Leitsatz (amtlich)
Ist die Zulassung des Schwiegersohnes eines verstorbenen Kassenarztes, der nach dem Willen des Verstorbenen an Stelle seines gefallenen Sohnes die Praxis fortführen sollte, auf Grund des ZO-Ärzte BZ § 19 (Zulassung ohne Ausschreibung) rechtskräftig abgelehnt worden, so kann in dem Auswahlverfahren nach ZO-Ärzte BZ § 18 die Stellung als Schwiegersohn im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände (ZO-Ärzte BZ § 18 Abs 3) mitberücksichtigt werden. Lehnen die Zulassungsinstanzen gleichwohl seine Zulassung im Hinblick auf die Bewerbung eines wesentlich älteren und früher approbierten Mitbewerbers ab, so liegt darin grundsätzlich keine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (SGG § 54 Abs 2 S 2).
Normenkette
SGG § 54 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; ÄZO BrZ § 19 Fassung: 1948-04-21, § 18 Abs. 3 Fassung: 1948-04-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Mai 1953 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Der Kläger ist ein Schwiegersohn des am 5. Mai 1951 gestorbenen Arztes Prof. Dr. P. Dieser übte in H eine Praxis als Kassenarzt aus, die der Kläger mit Genehmigung des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung seit Juni 1951 "vertretungsweise" weitergeführt hat. Am 8. Mai 1951 hatte der Kläger beim Zulassungsausschuß für den Arztregisterbezirk H beantragt, ihn in sinngemäßer Anwendung des § 19 der Zulassungsordnung (ZulO) für Ärzte (brit. Zone) ohne Ausschreibung in dem bisherigen Bezirk seines Schwiegervaters als Kassenarzt zuzulassen. Mit diesem Antrag hatte er jedoch weder beim Zulassungsausschuß noch beim beklagten Berufungsausschuß Erfolg. Die gegen den Beschluß des Berufungsausschusses vom 17. Juli 1951 erhobene verwaltungsgerichtliche Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Als die durch den Tod des Prof. Dr. P freigewordene Kassenarztstelle ausgeschrieben wurde, bewarben sich außer dem Kläger mehr als zwanzig weitere Ärzte um die Zulassung. Der Zulassungsausschuß beschloß am 17. Oktober 1951, den im Jahre 1909 geborenen, seit 1937 approbierten und seit dieser Zeit in H wohnhaften Dr. W M - den jetzigen Beigeladenen - zuzulassen dieser war seit 1946 in H als Arzt niedergelassen und hatte sich schon achtmal vergeblich um eine Kassenpraxis beworben. Die Bewerbung des Klägers, der im Jahre 1917 geboren ist und seine Approbation 1947 erhalten hat, wurde zurückgewiesen: Der Kläger sei acht Jahre jünger als der Beigeladene und mehr als zehn Jahre nach diesem approbiert worden; er könne daher nicht vor dem Beigeladenen zugelassen werden, obwohl dies für die Witwe und die Tochter des Verstorbenen eine Härte bedeute.
Die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung wies der beklagte Berufungsausschuß durch Beschluß vom 18. Dezember 1951 zurück: § 19 ZulO (brit. Zone), der die Möglichkeit der Übernahme der kassenärztlichen Praxis beim Tode des Praxisinhabers durch einen Abkömmling ohne Ausschreibung vorsehe, sei eine Ausnahmebestimmung, die eng auszulegen sei; es gehe nicht an, diese Bestimmung auch auf Schwiegersöhne auszudehnen, und zwar auch dann nicht, wenn der als Nachfolger vorgesehene Sohn, der Medizin studiert habe, als Student im Kriege gefallen sei. Der Umstand, daß der Kläger der Schwiegersohn des bisherigen Inhabers der Kassenpraxis sei, könne daher nur im Rahmen der Auswahlgrundsätze des § 18 ZulO (brit. Zone) unter Abwägung aller Umstände berücksichtigt werden. Wenn auch durch die Nichtzulassung des Klägers die Witwe des Prof. Dr. P sowie deren Tochter und Enkelkind in Bedrängnis geraten könnten, so reiche dies nicht aus, dem Kläger den ihm an Lebens- und Approbationsalter weit überlegenen Beigeladenen vorzuziehen, zumal dieser zwei Kinder habe, während der Kläger nur für ein Kind zu sorgen habe.
Der Kläger erhob gegen diesen Beschluß Klage beim Landesverwaltungsgericht Hamburg mit dem Antrag, den Beschluß des Berufungsausschusses vom 18. Dezember 1951 und den ihm zugrunde liegenden Beschluß des Zulassungsausschusses vom 17. Oktober 1951 aufzuheben: Die Ablehnung seiner Bewerbung um die ausgeschriebene Kassenarztstelle sei unbillig. Sein Schwiegervater habe ihn, nachdem sein Sohn im Kriege gefallen sei, als Nachfolger vorgesehen. Er, der Kläger, habe sich in der Praxis seines Schwiegervaters gut bewährt und diese weiter ausgebaut. Der Zulassungsausschuß habe auch seine wirtschaftliche Lage nicht gebührend berücksichtigt, denn er müsse nicht nur für den Unterhalt seiner Ehefrau und seines Kindes sorgen, sondern auch seine Schwiegermutter teilweise unterstützen. Der Beigeladene sei im Gegensatz zu ihm nicht auf die Kassenpraxis angewiesen, weil er schon seit längerer Zeit eine Privat- und Ersatzkassenpraxis mit monatlichen Einnahmen von mehr als 1.000,- DM ausübe.
Das Landesverwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 16. September 1952 ab: Die Entscheidung des Beklagten lasse keinen Ermessensfehler erkennen; wenn der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt sei, daß das weit höhere Lebens- und Approbationsalter des Beigeladenen in stärkerem Maße zu bewerten sei als die wirtschaftliche Lage des Klägers und seiner Angehörigen, so beruhe dies nicht auf sachfremden Erwägungen, da die sozialen Verhältnisse nur neben den anderen in § 18 Abs. 2 ZulO (brit. Zone) genannten Umständen zu berücksichtigen seien.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger rechtzeitig Berufung ein, die er unter Wiederholung seines früheren Vorbringens auch darauf stützte, daß er als Schwiegersohn des Verstorbenen einen Rechtsanspruch auf Zulassung habe. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht wies die Berufung durch Urteil vom 5. Mai 1952 zurück: Ein Rechtsanspruch auf Zulassung vor allen anderen Bewerbern könnte nur dann in Betracht kommen, wenn ein Bewerber infolge besonderer Bindungen an einen bestimmten Kassenarztsitz für dieser "geradezu prädestiniert" sei, z. B. infolge Übernahme der väterlichen Praxis (§ 19 ZulO brit, Zone) oder wegen des Abschlusses eines Praxisübernahmevertrages nach vorausgegangener längerer Vertretertätigkeit. Diese Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Zulassung lägen beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil er erst nach dem Tode des Praxisinhabers in dessen früherer Praxis tätig geworden sei und seine Bindungen als Schwiegersohn allein nicht als ausreichend angesehen werden könnten. Wie sich aus dem in dem früheren Verfahren ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 30. September 1952 ergebe, habe der Kläger ohne Ausschreibung nicht zugelassen zu werden brauchen. Die im Auswahlverfahren nach § 18 ZulO (brit. Zone) unter Berücksichtigung der Interessen der vielen Bewerber getroffene Ermessensentscheidung des Berufungsausschusses lasse keinen Ermessensfehler erkennen; der Berufungsausschuß habe die Interessen der beiden hier in Betracht kommenden Bewerber sorgfältig gegeneinander abgewogen. Da der Beigeladene erheblich älter sei als der Kläger, wesentlich früher als dieser approbiert worden sei und für zwei Kinder sorgen müsse, habe die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ausfallen können, und zwar selbst dann, wenn der Kläger seine Ausbildung wegen seines Wehrdienstes erst später sollte vollendet haben können; denn der Beigeladene habe seine Approbation schon vor dem Kriege erhalten. Der Beklagte habe auch berücksichtigen dürfen, daß der Beigeladene sich bereits achtmal vergeblich - davon zweimal vor der Währungsreform - um eine Kassenpraxis beworben habe und daß er fünfeinhalb Jahre vor dem Kläger in das Arztregister eingetragen worden sei. Daß der Beklagte auf die soziale Lage der beiden Bewerber nicht entscheidend abgestellt habe, könne ebenfalls nicht als Ermessensfehler angesehen werden. Auch die Nebeneinkünfte des Beigeladenen stünden seiner Bevorzugung gegenüber dem Kläger nicht entgegen; sie überschritten bei dem Familienstand des Klägers nicht die in § 17 Abs. 1 ZulO (brit. Zone) gezogenen Grenzen und seien auch nur von vorübergehender Dauer. Wenn der Beklagte den persönlichen Bindungen des Klägers als Schwiegersohn des früheren Praxisinhabers kein entscheidendes Gewicht beigelegt habe, so könne auch darin kein Ermessensfehler erblickt werden.
Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil, das dem Kläger am 28. Mai 1953 zugestellt worden ist, die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Auf die vom Kläger erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung hat das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß vom 11. Dezember 1953 die Revision gemäß § 53 Abs. 2 Buchst. a des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVerwGG) zugelassen. Die Rechtsmittelbelehrung in diesem Beschluß, der den Beteiligten am 17. und 18. Dezember 1953 zugestellt worden ist, enthält den Hinweis, daß die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einzulegen sei; sie weist ferner auf das Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 sowie auf die §§ 51 und 215 dieses Gesetzes hin.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 7. Januar 1954, der am 9. Januar 1954 beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingegangen ist, Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil sowie den Beschluß des Beklagten vom 18. Dezember 1951 und den ihm zugrunde liegenden Beschluß des Zulassungsausschusses aufzuheben.
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 1954 - beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingegangen am 8. Februar 1954 - hat er die Revision begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 18. Februar 1954 festgestellt, daß die Sache mit Wirkung vom 1. Januar 1954 auf das Bundessozialgericht übergegangen sei. Die Akten nebst Revisionsschrift und Revisionsbegründung gelangten am 11. März 1954 zum Bundessozialgericht.
Zur Begründung der Revision macht der Kläger im wesentlichen folgendes geltend: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, daß § 19 ZulO (brit. Zone) nur eine Kannvorschrift sei, deren Anwendung im freien Ermessen der Zulassungsinstanzen stehe, sei nicht haltbar; der Grundgedanke dieser Bestimmung gehe dahin, die Praxis der Familie zu erhalten; sie sei daher nicht nur auf die in ihr ausdrücklich genannten Abkömmlinge anzuwenden. Im übrigen müsse § 19 ZulO (brit. Zone) auch im Auswahlverfahren nach § 18 ZulO berücksichtigt werden. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Kassenpraxis als Schwiegersohn des bisherigen Inhabers prädestiniert; wenn er seinen Schwiegervater auch nicht zu dessen Lebzeiten vertreten habe, so habe er doch die Praxis seit dessen Tod weitergeführt; deshalb müsse ihm ein Rechtsanspruch auf die Kassenpraxis zugebilligt werden. Im übrigen sei auch das ordnungsmäßige Zustandekommen der Zulassungsordnung zu bezweifeln. In einem am 7. Juli 1955 beim Bundessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 2. Juli 1955 hat der Kläger schließlich noch vorgebracht, der Beigeladene habe über die Einnahmen aus seiner Praxis und die Bezüge aus seiner Nebentätigkeit für das Deutsche Rote Kreuz dem Oberverwaltungsgericht gegenüber unrichtige Angaben gemacht; er sei nach wie vor beim Roten Kreuz tätig, seine Einkünfte seien wesentlich höher gewesen als er in der Vorinstanz angegeben habe.
Der Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat im Revisionsverfahren keine Erklärungen abgegeben.
II.
1.) Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine Bedenken.
Zwar ist das Bundessozialgericht an die nach § 53 Abs. 5 BVerwGG ausgesprochene Zulassung der Revision nicht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts findet aber die Revision in den Übergangsfällen des § 215 SGG jedenfalls dann statt, wenn die Prüfung des Bundessozialgerichts ergibt, daß im Revisionsverfahren über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu entscheiden ist (BSG. 1 S. 17 (21); 3 S. 95 (97); Urteile des erkennenden Senats vom 25.10.1956 - 6 RKa 2/54 - und vom 23.1.1957 - 6 RKa 9/54 -). Da die Auslegung der §§ 18 und 19 der ZulO für Ärzte (brit. Zone) vom 21. April 1948 über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Revision als statthaft anzusehen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist in seinem Beschluß vom 18. Februar 1954 davon ausgegangen, daß die Streitsache nach § 215 Abs. 9 in Verbindung mit § 51 SGG auf das Bundessozialgericht übergegangen ist. Diesem Beschluß kommt jedoch nur deklaratorische Bedeutung zu, weil der Übergang einer Sache auf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen des § 215 SGG sich kraft Gesetzes vollzieht (BSG. 2 S. 23 (26) und Urteil vom 22.3.1956 - 7 RAr 8/54 - SozR. SGG § 215 Bl. Da 6 Nr. 21). Der Übergang auf das Bundessozialgericht setzt voraus, daß die Sache beim Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (1. Januar 1954) beim Bundesverwaltungsgericht rechtshängig war. Da der Kläger im vorliegenden Fall die Revision erst nach diesem Zeitpunkt eingelegt hat, war die Sache am 1. Januar 1954 beim Bundesverwaltungsgericht noch nicht rechtshängig im Sinne des § 215 Abs. 9 SGG (vgl. Stein-Jonas-Schönke, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. Anm. II 2 zu § 176). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht vor dem 1. Januar 1954 mit der Beschwerde gemäß § 53 Abs. 3 BVerwGG angefochten hatte. Es kann dahingestellt bleiben, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn das Bundesverwaltungsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem 1. Januar 1954 noch keine Entscheidung getroffen hätte. Im vorliegenden Fall hat es aber schon am 11. Dezember 1953 über die Beschwerde entschieden und den Beschluß über die Zulassung den Beteiligten am 17. bzw. 18. Dezember 1953 zugestellt. Die Sache war mithin beim Bundesverwaltungsgericht am 1. Januar 1954 nicht anhängig. Da die Streitsache an dem maßgebenden Stichtag noch beim Oberverwaltungsgericht anhängig war (vgl. Stein-Jonas-Schönke a. a. O.), ist sie gemäß § 215 Abs. 8 SGG auf das Landessozialgericht übergegangen, und zwar in dem Zustand, in dem sie sich am 1. Januar 1954 befand, also nach Zustellung des am 5. Mai 1953 verkündeten Urteils des Oberverwaltungsgerichts. Trotz des Übergangs auf das Landessozialgericht ist dieses jedoch nicht zu einer nochmaligen Verhandlung und Entscheidung berufen; denn anderenfalls würde die Sache zweimal auf derselben - nämlich berufungsgerichtlichen - Ebene entschieden werden, was mit dem die Übergangsregelung des § 215 SGG tragenden Grundgedanken, daß ergangene Entscheidungen grundsätzlich berücksichtigt werden sollen, nicht vereinbar wäre. Im Sinne dieses Grundgedankens kann deshalb § 215 Abs. 8 SGG nur dahin verstanden werden, daß in Fällen der vorliegenden Art der Rechtsstreit als bereits vom Berufungsgericht entschieden auf das Landessozialgericht übergegangen ist, und daß sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nunmehr nach den Vorschriften des SGG richtet (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 4.12.1956 - 6 RKa 11/54 - und vom 23.1.1957 - 6 RKa 9/54 -). Obgleich die irrtümlich an das Hamburgische Oberverwaltungsgericht gesandte Revisionsschrift vom 7. Januar 1954 erst am 11. März 1954 an das Bundessozialgericht gelangt ist, ist die Revision doch als fristgerecht eingelegt anzusehen, weil die in dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1953 gegebene Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis darüber enthält, daß vom 1. Januar 1954 an die Revision beim Bundessozialgericht in Kassel einzureichen ist. Infolgedessen konnte die Revision nach § 66 Abs. 2 SGG innerhalb Jahresfrist eingelegt werden. Sie ist also noch rechtzeitig beim Bundessozialgericht eingegangen.
Auch gegen die Parteifähigkeit des beklagten Berufungsausschusses (vgl. § 70 SGG) bestehen keine Bedenken. Die bei einem Verwaltungsgericht der früheren britischen Zone erhobene Klage ist mit Recht gegen den beklagten Berufungsausschuß gerichtet worden, der den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 50 MilRegVO Nr. 165). Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, bleibt in Übergangsfällen nach § 215 SGG die an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Behörde auch an dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht beteiligt, selbst wenn ihr nach Landesrecht nicht die Fähigkeit zuerkannt worden ist, am Verfahren vor den Sozialgerichten teilzunehmen (vgl. BSG. 1 S. 17 (19) und S. 164 (166)). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Parteifähigkeit des Berufungsausschusses in dem jetzt anhängigen Revisionsverfahren nicht auch schon nach § 70 Nr. 4 SGG in der Fassung des Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) anzunehmen ist.
2.) Die Revision ist nicht begründet.
Die formelle Rechtswirksamkeit der ZulO für Ärzte (brit. Zone) vom 21. April 1948 hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 1956 (BSG. 3 S. 95 (98)) bejaht. Er hat in dem Urteil vom 25. Oktober 1956 - 6 RKa 2/54 - ferner ausgesprochen, daß die Bestimmungen dieser ZulO über die zahlenmäßig beschränkte Zulassung von Ärzten zur kassenärztlichen Tätigkeit nicht verfassungswidrig sind, insbesondere nicht Art. 2 und 12 des Grundgesetzes (GG) verletzen (SozR. ZulO für Ärzte brit. Zone: Allg. Bl. Aa 1 Nr. 2).
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein der im Auswahlverfahren nach § 18 ZulO (brit. Zone) ergangene Beschluß des Beklagten vom 18. Dezember 1951, dagegen nicht der frühere Beschluß vom 17. Juli 1951, durch den der auf § 19 ZulO gestützte Antrag des Klägers, ihn ohne Ausschreibung der Kassenarztpraxis für den Bezirk seines Schwiegervaters zuzulassen, rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im vorliegenden Verfahren kann also nicht die Auffassung des Klägers nachgeprüft werden, er sei als Schwiegersohn des früheren Inhabers der Kassenpraxis nach § 19 ZulO zuzulassen. Andererseits schließt die Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 30. September 1952, durch das die Ablehnung des Begehrens des Klägers auf Zulassung ohne Auswahlverfahren gebilligt worden ist, nicht aus, daß im Zulassungsverfahren nach § 18 ZulO die familienhaften Beziehungen des Klägers zu dem bisherigen Inhaber der Kassenpraxis bei der unter Abwägung aller Umstände zu treffenden Ermessensentscheidung (§ 18 Abs. 3 ZulO) mitberücksichtigt werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 25. Oktober 1956 - 6 RKa 2/54 - ausgesprochen hat, sind die bei der Auswahl der Bewerber zu beachtenden Umstände in § 18 ZulO (brit. Zone) nicht erschöpfend aufgeführt; vielmehr sind auch andere Sachverhalte zu berücksichtigen, sofern es das billige Ermessen erfordert.
Der Umstand, daß der Kläger nach dem Willen des Verstorbenen an Stelle des gefallenen Sohnes die Praxis fortführen sollte, stellt aber, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nur einen der Gesichtspunkte dar, die bei der Auswahlentscheidung nach § 18 ZulO (brit. Zone) zu berücksichtigen waren. Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, daß der Kläger und die Familie des früheren Praxisinhabers durch die Ablehnung der Zulassung wirtschaftlich hart betroffen werden; er hat aber mit Recht erwogen, daß es auch für den weit älteren und erheblich früher approbierten und für die kassenärztliche Tätigkeit geeigneten Beigeladenen eine große Härte bedeutet hätte, wenn er, nachdem er sich bereits achtmal vergeblich um eine Kassenarztpraxis beworben hatte, wiederum zurückgewiesen worden wäre, und zwar allein wegen der Stellung des Klägers als Schwiegersohn des verstorbenen Praxisinhabers. Wenn der Beklagte bei dieser Sachlage den engen familienhaften Beziehungen des Klägers zu dem früheren Inhaber der Kassenpraxis kein entscheidendes Gewicht beigelegt hat, so hat er damit die rechtssatzmäßigen Grenzen seines Ermessens nicht überschritten (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die entscheidende Berücksichtigung des Lebensalters des Beigeladenen und seine längere Tätigkeit als Arzt, die in der Regel mit größerer ärztlicher Erfahrung verbunden ist, liegen im Rahmen der Auswahlgrundsätze des § 18 ZulO (brit. Zone) und stellen keine sachfremde oder gar willkürliche Beurteilung dar. Selbst wenn das Gericht der Meinung wäre, daß es im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Tod des Sohnes des früheren Praxisinhabers und der Versorgung seiner Hinterbliebenen mehr der Billigkeit entsprochen hätte, bei der Auswahl unter den Bewerbern dem Kläger den Vorzug vor dem Beigeladenen zu geben, so wäre das Gericht doch nicht befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der zuständigen Verwaltungsbehörde - hier des beklagten Berufungsausschusses - zu setzen.
Mit der Behauptung, der Beigeladene habe im Berufungsverfahren über seine Einkommensverhältnisse und die Dauer seiner Nebentätigkeit unrichtige Angaben gemacht, kann der Kläger im Revisionsverfahren schon deshalb nicht gehört werden, weil das Bundessozialgericht bei der Rechtsfindung an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden ist; die von dem Kläger in bezug auf diese Feststellungen erhobene Rüge ist am 7. Juli 1955, also erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - diese endete gemäß §§ 66 Abs. 2, 164 Abs. 1 Satz 1 SGG spätestens am 18. Januar 1955, nämlich dreizehn Monate nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts - erhoben worden und kann daher vom Senat nicht berücksichtigt werden (vgl. § 163, zweiter Halbsatz SGG).
Die Revision des Klägers war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen