Leitsatz (amtlich)
Die vom Reichsversicherungsamt zur "Unfallneurose" aufgestellten Grundsätzen (AN 1926, 480) können insofern nicht mehr angewendet werden, als sie auf der - unzutreffenden - Auffassung beruhen, Erscheinungen, die nicht unmittelbar organisch bedingt, sondern "nur psychologisch verständliche Reaktion" sind, könnten keine Unfallfolgen im Rechtssinne sein. Sie berücksichtigen auch nicht ausreichend, daß psychische Reaktionen auf ein Unfallereignis nicht in jedem Falle auf wunschbedingten Vorstellungen beruhen.
Normenkette
RVO § 542 Fassung: 1942-03-09, § 555 Fassung: 1939-02-17
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1959 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der ... 1907 geborene Kläger war als Dreher in einem bei der Beklagten versicherten Eisenwerk beschäftigt. Am 26. Juli 1953 hielt er bei Reparaturarbeiten eine Büchse die von dem Schlosser von T. mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen wurde. Der Hammer löste sich vom Stiel und traf die linke Hand des Klägers, mit der dieser sich während des Haltens der Büchse aufgestützt hatte. Der Kläger wurde, nachdem ihm der Heilgehilfe des Werks die Erste Hilfe geleistet hatte, in das Evangelische Krankenhaus Mülheim/Ruhr eingeliefert. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. K. berichtete: Es bestünden Druckschmerz und Schwellung über dem 2. Mittelhandknochen links, die Beweglichkeit in den Daumen und Fingergelenken des 2. Fingers sei eingeschränkt; das Röntgenergebnis sei: Fraktur im proximalen Teil des 2. Mittelhandknochens ohne Verschiebung. Am 2. Oktober 1953 berichtete der Betrieb, daß der Kläger seit 1. Oktober 1953 wieder arbeitsfähig und Behandlung nicht mehr erforderlich sei. Am 28. Oktober 1953 berichtete der Betrieb, daß der Kläger nach Urlaub vom 1. bis 10. Oktober am 12. Oktober 1953 die Arbeit wieder aufgenommen und keinen Minderverdienst habe.
Die Beklagte hat daraufhin zunächst nichts weiter veranlaßt. Auch ein Ersatzanspruch der Betriebskrankenkasse ist nicht geltend gemacht worden.
Unter dem 13. August 1954 berichtete der Nervenarzt Dr. Becker: Seit dem Unfall bestehe eine Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand; außerdem bestehe ein dauerndes Schütteln des linken Unterarms und der linken Hand, wodurch der Kläger in seiner Arbeit sehr behindert werde.
In der nunmehr auf Veranlassung der Beklagten am 13. September 1954 durchgeführten Unfall-Untersuchung hat der Kläger angegeben, während der Krankfeierperiode im Anschluß an den Unfall sei ein leichtes Schütteln und Zittern der linken Hand und des Unterarms aufgetreten, das sich bei der Arbeitsaufnahme verstärkt habe. Die Beklagte zog ein Rentengutachten des Evangelischen Krankenhauses Mülheim/Ruhr vom 18. November 1954 bei, das von Prof. Dr. K. und Dr. Klein erstattet ist und zu dem Ergebnis kommt, im Zeitpunkt der Untersuchung habe keine durch Unfallfolgen bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mehr bestanden; ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Schütteln bestehe erfahrungsgemäß nicht, zur Beseitigung sei jedoch Behandlung in einer Nervenklinik zu empfehlen.
Auf Grund eines Beschlusses des Rentenausschusses vom 28. Januar 1955 hat die Beklagte dem Kläger eine "Mitteilung über die Gewährung einer Entschädigung für einen abgelaufenen Zeitraum" vom 31. Januar 1955 erteilt. Es wurde eine vorläufige Rente von. 30. v.H. vom 1. Oktober 1953 bis 30. November 1953 und von 20 v.H. vom 1. Dezember 1953 bis 31. März 1954 gewährt. Über den 31. März 1954 hinaus habe der Unfall eine meßbare Einbuße an Erwerbsfähigkeit nicht hinterlassen. Die Mitteilung enthält keine Rechtsmittelbelehrung.
Diese Mitteilung hat der Kläger durch Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf angefochten und beantragt, ihm ab 1. Oktober 1953 eine Rente von 50 v.H. der Vollrente zu gewähren.
Daraufhin hat die Beklagte einen förmlichen Bescheid vom 30. April 1955 erteilt, der inhaltlich mit der "Mitteilung" übereinstimmt. Als Unfallfolgen sind anerkannt: In guter Stellung fest verheilter Bruch des 2. Mittelhandknochens links, Verminderung der groben Kraft, Überempfindlichkeit der Haut über der alten Bruchstelle (das Zittern ist nicht erwähnt).
Während des Verfahrens vor dem SG ist ein weiteres von Prof. Dr. K. und Dr. K. unterzeichnetes Gutachten vom 8. August 1955 erstattet worden sowie ein Gutachten der Medizinischen und Neurologischen Klinik des Krankenhauses B B (Dr. S., Assistenzarzt Dr. R.) vom 12. September 1956. Der Kläger hat eine Bescheinigung des Nervenarztes Dr. v.H. vom 10. Februar 1955 eingereicht, in der die Auffassung vertreten wird, daß der dauernde Schütteltremor und die damit zusammenhängende Kraftlosigkeit des linken Arms als Folge des Unfalls anzusprechen seien und eine MdE von 40 bis 50 v.H. zur Folge hätten. Das SG hat Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. F. und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. (beide vom 11. Februar 1957) beigezogen und durch Urteil vom 15. Mai 1957 die Klage angewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Das LSG hat ein Gutachten des Prof. Dr. V. vom 4. Januar 1958 beigezogen. Die Beklagte hat ein Gutachten der Universitätsklinik Köln (Prof. Dr. S., Dr. J.) vom 18. Februar 1958 eingereicht. Das LSG hat den Facharzt für Neurologie Dr. H. als Sachverständigen gehört und auf Grund eines Antrags nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten des Nervenarztes Dr. vom H. vom 12. Januar 1959 beigezogen.
Durch Urteil vom 14. Juli 1959 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Chirurgische Folgen seien über den Zeitpunkt der Rentengewährung hinaus nicht vorhanden gewesen. Der Schütteltremor sei eine neurotische Reaktion, der keine organische Störung des Zentralnervensystems zugrunde liege. Der Unfall sei nur der provozierende Anlaß und damit keine wesentliche Teilursache. Eine besonders innige Beziehung zum Schütteltremor hätten die schon vor dem Unfall vorhanden gewesenen Abartigkeiten in der seelischen Haltung, denen gegenüber der auslösende Arbeitsunfall untergeordnet und nebensächlich sei. Es bestehe aber auch dann kein Rentenanspruch, wenn die Entstehung des Tremors in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall stehe, weil jedenfalls Dauer und Stärke der Beschwerden durch die seelische Fehlhaltung fixiert werden seien. Falls der Tremor zunächst Folge einer Schreckreaktion gewesen sein sollte, so sei er durch Begehrungsvorstellungen festgehalten und verstärkt worden. Selbst wenn man den Unfall als wesentliche Mitursache ansehen wolle, müsse der Entschädigungsanspruch zurückgewiesen werden; denn es sei mit dem Sinn des Schadensausgleichs nicht vereinbar, durch die Gewährung eines Ersatzes die Verfestigung des Schadens herbeizuführen.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das am 3. August 1959 zugestellt worden ist, am 27. August 1959 Revision eingelegt und sie nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGG) bis zum 3. November 1959 am 2. November 1959 begründet.
Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die durch Zulassung statthafte und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegte und begründete Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Revision wendet sich grundsätzlich dagegen, daß das LSG den für die Rechtsprechung auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelten Begriff der "wesentlichen" Teilursache (vgl. BSG 1, 150, 156, 254; 3, 240) zugrunde gelegt hat; sie ist der Auffassung, daß auch in der Sozialgerichtsbarkeit die für das Gebiet des bürgerlichen Rechts ausgebildete Lehre von der adäquaten Verursachung Geltung haben müsse.
Diese Rüge ist unberechtigt.
Wie der Senat in dem (in MDR 1958, 281 Nr. 155 veröffentlichten) Beschluß vom 31. Januar 1958 - 2 RU 107/54 - näher dargelegt hat, würde eine Übertragung dieser Lehre auf die Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu Folgerungen führen, die mit dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in Widerspruch stehen.
Die Revision rügt auch zu Unrecht, die Anwendung des für die gesetzliche Unfallversicherung entwickelten Ursachenbegriffs sei von vornherein auf ein bestimmtes Ziel abgestellt und habe zur Folge, daß nur organische Schäden berücksichtigt würden.
Die Prüfung, welche "Ursachen" rechtlich als wesentlich anzusehen sind, darf nicht auf Geschehensabläufe beschränkt werden, die sich im Gebiet des Körperlich-Organischen abgespielt haben; vielmehr sind auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen (vgl. hierzu auch BGHZ 20, 137); denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis "verursacht" sein, während andererseits Vorgänge im Bereich des Psychischen oder Geistigen "Ursachen" im Rechtssinn sein können (vgl. z.B. aus dem Gebiet des Strafrechts den durch die vorsätzliche Täuschung bewirkten Irrtum als "Ursache" der schädigenden Vermögensverfügung im Tatbestand des § 263 StGB, Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 8. Aufl. § 263 Anm. 6). Bei der rechtlichen Prüfung ursächlicher Zusammenhänge wie des im vorliegenden Falle streitigen ist auch zu berücksichtigen, daß nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft eine scharfe Trennung zwischen Vorgängen, die nur im organischen Bereich ablaufen, und solchen, die sich im Psychischen und Geistigen abspielen, nicht berechtigt und vielfach praktisch nicht einmal vollständig möglich ist, da die Bereiche des Somatischen und des Psychischen und Geistigen sich wechselseitig beeinflussen (vgl. auch BSG 8, 209).
Der für das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Begriff der "wesentlichen Ursache" berechtigt deshalb nicht dazu, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Auswirkungen eines Unfallereignisses und einer Gesundheitsstörung schon deshalb zu verneinen, weil das Unfallereignis das Auftreten verlaufende Vorgänge hervorgerufen hat, sondern psychische Reaktionen und deren Auswirkungen als Zwischenglieder eingeschaltet sind. Das hat das LSG auch nicht verkannt; es hat ausdrücklich hervorgehoben, daß "auch seelische Störungen Unfallfolgen sein können" und hat die Bedeutung des Unfallereignisses für die psychischen Reaktionen des Klägers gegenüber den "schon vor dem Unfall vorhanden gewesenen Abartigkeiten in der seelischen Haltung des Klägers" rechtlich wertend abgewogen.
Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß diese rechtliche Wertung auf unzureichenden tatsächlichen Grundlagen beruht.
Ein Unfallereignis oder seine Auswirkungen im Körperlich-Organischen sind nicht schon deshalb für die psychischen Reaktionen des Verletzten als Ursache rechtlich unwesentlich, weil diese Reaktionen eine entsprechende psychische "Anlage" voraussetzen. Auch darf bei der rechtlichen Wertung nicht von vornherein mir darauf abgestellt werden, wie ein "normaler" Verletzter reagiert hätte (vgl. hierzu, auch BSG 11, 50, 53). Vielmehr müssen auch bei einer solchen rechtlichen Wertung grundsätzlich die gleichen Erwägungen Platz greifen, die von Bedeutung sind, wenn körperliche Auswirkungen eines Unfallereignisses einen Verletzten betreffen, bei dem infolge seiner körperlichen Anlage eine geringe Widerstandsfähigkeit besteht, oder wenn bei dem Verletzten bereits vor dem Unfall ein Leiden in der Anlage oder in fortgeschrittener Entwicklung vorhanden war, das infolge der organischen Auswirkungen des Unfalls in Erscheinung tritt oder sich verschlimmert (vgl. hierzu z.B. Martineck, Breithaupt 1950, 1133, 1137). Auch bei psychischen Reaktionen kann der "Anlage" nicht in jedem Fall von vornherein eine so überragende Bedeutung beigemessen werden, daß sie rechtlich die allein wesentliche "Ursache" ist und die vom Unfallereignis oder seinen organischen Folgen ausgehenden Einwirkungen auf die Psyche als rechtlich wesentlich in den Hintergrund treten. Vielmehr ist u.a. zu prüfen, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h. z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar sind, und ob die Anlage so leicht "ansprechbar" war, daß sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist. Hierbei wird die Schwere des Unfallereignisses - im Verhältnis zu den später vorliegenden Erscheinungen betrachtet - vielfach gewisse Anhaltspunkte geben können. Weiterhin ist von Bedeutung, ob vor dem Unfallereignis eine völlig latente "Anlage" bestand oder ob diese sich bereits in Symptomen manifestiert hatte, deren Entwicklung durch das Unfallereignis - dauernd oder nur vorübergehend - beeinflußt worden ist.
Die Revision rügt mit Recht, daß die Gutachten des Dr. E, der Kölner Universitäts-Nervenklinik und des im Termin vom 7. Oktober 1958 als Sachverständigen gehörten Facharztes für Neurologie Dr. H. insofern nicht ausreichen, als sie ganz allgemein Lehrmeinungen wiedergeben und aus ihnen unmittelbar Folgerungen hinsichtlich der rechtlichen Wertung ziehen, ohne auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Diese Gutachten entsprechen zwar den Grundsätzen, die das Reichsversicherungsamt (RVA) in der Grundsätzlichen Entscheidung 3238 vom 24. September 1926 (AN 1926, 480) auf Grund der von Prof. S. aufgestellten Leitsätze ausgesprochen hat. Diese können jedoch nach der Auffassung des erkennenden Senats insofern der Rechtsprechung nicht mehr allgemein und grundsätzlich zugrunde gelegt werden, als sie weitgehend auf der Auffassung beruhen, daß Erscheinungen, die nicht unmittelbar organisch bedingt, sondern "nur psychologisch verständliche Reaktionen" sind, keine Unfallfolgen im Rechtssinne sein können. Auch nach der Auffassung des erkennenden Senats ist allerdings ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang in der Regel zu verneinen, wenn die psychischen Reaktionen wesentlich die Folge wunschbedingter Vorstellungen sind, die z.B. mit der Tatsache des Versichert- seins oder auch mit persönlichen Lebenskonflikten in Zusammenhang stehen. Die Grundsätze des RVA berücksichtigen jedoch nicht ausreichend, daß psychische Reaktionen auf ein Unfallereignis nicht in jedem Falle auf wunschbedingten Vorstellungen beruhen; sie lassen deshalb für die rechtliche Würdigung besonders liegender Sachverhalte keinen ausreichenden Raum (vgl. z.B. von Bayer in Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie, 1. Band 1959, 664, 673 ff.).
Das LSG ist zu der Auffassung gelangt, der Unfall sei nur der "provozierende Anlaß" des Schütteltremors; gegenüber den "schon vor dem Unfall vorhanden gewesenen Abartigkeiten in der seelischen Haltung des Klägers", welche die überragende Ursache seien, sei er so untergeordnet und nebensächlich, daß ihm keine wesentliche Bedeutung für den Eintritt des Schütteltremors zukomme. Diese rechtliche Wertung beruht jedoch auf einer sehr verallgemeinernden Anwendung an sich zutreffender Erkenntnisse. Das LSG hätte sich bemühen müssen, die Sachverständigen zu einem näher analysierenden Eingehen auf den Einzelfall des Klägers zu veranlassen. Dabei hätten möglicherweise auch Auskünfte oder gutachtliche Äußerungen der Heilanstalten in A. (Dr. von E Kuranstalt) und N./O. (C-A-Stift), in denen der Kläger behandelt worden ist, zur weiteren Aufklärung beitragen können. Auch hätte versucht werden müssen, die Unklarheiten hinsichtlich des ersten Auftretens des Schütteltremors zu beseitigen, die insofern bestehen, als der Kläger bei der Unfalluntersuchung angegeben hat, während der Krankfeierperiode sei ein leichtes Schütteln und Zittern aufgetreten, das sich bei der Arbeitsaufnahme verstärkt habe, während er nach der Anamnese des Gutachtens der medizinischen und neurologischen Klinik des Krankenhauses B. in B. vom 12. September 1956 bei der Untersuchung angegeben hat, das Zittern habe sofort nach dem Aufschlagen des Hammers auf die Hand begonnen.
Die Revision rügt mit Recht, daß die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht ausreichen, um die vom Unfall und von der Psyche des Klägers ausgehenden Ursachen hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen. Sie ist infolgedessen insoweit begründet, da nicht völlig auszuschließen ist, daß das LSG bei einer weiteren Aufklärung des hier zu beurteilenden Sachverhalts hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung des Unfallereignisses für die psychische Reaktion zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
Das LSG hat allerdings für den Fall, daß der Unfall eine rechtlich wesentliche Teilursache der psychischen Reaktion des Klägers sein sollte, zutreffend geprüft, ob auch der weitere Verlauf noch rechtlich wesentlich auf diese ursprünglichen Reaktionen zurückzuführen ist und nicht vielmehr Begehrungsvorstellungen oder sonstige aus der Psyche heraus wirkende Kräfte so sehr in den Vordergrund getreten sind, daß sie für den weiteren Verlauf, d.h. für Stärke und Dauer des Schütteltremors, die rechtlich allein wesentliche Ursache sind. Die rechtlichen Erwägungen des LSG beruhen jedoch auch insoweit auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage, als das LSG lediglich allgemeine Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft berücksichtigt und auf den Versuch verzichtet hat, die individuellen Ursachen des Schütteltremors näher zu klären. Auch hat das LSG sich nicht ausreichend mit dem Gutachten des Nervenarztes Dr. vom H. vom 12. Januar 1959 auseinandergesetzt. Dr. vom H. ist im Gegensatz zu den Gutachtern, die sich gleichfalls auf Grund einer eigenen Untersuchung des Klägers hierüber eine Meinung gebildet haben, und entgegen seiner eigenen ursprünglichen Ansicht auf Grund seiner Kenntnis der weiteren Entwicklung des Schütteltremors zu der Auffassung gelangt, daß der Schütteltremor organisch - also nicht psychogen - bedingt sei. Er führt ihn jedoch nicht auf organische Unfallfolgen zurück, insoweit hat ihn das LSG möglicherweise mißverstanden, sondern ist der Meinung, dieses "bereitliegende" organische Leiden sei durch die psychischen Reaktionen auf den Unfall hervorgerufen und damit manifestiert worden; es verlaufe nunmehr ohne weitere Beeinflussung durch die Psyche nach seiner eigenen Gesetzmäßigkeit. Dr. vom H. ist allerdings der Meinung, der Unfall sei nur eine "auslösende Gelegenheitsursache" der organischen Erkrankung. Insoweit handelt es sich jedoch um eine rechtliche Wertung der verschiedenen Ursachen, die das LSG nachzuprüfen gehabt hätte.
Da somit auch die rechtliche Wertung der Ursachen für den weiteren Verlauf des Schütteltremors auf unzureichenden tatsächlichen Unterlagen beruht, ist die Revision auch insoweit begründet, weil nicht völlig auszuschließen ist, daß das LSG auch in dieser Beziehung zu einen für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
Die am Schluß des Urteils gegebene Hilfsbegründung bezieht sich nur auf den Rentenanspruch und läßt die Frage ungeprüft, ob eine Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Gewährung von Krankenbehandlung und Berufsfürsorge besteht. Eine abschließende Stellungnahme zu ihr ist schon deshalb nicht erforderlich, weil sie auf der Annahme beruht, daß der Schütteltremor wesentlich durch Begehrensvorstellungen hervorgerufen sei, hierüber aber, wie dargelegt, bisher keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden sind.
Eine Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ist infolge des Fehlens ausreichender tatsächlichen Feststellungen nicht möglich. Das Urteil des LSG mußte deshalb mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 926524 |
BSGE, 173 |
NJW 1963, 1693 |