Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Vermögen des Partners in lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Einkommen und Vermögen des Partners einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, sind bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch schon vor dem Jahr 2011 zu berücksichtigen gewesen.
Normenkette
SGB 12 § 41; SGB 12 §§ 41ff; SGB 12 § 19 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2007-04-20, S. 2 Fassung: 2003-12-27; SGB 12 § 20 S. 1; SGB 12 § 43 Abs. 1 Hs. 1 Fassung: 2005-03-21; GG Art 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit sind - nachdem die Beteiligten im Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) den streitgegenständlichen Zeitraum im Wege eines Teilvergleichs begrenzt haben - noch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für November 2009 und in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer lebenspartnerschaftsähnlichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit H-P S (S).
Der 1938 geborene Kläger lebt seit über 40 Jahren mit S zusammen. Er bezog im streitigen Zeitraum eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) in Höhe von monatlich 226,29 Euro und verfügte über kein nennenswertes Vermögen. Er beantragte bei der Beklagten Anfang November 2009 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da Hilfebedürftigkeit aufgrund vorhandenen Einkommens und Vermögens des Klägers und des S, zwischen denen eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft bestehe, nicht vorliege (Bescheid vom 5.3.2010; Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 6.10.2011). Das Sozialgericht (SG) München hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben, die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1.11.2009 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ohne die Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des S zu gewähren, da eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft nicht vorliege (Urteil vom 11.12.2012). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat festgestellt, dass seit November 2009 eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft zwischen dem Kläger und S bestehe (Zwischenurteil vom 22.9.2015), das Urteil des SG abgeändert und die Klage weitgehend abgewiesen (Urteil vom 20.6.2017). Dem Kläger seien Einkommen und Vermögen des S zuzurechnen. Die für die eheähnliche Gemeinschaft entwickelten Grundsätze seien auf die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft übertragbar. Das lange Zusammenleben, gemeinsame Umzüge, gemeinsame Versicherungen mit wechselseitigen Einsetzungen als Begünstigte im Versicherungsfall, Angaben des Klägers und des S hätten für den Senat die Überzeugung erbracht, der Kläger und S seien Partner einer auf unbestimmte Dauer angelegten Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, die Verantwortung füreinander übernähmen und in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einstünden. Im November 2009 sei allein das Vermögen des S (ua ein Tagesgeldkonto mit Kontostand 31 126,44 Euro zum 30.10.2009) ausreichend gewesen, um den Bedarf zu decken.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 19 Abs 2 Satz 2, § 43 Abs 1 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung, da die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft vor dem 1.1.2011 - anders als die eingetragene Lebenspartnerschaft - nicht in den genannten Normen erwähnt sei, weshalb er im November 2009 ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des S leistungsberechtigt gewesen sei. Im Übrigen habe zwischen ihm und S zu keinem Zeitpunkt eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft bestanden. Die Rechtsprechung zur eheähnlichen Gemeinschaft könne nicht auf die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft übertragen werden. Das LSG habe seine Angaben und die Aussagen des S zudem unzutreffend gewürdigt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Juni 2017 abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 insgesamt zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Die Entscheidung des LSG ist rechtmäßig. Der Kläger hat im Monat November 2009 keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen, weil das Vermögen des mit ihm in lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebenden S zu berücksichtigen ist.
Gegenstand des mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) geführten Verfahrens ist der Bescheid vom 5.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2011 (§ 95 SGG), soweit die Beklagte Leistungen für den Monat November 2009 abgelehnt hat.
Ob der Bescheid der Beklagten wegen Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist und ein etwaiger Verfahrensmangel im Widerspruchsverfahren ggf geheilt wurde, kann offenbleiben. Hält ein Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, auch bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (§ 131 Abs 5 Satz 1 und 2 SGG). Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen. Ein Anspruch eines Beteiligten auf Zurückverweisung besteht nicht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen "kann" das Gericht zurückverweisen, muss dies aber nicht. Waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Zurückverweisung - ausgehend vom Vortrag des Klägers - erfüllt, kann das Ermessen des Gerichts nicht überprüft werden (ganz hM: Schütz in jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 131 RdNr 69; Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 131 RdNr 113; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 131 RdNr 20a mwN). Im Übrigen kann eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren ohnehin nur dann erheblich sein, wenn in der Sache eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (vgl § 42 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ≪SGB X≫; BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R - BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, RdNr 12). Dies ist hier nicht der Fall, bei der Entscheidung der Beklagten handelt es sich um eine gebundene Entscheidung.
Anspruchsgrundlage für die begehrten Grundsicherungsleistungen ist § 19 Abs 2 SGB XII(in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ≪RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz≫ vom 20.4.2007, BGBl I 554 bzw in der ab 1.1.2011 gültigen Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) iVm §§ 41 ff SGB XII. Danach sind die begehrten Grundsicherungsleistungen auf Antrag ua Personen zu leisten, die - wie der Kläger - die maßgebliche Altersgrenze erreicht haben und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen (§§ 82 bis 84 und 90 SGB XII) bestreiten können.
Der Kläger konnte seinen notwendigen Lebensunterhalt im Monat November 2009 aus zu berücksichtigendem Vermögen des S bestreiten. Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach diesem Buch übersteigen, sind nach den §§ 19 und 20 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen (§ 43 Abs 1 Halbsatz 1 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, BGBI I 818 iVm § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Personen, die in lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, dürfen hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten (§ 20 Satz 1 SGB XII in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Auch wenn § 43 Abs 1 Halbsatz 1 SGB XII die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft nicht kannte, wurde sie durch die Inbezugnahme des § 20 Satz 1 SGB XII mitumfasst. Dieses Normenverständnis ergibt sich aus der Gesetzesentwicklung, die sich parallel zu dem gewandelten Verständnis gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vollzogen hat und von Anfang an eheähnliche und lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften nach denselben Grundsätzen beurteilt hat.
Bereits seit seinem Inkrafttreten mWv 1.1.2005 durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) bestimmte § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII, dass Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, zu berücksichtigen sind. Die Einbeziehung von (eingetragenen) Lebenspartnern in die Einkommens- und Vermögensprüfung hat der Gesetzgeber mit der wechselseitigen Verpflichtung von Fürsorge und Unterstützung begründet (BT-Drucks 15/1514 S 57; zur Rechtslage vor dem 1.1.2005 s Schoch in Renn/Schoch Lehr- und Praxiskomm Grundsicherungsgesetz ≪LPK-GSiG≫, 2003, § 2 RdNr 48). § 20 Satz 1 SGB XII, der für alle Kapitel des SGB XII gilt, bestimmte in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), dass auch Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten. Der Gesetzgeber wollte damit unter Hinweis auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) klarstellen, dass eheähnliche und lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften gleich zu behandeln sind (BT-Drucks 16/1410 S 34; zum Ganzen Krauß in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 6. Aufl 2019, § 20 SGB XII RdNr 2; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 20 RdNr 8a, Stand September 2015).
§ 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII wurde mWv 1.1.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) gestrichen, da eine entsprechende Regelung für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits in § 43 Abs 1 Halbsatz 1 SGB XII (jetzt § 43 Abs 1 Satz 2 SGB XII) enthalten war (vgl Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 19 RdNr 2) und den Normgehalt des früheren, bis zum 31.12.2010 geltenden § 19 Abs 2 Satz 2 iVm § 20 Satz 1 SGB XII unverändert aufgenommen hat. Danach sind auch Einkommen und Vermögen des Partners einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII übersteigen, zu berücksichtigen. Aus der Tatsache, dass bis 31.12.2010 § 43 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, BGBI I 818) lediglich bestimmt hat, dass Einkommen und Vermögen ua auch des nicht getrennt lebenden (eingetragenen) Lebenspartners, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, zu berücksichtigen sind, ohne bis zum 31.12.2010 den Partner einer nicht eingetragenen lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft gesondert zu erwähnen, folgt nichts anderes, denn die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft entspricht nach ihren wesentlichen Merkmalen einer eheähnlichen Gemeinschaft (s unten) mit dem (einzig relevanten) Unterschied, dass es sich um gleichgeschlechtliche Partner handelt. § 43 Abs 1 SGB XII hat deshalb auch in dieser früheren Fassung die Funktion gehabt, den Zusammenhang von § 19 Abs 2 Satz 2, § 20 Satz 1 SGB XII auch für lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften im Blick zu behalten (Blüggel in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 43 RdNr 19). Eine Ungleichbehandlung eheähnlicher und lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaften wäre vor dem Hintergrund des Art 3 Abs 1 GG nicht zu rechtfertigen, zumal der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft bereits von Anfang an, ab dem Jahr 2001, bewusst eheähnlich ausgestaltet hat (s unten). Zum 1.1.2011 konnte der Verweis auf § 20 SGB XII in § 43 Abs 1 SGB XII entfallen, da die dortige Regelung durch die Aufnahme der "lebenspartnerschaftsähnlichen" Gemeinschaft sodann in § 43 Abs 1 SGB XII enthalten war (BT-Drucks 17/3404 S 128). Die maßgeblichen Merkmale einer Lebenspartnerschaft bzw einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft waren zu diesem Zeitpunkt längst geklärt; sie entsprechen in der Sache der Ehe bzw eheähnlichen Gemeinschaft.
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist bereits zu den Vorläuferregelungen des § 20 SGB XII durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) näher konturiert worden. Es handelt sich um eine Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3, NJW 1993, 643). Diese vom BVerfG seinerzeit zum Arbeitslosenhilferecht ergangene Entscheidung ist vom BVerwG zur Auslegung der Vorgängervorschrift des § 20 Satz 1 SGB XII(§ 122 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫) herangezogen worden (BVerwG vom 17.5.1995 - 5 C 16.93 - BVerwGE 98, 195 - NJW 1995, 2802). Dem schließt sich der Senat für die Auslegung der § 19 Abs 2 aF, § 20 Satz 1, § 43 Abs 1 SGB XII an (ebenso für eine Übertragung auf lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften, auch im SGB XII Schoch in LPK-SGB XII, 11. Aufl 2018, § 20 RdNr 5). Auch im Bereich des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gelten entsprechende Grundsätze, wie sie der 4. Senat des BSG wie folgt zusammengefasst hat (BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32): Eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des SGB II liegt vor, wenn Partner in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen) und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung). Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw der Begründung einer Lebenspartnerschaft bestehen. Eine Wirtschaftsgemeinschaft ist gegeben, wenn Haushaltsführung und Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, wobei es nicht zwingend auf gleichwertige Beiträge ankommt; ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie diese zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.
Der Begriff der lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft unterscheidet sich von dem der eheähnlichen Gemeinschaft lediglich dadurch, dass es sich um eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft handelt (s oben; Krauß in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 6. Aufl 2019, § 20 SGB XII RdNr 2). Die wesentlichen typusbildenden Merkmale beider Gemeinschaften sind im Übrigen identisch. Dies wird durch den parallel zur Einführung des SGB XII verlaufenden Gesetzgebungsprozess zur Einführung und Weiterentwicklung der Lebenspartnerschaft deutlich. Bereits im Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz ≪LPartG≫) hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf § 1353 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeführt, die insoweit tragenden Elemente der wechselseitigen Fürsorge und Unterstützung und das Übernehmen von Verantwortung füreinander seien Grundlage einer jeden familienrechtlichen Verbindung (BT-Drucks 14/3751 vom 4.7.2000, S 36 zu § 2 LPartG) und hat im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl I 3396) unter mehrfacher Bezugnahme auf Vorschriften des Buches 4 Abschnitt 1 des BGB ("Bürgerliche Ehe") die "weitgehende Angleichung des Rechts der Lebenspartnerschaft an das Recht der Ehe" (BT-Drucks 15/3445 S 1, 14) vorgenommen, nachdem das BVerfG es als mit dem GG vereinbar angesehen hatte, dass die Rechte und Pflichten der Lebenspartner denen "der Ehe nahe kommen" (BVerfG vom 17.7.2002 - 1 BvF 1/01 ua - BVerfGE 105, 313 - NJW 2002, 2543, juris RdNr 93). Dies zeigt auf, dass die wesentlichen Eigenschaften und Merkmale der eingetragenen Lebenspartnerschaft und der lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft geklärt und anerkannt gewesen sind und der Ehe und eheähnlichen Gemeinschaft entsprochen haben und entsprechen. Jedenfalls seit dieser Zeit sind die Lebenspartnerschaft und die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft auch als typische Erscheinungen des sozialen Lebens anerkannt (vgl zu diesem Kriterium BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3, juris RdNr 92 mwN).
Zwischen dem Kläger und dem über relevantes Vermögen verfügenden S hat nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG im November 2009 eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft bestanden. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 SGG). Die gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts erhobene Kritik des Klägers vermag nicht durchzudringen. Die Beweiswürdigung steht grundsätzlich im freien Ermessen des Tatsachengerichts (§ 128 SGG). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (so schon BSG vom 15.8.1960 - 4 RJ 291/59 - SozR Nr 56 zu § 128 SGG, juris RdNr 7; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 128 RdNr 10; Hauck in Hennig, SGG, § 128 RdNr 24 f mwN, Stand Dezember 2018). Es ergibt sich jedoch kein Anhalt, dass das Berufungsgericht gegen diese Grundsätze verstoßen hat.
Soweit der Kläger eine unterbliebene Beweiserhebung durch das LSG geltend macht, vermag dies einen Verfahrensmangel ebenfalls nicht zu begründen. Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, dass sich das LSG - auf der Grundlage der für die Verletzung des § 103 SGG geltenden Maßstäbe - ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen musste (vgl zu diesem rechtlichen Maßstab allgemein zB Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 103 RdNr 20 mwN).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat S Anfang November 2009 auch über zumutbar verwertbares Vermögen in Form eines Guthabens auf einem Tagesgeldkonto bei einem inländischen Bankinstitut verfügt (Kontostand 30.10.2009: 31 126,44 Euro), was vorliegend zum Anspruchsausschluss führt. Einzusetzen ist nach § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert (vgl BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 8 RdNr 22 mwN). Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (stRspr; vgl BSG aaO; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 17; entsprechend zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende: BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23). Ausnahmetatbestände nach § 90 Abs 2 SGB XII liegen nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Das Vermögen in Höhe von 31 126,44 Euro lag im November 2009 insbesondere weit über dem sog Schonvermögen. Das Schonvermögen für den Kläger, der das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte, betrug bis 31.3.2017 2600 Euro, zuzüglich eines Betrags von 614 Euro für seinen Lebenspartner nach Erreichen der Altersgrenze (§ 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a und § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII - DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII - in der Fassung vom 27.12.2003; für die Zeit, in der noch - wie hier - eine sog gemischte Bedarfsgemeinschaft bestand sogleich). Zwar ist der Betrag von 2600 Euro nach § 2 Abs 1 Satz 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Eine besondere Notlage im Sinne dieser Vorschrift ist vom Kläger aber nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Diese besteht nicht schon dann, wenn sich die nachfragende Person in einer Lage befindet, die typischerweise zur Hilfebedürftigkeit führt; solche Notlagen, die das SGB XII gerade abdeckt, sind für sich genommen keine "besonderen" iS des § 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII (vgl dazu BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 1/17 R - BSGE 126, 201 = SozR 4-3500 § 90 Nr 9, RdNr 22 f).
Das LSG hat auch beachtet, dass im November 2009 noch eine sog gemischte Bedarfsgemeinschaft bestand, da der im Februar 1945 geborene S aufgrund des Erreichens der Altersgrenze erst ab März 2010 dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB XII war. Für S ist unter Annahme eines Härtefalles nach § 90 Abs 2 SGB XII das nach § 12 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Alt 1 SGB II zu berechnende Schonvermögen zu Grunde zu legen, somit 9750 Euro, insgesamt für S und den Kläger somit 12 350 Euro (BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 13/11 R - BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5). Das im November 2009 vorhandene Vermögen übersteigt diesen Betrag bei weitem. Eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII(zum Begriff vgl BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 1) beim Einsatz des Vermögens ist nicht dargetan oder ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
FEVS 2020, 348 |
NDV-RD 2020, 99 |
NZS 2020, 117 |
ZfF 2020, 38 |
info-also 2020, 92 |