Leitsatz (amtlich)

1. Der nachträgliche Beschluß über die Zulassung der Sprungrevision ist in einer Sitzung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu fassen. Die Zulassung durch den Kammervorsitzenden des SG allein ist gleichwohl wirksam und bindet das BSG, solange dieser Beschluß nicht aufgehoben ist.

2. Auch italienische Pflichtversicherungszeiten gehören zu den anrechenbaren Versicherungsjahren iS des ArVNG Art 2 § 55a.

 

Normenkette

SGG § 161 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-07-30; ArVNG Art. 2 § 55a Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; EWGV 1408/71 Art. 45 Fassung: 1971-06-14, Art. 46 Fassung: 1971-06-14, Art. 47 Fassung: 1971-06-14

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 14.10.1975; Aktenzeichen S 2 Ar 1815/73)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 1975 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 10. August 1973 verurteilt, der Klägerin das unter Berücksichtigung des Art 2 § 55a Abs 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes festgestellte Altersruhegeld zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin höheres als das von der Beklagten festgestellte Altersruhegeld zusteht.

Die Klägerin hat in der deutschen Rentenversicherung aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung 20,5 Versicherungsjahre zurückgelegt und zur italienischen Versicherung 298 Wochenpflichtbeiträge entrichtet. Die Beklagte wandelte die bis dahin gewährte Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit durch Bescheid vom 10. August 1973 mit Wirkung vom 1. Juli 1973 in das Altersruhegeld nach § 1248 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) um. Bei der Rentenberechnung ergab sich für die deutschen Pflichtbeitragszeiten vor dem 1. Januar 1973 eine durchschnittliche monatliche Rentenbemessungsgrundlage von weniger als 6,25 vH. Das monatliche Altersruhegeld betrug 181,60 DM.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines höheren - nach Art 2 § 55a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) festgestellten - Altersruhegeldes. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 14.Oktober 1975 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des Art 2 § 55a ArVNG lägen nicht vor, weil die Klägerin in der deutschen Rentenversicherung nur 20,5 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zurückgelegt habe. Die in Italien zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten seien bei der Anwendung der genannten Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, daß eine Zusammenrechnung von deutschen und ausländischen Versicherungszeiten nicht beabsichtigt gewesen sei. Der Gesetzgeber habe einen Ausgleich dafür schaffen wollen, daß infolge eines regionalen oder branchebedingten Lohngefälles oder wegen der Lohnbenachteiligung der Frauenarbeit in der Vergangenheit ein nicht der Arbeitsleistung entsprechendes Entgelt erzielt wurde. Dabei habe er nur an Lohnunterschiede im Bereich der deutschen Versicherungsträger gedacht und ausländische Verhältnisse mit ganz anderen sozialen Strukturen und anderen Arbeitsmarktverhältnissen außer Betracht lassen wollen. Auch die Anwendung der EWG-Verordnung Nr 1408/71 führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Da es in Art 2 § 55a ArVNG ausschließlich um die Höhe der Rentenbemessungsgrundlage gehe, könnten nur zur deutschen Rentenversicherung zurückgelegte Versicherungszeiten angerechnet werden. Im übrigen sei in Art 45 der EWG-Verordnung Nr 1408/71 eine Zusammenrechnung von deutschen und ausländischen Versicherungszeiten nur für den Erwerb des Leistungsanspruchs, also für die Erfüllung der Wartezeit vorgesehen. Bei einer reinen Berechnungsvorschrift, wie sie Art 2 § 55a ArVNG darstelle, scheide eine Zusammenrechnung von deutschen und italienischen Versicherungszeiten aus. Der Kammervorsitzende des SG hat auf Antrag der Klägerin mit Beschluß vom 5. Februar 1976 die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten das Urteil des SG mit der Sprungrevision angefochten. Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen des Art 2 § 55a ArVNG lägen vor. Bei den nach dieser Vorschrift erforderlichen 25 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren seien den deutschen Pflichtversicherungszeiten die in Italien zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten hinzuzurechnen. Nach der EWG-VO Nr 1408/71 ständen die italienischen Versicherungszeiten den deutschen Versicherungszeiten gleich. Das gelte nicht nur für die Frage der Anwartschaft, sondern auch für die Berechnung der Leistung. Dem stehe Art 47 Abs 1a der EWG-VO Nr 1408/71 nicht entgegen. Die Klägerin verlange nicht, daß ihr die Rente nach Mindesteinkommen auch aus den nach italienischem Recht entrichteten Beiträgen geleistet werde. Vielmehr gehe sie davon aus, daß die nach deutschem Recht entrichteten Pflichtbeiträge, die eine durchschnittliche monatliche Werteinheit von 3,95 erreichten, auf die Mindestwerteinheit von 6,25 angehoben werden. Die italienischen Pflichtbeiträge sollten lediglich zur Erfüllung der 25-jährigen "Wartezeit" herangezogen werden. Im übrigen sei Art 47 Abs 1c der EWG-VO Nr 1408/71 unmittelbar oder mindestens entsprechend anzuwenden. Art 2 § 55a ArVNG gehöre zu den dort genannten Vorschriften, bei denen bei der Berechnung der Leistung ein Pauschalentgelt bzw ein Pauschalbetrag zugrundezulegen ist.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 10. August 1973 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente nach Mindesteinkommen - Art 2 § 55a ArVNG - zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Klägerin sei unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Klägerin ist nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Zwar ist der Zulassungsbeschluß des SG vom 5. Februar 1976 verfahrensfehlerhaft zustandegekommen, weil er nicht in einer Sitzung - unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter -, sondern außerhalb einer Sitzung - allein von dem Kammervorsitzenden - gefaßt worden ist. Wie aus § 6 Nr 1 und § 23 Abs 2 Satz 1 SGG hervorgeht, sind die ehrenamtlichen Richter zu allen Sitzungen hinzuzuziehen, und zwar auch dann, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet (vgl hierzu auch § 30 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 31 des Arbeitsgerichtsgesetzes). Sie haben daher bei allen Entscheidungen mitzuwirken, die in einer Sitzung ergehen, während der Kammervorsitzende die ihm ausdrücklich übertragenen Entscheidungen und als "Rumpfkammer" solche Entscheidungen zu treffen hat, die eine Sitzung nicht erfordern (vgl BSGE 1, 1, 4 f). Nun bestimmt zwar das SGG an keiner Stelle ausdrücklich, ob über die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 1 SGG innerhalb einer Sitzung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter oder außerhalb einer Sitzung durch die "Rumpfkammer" zu entscheiden ist. Der Kammervorsitzende ist in seiner Entscheidung, ob er zum Zwecke der Entscheidung über einen nachträglichen Zulassungsantrag eine Sitzung anberaumen oder außerhalb der Sitzung entscheiden will, jedoch nicht frei. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 SGG gehört die Zulassung der Sprungrevision - ebenso wie die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 1 SGG - grundsätzlich in das Urteil, das in einer Sitzung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter ergeht. Die nachträgliche Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision, die voraussetzt, daß mit dem Urteil eine Entscheidung darüber noch nicht getroffen worden ist, enthält insoweit praktisch eine Ergänzung des unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter gefällten Urteils. Sie muß daher von dem gleichen Spruchkörper, wenn auch nicht in derselben personellen Besetzung wie das Urteil getroffen werden. Darüber hinaus wird in § 160a Abs 4 Satz 2 SGG deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Entscheidung, ob Zulassungsgründe vorliegen und die Revision zuzulassen ist, die ehrenamtlichen Richter mitwirken sollen. Wenn dies ausdrücklich auch nur für die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) auf die Nichtzulassungsbeschwerde bestimmt ist, so läßt das doch einen Schluß auf den generellen Willen des Gesetzgebers zu, die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Zulassung der Revision zu beteiligen. Verfahrensfehlerhaft ist also die Entscheidung des Kammervorsitzenden, eine Sitzung nicht anzuberaumen, was mittelbar zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts geführt hat (vgl hierzu auch BSG in SozR 1500 Nrn 4, 6, 7 und 10 zu § 161). Der danach verfahrensfehlerhafte Zulassungsbeschluß des Kammervorsitzenden des SG ist aber gleichwohl verbindlich. Die Bindung des BSG an diesen Beschluß ergibt sich zwar nicht aus § 161 Abs 2 Satz 2 SGG, der eine wirksame Zulassung voraussetzt und lediglich ausspricht, daß das BSG das Vorliegen der Zulassungsgründe nicht nachprüfen kann. Die Bindung des BSG an den verfahrensfehlerhaften Zulassungsbeschluß des Kammervorsitzenden folgt vielmehr aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen über die Wirksamkeit von Entscheidungen. Im vorliegenden Fall handelt es sich weder um eine Scheinentscheidung noch um eine Nichtentscheidung, die ohne weiteres unbeachtlich wären. Der Beschluß ist auch nicht wirkungslos (vgl hierzu Rosenberg/Schwab "Zivilprozeßrecht", 11. Aufl, 1974, S. 312 f). Wenn auch noch viel Unklarheit und Streit darüber besteht, in welchen Fällen eine Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers wirkungslos ist, so führt die nicht vorschriftsmäßige Besetzung der Richterbank infolge der fehlerhaften Entscheidung des Kammervorsitzenden über die Anberaumung einer Sitzung nicht zur Wirkungslosigkeit des Beschlusses, sondern allenfalls zu seiner Anfechtbarkeit (vgl § 551 Nr 1 und § 579 Abs 1 Nr 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts führt m.a.W. nicht zur automatischen Wirkungslosigkeit der Entscheidung, sondern lediglich zu seiner Nichtigkeit, die allerdings solange unbeachtlich ist, wie die Entscheidung nicht aufgehoben worden ist. Es mag dahingestellt bleiben, ob es bei einem verfahrensfehlerhaften Zulassungsbeschluß einen Rechtsbehelf gibt (etwa die nach § 172 Abs 1 SGG nicht ausgeschlossene Beschwerde oder in entsprechender Anwendung des § 179 Abs 1 SGG iVm § 579 Abs 1 Nr 1 ZPO die "Nichtigkeitsbeschwerde") und wer ihn einlegen könnte oder ob § 161 Abs 2 Satz 2 SGG jeden Rechtsbehelf ausschließt. Solange der Zulassungsbeschluß des Kammervorsitzenden nicht aufgehoben und also noch existent ist, kann das BSG ihn jedenfalls nicht unbeachtet lassen. Da im vorliegenden Fall der Beschluß nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten ist, muß das BSG, das im übrigen für eine Entscheidung über einen Rechtsbehelf nicht zuständig wäre, von der Zulassung der Revision ausgehen, die es auf das Vorliegen von Zulassungsgründen nicht nachprüfen kann. Der 3. Senat des BSG hat zwar entschieden, daß die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß des Kammervorsitzenden des SG nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren seit Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde als wirksam anzusehen ist (vgl SozR 1500 Nr 12 zu § 161). Die Frage der Wirksamkeit der Entscheidung hängt jedoch nicht davon ab, ob sich zur Frage der Beteiligung der ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gebildet hat oder nicht. Der darin enthaltene Gedanke des Vertrauensschutzes setzt die Wirkungslosigkeit des Beschlusses voraus und hat bei einem wirksamen Beschluß keine Bedeutung. Der erkennende Senat brauchte die Sache jedoch nicht gemäß § 42 SGG dem Großen Senat vorzulegen, denn im vorliegenden Fall ist der Zulassungsbeschluß noch vor dem 31. Dezember 1976 getroffen worden, so daß die Zulassung auch nach der Entscheidung des 3. Senats als wirksam anzusehen ist.

Die danach zulässige Sprungrevision der Klägerin hat auch Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neufeststellung des Altersruhegeldes, denn die Voraussetzungen des Art 2 § 55a Abs 1 ArVNG für eine von § 1254 RVO abweichende Rentenberechnung durch Erhöhung der maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage liegen vor.

Die Klägerin hat insbesondere auch die nach der genannten Vorschrift erforderlichen 25 anrechnungsfähigen Versicherungsjahre ohne Zeiten der freiwilligen Versicherung und Ausfallzeiten zurückgelegt. Zwar entfallen auf die deutsche Rentenversicherung nur 20,5 Jahre; jedoch sind die in Italien zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten hinzuzurechnen, so daß sich insgesamt eine Zeit der Versicherungspflicht von mehr als 25 Jahren ergibt. Nach Art 46 der EWG-Verordnung Nr 1408/71 sind die italienischen Versicherungszeiten nicht nur für die Erfüllung der Wartezeit, sondern auch für Rentenberechnung zu berücksichtigen. Sie sind daher im Sinne des Art 2 § 55a ArVNG "anrechnungsfähige" Versicherungszeiten. Mit der Einführung einer Mindestbemessungsgrundlage in Art 2 § 55a ArVNG wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich für die Fälle schaffen, in denen die Rentenbemessungsgrundlage wegen der besonderen, in der Vergangenheit liegenden Lohnverhältnisse in Deutschland - insbesondere infolge eines regionalen oder branchebedingten Lohngefälles oder wegen Lohndiskriminierung der Frauenarbeit - nicht dem Wert der geleisteten Arbeit entspricht (vgl BT-Drucks VI/3767 S. 8, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung). Mit dem SG ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber nur die Bemessungsgrundlage aufbessern wollte, die sich auf die deutschen Versicherungszeiten und damit auf das Lohngefälle in Deutschland bezieht. Die Anwendung des Art 2 § 55a ArVNG darf daher weder zu einer Berücksichtigung der italienischen Lohnverhältnisse noch zu einer Begünstigung der italienischen Versicherungszeiten führen. Das ist aber nicht der Fall, wenn die italienischen Pflichtversicherungszeiten bei dem Erfordernis der 25 anrechnungsfähigen Versicherungsjahre berücksichtigt werden.

Nach Art 47 Abs 1a der EWG-Verordnung Nr 1408/71 wird die Rentenbemessungsgrundlage allein aus den deutschen Beiträgen errechnet. Die Lohnverhältnisse in Italien bleiben also unberücksichtigt. Die Erhöhung der deutschen Rentenbemessungsgrundlage auf den Wert von 6,25 führt im Ergebnis auch nicht zu einer Begünstigung der italienischen Versicherungszeiten.

Zwar werden die italienischen Versicherungszeiten bei der Berechnung des theoretischen Betrages, der sogenannten Zunächstrente nach Art 46 Abs 2 Buchst a der EWG-Verordnung Nr 1408/71 den deutschen Versicherungszeiten gleichgestellt, so daß sich die aus den deutschen Versicherungszeiten ergebende Bemessungsgrundlage auf die italienischen Versicherungszeiten erstreckt wird. Wenn auch bei der Berechnung des Rentenzahlbetrages nach dem Grundsatz pro rata temporis gemäß Art 46 Abs 2 Buchst b der EWG-Verordnung Nr 1408/71 rein theoretisch italienische Versicherungszeiten anteilmäßig zu berücksichtigen sind, so werden doch in entsprechendem Umfang deutsche Versicherungszeiten ausgeschieden, so daß die italienischen Versicherungszeiten praktisch keine Auswirkung auf die Errechnung des Rentenzahlbetrages haben. Die Zahl der Versicherungsjahre, die durch Multiplikation mit der Rentenbemessungsgrundlage für den Rentenzahlbetrag maßgebend ist, entspricht den deutschen Versicherungszeiten, so daß die Anhebung der Rentenbemessungsgrundlage praktisch nicht zu einer Begünstigung der italienischen Versicherungszeiten führt. Werden danach durch die Anhebung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage gemäß Art 2 § 55a ArVNG weder die Lohnverhältnisse in Italien berücksichtigt noch italienische Versicherungszeiten begünstigt, so ist kein Grund ersichtlich, die italienischen Versicherungszeiten bei der Erfordernis der 25 anrechenbaren Versicherungsjahre unberücksichtigt zu lassen. Dieses Erfordernis hat mit den Gründen, die für die geringe Bemessungsgrundlage ursächlich sind, nichts zu tun. Der Gesetzgeber wollte vielmehr lediglich sicherstellen, daß nur solchen Rentnern gezielt geholfen wird, die durch einkommensgerechte Beitragsentrichtung den Nachweis geführt haben, daß ihre geringe Rente nicht auf einer aus freiem Willen zu niedrigen Beitragsleistung beruht, sondern trotz erfüllten Arbeitslebens auf einer zu geringen Entlohnung (vgl hierzu BT-Drucks VI/2584, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Alterssicherung der Frauen und Kleinstrentner; BT-Drucks VI/3767 S. 8, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung über den Entwurf eines Rentenreformgesetzes). Die Gründe, die den deutschen Gesetzgeber veranlaßt haben, die Erhöhung der Bemessungsgrundlage für solche Versicherte vorzusehen, die 25 anrechenbare Pflichtversicherungsjahre zurückgelegt haben, treffen auch auf die Klägerin zu. Sie hat mehr als 25 Pflichtversicherungsjahre zurückgelegt, die nach der EWG-Verordnung Nr 1408/71 anrechenbar sind, gehört also zum Kreis der Rentner, bei denen die geringe persönliche Bemessungsgrundlage nicht auf einer aus freiem Willen zu niedrigen Beitragsleistung, sondern trotz eines erfüllten Arbeitslebens auf das in Deutschland in der Vergangenheit herrschende Lohngefälle zurückzuführen ist.

Der Senat war nicht nach Art 177 Abs 3 des EWG-Vertrages vom 25. März 1957 gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, denn die Auslegung und Anwendung des zwischenstaatlichen Rechts war nicht zweifelhaft. Der Senat hat auf die danach begründete Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1653417

BSGE, 138

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