Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Witwen- und Waisenbeihilfe nach BVG § 48 setzt voraus, daß der Beschädigte bis zum Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage "zu Recht" bezogen hat, dh, daß der Rentenbewilligungsbescheid nicht nachträglich mit rückwirkender Kraft rechtmäßig beseitigt worden ist; der tatsächliche Bezug allein genügt nicht.
Leitsatz (redaktionell)
1. An der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, daß die Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach KOV-VfG § 41 durch die Verwaltungsbehörde auch dann noch zulässig ist, wenn der aufgrund des fehlerhaften Bescheides Versorgungsberechtigte bereits gestorben ist (vergleiche BSG 1958-03-27 8 RV 387/55 = BSGE 7, 103 und BSG 1964-02-20 8 RV 225/61 = BSGE 20, 209), wird festgehalten. BVG § 38 Abs 1 S 2 und BVG § 48 Abs 1 stehen dem nicht entgegen.
2. Der Erlaß eines Berichtigungsbescheides zuungunsten des Berechtigten steht nicht im Ermessen der Verwaltungsbehörde; diese ist vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen zum Erlaß dieses Bescheides verpflichtet (Bestätigung von BSG 1959-03-05 8 RV 607/57 = BSGE 9, 199).
Normenkette
BVG § 48 Abs. 1 Fassung: 1950-02-20, § 38 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1950-02-20, S. 1 Fassung: 1950-02-20; KOVVfG § 41 Fassung: 1960-06-27; RVO § 595a Fassung: 1925-07-14
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Dezember 1962 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Bei dem Ehemann der Klägerin waren durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt B vom 24 Februar 1949 als Körperschäden nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 "Zustand nach Tibia-kopfbruch links mit stark sezernierender Fistelbildung und Schlottergelenk des linken Kniegelenks, Verkürzung des linken Beines um 2 cm" bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. anerkannt worden. Durch Bescheid vom 14. April 1949 wurden zusätzlich "Bluthochdruck und Schüttellähmung als Folge der Kriegsverletzung" anerkannt und die MdE auf 100 v. H. heraufgesetzt. Schädigungsfolgen und Höhe der MdE wurden unverändert in den Umanerkennungsbescheid vom 10. April 1951 übernommen.
Am 24. Februar 1958 starb der Ehemann der Klägerin. Durch Bescheid vom 15. April 1958 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) B den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente nach § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) mit der Begründung ab, daß der Tod ihres Ehemannes nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Auch eine Witwenbeihilfe nach § 48 BVG könne nicht gewährt werden, weil ihr Ehemann keine Pflegezulage bezogen habe und ihm zur Zeit seines Todes die Rente eines Erwerbsunfähigen nicht zu gewähren war. Ein Bescheid darüber nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) folge zu einem späteren Zeitpunkt. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Niedersachsen vom 29. Mai 1959).
Während des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 15. April 1958 erging mit Zustimmung des LVersorgA Niedersachsen der Teilberichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG vom 12. November 1958. Das VersorgA hob mit dem Berichtigungsbescheid die Bescheide vom 14. April 1949, 10. April 1951 und die sich hierauf stützenden Bescheide vom 6. Juli 1953, 15. November 1954 und 13. Juli 1955 sowie vom 7. September 1956, 4. April 1957 und 17. April 1957 insoweit auf, als "Bluthochdruck und Schüttellähmung als Schädigungsfolgen" anerkannt worden waren. Anerkannt blieben lediglich noch Zustand nach Tibiakopfbruch links mit stark sezernierender Fistelbildung und Schlottergelenk des linken Kniegelenks sowie Verkürzung des linken Beines um 2 cm bei einer MdE um 60 v. H. Den Widerspruch hiergegen wies das LVersorgA Niedersachsen durch Bescheid vom 30. Mai 1959 zurück.
Die Klägerin hat sowohl hinsichtlich des Berichtigungsbescheides als auch hinsichtlich der Ablehnung der Witwenbeihilfe Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben, das in der mündlichen Verhandlung am 17. November 1960 zunächst beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Durch Urteil vom 17. November 1960 hat das SG Braunschweig unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 1959 und entsprechender Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1959 und des Berichtigungsbescheides vom 12. November 1958 den Beklagten verurteilt, Witwenbeihilfe zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 11. Dezember 1962 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das LSG die Auffassung vertreten, daß Gegenstand der Berufung nur noch der Anspruch der Klägerin auf Witwenbeihilfe gewesen sei. Der Berichtigungsbescheid sei de facto nicht im Streit, weil das SG im Gegensatz zu seinem Urteilsausspruch in den Entscheidungsgründen von der Rechtsgültigkeit des Berichtigungsbescheides und seiner ex-tunc-Wirkung ausgegangen sei. Der Antrag der Klägerin in der ersten Instanz, ihr die Witwenbeihilfe "unter Aufhebung des Berichtigungsbescheides" zu gewähren, müsse als Eventualantrag für den Fall aufgefaßt werden, daß der Berichtigungsbescheid ihrem Beihilfeanspruch entgegenstehen sollte. Daß auch die Beteiligten den Berichtigungsbescheid allenfalls in diesem Sinne als noch im Streit befindlich betrachteten, ergebe sich aus der Tatsache, daß die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil keine Berufung eingelegt habe. Ihr Begehren sei daher auch in der Berufungsinstanz allein darauf gerichtet, das erstinstanzliche Urteil bezüglich des ihr zugesprochenen Beihilfeanspruchs zu bestätigen, hilfsweise unter Abänderung des Berichtigungsbescheides und des ihm entsprechenden Widerspruchsbescheides.
Das LSG hat dahinstehen lassen, ob der Berichtigungsbescheid rechtmäßig war und ob er insbesondere nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin noch erlassen werden konnte, weil diese Frage für den Anspruch auf Witwenbeihilfe ohne Bedeutung sei. Es komme bei einem Witwenbeihilfeanspruch aus § 48 BVG nicht darauf an, ob der Verstorbene die Rente zu Recht bezogen habe, sondern allein darauf, ob er sie de facto bezogen hat. Die Argumentation des Beklagten, es sei undenkbar, daß der Gesetzgeber auch aus einem unberechtigten Rentenbezug eine Leistung für eine andere Person habe herleiten wollen, habe zwar viel für sich, sie sei jedoch nicht zwingend, weil sie dem Gesetzeswortlaut nicht entspreche. Nach dem Sprachgebrauch sei unter "bezogen hat" nur der tatsächliche Rentenbezug zu verstehen. Für eine Auslegung dieser Vorschrift sei kein Raum, weil die in ihr enthaltene Erklärung des Gesetzgebers so klar und nach ihrer Bedeutung so zweifelsfrei sei, daß eine andere Deutung als ausgeschlossen angesehen werden müsse. Hierfür spreche weiterhin ein Vergleich des § 48 mit § 38 BVG, nach dem ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente dann bestehe, wenn dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes Rente "zuerkannt" war. Wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung auch für die Witwenbeihilfe im Auge gehabt hätte, so sei nicht einzusehen, warum er dann in § 48 BVG eine derart auffällig andere Formulierung gewählt habe. Es sei zwar verschiedentlich die Auffassung vertreten worden, daß auch § 48 BVG einen Rentenanspruch des Beschädigten zur Zeit seines Todes voraussetze (vgl. Bayer. LVAmt in Breith. 1952, 709). Diese Ansicht halte jedoch einer Prüfung nicht stand. Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) habe in seiner Entscheidung Nr. 4856 AN 1935 S. IV 88 zutreffend auf den prinzipiellen Unterschied zwischen Witwenrente und Witwenbeihilfe hingewiesen, der darin bestehe, daß der Anspruch auf Witwenbeihilfe im Gegensatz zu dem Anspruch auf Witwenrente einen Ausfluß der tatsächlich geleisteten Rentenbezüge an den Verstorbenen darstelle. In dem vom RVA entschiedenen Falle habe es sich allerdings um die Witwenbeihilfe in der Unfallversicherung in Form einer einmaligen "Abschlußzahlung" gehandelt, während das BVG eine laufende Zahlung vorsehe. Dieser Unterschied habe jedoch für die hier zu entscheidende Frage nur graduellen Charakter, während die gesetzliche Konstruktion der Beihilfe für beide Rechtsgebiete im wesentlichen gleich sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 27. März 1958 (BSG 7, 108, 112) zu § 48 BVG ausgeführt, daß die Beihilfe für die Witwe eines nicht an den Folgen einer Schädigung gestorbenen erwerbsunfähigen Schwerbeschädigten oder Pflegezulageempfängers nach ihrem Sinn und Zweck den Wegfall der Versorgungsbezüge ausgleichen solle. Die Gewährung von Witwenbeihilfe sei aber dann nicht erforderlich, wenn die Versorgungsbezüge nicht bis zum Tode des Schwerbeschädigten zur Verfügung standen, weil der Anspruch vorher untergegangen war. Hieraus sei zu entnehmen, daß das BSG neben der tatsächlichen Rentenzahlung auch einen entsprechenden nachprüfbaren Anspruch des Verstorbenen als Voraussetzung für die Gewährung der Witwenbeihilfe ansehe. Dem könne jedoch nicht zugestimmt werden, weil für dieses Erfordernis das Gesetz keine Stütze biete.
Gegen dieses ihm am 15. Februar 1963 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Februar 1963, beim BSG eingegangen am 28. Februar 1963, Revision eingelegt und beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. Dezember 1962 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Niedersachsen zurückzuverweisen.
Der Beklagte hat die Revision mit Schriftsatz vom 8. April 1963, auf den Bezug genommen wird, begründet. Er trägt insbesondere vor, das LSG habe zu Unrecht § 38 und § 48 BVG in ihrem Wortlaut kritisch einander gegenübergestellt, weil beide Vorschriften in dem Abschnitt "Hinterbliebenenversorgung" stehen. Wenn in § 38 BVG für eine bestimmte Folge vorausgesetzt werde, daß etwas rechtsverbindlich anerkannt und eine Rente zuerkannt worden ist, so sei kein Grund dafür vorhanden, daß es bei dem im gleichen Abschnitt stehenden § 48 BVG anders sein sollte. Was nach dem Sprachgebrauch das Wort "beziehen" bedeute, könne für eine Anwendung in einem Gesetz i. S. einer Willenserklärung nicht von Bedeutung sein, zumal das Wort selbst über die Art des Bezugs und seine Berechtigung nichts aussage. Gerade dieser Umstand zwinge zu einer Auslegung dieser Vorschrift. Sowohl in dem vom LSG angeführten Urteil des Bayer. Landesversicherungsamts vom 23. Oktober 1951 als auch in dem Urteil des BSG in BSG 7, 108 sei zutreffend ausgesprochen worden, daß der Rentenanspruch des verstorbenen Ehemannes zu Recht bestanden haben müsse, wenn der Witwe nach § 48 BVG eine Beihilfe zustehen soll. Diese Beihilfe mit derjenigen des § 595 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) in vergleichende Beziehungen zu setzen, sei nicht möglich; denn diese Vorschrift betreffe lediglich eine einmalige abschließende Zahlung, während die Witwenbeihilfe nach § 48 BVG über Jahre und Jahrzehnte gezahlt werde. Die Versorgungsbehörde, die für einen dem Gesetz entsprechenden Zustand zu sorgen und gesetzwidrige Zustände zu vermeiden oder zu beseitigen habe, sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, in entsprechenden Fällen Berichtigungen vorzunehmen (BSG 9, 199). Ein nach § 41 VerwVG erlassener Berichtigungsbescheid stelle das Rechtsverhältnis der Beteiligten ex tune auf eine andere Grundlage. Dem stehe nicht entgegen, daß der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt der Berichtigung bereits gestorben war. Das LSG hätte daher über die Rechtmäßigkeit des Teilberichtigungsbescheides vom 12. November 1958 eindeutig entscheiden müssen. Das hätte nicht nur deshalb geschehen müssen, weil die Klägerin einen dahingehenden Antrag gestellt hatte, sondern auch deshalb, weil die Ausführungen des LSG zu der Witwenbeihilfe nach § 48 BVG nur von Bedeutung seien, wenn der Berichtigungsbescheid rechtmäßig ist; andernfalls hätten diese Ausführungen unterbleiben können.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision des Beklagten als unbegründet; sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet worden (§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Die Klägerin hat im März 1958 den Antrag auf Hinterbliebenenversorgung gestellt, nachdem ihr Ehemann am 24. Februar 1958 gestorben war. Für ihren Anspruch auf Witwenbeihilfe ist somit § 48 Abs. 1 BVG in der damals geltenden Fassung maßgebend. Nach § 48 Abs. 1 BVG idF, die bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) am 1. Juni 1960 gegolten hat, werden der Witwe und den Waisen Witwen- und Waisenbeihilfe gewährt, wenn ein Beschädigter, der bis zum Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage bezogen hat, nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Durch das 1. NOG ist in § 48 Abs. 1 ein Satz 2 eingefügt worden, nach dem Witwen- und Waisenbeihilfe auch gewährt werden kann, wenn ein Beschädigter bis zum Tode Rente nach einer MdE um wenigstens 80 v. H. bezogen hat. Nach dem 2. NOG vom 21. Februar 1964 kann die Witwen- und Waisenbeihilfe schon dann gewährt werden, wenn ein Beschädigter bis zum Tode Rente nach einer MdE um wenigstens 70 v. H. bezogen hat. Der Ehemann der Klägerin hat bis zu seinem Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen erhalten und ist nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben. Der Satz 2 des § 48 Abs. 1 BVG idF des 1. und 2. NOG kommt im vorliegenden Falle nicht in Betracht, weil durch den Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 - seine Rechtmäßigkeit zunächst unterstellt - die MdE auf 60 v. H. festgesetzt worden ist.
Das LSG ist der Meinung, der Wortlaut des § 48 Abs. 1 BVG sei so klar und zweifelsfrei, daß er einer Auslegung nicht mehr fähig sei. Es mag dem LSG zugegeben werden, daß der Wortlaut dieser Vorschrift "bezogen hat" zunächst - für sich allein gesehen - dafür zu sprechen scheint, daß der Anspruch auf Witwenbeihilfe lediglich von dem tatsächlichen Bezug der Rente eines Erwerbsunfähigen oder der Pflegezulage im Zeitpunkt des Todes abhängt. Dem LSG kann jedoch nicht beigepflichtet werden, wenn es meint, daß damit eine Auslegung des § 48 Abs. 1 BVG überhaupt nicht mehr in Betracht komme. Auch bei Berücksichtigung des Wortlauts bleibt noch die Frage offen, ob der tatsächliche Bezug der Rente eines Erwerbsunfähigen oder der Pflegezulage "zu Recht" bestanden haben muß - das heißt, daß die rechtsverbindliche Anerkennung nicht durch einen Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG beseitigt worden ist - oder ob allein der tatsächliche Bezug der Rente beim Tode des Beschädigten, unbeschadet eines nachträglichen und bis in die Zeit vor dem Tode zurückwirkenden Berichtigungsbescheides genügt. Zur Beantwortung dieser Frage muß der § 48 Abs. 1 BVG ausgelegt werden. Da der Wortlaut der Vorschrift eine Auslegung auf die aufgeworfene Frage hin nicht zuläßt, ist auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zurückzugehen, den der Gesetzgeber insgesamt und im einzelnen mit der Regelung verfolgt hat. Dabei sind auch die Entstehungsgeschichte und der Zusammenhang mit anderen Vorschriften zu berücksichtigen; es ist auch zu prüfen, ob der Wortlaut des Gesetzes diesem Zweck gerecht geworden ist (vgl, BSG 8, 130, 133). Gegenstand der Auslegung ist allein der in einer gesetzlichen Vorschrift zum Ausdruck kommende "objektivierte Wille" des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt. Einer allein auf sprachlicher Interpretation beruhenden Entscheidung würde, wie immer sie ausfiele, die innere Überzeugungskraft fehlen (vgl, BSG 5, 127, 135; 6, 252, 255; vgl. ferner Palandt, Kommentar zum BGB, 17. Aufl., Einleitung V Anm. 2 a). Entgegen der Auffassung des LSG bedarf somit die Vorschrift des § 48 Abs. 1 BVG der Auslegung jedenfalls dann, wenn ein Bewilligungsbescheid unter den Voraussetzungen des § 41 VerwVG auch nach dem Tod des Beschädigten mit rückwirkender Kraft zurückgenommen worden ist.
Vom BSG ist in ständiger Rechtsprechung entschieden worden, daß die Erteilung eines Berichtigungsbescheides durch die Verwaltungsbehörde auch dann noch zulässig ist, wenn der auf Grund des fehlerhaften Bescheides Versorgungsberechtigte bereits gestorben ist (vgl. BSG 7, 103; 20, 209; vgl. auch RVG 11, 188). Die Berichtigung von fehlerhaften Entscheidungen in den engen Grenzen des § 41 VerwVG beruht auf der Erwägung, daß eine ganz oder teilweise zu Unrecht zugebilligte Rente zu Lasten der wahrhaft Anspruchsberechtigten und der Allgemeinheit geht, welche die Versorgungslasten aufzubringen hat. Hier muß die Möglichkeit bestehen, eine offenbare Fehlentscheidung richtigzustellen (vgl. amtl. Begr. zum VerwVG zu den §§ 40 bis 44 - BT-Drucks. 68, 2. Wahlperiode 1953 S. 14 -). Gerade der Umstand, daß ein Beschädigtenrentenbescheid Rechtswirkungen für die Hinterbliebenen äußert, gebietet, daß die Rücknahme auch gegenüber den begünstigten Dritten, die aus dem Beschädigtenrentenbescheid Rechte ableiten, zulässig sein muß. Es ist nicht einzusehen, warum die Hinterbliebenen, bei denen ein dem Beschädigten erteilter, offensichtlich fehlerhafter Bescheid zu dessen Lebzeiten nicht mehr aufgehoben worden ist, gegenüber solchen Hinterbliebenen bessergestellt werden sollten, bei denen der fehlerhafte Bescheid noch zu Lebzeiten des Rentenempfängers zurückgenommen worden ist (vgl. BSG 7, 103, 105). Der § 41 VerwVG trägt demnach dem Gesichtspunkt Rechnung, daß jede Verwaltung die aus ihrer öffentlichen Aufgabe und Funktion entspringende Pflicht hat, in ihrem Bereich und in den ihr gesetzten Grenzen für einen dem Gesetz entsprechenden Zustand zu sorgen und gesetzwidrige Zustände zu vermeiden oder zu beseitigen. Der Erlaß eines Berichtigungsbescheides zuungunsten des Berechtigten steht somit nicht im Ermessen der Verwaltungsbehörde; diese ist vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen zum Erlaß dieses Bescheides verpflichtet (vgl. BSG 9, 199, 203). Sollten somit die Voraussetzungen des § 41 VerwVG für den Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 vorliegen, so konnte die Versorgungsbehörde diesen Bescheid auch noch nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin erlassen; das hätte zur Folge, daß die Bewilligungsbescheide, soweit es sich um die Anerkennung eines Bluthochdrucks und einer Schüttellähmung als Schädigungsfolgen und um die Gewährung der Rente eines Erwerbsunfähigen gehandelt hat, ex tune zurückgenommen sind. Falls die Voraussetzungen des § 41 VerwVG gegeben sind, hätte der Ehemann der Klägerin somit die Rente eines Erwerbsunfähigen nicht "zu Recht" bis zu seinem Tode bezogen. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil zu der Frage, ob hinsichtlich des Teilberichtigungsbescheides vom 12. November 1958 die Voraussetzungen des § 41 VerwVG vorliegen, keine Stellung genommen, weil es der Auffassung war, daß es auf die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbescheides nicht ankomme, vielmehr der Anspruch auf Witwenbeihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG lediglich von dem tatsächlichen Bezug der Rente eines Erwerbsunfähigen abhänge. Dieser Rechtsauffassung des LSG kann jedoch bei zutreffender Auslegung des § 48 Abs. 1 BVG nicht zugestimmt werden.
Die Vorschriften der §§ 38 und 48 BVG stehen in demselben Gesetzesabschnitt über die Hinterbliebenenversorgung. Die Hinterbliebenen haben dann einen Anspruch auf Versorgung, wenn der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BVG). Nach Satz 2 des § 38 Abs. 1 BVG gilt der Tod stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt seines Todes Rente zuerkannt war. Aus dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß nicht der tatsächliche Bezug von Rente durch den verstorbenen Beschädigten, sondern dessen Anspruch auf Rente das entscheidende Merkmal für die Versorgungsberechtigung seiner Hinterbliebenen ist (vgl. hierzu auch Bayer. LVAmt in Breith. 1952, 709; BMA in "Der Versorgungsbeamte" 1961 S. 107 Nr. 48). Das BSG hat daher in der bereits angeführten Entscheidung in BSG 7, 103 zu § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG ausgeführt, daß diese Vorschrift der Rücknahme eines gegenüber dem verstorbenen Beschädigten ergangenen Bewilligungsbescheides nicht entgegensteht. Der § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG soll lediglich verhindern, daß im Hinterbliebenenrentenverfahren dann, wenn der Beschädigte an seinem anerkannten Versorgungsleiden gestorben ist, noch nachgeprüft wird, ob der Tod mit Wahrscheinlichkeit die Folge einer Schädigung ist. Das bedeutet aber nicht, daß § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG die Rücknahme eines Beschädigtenrentenbescheides ausschließt, wenn im Einzelfall dessen Fehlerhaftigkeit erst nach dem Tode erkannt worden ist (BSG aaO). Ist demnach einem Beschädigten, der an einem anerkannten Versorgungsleiden gestorben ist, eine Rente zuerkannt gewesen und wird der Bewilligungsbescheid nach § 41 VerwVG mit Recht ex tune zurückgenommen, so greift die Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG nicht Platz.
Die Rechtslage hinsichtlich eines Anspruchs auf Witwen- und Waisenbeihilfe i. S. des § 48 Abs. 1 BVG kann nicht anders beurteilt werden als bei einem Anspruch auf Witwenrente nach § 38 BVG. Das LSG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß in § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG bestimmt ist: "wenn dem Beschädigten im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war", während es in § 48 Abs. 1 heißt: "ein Beschädigter, der bis zum Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen oder Pflegezulage bezogen hat". Aus welchem Grund der Gesetzgeber eine andere Fassung der Vorschrift gewählt hat, ist aus den Materialien zum BVG nicht ersichtlich; jedenfalls ist aus der amtlichen Begründung zum Entwurf des BVG zu § 37 (jetzt § 38) und zu § 47 (jetzt § 48) in diesen Hinsicht nichts zu entnehmen. Hätte der Gesetzgeber mit der Fassung des § 48 Abs. 1 BVG von den das ganze Versorgungsrecht beherrschenden Grundsatz, daß eine Versorgungsleistung grundsätzlich einen zu Recht bestehenden Anspruch des Versorgungsberechtigten voraussetzt, abgehen wollen, so wäre dies sicher in den Materialien zum BVG zum Ausdruck gekommen. Es muß daher auch bei § 48 Abs. 1 BVG davon ausgegangen werden, daß ein Anspruch des verstorbenen Beschädigten auf die Rente eines Erwerbsunfähigen oder auf Pflegezulage zu Recht bestanden haben muß, um eine Witwen- oder Waisenbeihilfe auslösen zu können; denn alle versorgungsberechtigten Hinterbliebenen- auch eine Witwe, die einen Anspruch auf Witwenbeihilfe geltend macht - leiten ihre Versorgungsberechtigung aus der Beschädigteneigenschaft des verstorbenen Beschädigten ab, d. h. daß bei der Witwenbeihilfe nach § 48 Abs. 1 BVG der verstorbene Ehemann die Rente eines Erwerbsunfähigen oder die Pflegezulage zu Recht bezogen haben muß (vgl. BSG 7, 108; 20, 209). Der 8. Senat des BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 20. Februar 1964 (BSG 20, 209, 214) zutreffend ausgeführt: "Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 BVG - und hierauf kommt es entscheidend an- ist die Gewährung einer Beihilfe an die Hinterbliebenen eines nicht an den Folgen einer Schädigung gestorbenen erwerbsunfähigen Schwerbeschädigten oder Pflegezulageempfängers, um den durch den Tod eintretenden Wegfall der Versorgungsbezüge auszugleichen, mit denen in der Regel wegen der Erwerbsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit des Ernährers der Unterhalt der Familie bis zu seinem Ableben bestritten worden ist. Diesem Sinn und Zweck kann aber ein solcher Ausgleich nur dann dienen, wenn der Unterhalt der Familie weiterhin durch die Versorgungsbezüge bestritten worden bzw. sichergestellt gewesen wäre, wenn der Ernährer nicht gestorben wäre.
Das bedeutet gleichzeitig, daß ein Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe dann nicht besteht, wenn - wie im vorliegenden Falle - die Versorgungsbezüge des Erwerbsunfähigen - als Sicherung für den Unterhalt der Familie - nicht durch den Tod, sondern unabhängig vom Tode schon aus anderen Gründen wegfallen." Zwar handelte es sich in dem vom 8. Senat entschiedenen Falle um den tatsächlichen Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Todesmonat nach § 610 RVO, obwohl bereits einen Monat vorher der Bewilligungsbescheid durch einen Berichtigungsbescheid nach Ziff. 26 der Sozialversicherungsanordnung 11 zurückgenommen worden war. Die Rechtslage ist aber im vorliegenden Falle insoweit die gleiche, sofern der Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 rechtmäßig ist.
Soweit das LSG in der angefochtenen Entscheidung auf ein Urteil des RVA vom 18. Januar 1935 (GE Nr. 4856 AN 1935 S. IV 88) hinweist, das zu § 595 a RVO ergangen ist, kann den daraus gezogenen Folgerungen nicht beigetreten werden. Nach dieser Vorschrift erhält in der Unfallversicherung die Witwe eines Schwerverletzten als einmalige Witwenbeihilfe zwei Fünftel des Jahresarbeitsverdienstes, wenn sie keinen Anspruch auf Witwenrente hat, weil der Tod des Verletzten nicht Folge eines Unfalls war. Das RVA hat in der angeführten Entscheidung ausgeführt, daß der Zweck des § 595 a RVO dahin gehe, die Witwe des Empfängers einer Unfallrente, der infolge der - zu Recht oder Unrecht - gewährten hohen Unfallrente seinen gesamten Haushalt auf diese Rente eingestellt und sich, auch wenn er vielleicht dazu noch in der Lage gewesen wäre, mit Rücksicht auf diese Rente keinen anderweitigen Erwerb oder bei Unmöglichkeit körperlicher Betätigung keine anderweitige Unterstützung gesucht hat, im Augenblick des Todes ihres Ernährers nicht völlig mittellos der Not preiszugeben. Ganz abgesehen davon, daß es sich bei der Witwenbeihilfe in der Unfallversicherung um eine einmalige Zahlung handelt, während die Witwen- und Waisenbeihilfe nach § 48 BVG eine wiederkehrende Leistung für längere Zeit darstellt, ist der Zweck des § 595 a RVO lediglich der, die Witwe "im Augenblick des Todes ihres Ernährers" nicht völlig mittellos der Not preiszugeben. Diesem Zweck dient aber in der Kriegsopferversorgung die Vorschrift des § 37 BVG, nach der beim Tode eines Versorgungsrentenempfängers die Rente des Verstorbenen noch für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate an die dort aufgeführten Bezugsberechtigten gezahlt wird. Damit ist die Witwe, die mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, in der Kriegsopferversorgung "im Augenblick des Todes ihres Ernährers" nicht völlig mittellos der Not preisgegeben. Diesen Zweck erfüllt die Vorschrift des § 595 a RVO in der Unfallversicherung, die Bezüge für das Sterbevierteljahr nicht kennt, durch Zahlung einer einmaligen Witwenbeihilfe. Schon aus diesem Grunde kann § 595 a RVO entgegen der Auffassung des LSG nicht zur Auslegung des § 48 BVG herangezogen werden. Im übrigen hat das RVA in der Entscheidung Nr. 4856 ausdrücklich noch darauf hingewiesen, daß die Rechtslage in der Kriegsopferversorgung nach § 40 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) anders sei und für die Auslegung des § 595 a RVO nicht herangezogen werden könne. Nach § 40 RVG konnte der Witwe eines Schwerbeschädigten im Falle der Bedürftigkeit eine Witwenbeihilfe gewährt werden, wenn der Tod nicht die Folge einer Dienstbeschädigung war. In Nr. 1 Abs. 5 der Ausführungsbestimmungen zu den §§ 40 und 42 RVG (vgl. Handbuch der Reichsversorgung Bd. I S. 135) war bestimmt, daß Witwen- und Waisenbeihilfe nicht bewilligt werden kann, wenn sich herausstellt, daß das Rentenleiden des Verstorbenen zu Unrecht als Folge einer Dienstbeschädigung anerkannt war. Die vom RVA vorgenommene Auslegung des § 595 a RVO rechtfertigt somit nicht eine entsprechende Auslegung des § 48 BVG, weil es sich hierbei um einen anderen Sachverhalt handelt.
Das LSG hat somit den § 48 BVG unrichtig angewendet, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Sollte der Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 rechtmäßig sein, dann hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe nach § 48 BVG, weil ihr Ehemann bis zum Tode die Rente eines Erwerbsunfähigen nicht zu Recht bezogen hat. Entsprechend seiner - nicht zu billigenden - Rechtsauffassung hat das LSG darüber nicht entschieden, ob der Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 rechtmäßig ist. Da die Klägerin nach ihrem vor dem SG gestellten Antrag auch den Teilberichtigungsbescheid mit der Klage angefochten hat, muß das LSG unter Zugrundelegung der vom erkennenden Senat vertretenen Rechtsauffassung, daß ein solcher Bescheid auch nach dem Tode des Beschädigten ergehen kann, noch über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides entscheiden, weil es hiervon abhängt, ob die Klägerin Anspruch auf Witwenbeihilfe nach § 48 BVG hat. Die Sache mußte daher mangels tatsächlicher Feststellungen zu dem Teilberichtigungsbescheid vom 12. November 1958 durch das LSG an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden.
Fundstellen