Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. September 1974 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Es ist umstritten, ob der Klägerin ein Kind er Zuschuß zu ihrer Versichertenrente zusteht.
Die Klägerin bezog eine Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit bis Ende Mai 1972. Sie erhielt zu dieser Rente für ihren 1950 geborenen Sohn L. zunächst einen Kinderzuschuß, weil der Sohn an der Universität K. studierte. Im Wintersemester 1971/72 ließ der Sohn sich von seinem Anglistik- und Germanistik-Studium beurlauben. Er nahm für etwa ein Jahr in Großbritannien eine Tätigkeit als Lehrassistent (assistent teacher) auf. Für ein monatliches Entgelt von 73 £ erteilte er wöchentlich 12 Stunden Unterricht an einer Schule und unterrichtete außerdem noch wöchentlich zwei Stunden an einer Abendschule. Mit dem England-Aufenthalt und der Aufnahme der Lehrassistententätigkeit folgte er einer Empfehlung der Universität K. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 1.12.1971 die Gewährung des Kinderzuschusses für die Zeit von Januar 1972 bis Mai 1972 ab, da der Sohn in dieser Zeit seine Ausbildung unterbrochen habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.9.1973). Das Landessozialgericht (LSG) hat die – zugelassene – Berufung der Klägerin zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 12.9.1974).
Das LSG hat im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, der Sohn habe sich während seines Aufenthalts in England nicht in Schul- oder Berufsausbildung befunden. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob sein Aufenthalt in England und seine dortige Tätigkeit für sein Studium der Anglistik nützlich oder förderlich gewesen seien. Die Tätigkeit sei allenfalls wie ein freigestaltetes Englischpraktikum einzustufen, das den normalen Studiengang unterbrochen habe. Die Lehrassistententätigkeit sei als eine erste Probelehrtätigkeit außerhalb der Leitung und Aufsicht der für den Studiengang sonst Verantwortlichen anzusehen; der berufliche Einsatz überwiege die eigene Aus- und Fortbildung. Dabei komme es auf die Höhe des dafür gezahlten Entgelts nicht an.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt, die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 1.12.1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kinderzuschuß auch für die Zeit vom 1.1.1972 bis zum 31.5.1972 zu gewähren. Sie rügt eine Verletzung des § 1262 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) Der England-Aufenthalt könne unter bestimmten Voraussetzungen nach der Studienordnung vorgeschriebene Leistungsscheine ersetzen. Darüber hinaus werde eine Tätigkeit als assistent teacher auf die Referendarzeit angerechnet. Deshalb seien der England-Aufenthalt und die Tätigkeit als assistent teacher der Ausbildung zuzurechnen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat für die Zeit vom 1.1.1972 bis zum 31.5.1972 keinen Anspruch auf die Gewährung des Kinderzuschusses.
Nach § 1262 Abs. 3 Satz 2 RVO wird der Kinderzuschuß längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet. Die einjährige Tätigkeit des Sohnes als Lehrassistent in England stellt keine Berufsausbildung dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist unter Berufsausbildung i. S. der – insoweit inhaltsgleichen – §§ 1262, 1267 RVO der Erwerb der für die Ausübung eines gegen Entgelt auszuübenden Berufs erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch theoretischen Unterricht oder durch praktische Unterweisung zu verstehen. Der Auszubildende muß in einem rechtlich geordneten Ausbildungsverhältnis stehen. Daran sind der Ausbilder und der nach bestimmtem Lehrplan Auszubildende beteiligt. Im Gegensatz dazu erbringt bei einem Beschäftigungsverhältnis der Beschäftigte seine vereinbarte Dienstleistung und erhält dafür die seiner Leistung entsprechende Vergütung (vgl. Urteile des BSG vom 30.10.1974 – 5 RJ 77/73 – und vom 13.3.1975 – 12 RJ 110/74 – in SozR 2200 § 1267 RVO Nr. 5 und 11, sowie vom 19.12.1974 – 3 RK 64/72 in SozR 2200 § 405 Nr. 2 mit Hinweisen auf weitere Entscheidungen). Hier liegt weder bei der Tätigkeit als Lehrassistent noch überhaupt während des Aufenthalts in England ein Ausbildungsverhältnis vor. Unzweifelhaft ist das Studium der Anglistik an der Universität als Berufsausbildung anzusehen. Dagegen vollzieht sich das Unterrichten an der Schule in England – im übrigen in der Muttersprache des Sohnes, wie die vom LSG erwähnten Unterlagen der englischen Schule zeigen – nicht in einem Ausbildungsverhältnis, sondern in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis. Es fehlt bei dieser Tätigkeit ein Ausbilder, der den Sohn, wenn schon nicht in der englischen Sprache, so doch wenigstens in pädagogischer Hinsicht nach entsprechendem Lehrplan und in einem die Arbeitskraft des Sohnes überwiegend in Anspruch nehmenden Umfang unterwiesen und angeleitet hätte. Nach den erwähnten Unterlagen der englischen Schule ist die Pflicht des Lehrassistenten zum Unterrichten auf die geringe Anzahl von wöchentlich zwölf Unterrichtsstunden beschränkt, um ihm genügend „Zeit zum Studium oder zur Belegung von Kursen, z. B. an der Universität Manchester” zu geben. Der Sohn hat sich jedoch in England nicht in ein derartiges Ausbildungsverhältnis begeben. Daß er sich in England ohne ein Ausbildungsverhältnis durch die fremdsprachige Umgebung und den Umgang mit Engländern Kenntnisse und Fertigkeiten der englischen Umgangssprache aneignen wollte, stellt sich nicht etwa deshalb als Berufsausbildung dar, weil er in der Bundesrepublik Anglistik studiert und dafür praktische, im fremden Land erworbene Sprachkenntnisse nützlich sind. Auf das Erfordernis eines Ausbildungsverhältnisses kann nach § 1262 RVO auch in solchen Fällen nicht verzichtet werden, in denen eine Person durch einen vor ihr selbst frei bestimmten und nicht in einem Ausbildungsplan vorgeschriebenen Auslandsaufenthalt den Nutzeffekt eines vorher begonnenen und unterbrochenen Studiums, dessen Fortsetzung nach Beendigung des Auslandsaufenthalts geplant ist, steigern will. Bei zahlreichen Berufen ist es möglich und förderlich, die Ausbildung zu unterbrechen, um zusätzlich zu dem vorgeschriebenen Ausbildungsplan einige Zeit mit einer einschlägigen Betätigung zu verbringen, die dem Nutzen und Erfolg der später fortzuführenden Ausbildung dient. Solche Unterbrechungen liegen im Ermessen des Einzelnen. Sie gehören aber nicht zu der Berufsausbildung. Der Unterhalt während der Unterbrechung der Berufsausbildung kann deshalb nicht durch den Kinderzuschuß erleichtert werden. Nach den Feststellungen des LSG ist beim Studium der Anglistik ein Auslandsaufenthalt zwar wünschenswert, jedoch nicht Voraussetzung für die Zulassung zu den Abschlußprüfungen in der Bundesrepublik. Im übrigen hätte es dem Sohn der Klägerin freigestanden, während des Englandaufenthalts sein Studium an einer dortigen Universität oder an entsprechenden Sprachschulen in einem Ausbildungsverhältnis weiterzuführen.
Daß der Auslandsaufenthalt mit der Lehrassistententätigkeit gfs. Scheine über sprachpraktische Übungen ersetzen kann und daß sich u.U. die spätere Berufsausbildung verkürzt, ändert nichts daran, daß hier während des Aufenthalts in England kein Berufsausbildungsverhältnis mit den oben dargelegten Erfordernissen bestanden hat.
Die Revision der Klägerin war somit zurückzuweisen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Geyser, Dr. Zimmer, Dr. Heinze
Fundstellen