende Lösung zu finden (vgl. § 1 Satz 2 GOÄ und dazu die amtliche Begründung aaO). Für die Annahme einer durch den Richter ausfüllbaren Regelungslücke bietet die genannte Bestimmung der GOÄ jedenfalls keinen hinreichenden Anhalt. Die Beseitigung oder Milderung von Härten, die mit ihrer Anwendung verbunden sind, kann deshalb auch im Kassenarztrecht nicht Sache des Richters sein, sondern muß den Vereinbarungen der Sozialpartner überlassen bleiben (vgl. dazu jetzt die Empfehlung Nr. 26 der Kommission der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen zur Anwendung und Auslegung der GOÄ vom 18./19. März 1969, DOK 1969, 227; für den Ersatzkassenbereich den Beschluß der Arbeitsgemeinschaft vom 27./29. April 1965 zu § 5 b der neuen Ersatzkassen-Adgo, DÄ 1965, 1467). Soweit und solange solche Sonderregelungen nicht bestehen, gilt mithin die fragliche Sperrbestimmung (A I 2 c Sätze 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses) auch für Beratungen nach Nr. 2, 3 oder 4 GOÄ (ebenso Schmatz/Goetz/Matzke, GOÄ. S. 52; Brück, Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., Anm. 10 b zu A I 2 c GOÄ unter Hinweis auf einen Erlaß des Bundesarbeitsministers vom 30. Oktober 1967).
Andererseits hat das LSG bei Auslegung der genannten Bestimmung nicht genügend berücksichtigt, daß sie zwar, wenn in dem Behandlungsfall bereits eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden ist, den Ansatz einer weiteren Beratungsgebühr neben einer Sonderleistungsgebühr ausschließt, nicht jedoch die Frage beantwortet, welche der beiden Gebühren - die Beratungs- oder die Sonderleistungsgebühr - zu berechnen ist. Diese Frage regelt auch nicht Abschnitt A I 2 d des Gebührenverzeichnisses ("Eine Beratungsgebühr kann nicht an Stelle einer Gebühr für eine Sonderleistung berechnet werden"). Hier wird lediglich untersagt, anstatt der Gebühr für eine (erbrachte) Sonderleistung die - möglicherweise höhere - Gebühr für eine (nicht erbrachte) Beratung anzusetzen, aber nichts für den Fall bestimmt, daß beide Leistungen - die Sonderleistung und die Beratung - erbracht worden sind (ebenso Schmatz/Goetz/Matzke aaO, S. 52, Erläuterungen zu A I 2 d GOÄ). Im letzteren Falle kann der Arzt zwar nicht beide Leistungen abrechnen, sofern die Beratung nicht die erste des Behandlungsfalles war; er kann jedoch unter den beiden in Frage kommenden Gebührenpositionen wählen und wird sich in aller Regel für die höherwertige entscheiden (ähnlich Schmatz/Goetz/Matzke aaO und Brück aaO, der anscheinend einen "Verzicht" des Arztes auf Vergütung der niedriger bewerteten Sonderleistung für zulässig hält). Hat er keine Wahl getroffen, etwa weil er irrtümlich beide Gebühren als berechnungsfähig angesehen und in Ansatz gebracht hat, wird nach Aufdeckung des Irrtums im Zweifel davon auszugehen sein, daß die höherwertige gewählt ist.
Im vorliegenden Fall ist bisher nicht geklärt, ob der beigeladene Kassenarzt in den fraglichen Behandlungsfällen neben den erbrachten Sonderleistungen Beratungen vorgenommen hat, die nach der GOÄ höher als die Sonderleistungen vergütet werden. Träfe dies zu, so wären im Zweifel die Beratungen und nicht die Sonderleistungen zu honorieren. Der Anspruch der KÄV auf den streitigen Rest der Gesamtvergütung würde dann teilweise begründet sein. Um die fehlenden Feststellungen nachzuholen, hat der Senat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen.
Eine Zurückverweisung hätte sich nur dann erübrigt, wenn der Klage aus anderen Gründen nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfange stattzugeben gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Dem LSG ist vielmehr darin beizutreten, daß die - fehlerhafte - Entscheidung der KÄV über die Abrechnungsfähigkeit der streitigen Gebühren gegenüber der KK nicht verbindlich war und daß diese mit ihrer Erstattungsforderung gegen den Gesamtvergütungsanspruch der KÄV aufrechnen durfte.
Die von der KÄV ihren Mitgliedern erteilten Honorarabrechnungsbescheide sind zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Verwaltungsakte im Sinne des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); sie werden deshalb mangels abweichender gesetzlicher Vorschriften "für die Beteiligten" in der Sache bindend, wenn der gegen sie gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. "Beteiligte" in diesem Sinne sind jedoch, was die Verteilung der Gesamtvergütung und die dazu erforderlichen Abrechnungsbescheide betrifft, im eigentlichen kassenärztlichen Bereich - für die Ersatzkassen gelten Besonderheiten (vgl. BSG 17, 89 und 26, 170) - nach § 368 f Abs. 1 RVO nur die KÄV und ihre Mitglieder; nur ihnen übersendet die KÄV den Abrechnungsbescheid (nach dem Arzt-Ersatzkassenvertrag, der den genannten Entscheidungen des BSG zugrunde lag, erhielten den Abrechnungsbescheid auch die Ersatzkassen, vgl. Krauskopf, DOK 68, 405, der im übrigen unter VI mit Recht darauf hinweist, daß die Ersatzkassen keine von der KÄV zu verteilende "Gesamtvergütung" entrichten). Streng zu trennen von der Verteilung der Gesamtvergütung, die die KÄV autonom, wenn auch im Benehmen mit den Krankenkassen, im HVM regelt, sind die Rechtsbeziehungen zwischen der KÄV und der einzelnen KK, die, namentlich soweit sie die Entrichtung der Gesamtvergütung betreffen, der gemeinsamen - vertraglichen - Gestaltung der Sozialpartner unterliegen (§ 368 g RVO). Mit Rücksicht auf diese scharfe Trennung der beiden Rechtskreise hat der Senat schon früher entschieden, daß auch bei einer Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen (§ 368 f Abs. 3 RVO) der einzelne Kassenarzt nicht zu einem Rechtsstreit zwischen der KÄV und der KK wegen Entrichtung der Gesamtvergütung und umgekehrt die KK nicht zu einem Rechtsstreit zwischen der KÄV und ihren Mitgliedern wegen Verteilung der Gesamtvergütung beigeladen zu werden brauche: die Kassenärzte könnten ihre Vergütungsansprüche unabhängig von der Entscheidung des zwischen der KÄV und der KK geführten Prozesses geltend machen; andererseits könne die KK selbst nach rechtskräftiger Feststellung von ärztlichen Vergütungsansprüchen gegen die KÄV dieser entgegenhalten, daß die fraglichen Leistungen nicht wirksam erbracht worden seien (SozR Nr. 31 zu § 75 SGG). Was hier zur Nichtbindung der KK an gerichtliche Entscheidungen gesagt worden ist, die im Verhältnis der KÄV zu ihren Mitgliedern ergehen, gilt entsprechend für Verwaltungsakte, die von der KÄV im Rahmen der Honorarverteilung gegenüber ihren Mitgliedern erlassen werden. Auch an sie ist die KK mithin mangels "Beteiligung" am Honorarverteilungsverfahren nicht gebunden (ähnlich Krauskopf aaO).
Das kann allerdings bei der Vergütung nach Einzelleistungen dazu führen, daß die KÄV für die von ihr festgestellten Honorarforderungen der Kassenärzte keine (volle) Deckung durch die KK erhält. Welche Möglichkeiten ihr dann zu Gebote stehen, um die - rechtlich voneinander unabhängigen - Beziehungen gegenüber den Kassenärzten einerseits und den KKen andererseits wirtschaftlich ins Gleichgewicht zu bringen, braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Daß es solche - allen Beteiligten zumutbaren - Möglichkeiten gibt, zeigt der neuerdings von der KÄV beschrittene Weg, sich im HVM die nachträgliche Änderung des Honorarbescheides für den Fall vorzubehalten, daß die KK innerhalb einer bestimmten Frist eine Berichtigung der Abrechnung verlangt. Auch der anderen Möglichkeit, eine "Synchronisation" der getrennten Rechtsbeziehungen dadurch zu erreichen, daß die KK sich vertraglich der Honorarfestsetzung durch die KÄV unterwirft, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen. Daß die beklagte KK sich in dem "Rahmenabkommen" vom 1. April 1965, dem sie beigetreten ist, nicht in dieser Weise vertraglich gebunden hat, hat das LSG eingehend dargelegt. Da seine Entscheidung insoweit nicht revisible Bestimmungen im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG betrifft, ist sie für den Senat nicht überprüfbar.
War die KK mithin an den Honorarbescheid, den die KÄV dem beigeladenen Kassenarzt für das 1. Quartal 1966 erteilt hat, und an die darin enthaltene Feststellung der Abrechnungsfähigkeit bestimmter Leistungen nicht gebunden, so konnte und kann sie sich der KÄV gegenüber darauf berufen, daß die Gesamtvergütung für das genannte Quartal, soweit sie auf die fraglichen Leistungen des Beigeladenen entfällt, von ihr zu Unrecht gezahlt worden ist. Insoweit hat sie daher nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts über die Erstattung von Überzahlungen einen Erstattungsanspruch gegen die KÄV erworben (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch vgl. BSG 14, 59, 63; 16, 151, 156 ff; 22, 136, 137; 24, 66, 67; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl., S. 169; Wolff, Verwaltungsrecht I, 5. Aufl., § 44 I c).
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ist die KK auch befugt gewesen, mit ihrem - von der KÄV bestrittenen - Erstattungsanspruch gegen deren - unstreitigen - Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung für das 3. Quartal 1966 aufzurechnen. Daß auch das öffentliche Recht eine Aufrechnung unter den Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Forderungen (vgl. § 387 BGB) zuläßt, ist mindestens dann nicht zu bezweifeln, wenn sich, wie hier, zwei öffentlich-rechtliche Körperschaften gleichgeordnet gegenüberstehen und beide Forderungen dem öffentlichen Recht angehören (vgl. Forsthoff aaO S. 271 f.; ferner BSG 15, 36, 37; 24, 131, 132). Im vorliegenden Fall handelte es sich um gegenseitige und, weil beide auf Zahlung von Geld gerichtet waren, auch gleichartige Forderungen; daß sie nicht das gleiche Abrechnungsquartal betrafen, berührt ihre Gleichartigkeit nicht. Entgegen der Ansicht der KÄV war die Erstattungsforderung der KK auch fällig; einer besonderen formellen Feststellung bedurfte es dazu nicht. Eine solche Feststellung wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn die KK an die Honorarbescheide der KÄV gebunden wäre. Dann hätte sie allerdings nur nach erfolgreicher Anfechtung eines ihrer Ansicht nach fehlerhaften Bescheides mit einer Erstattungsforderung wegen Überzahlung der Gesamtvergütung aufrechnen können. Da indessen eine Bindung der KK an die Bescheide der KÄV, wie ausgeführt, nicht besteht, war die Aufrechnung mit ihrer Gegenforderung ohne weiteres zulässig.
Dem LSG ist endlich darin beizutreten, daß § 394 BGB, der eine Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen ausschließt, der Aufrechnungsbefugnis der KK nicht entgegenstand. Diese Vorschrift, die dem Bedürfnis nach Existenzsicherung von Privatpersonen Rechnung trägt, die mit ihren Einkünften unter der Pfändungsgrenze liegen, mag zwar auf vergleichbare Beziehungen des öffentlichen Rechts sinngemäß anwendbar sein (vgl. Herbsleb, Die Aufrechnung im Verwaltungsrecht, Diss., Münster 1968, S. 53 ff). Für öffentlich-rechtliche Körperschaften gilt sie jedenfalls nicht im Verhältnis zueinander, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt. Daß dies auch die Auffassung der herrschenden Lehre und Praxis ist, erhellt schon daraus, daß sonst eine Aufrechnung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die allgemein für unbedenklich gehalten wird, regelmäßig an der Sperrvorschrift des § 394 BGB scheitern müßte (vgl. auch das Urteil des BSG vom 26. April 1967, SozR Nr. 2 zu § 21 BVG, zur Aufrechnung gegenseitiger Ersatzansprüche eines Versorgungsamtes und einer KK). Besondere gesetzliche Vorschriften, die eine Pfändung von oder Aufrechnung gegen Forderungen einer KÄV auf Entrichtung der Gesamtvergütung ausschließen oder einschränken, bestehen nicht. Die KK hat somit wirksam gegen den Anspruch der KÄV aufrechnen können. Daß in einem Falle, in dem eine KK mit erheblichen Erstattungsbeträgen aus früheren Abrechnungszeiträumen aufrechnet, die KÄV dann die Honorarforderungen der Ärzte aus der für das laufende Abrechnungsquartal entrichteten Gesamtvergütung nicht voll begleichen kann, sondern dazu auf eigene Mittel, notfalls auf einen Bankkredit zurückgreifen muß, belastet sie nicht über Gebühr; ist die Aufrechnung zu Recht erfolgt, kann sie sich bei ihren Mitgliedern (vgl. den Rückbelastungsvorbehalt in § 6 Abs. 6 des HVM), im anderen Falle bei der aufrechnenden KK schadlos halten (vgl. die Zinsregelung in § 6 Abs. 3 des Rahmenabkommens).
Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat das LSG zu entscheiden.
Fundstellen