Leitsatz (amtlich)
1. Ein Studium an einer pädagogischen Hochschule führt allein noch nicht dazu, den Übergang in eine auf dem Arbeitsmarkt sofort verwertbare berufliche Tätigkeit zu ermöglichen (Anschluß an BSG 1974-05-21 7 RAr 15/72 = BSGE 37, 223, BSG 1974-05-21 7 RAr 14/72 = ABA 1974, 233 und BSG 1974-05-21 7 RAr 33/72).
2. Die Umschulung eines Bahnbeamten zum Volksschullehrer nach dem sogenannten "System Mikat" im Land Nordrhein-Westfalen ist keine förderungsfähige Maßnahme iS des AFG § 47 Abs 1.
3. Überschreitet die Maßnahme (Studium und Schulpraktische Ausbildung) den für die Förderungsfähigkeit einer Umschulungsmaßnahme zugelassenen Zeitraum von höchstens 3 Jahren (AFuU § 6 Abs 1 S 3 Fassung: 1969-12-18), so nimmt das der Umschulung insgesamt den Charakter einer förderungsfähigen Maßnahme (Anschluß an BSG 1973-03-29 7 RAr 12/72 = BSGE 36, 1).
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Sonderausbildung zum Volksschullehrer in Nordrhein-Westfalen nach dem sogenannten System Mikat ist die Zeitspanne zwischen der Tätigkeit als Aushilfslehrer und dem Beginn der Vorlesungen des anschließenden Pädagogischen Hochschulstudiums als Ferienzeit innerhalb eines einheitlichen Ausbildungsgangs anzusehen und der Maßnahmedauer zuzurechnen.
2. Der Grundsatz, daß Ausbildungsgang und Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme anzusehen sind, wenn die Prüfung in zeitlichem und organisatorischem Zusammenhang mit der Ausbildung steht, gilt auch für die Umschulung.
Normenkette
AFG § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 Fassung: 1969-12-18
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Umschulung des Klägers zum Lehrer an Grund- und Hauptschulen nach dem sog. System Mikat aufgrund der Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu fördern.
Der Kläger (geboren 1935) war nach Abschluß seiner Ausbildung (Juli 1964) als technischer Bundesbahninspektor z. A. (Beamter auf Probe) bei der Bundesbahn tätig. Ab September 1967 begann der Kläger eine Ausbildung zum Lehrer an Grund- und Hauptschulen nach dem sog. System Mikat (Erlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 1967 - III A 40/11/1 - Nr. 2064/67 -). Dieser Ausbildungsgang gliederte sich in einen berufsbegleitenden Lehrgang zur Erlangung der Befähigung für ein verkürztes Studium an den pädagogischen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen. Hieran nahm der Kläger neben seiner Tätigkeit als Bundesbahnbeamter in der Zeit vom September 1967 bis Juli 1968 mit Erfolg teil. Im Anschluß an diesen Vorbereitungslehrgang war ein Jahr praktischer Unterrichtstätigkeit als Aushilfslehrkraft an öffentlichen Volksschulen vorgesehen. Diese Zeit absolvierte der Kläger in der Zeit von August 1968 bis Oktober 1969 an einer Hauptschule in E. Während dieser Tätigkeit besuchte er monatlich zweimal eine begleitende Arbeitsgemeinschaft. Von seiner Tätigkeit als Bundesbahnbeamter wurde er zunächst beurlaubt. Später schied er aus dem Dienst der Bundesbahn aus.
Die dritte Phase der Ausbildung bestand aus einem vier-semestrigen Studium, das der Kläger vom 1. Oktober 1969 bis Ende des Sommersemesters 1971 an der Pädagogischen Hochschule R durchlief. Während des Studiums wurden ihm 80 % des Gehalts der Vergütungsgruppe V b BAT gezahlt. Die anschließende erste Staatsprüfung erstreckte sich über einen längeren Zeitraum; sie wurde vom Kläger am 22. September 1971 mit Erfolg abgeschlossen.
Nach den Weihnachtsferien 1971/72 hat der Kläger den vorgeschriebenen Vorbereitungsdienst aufgenommen. Am 8. Mai 1973 ist er, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe, zum Volksschullehrer z. A. ernannt worden. Das Ende des Vorbereitungsdienstes und das Ablegen der zweiten Staatsprüfung war für Ende des Jahres 1974 vorgesehen.
Der Antrag des Klägers auf Förderung des vier-semestrigen Studiums an der Pädagogischen Hochschule wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 12. August 1971, Widerspruchsbescheid vom 12. November 1971). Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht - SG - Duisburg durch Urteil vom 28. Februar 1972 die Beklagte verurteilt, den Hochschulbesuch ab Wintersemester 1969 als berufliche Umschulungsmaßnahme zu fördern. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 28. Februar 1974). Das LSG hat die Auffassung vertreten, die Förderung des Studiums scheide aufgrund des § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 - (ANBA 1970, 85) aus, weil die Maßnahme insgesamt die zulässige Höchstdauer von drei Jahren überschreite. Die Maßnahme sei hier die Ausbildung zum Volksschullehrer. Diese bestehe nicht nur aus dem Studium, sondern umfasse außerdem noch die vom Kläger absolvierte mehr als einjährige Tätigkeit als Aushilfslehrer und die Zeit, die regelmäßig für die Prüfung benötigt werde. Danach habe sich die Ausbildung zum Volksschullehrer bei dem Kläger von Anfang August 1968 bis Ende August 1971, also auf mehr als drei Jahre erstreckt.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verkennung des Begriffs der "Maßnahme".
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch, sein vier-semestriges Studium an der Pädagogischen Hochschule (PH) zu fördern.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß das Studium des Klägers nicht dem Bereich der beruflichen Fortbildung (§§ 41 ff AFG), sondern dem der beruflichen Umschulung (§ 47 Abs. 1 AFG) zuzuordnen ist. Der Kläger verbindet mit dem Studium nämlich die Absicht, als Beruf nicht mehr seine frühere Tätigkeit als Bundesbahnbeamter auszuüben. Vielmehr will er mit Hilfe des Studiums in den Beruf des Volksschullehrers, also in eine Berufstätigkeit mit neuem Inhalt überwechseln.
Bei einem Ausbildungsgang nach dem System Mikat ist für die Beurteilung des Studiums an der PH als Fortbildung oder Umschulung nicht an die vorangegangene Tätigkeit als Aushilfslehrer anzuknüpfen; das Studium ist nämlich lediglich ein Teilabschnitt einer mehrgliedrigen Bildungsmaßnahme, zu der auch die Tätigkeit als Aushilfslehrer gehört. Es muß deshalb von dem Beruf ausgegangen werden, den der Kläger vor Eintritt in den ersten Abschnitt ausgeübt hat (BSG SozR 4100 § 47 Nr. 5). Im Falle des Klägers ist das der Beruf des technischen Bundesbahnbeamten. Demgegenüber ist der Wechsel in den Lehrerberuf eine Umschulung.
Die Umschulung des Klägers zum Lehrer kann indessen nicht gefördert werden. Das PH-Studium ermöglicht ihm nämlich nicht den Übergang in eine "andere geeignete berufliche Tätigkeit" i. S. von § 47 Abs. 1 AFG. Die gesamte Maßnahme überschreitet auch die zulässige Höchstdauer. Wie der 7. Senat des BSG mehrfach entschieden hat (BSGE 37, 223; ferner Urteile vom 21. Mai 1974 - 7 RAr 14/72 und 7 RAr 33/72), führt ein PH-Studium - allein - nicht dazu, den Übergang in eine auf dem Arbeitsmarkt sofort verwertbare berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Nach den landesrechtlichen Regelungen über die Ausbildung der Volks- und Grundschullehrer wird in allen Bundesländern neben dem Studium noch eine schulpraktische Tätigkeit gefordert; erst damit erlangt der Bewerber um das Lehramt die Voraussetzungen für die Befähigung, den Lehrerberuf ausüben zu können. Überschreitet die Maßnahme (Studium und schulpraktische Tätigkeit) den für die Förderungsfähigkeit einer Umschulungsmaßnahme zugelassenen Zeitraum von drei Jahren (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969), so nimmt dies der Umschulung insgesamt den Charakter einer förderungsfähigen Maßnahme (BSGE 36, 1, 3). Dieser Rechtsprechung - von der abzuweichen kein Anlaß besteht - schließt sich der erkennende Senat ebenfalls an.
Das verkürzte Studium des Klägers führt für sich genommen nicht zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf. Der Kläger kann den Übergang in eine andere geeignete Tätigkeit nicht erreichen, ohne zusätzlich den ersten und den zweiten (schulpraktischen) Bildungsabschnitt zu durchlaufen; denn er würde ohne die erste und die zweite Phase seiner Ausbildung zu diesem Studium gar nicht zugelassen worden sein (BSG SozR 4100 § 47 Nr. 5). Damit ist im vorliegenden Fall die Förderung ausgeschlossen.
Dabei kann dahinstehen, ob der erste Bildungsabschnitt etwa deshalb der Dauer der Maßnahme nicht hinzuzurechnen ist, weil er berufsbegleitend durchgeführt wird. Selbst wenn nur die Ausbildungszeit des Klägers ab 1. August 1968, also seine Tätigkeit als Aushilfslehrer, mit der Zeit seines Studiums zusammengerechnet wird, überschreitet die Bildungsmaßnahme - wie das LSG zutreffend entschieden hat - insgesamt ebenfalls den Zeitraum von drei Jahren.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch die Zeit ab 1. Juli 1969, die er, ohne dazu verpflichtet zu sein, noch im Schuldienst verbracht hat, der Maßnahmedauer hinzuzurechnen. Sie wäre sogar dann zu berücksichtigen gewesen, wenn der Kläger vom 1. Juli 1969 bis zum Vorlesungsbeginn nicht gearbeitet hätte. Die Spanne zwischen dem Ende der Aushilfstätigkeit und dem Vorlesungsbeginn entspricht im wesentlichen den regelmäßigen Semesterferien und ist deshalb als Ferienzeit innerhalb eines einheitlichen Ausbildungsganges einzustufen. Ferienzeiten sind aber, entgegen der Auffassung des Klägers, der Maßnahmedauer zuzurechnen, und zwar unabhängig davor, wie sie genutzt werden. Dies ergibt sich einmal aus dem Sinn der zeitlichen Begrenzung, der darin zu sehen ist, nur solche Maßnahmen zu fördern, die den Umschüler in möglichst kurzer Zeit seinem neuen Beruf zuführen. Im übrigen folgt das auch aus § 11 Abs. 4 Satz 1 AFuU 1969. Dort ist nämlich bestimmt, daß Teilnehmern an Maßnahmen mit ganztägigem Unterricht das Unterhaltsgeld auch während festgelegter Ferienzeiten zu gewähren ist. Unzutreffend ist ferner die Auffassung des Klägers, daß die Prüfungszeiten nicht der Maßnahmedauer hinzuzurechnen seien. Der 7. Senat des BSG hat bereits zu dem Bereich der Fortbildung entschieden, daß Ausbildungsgang und Prüfung als einheitliche Bildungsmaßnahme anzusehen sind, wenn die Prüfung in zeitlichem und organisatorischem Zusammenhang mit der Ausbildung steht (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 4). Diese Grundsätze gelten auch für die Umschulung. Ziel der Förderung nach § 47 AFG ist es, dem Arbeitsuchenden den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Dieses Ziel ist aber - insbesondere im Bereich des Lehrerberufs - nicht mit dem Durchlaufen des Ausbildungsganges, also mit Beendigung des Studiums, sondern erst mit der Ablegung der Prüfung erreicht. Das auf die Ablegung der Prüfung abgerichtete Studium und die anschließende Prüfung selbst sind deshalb inhaltlich als Teil einer einheitlichen Umschulungsmaßnahme anzusehen. Demgemäß ist in § 12 AFuU 1969 angeordnet, daß zu den von der Beklagten zu tragenden notwendigen Lehrgangsgebühren auch die unvermeidbaren Prüfungsgebühren gehören. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift, erst recht aber nach Sinn und Zweck der Förderung der beruflichen Umschulung, handelt es sich dabei nicht um eine ausdehnende Sonderregelung, sondern um eine Klarstellung, daß Bildungsmaßnahme und abschließende Prüfung zusammengehören. Der Kläger kann seine Auffassung auch nicht auf § 6 Abs. 3 AFuU i. d. F. vom 9. September 1971 stützen. Diese Regelung schließt es ebenfalls nicht aus, Prüfungszeiten der Maßnahme zuzurechnen. Zu den dort erwähnten Zeiten einer Beschäftigung, der der staatlichen Anerkennung oder der Erlangung der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung eines Berufes dienen, gehören, wie der Wortlaut schon erkennen läßt, nur solche Zeiten, in denen der Arbeitnehmer eine Beschäftigung ausübt. Dabei muß es sich im übrigen auch noch um solche Zeiten handeln, die nicht überwiegend der Ausbildung dienen, sondern die dafür vorgesehen sind, daß der Arbeitsuchende im Rahmen einer regulären Beschäftigung mehrjährige Berufserfahrung erwirbt (BSG Urteil vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 141/74 -).
Nicht hinzuzurechnen sind allerdings Zeiten, um die sich die Prüfung für den einzelnen verzögert (BSG Urteil vom 26. August 1975 - 7 RAr 27/74 -). Dies hat das LSG aber bereits zutreffend bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Es ist zudem nicht ersichtlich, daß es dabei von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat.
Die Dauer der Gesamtmaßnahme ist - entgegen der Absicht des Klägers - nicht etwa deshalb hier abweichend von der Regel für den Anspruch auf Förderung unbeachtlich, weil er den Förderungsantrag auf die Dauer des Studiums beschränkt hat. Der Umstand, daß die Umschulungsmaßnahme sich aus mehreren Teilen zusammensetzt, hindert allerdings die Förderung eines einzelnen Teiles nicht, sofern für die Gesamtmaßnahme die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Das ist aber bei der von dem Kläger gewählten Ausbildung nicht der Fall. Das Überschreiten des Zeitrahmens nimmt der Umschulung insgesamt den Charakter einer förderungsfähigen Maßnahme (BSGE 36, 1, 3).
Die zeitliche Grenze in § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 ist nicht nur eine Grenze für den Regelfall, sondern, wie der Wortlaut erkennen läßt, eine Höchstgrenze. Die gesetzlichen Vorschriften des AFG stehen einer solchen absoluten Begrenzung nicht entgegen. Wenn in § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG als Regel die Grenze von zwei Jahren aufgestellt ist, so ist diese Vorschrift nicht in ihrem Kern verändert, sondern lediglich konkretisiert, wenn für Ausnahmen bestimmte Kriterien festgelegt werden.
Da es somit an einer Voraussetzung für die Förderung fehlt, kann die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen