Leitsatz (amtlich)
Ein Zuschuß für die Beschaffung eines Motorfahrzeugs (Ersatzleistung) kann einem Beschädigten, der nicht Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe 3 ist, nur gewährt werden, wenn er wegen seiner Schädigungsfolgen zu dem Personenkreis des DV § 11 Abs 3, §§ 13 und 15 BVG § 4 Abs 4 S 1 gehört.
Leitsatz (redaktionell)
Nach BVG § 11 Abs 3 S 1, DV § 11 Abs 3, §§ 13 und 15 BVG § 5 Abs 1 Nr 2 idF vom 1967-12-18 kann einem Beschädigten, der nicht Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe 3 ist, ein Zuschuß zur Beschaffung eines Motorradfahrzeugs (eine "Ersatzleistung") nur gewährt werden, wenn er Anspruch auf ein Krankenfahrzeug (ein "Hilfsmittel") hat. Gehört der Versorgungsberechtigte nicht zu den in DV § 11 Abs 3, §§ 13 und 15 BVG § 4 Abs 4 Buchst a-c genannten Beschädigtengruppen, kommt es für den Anspruch auf ein Krankenfahrzeug darauf an, ob er diesen Personen hinsichtlich der Art und Schwere der Behinderung oder des Ausmaßes der Gehbehinderung gleichzuachten ist, dagegen nicht auf die weiteren Voraussetzungen des DV § 11 Abs 3, §§ 13 und 15 BVG § 5 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 (bergige Wohngegend, außergewöhnlich gefährliche Verkehrsverhältnisse).
Normenkette
BVG § 11 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1971-12-16; BVG § 11 Abs 3 § 13 DV § 5 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2; BVG § 11 Abs 3 § 13 DV § 4 Abs. 4 Buchst. b Fassung: 1967-12-18; BVG § 11 Abs 3 § 13 DV § 4 Abs. 4 Buchst. c Fassung: 1967-12-18; BVG § 11 Abs 3 § 13 DV § 4 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1967-12-18; BVG § 11 Abs 3 § 13 DV § 4 Abs. 4 Buchst. a Fassung: 1967-12-18
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Speyer - Zweigstelle Mainz - vom 26. Februar 1973 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der 1922 geborene Kläger erhält eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 v. H. wegen der Schädigungsfolgen "reizlose Narbe über dem rechten Schulterblatt, Narben am rechten Oberarm, Rest einer Schädigung des Ellennerven, starker Muskelschwund am rechten Arm, erhebliche Herabsetzung der rohen Kraft in der rechten Hand, Verlust des rechten Oberschenkels". Im März 1971 beantragte er die Gewährung eines Zuschusses zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges (im folgenden als "Zuschuß" bezeichnet) in Höhe von 2.500,- DM mit der Begründung, er sei zur Erreichung seines Arbeitsplatzes auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen; einen Krankenfahrstuhl könne er nicht bedienen; der Weg vom Bahnhof in A zur Arbeitsstelle sei zu weit und zu hügelig, öffentliche Verkehrsmittel könne er nicht benutzen. Nach einer fachärztlichen Stellungnahme der Orthopädischen Versorgungsstelle L benutzt der Kläger laufend Prothese und Stock, mit denen er orthopädisch versorgt werde; er gehe damit beschwerlich; hinsichtlich der Art und Schwere der Behinderung sowie des Ausmaßes der Gehbehinderung sei er keinem der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs. 3 und der §§ 13 und 15 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) - DVO - genannten Personenkreise gleichzuachten. Das Landesversorgungsamt wies den Antrag unter Hinweis auf diese Beurteilung ab (Bescheid vom 25. August 1971). Der Widerspruch, mit dem der Kläger auf seine zusätzliche Behinderung durch die weitgehende Gebrauchsunfähigkeit seines rechten Armes und auf die frühere Gewährung eines Zuschusses verwies, blieb erfolglos (Bescheid vom 1. Dezember 1971). Das Sozialgericht (SG) hörte den Kläger an, nahm seine Wohngegend in F sowie die Verkehrsverhältnisse an seinem Wohnort in Augenschein und verurteilte den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges zu gewähren, den es in den Gründen auf 3.000,- DM festsetzte (Urteil vom 26. Februar 1973): Den Zuschuß könne der Kläger als eine Sonderform der orthopädischen Versorgung, die eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit erzielen solle, beanspruchen; denn er sei dem Personenkreis, der wegen der Art und Schwere der körperlichen Behinderung einen solchen Anspruch habe, gleichzuachten (§ 11 Abs. 3 BVG i. V. m. DVO vom 18. Dezember 1967/19. Januar 1971 - BGBl 1971 I 43). Zwar gehöre der Kläger nicht zu den Personen, denen nach § 5 Abs. 1 DVO an Stelle eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges ein solcher Zuschuß gewährt werden könne, und sei diesen Personen nicht gleichzuachten, wie sich aus der Art seiner Schädigungsfolgen ergebe. Aber ihm stehe dem Grunde nach ein handbetriebenes Krankenfahrzeug für den Straßengebrauch zum Ausgleich seiner Gehbehinderung zu (§ 1 Nr. 10, § 4 Abs. 4 DVO), weil er trotz Ausstattung mit Kunstbein und Gehstöcken wegen der Schädigungsfolgen nicht eine seinen Bedürfnissen entsprechende Gehfähigkeit erreichen könne, die ihm die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben ermögliche. Er könne die teilweise bergigen und schlechten Straßen in F (zum Sportplatz, zum Arzt, zur Bushaltestelle, zu den Vereinslokalen, zu den Geschäften und zur Kirche) mit einem handbetriebenen Krankenfahrzeug allenfalls bei übergroßen körperlichen Anstrengungen befahren; wegen der Verkehrsverhältnisse und des praktischen Ausfalles des rechten Armes sei aber der Gebrauch eines Krankenfahrzeuges nicht möglich. Da ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen eine ausreichende Gehfähigkeit mit Prothesen und Stöcken nicht zu erreichen sei, stehe dem Kläger der beantragte Zuschuß zu. Dabei seien allerdings andere als gesundheitliche Gründe, z. B. ungünstige Verkehrsverbindungen zum Arbeitsplatz, nicht zu beachten. Der Beklagte könne zur Gewährung der Ermessensleistung verpflichtet werden, weil er bei dem vorliegenden Sachverhalt insoweit gebunden sei, als der gesetzliche Tatbestand erfüllt sei. - Das SG hat die Berufung zugelassen.
Der Beklagte hat mit Einverständnis des Klägers Sprungrevision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 10, 11 und 13 BVG, §§ 2, 4 und 5 DVO neuer Fassung. Das SG habe die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 DVO übersehen; nach ihr könne dem Kläger, der keine Pflegezulage mindestens nach Stufe III beziehe, der begehrte Zuschuß nur an Stelle eines Krankenfahrzeuges gewährt werden. Ihm stehe aber nach § 4 Abs. 4 DVO ein Krankenfahrzeug deshalb nicht zu, weil er nicht zu den beiden dort erstgenannten Personenkreisen gehöre und ihnen auch nicht hinsichtlich der Art und Schwere seiner Behinderung oder hinsichtlich des Ausmaßes der Gehbehinderung gleichzusetzen sei; das folge aus den vorliegenden fachärztlichen Stellungnahmen und sei auch vom SG bezüglich § 5 Abs. 1 DVO festgestellt. Auf den das angefochtene Urteil tragenden Gesichtspunkt, daß der Kläger trotz Ausstattung mit Kunstbein und Gehstöcken eine seinen Bedürfnissen entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielen könne, komme es nach der Auffassung der DVO im Unterschied zur früheren Regelung nicht an. Dann seien auch die Voraussetzungen für einen Zuschuß nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DVO nicht zu prüfen. Die vom Beklagten vertretene Auslegung des neuen Rechtes werde durch eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung bestätigt. Wegen der Rechtsänderung seien frühere Bewilligungen von Zuschüssen in Fällen wie dem vorliegenden unbeachtlich. Jedenfalls hätte das SG die Verwaltung nicht zur Gewährung der Ermessensleistung verpflichten und schon gar nicht den Zuschuß auf 3.000,- DM festsetzen dürfen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision (gemeint: Sprungrevision) des Beklagten zurückzuweisen.
Er schließt sich der vom SG vertretenen Rechtsauffassung im Ergebnis insoweit an, als ihm ein Zuschuß bis zur Höhe von 2.500,- DM zugesprochen worden ist. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen sei die Voraussetzung für den Zuschuß auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DVO gegeben.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Sprungrevision ist zulässig (§ 148 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -; BSG 12, 134; § 150 Nr. 1, §§ 161, 164 SGG). Sie ist auch insoweit erfolgreich als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen werden muß. Das SG hat die Rechtslage verkannt und die für die Entscheidung rechtserheblichen Tatsachen nicht festgestellt.
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BVG idF des 3. Neuordnungsgesetzes - NOG - (Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I 141, 180 -; spätere Rechtsänderungen betreffen diesen Fall nicht) "kann" ein Zuschuß zu den Kosten der Beschaffung eines Motorfahrzeuges "an Stelle" bestimmter orthopädischer Hilfsmittel (§ 13 Abs. 1 BVG) als eine sogenannte Ersatzleistung zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung gewährt werden. Zur Ermessensausübung, die nur auf Ermessensfehler gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gerichtlich zu kontrollieren wäre, ist es im vorliegenden Fall nicht gekommen, weil der Beklagte zu Recht die Voraussetzungen für eine solche Ersatzleistung nach dem BVG und nach der DVO verneint hat. Die Entscheidung darüber ist in vollem Umfang gerichtlich zu überprüfen (BSG 5, 276, 279; SozR Nr. 1 zu § 13 BVG).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 DVO in der hier maßgebenden, später nicht mehr einschlägig geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1971 (BGBl I 43) - seit dem 1. Januar 1972 als "Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs. 3 und des § 13 BVG" bezeichnet (vgl. VO zur Durchführung des § 15 BVG vom 31. Januar 1972 - BGBl I 105) - können Beschädigte, die - wie der Kläger - nicht eine Pflegezulage mindestens der Stufe III (§ 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BVG) erhalten, den umstrittenen Zuschuß (§ 2 Satz 1 Nr. 1 DVO) "nur an Stelle" eines handbetriebenen Krankenfahrzeugs für den Straßengebrauch oder eines elektrisch betriebenen Krankenfahrzeugs erhalten. Diese Regelung beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung des § 24 a Buchst. a BVG i. V. m. den Bestimmungen, daß die Ersatzleistung an die Stelle bestimmter orthopädischer Hilfsmittel tritt (s. o.) und daß nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BVG nur bei Pflegezulageempfängern mindestens nach Stufe III die Gewährung des Zuschusses nicht von der Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln abhängt. Die "Ergänzung" der (gesamten) orthopädischen Versorgung durch eine einzelne "Ersatzleistung" darf bei widerspruchsfreier Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 BVG Beschädigten, die keine Pflegezulage mindestens der Stufe III beziehen, nur unter der Voraussetzung gewährt werden, daß ein Rechtsanspruch auf ein bestimmtes zu ersetzendes Hilfsmittel besteht. Der Kläger könnte aber kein Krankenfahrzeug als Hilfsmittel beanspruchen. Damit ist die Gewährung eines Zuschusses schlechthin ausgeschlossen, ohne daß die weiteren Voraussetzungen für diese umstrittene Leistung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO zu prüfen wären. Das hat das SG, im Gegensatz zum Beklagten, nicht beachtet.
Ein Krankenfahrzeug, das als orthopädisches Hilfsmittel (§ 1 Satz 1 Nr. 10 DVO) - anders als eine Ersatzleistung - unter bestimmten Voraussetzungen beansprucht werden kann, wird nach § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO an drei Gruppen von Beschädigten gewährt:
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1. |
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an Querschnittsgelähmte, Drei- und Vierfachamputierte, Doppel-Beinamputierte und Hüftexartikulierte, |
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2. |
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an einseitig Beinamputierte, die a) dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder b) nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder c) zugleich armamputiert sind, |
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3. |
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an andere Berechtigte, die diesen Personen hinsichtlich der Art und der Schwere der Behinderung oder hinsichtlich des Ausmaßes der Gehbehinderung gleichzuachten sind. |
Der Kläger gehört eindeutig weder zum ersten noch zum zweiten Personenkreis. Eine tatsächliche Feststellung, daß er diesen Personen rein gesundheitlich wegen seiner Schädigungsfolgen - andere Gesundheitsstörungen sind hier außer Betracht - i. S. des dritten Berechtigungskreises entgegen den dies verneinenden versorgungsärztlichen Beurteilungen gleichzuachten ist, ist dem Urteil des SG nicht zu entnehmen. Die im Urteil enthaltene Bemerkung, nach der Art der Schädigungsfolgen gehöre der Kläger nicht zu den in § 5 Abs. 1 DVO genannten Personen und sei ihnen nicht gleichzusetzen (S. 8 unten), reicht dafür nicht aus; sie kann sich nämlich auf verschiedenartige Personenkreise beziehen, die sich insgesamt nicht mit den in § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO beschriebenen, hier maßgebenden Beschädigtengruppen decken; vermutlich sind damit die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b DVO n. F. aufgeführten Personen gemeint oder überhaupt solche, die in der nicht mehr geltenden Fassung der DVO bezeichnet waren. Insbesondere umfaßt die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 DVO - auf die es hier jedoch rechtlich gar nicht ankommt - auch solche Beschädigte, die nicht zu den zuvor genannten, ebenfalls von der ersten und zweiten Gruppe des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO (nF) erfaßten, allerdings anders aufgegliederten Schwerstbeschädigten gehören, die ihnen aber hinsichtlich des Ausmaßes der Gehbehinderung gleichzuachten sind und außerdem ein Krankenfahrzeug mit Handhebelantrieb für den Straßengebrauch wegen Gesundheitsstörungen, Körperschwäche, übergroßen Körpergewichts oder aus anderen zwingenden gesundheitlichen Gründen oder wegen bergiger Wohngegend oder wegen außergewöhnlich gefährlicher Verkehrsverhältnisse nicht benutzen können. Diese verschiedenen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO, die zugleich auch für einen Zuschuß (als Ersatzleistung) vorliegen müssen, unterscheiden sich von denen der dritten Gruppe des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO, die - wie zuvor dargelegt - außerdem als solche für einen Rechtsanspruch auf ein Krankenfahrzeug gegeben sein müßten, um einen Zuschuß gewähren zu können. Obwohl eingangs im angefochtenen Urteil die DVO in der seit 1971 geltenden Fassung zitiert wird, scheint das SG insgesamt von den durch § 16 DVO vom 18. Dezember 1967 (BGBl I 1285) ab 1. Januar 1967 außer Kraft gesetzten und daher hier nicht anwendbaren Vorschriften des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO idF der Bekanntmachung vom 30. Oktober 1964 (BGBl I 842) ausgegangen zu sein, die die vom SG im einzelnen geprüften Anspruchsvoraussetzungen enthielten. Insbesondere die Voraussetzung für ein handbetriebenes Krankenfahrzeug, daß der Beschädigte mit Hilfe von Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln eine seinen Bedürfnissen entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielen kann (§ 4 Abs. 4 Satz 1 DVO aF), ist nach dem Recht, das seit 1971 gilt, nicht mehr anzuwenden. Damit entfällt auch der vom SG nach ausführlicher Prüfung bejahte Gesichtspunkt, der Kläger könne die so bestimmte Gehfähigkeit für eine Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben seines Wohnortes nicht erreichen (S. 9 f). Wenn das neue Recht die Gleichstellung mit bestimmten Schwerbeschädigten nicht mehr von einem Maßstab abhängig macht, der durch die den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit bestimmt wird, so ist das bewußt geschehen. Der Bundesrat hatte am 13. Oktober 1967 auf Empfehlung seines Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik vom 6. Oktober 1967 gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung, der bereits die später endgültig beschlossene Fassung des § 4 Abs. 4 DVO enthielt, eine an die zitierte frühere Fassung anknüpfende Formulierung, die u. a. auf die Bedürfnisse des Beschädigten abstellte, vorgeschlagen und in der Begründung sich gegen eine Schlechterstellung vieler Beschädigter gewandt, die sich bei der Wahl ihrer Wohnung von der Erwartung, von Zeit zu Zeit einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges zu erhalten, hätten leiten lassen (Bundesrats-Drucks. 451/67). Demgegenüber ist aber die Bundesregierung bei der ursprünglich vorgesehenen Fassung geblieben und hat dazu schließlich die Zustimmung des Bundesrates am 15. Dezember 1967 erhalten (Bundesrats-Drucks. 596/67). Ob diese Änderung des Wortlautes das Recht zum Nachteil vieler Beschädigter verändert oder nur die schon vorher geltende Rechtslage klargestellt hat, kann dahingestellt bleiben (verbessert hat sie die Rechtslage nach BSG SozR Nr. 1 zu § 5 DVO 1964 jedenfalls nicht). Unter der Herrschaft der neuen Fassung des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO ist die dritte Gruppe der Berechtigten allein nach objektiven gesundheitlichen Maßstäben zu bestimmen: Wegen der Art und Schwere der Behinderung oder speziell wegen des Ausmaßes der Gehbehinderung muß der Beschädigte im Unterschied zu anderen Beinprothesenträgern den Personen der ersten oder zweiten Gruppe gleichzuachten sein; d. h. seine Gesundheitsschäden, die nicht unter eine der in der ersten und zweiten Gruppe ausdrücklich genannten Arten fallen, müssen in der Behinderung, namentlich beim Gehen, funktionell etwa die gleiche Wirkung haben. Dies ist für alle Beschädigten mit gleichen Gesundheitsstörungen gleich zu beurteilen, wobei nicht jeweils auf ihre verschiedenartigen persönlichen Bedürfnisse kultureller oder geselliger oder sonstiger Art und auf die besondere Lage ihrer Wohnung abzustellen ist. Solche Besonderheiten des Einzelfalles, auch örtliche Verhältnisse, sind dagegen im Rahmen der Kriegsopferfürsorge zu berücksichtigen (§ 25 Abs. 1 BVG, Verordnung zur Kriegsopferfürsorge idF der Bekanntmachung vom 27. August 1965 - BGBl I 1031, insbesondere § 1), die auch eine Hilfe der hier umstrittenen Art gewähren kann (§ 13 DVO). Eine besonders ungünstige Wohnlage und die durch sie bedingten Verkehrsverhältnisse, die keinen Zusammenhang mit der körperlichen Leistungsfähigkeit haben, waren schon nach altem Recht nicht zu beachten (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR Nr. 1 zu § 5 DVO 1964). Wenn unter der Herrschaft des früheren Rechts sich die "den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit" nach den gesundheitlichen Verhältnissen des Einzelfalles im Vergleich mit anderen Beinprothesenträgern bestimmte (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR Nr. 1 zu § 4 DVO 1964), so hat sich insoweit an der Rechtslage nichts geändert. Die nach dieser Entscheidung zu beachtende Fähigkeit, am kulturellen und öffentlichen Leben teilzunehmen, ist jedenfalls nach geltendem Recht als die allgemein für gleichartig Beschädigte gegebene Gehfähigkeit zu verstehen, wobei nicht besondere, vom Gesundheitszustand unabhängige Bedürfnisse und Schwierigkeiten des einzelnen Beinamputierten entscheidend sein können. Auch muß ebenso wie schon nach früherem Recht (vgl. die zitierten Entscheidungen des erkennenden Senats) die für einen einzelnen Beschädigten gegebene Notwendigkeit, aus beruflichen Gründen ein Kraftfahrzeug zu benutzen, weiterhin außer Betracht bleiben-; das hat auch das SG beachtet. § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO ist in der dargelegten Auslegung nicht etwa deshalb mit § 13 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BVG unvereinbar, weil die orthopädischen Hilfsmittel nach dieser Gesetzesbestimmung in technischer Hinsicht den persönlichen und beruflichen Bedürfnissen des Berechtigten angepaßt sein müssen. Diese Vorschrift bestimmt nicht, daß die Mittel zu gewähren wären, falls persönliche und berufliche Bedürfnisse, die nicht mit dem Gesundheitszustand zusammenhängen, dies erforderten. Sie normiert nicht eine Voraussetzung dafür, ob Hilfsmittel beansprucht werden können, sondern allein die Art und Beschaffenheit derselben.
Wenn - wie hier - das angefochtene Urteil keine Feststellungen über die Tatsachen enthält, die als Voraussetzung der anzuwendenden Vorschriften gegeben sein müßten, um den Urteilsausspruch zu rechtfertigen - nämlich, ob der Kläger zu dem Personenkreis gehört, der nach § 4 Abs. 4 DVO Anspruch auf ein Krankenfahrzeug hat - muß bei einer Sprungrevision, die an Stelle einer vom SG zugelassenen Berufung eingelegt worden ist, ebenso wie bei einer zugelassenen Revision (BSG SozR Nr. 6 zu § 163 SGG) auch ohne ausdrückliche Rüge von Verfahrensmängeln im Sinn der §§ 163, 164 Abs. 2 Satz 2 SGG nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG die Entscheidung des SG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden. Das Revisionsgericht kann ohne solche tatsächlichen Feststellungen nicht die Richtigkeit des angefochtenen Urteils prüfen und auch nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG selbst in der Sache entscheiden. Das SG hat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates den Sachverhalt aufzuklären und die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu treffen.
Falls das SG alle Leistungsvoraussetzungen bejahen sollte, dürfte es den Beklagten nur dann zur Gewährung des Zuschusses verurteilen, wenn die Versagung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ermessensfehlerhaft wäre (BSG 30, 144, 150 mit weiteren Hinweisen). Bezüglich der Höhe des Zuschusses dürfte das SG weder über die einschlägige Vorschrift (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DVO) noch über den Antrag des Klägers (§ 123 SGG) hinausgehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen