Leitsatz (redaktionell)
1. Der Rückforderungsgrund des KOV-VfG § 47 Abs 2 Buchst b Halbs 2 idF des 1. NOG-KOV wegen der Höhe der von einem Träger der Sozialversicherung, einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung ist erst ab 1960-07-02 anwendbar.
2. Die Versorgungsbehörde braucht die Voraussetzungen des KOV-VfG § 47 Abs 4 erst zu prüfen, wenn eine Verpflichtung zur Rückerstattung festgestellt worden ist.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 2 Buchst. b Hs. 2 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. November 1963 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Kläger - Ehefrau und Sohn eines am 29. Januar 1957 rückwirkend auf den 9. November 1944 für tot erklärten Berufssoldaten - erhielten seit Januar 1949 Witwen- und Waisenrente, die mit Umanerkennungsbescheid vom 21. Juli 1952 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Berücksichtigung eines aufgrund des Gesetzes über die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen geleisteten Unterhaltsbetrages von 80,- DM monatlich weitergezahlt wurden. Im Jahre 1957 wurde rückwirkend vom 1. April 1951 an auch eine Versorgung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gewährt und für die Zeit vom 1. April 1951 bis zum 31. August 1957 eine Nachzahlung in Höhe von 7.882,01 DM errechnet. Hiervon wurde das Versorgungsamt (VersorgA) am 29. Juni 1957 mit der Aufforderung unterrichtet, Erstattungsansprüche innerhalb von zwei Wochen bei der Regierungshauptkasse M geltend zu machen. Das VersorgA unternahm daraufhin zunächst nichts und erhielt auf Anfrage vom 12. September 1957 von der Regierungshauptkasse am 14. September 1957 die Mitteilung, daß die Nachzahlung den Klägern inzwischen überwiesen und eine weitere nicht zu erwarten sei. Mit dem auf § 62 Abs. 1 BVG gestützten Bescheid vom 18. September 1957 stellte das VersorgA die Hinterbliebenenbezüge unter Berücksichtigung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG neu fest und errechnete eine Überzahlung der den Klägern ab 1. April 1951 gewährten Versorgungsbezüge in Höhe von 4.484,40 DM; es forderte einschließlich einer noch vorhandenen Restüberzahlung von 20,- DM einen Betrag in Höhe von insgesamt 4.504,40 DM zurück. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die von der Klägerin zu 1) während des Klageverfahrens beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge erhobenen Vorstellungen teilte ihr dieses mit Schreiben vom 4. Juni 1958 mit, daß die Rückforderung gerechtfertigt sei und nach den Einkommensverhältnissen der Kläger auch kein Anlaß zur Anwendung des § 47 Abs. 4 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) bestehe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 7. November 1963 das Urteil des Sozialgerichts (SG) sowie den Bescheid vom 18. September 1957 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1958 aufgehoben, soweit er die Rückforderung des Betrages von 4.504,40 DM betrifft. Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der Bescheid vom 18. September 1957 sei nur insoweit rechtmäßig, als die im Bescheid vom 21. Juli 1952 ausgesprochene Bewilligung von Versorgungsbezügen gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG zurückgenommen wurde; denn durch die spätere Gewährung von Bezügen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge sei der Bewilligungsbescheid nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG nachträglich rechtswidrig geworden. Die Versorgungsbehörde sei somit aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1963 (SozR BVG § 65 Nr. 6) zur Änderung der früher ausgesprochenen Bewilligung gemäß § 62 BVG ermächtigt gewesen. Die rechtmäßige Rücknahme des Bewilligungsbescheides rechtfertige aber noch nicht die Rückforderung der überzahlten Versorgungsbezüge, die zunächst nach § 47 Abs. 2 VerwVG zu beurteilen sei, weil eine Neufeststellung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG vorliege (vgl. Urteil des BSG vom 9. Juli 1963 - 9 RV 1162/59 -). Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG seien an sich erfüllt, da - ungeachtet der sonstigen sich aus den Buchstaben a) und b) ergebenden Tatbestände - die Rückforderung wegen der Höhe der von einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar sei. Gleichwohl sei der Bescheid über die Rückforderung nicht rechtmäßig, weil der Beklagte vor dessen Erlaß auch noch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 VerwVG hätte prüfen müssen. Das Fehlen dieser Prüfung mache einen Rückforderungsbescheid auch dann rechtswidrig, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 47 VerwVG vorliegen. Die Anwendung des § 47 Abs. 4 VerwVG sei zwar dem Ermessen der Verwaltung überlassen, dies gelte jedoch nur für die Prüfung der darin genannten Voraussetzungen. Unabhängig davon müsse die Versorgungsbehörde von Amts wegen - also auch ohne entsprechenden Antrag des Rückerstattungspflichtigen - die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 VerwVG prüfen. Dies ergebe sich eindeutig aus § 47 Abs. 1 VerwVG, in dem festgelegt sei, daß zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten sind, "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist." Da dieser Vorbehalt nicht ausdrücklich auf die Absätze 2 und 3 des § 47 VerwVG beschränkt sei, müsse auch Abs. 4 berücksichtigt werden, so daß ein Rückforderungsbescheid nur dann rechtmäßig sein könne, wenn vor dessen Erlaß auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift geprüft worden sind und das Ergebnis dieser Prüfung im Rückforderungsbescheid festgelegt ist. Da dies unterblieben sei, könne der Rückforderungsbescheid nicht als rechtmäßig angesehen werden. Daran ändere auch die Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge vom 4. Juni 1958 nichts, weil den Unterlagen nicht zu entnehmen sei, daß vorher eine Prüfung nach § 47 Abs. 4 VerwVG stattgefunden habe, die sich nach den Verwaltungsvorschriften nicht nur auf die Einkommensverhältnisse der Kläger, sondern auch auf die Umstände hätte erstrecken müssen, die zur Entstehung des Anspruchs geführt haben und nicht in der Person der Schuldner selbst liegen. Das LSG habe darüber nicht befinden dürfen, weil es sich bei § 47 Abs. 4 VerwVG um eine in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellte Prüfung und Entscheidung handele. Die Verpflichtung, vor Erlaß des Rückforderungsbescheids auch die durch § 47 Abs. 4 VerwVG gebotene Möglichkeit zu berücksichtigen, folge ferner daraus, daß § 47 VerwVG nach seinem gesamten Inhalt materiell-rechtlicher Natur sei. Entsprechend der Systematik dieser Vorschrift könne nicht angenommen werden, daß Absatz 4 und die folgenden Absätze allein die Vollstreckung der Rückforderungsansprüche, die Absätze 2 und 3 dagegen nur die Voraussetzungen für die Rückzahlungsverpflichtung betreffen; denn diese sei sowohl nach Abs. 4 als auch nach den Absätzen 2 und 3 teils von sonst nur die Vollstreckung berührenden subjektiven Voraussetzungen (wissen oder wissen müssen), teils von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Empfängers abhängig. Erst wenn die Verwaltung alle sich aus § 47 VerwVG ergebenden Tatbestände geprüft und das Ergebnis im Rückforderungsbescheid festgelegt habe, sei die Verpflichtung zur Erstattung zu Unrecht empfangener Versorgungsleistungen rechtmäßig. Da dies nicht geschehen sei, müßten die in bezug auf die Rückforderung fehlerhaften Verwaltungsakte zusammen mit dem sie bestätigenden Urteil des SG aufgehoben werden. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 18. Dezember 1963 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10. Januar 1964 Revision eingelegt. Er beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 7. November 1963 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
In der Revisionsbegründung vom 7. Februar 1964, die innerhalb der bis zum 18. März 1964 verlängerten Begründungsfrist am 12. Februar 1964 beim BSG eingegangen ist und auf die Bezug genommen wird, trägt der Beklagte zunächst vor, daß er durch das Urteil des LSG beschwert sei, weil der Rückforderungsbescheid vom 18. September 1957 aufgehoben wurde. Er rügt die unrichtige Anwendung des § 47 VerwVG, insbesondere des Abs. 4. Die Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift regelten die Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch. Solange darüber nicht bindend entschieden sei, bestehe keine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zu einer Prüfung nach § 47 Abs. 4 VerwVG, weil diese Vorschrift die bindende Feststellung eines Rückforderungsanspruchs voraussetze. Bei § 47 Abs. 4 VerwVG handele es sich um den Verzicht auf die Einziehung der Forderung, der rechtlich erst dann in Betracht komme, wenn über den Rückforderungsanspruch bindend entschieden worden sei. Im vorliegenden Falle sei jedoch der Rückforderungsanspruch an sich streitig, weil die Kläger die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG nicht für gegeben hielten. Das Berufungsgericht hätte daher seine Nachprüfung darauf beschränken müssen, ob ein Rückforderungsanspruch nach § 47 Abs. 2 VerwVG besteht; mehr sei nicht streitig gewesen. Da die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 VerwVG nicht Gegenstand des Rechtsstreits sei, erübrigten sich Erörterungen darüber, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift von Amts wegen oder nur auf Antrag zu prüfen seien. Auf keinen Fall sei die Versorgungsbehörde verpflichtet, von Amts wegen einen formellen Bescheid nach § 47 Abs. 4 VerwVG zu erteilen; eine solche Verpflichtung könne - wenn überhaupt - nur dann angenommen werden, wenn ein entsprechender Antrag gestellt werde.
Die Kläger beantragen,
die Revision gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 7. November 1963 als unbegründet zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, durch die Entscheidung des LSG sei der Beklagte nicht beschwert, zumal er selbst eingeräumt habe, daß die Möglichkeit bestehe, einen neuen Bescheid zu erteilen. Allein aus einer möglichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger könne keine Beschwer hergeleitet werden. Im übrigen sei die Entscheidung des LSG frei von Rechtsirrtum.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Eine Beschwer des Beklagten und Revisionsklägers, die auch im sozialgerichtlichen Verfahren eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist (vgl. BSG 6, 180, 182 mit weiteren Hinweisen), ist gegeben. Mit der angefochtenen Entscheidung sind entgegen seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger das Urteil des SG, durch das die Klage abgewiesen worden war, und der im Streit befindliche Rückforderungsbescheid aufgehoben worden. Durch diese Entscheidung des LSG ist der Beklagte beschwert. Seine Revision ist somit zulässig; sie ist auch begründet.
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18. September 1957 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1958 streitig, soweit er die Rückforderung der überzahlten Witwen- und Waisenrente betrifft. In dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte diese Bezüge gemäß § 62 BVG neu festgestellt, weil den Klägern aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes und Vaters nachträglich vom 1. April 1951 an außer der Versorgung nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften auch Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge bewilligt worden waren und die auf der gleichen Ursache beruhenden, nach dem BVG gewährten Versorgungsbezüge daher nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG in Höhe des Unterschiedes zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ruhten. Gleichzeitig hat der Beklagte aufgrund dieses Sachverhalts eine Überzahlung der ab 1. April 1951 gewährten Versorgungsbezüge in Höhe von 4.484,40 DM errechnet und einschließlich einer noch vorhandenen Restüberzahlung von 20,- DM einen Betrag von insgesamt 4.504,40 DM zurückgefordert. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine Überzahlung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (§ 62 BVG) vorliegt, weil die Feststellung der Hinterbliebenenbezüge in dem Bescheid vom 21. Juli 1952 durch die rückwirkende Bewilligung von Bezügen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge wegen der mit dieser Änderung der Verhältnisse nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG verknüpften Rechtsfolgen nachträglich rechtswidrig geworden (vgl. BSG in SozR BVG § 65 Nr. 6) und der Anspruch auf Rückerstattung daher in erster Linie nach § 47 Abs. 2 VerwVG zu beurteilen ist. Es hat aber übersehen, daß diese Vorschrift im vorliegenden Falle noch in der Fassung vor Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) anzuwenden war. Der Rückforderungsbescheid ist ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung, dessen Rechtmäßigkeit sich nach dem Recht richtet, das zur Zeit der letzten Verwaltungsentscheidung, nämlich des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1958, gegolten hat (vgl. BSG 7, 8, 13 mit weiteren Hinweisen; SozR VerwVG § 47 Nr. 11); maßgebend ist daher § 47 Abs. 2 VerwVG aF. Danach waren zu Unrecht empfangene Versorgungsleistungen im Falle einer auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhenden Überzahlung zurückzuerstatten, wenn der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustanden, oder wenn die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar war. Diese Voraussetzungen für eine Rückforderung sind durch das 1. NOG nicht geändert worden, neu hinzugekommen ist aber die Vorschrift, daß eine Rückforderung zu Unrecht empfangener Versorgungsleistungen nunmehr auch dann zulässig ist, wenn sie wegen der Höhe einer dem Empfänger von einem Träger der Sozialversicherung, einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar ist (§ 47 Abs. 2 Buchst. b, 2. Halbsatz VerwVG nF). Das LSG hat seiner Entscheidung offensichtlich § 47 Abs. 2 idF des 1. NOG zugrunde gelegt; denn es hat den Tatbestand dieser Vorschrift - "ungeachtet der sonstigen sich aus Buchstabe a) und b) des § 47 Abs. 2 ergebenden Tatbestände" - nur deshalb als erfüllt angesehen, weil es die Rückforderung wegen der Höhe der von einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung für vertretbar gehalten hat. Zwar hat sich das LSG nicht ausdrücklich auf § 47 Abs. 2 VerwVG nF bezogen, nach seinen Feststellungen ist es aber doch unverkennbar von der durch das 1. NOG ergänzten Fassung ausgegangen. Es hat zwischen den Voraussetzungen nach den Buchstaben a) und b) dieser Vorschrift unterschieden - eine Unterscheidung, die in dieser Form erst in der Neufassung Ausdruck gefunden hat - und die Zulässigkeit der Rückforderung nur bejaht, weil sie ihm wegen der Höhe der von einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar erschien. Wie bereits ausgeführt, kann jedoch § 47 Abs. 2 VerwVG idF des 1. NOG auf einen Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung, der - wie im vorliegenden Falle - vor Inkrafttreten des 1. NOG ergangen ist, keine Anwendung finden. Das LSG hätte daher prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG idF vor dem 1. NOG gegeben sind, und die Rückforderung nicht allein schon wegen der Höhe der den Klägern von einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung für vertretbar halten dürfen. Es hat die Rechtmäßigkeit der Rückforderung insoweit auf eine Vorschrift gestützt, die zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Bescheide noch gar nicht gegolten hat. Das angefochtene Urteil ist somit schon aus diesem Grunde fehlerhaft und aufzuheben.
Auch der Rechtsauffassung des LSG, der Rückforderungsbescheid sei deshalb rechtswidrig, weil die Versorgungsbehörde vor seinem Erlaß nicht auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 VerwVG geprüft habe, kann nicht zugestimmt werden. Nach § 47 Abs. 4 VerwVG aF konnte von der Rückforderung abgesehen und nach der neuen Fassung dieser Vorschrift kann auf die Rückerstattung verzichtet werden, wenn sie eine besondere Härte für den Versorgungsberechtigten (nach der neuen Fassung: für den Rückerstattungspflichtigen) bedeuten würde. Diese Vorschrift betrifft nicht die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs, sondern die Einziehung der sich daraus ergebenden Forderung. Sie bietet die Möglichkeit, unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen von der Einziehung der zu erstattenden Versorgungsleistungen abzusehen oder darauf zu verzichten. Diese Möglichkeit kann aber überhaupt erst in Betracht gezogen werden, wenn bereits eine Verpflichtung zur Rückerstattung verbindlich festgestellt worden ist. Dazu gehört, daß die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 bis 3 VerwVG erfüllt sind, die darin bestehen, daß Versorgungsleistungen zu Unrecht empfangen sind (Abs. 1) und Umstände vorliegen, die zur Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge berechtigen (Abs. 2 und 3). Erst wenn feststeht, daß nach diesen Vorschriften Versorgungsleistungen zurückzuerstatten sind, kann die in § 47 Abs. 4 VerwVG enthaltene Möglichkeit eines Verzichts auf die Rückforderung erwogen werden. Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung für die Niederschlagung einer dem Bund zustehenden Forderung. Nach § 54 der Reichshaushaltsordnung (RHO) ist eine Niederschlagung von Ansprüchen des Bundes, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen oder der von diesem bestimmten Bundesminister zulässig, wobei unter einer Niederschlagung im Sinne dieser Vorschrift nach § 66 Abs. 1 der Wirtschaftsbestimmungen für die Reichsbehörden (RWB) der Verzicht auf eine Forderung zu verstehen ist, deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würde. Der § 47 Abs. 4 VerwVG ist somit eine Sondervorschrift im Sinne des § 54 RHO für die Niederschlagung von Ansprüchen auf Erstattung von Versorgungsleistungen, die es der Versorgungsverwaltung erlaubt, selbständig auf Erstattungsforderungen zu verzichten, deren Einziehung für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würde.
Entgegen der Auffassung des LSG kann daraus, daß nach § 47 Abs. 1 VerwVG zu Unrecht empfangene Leistungen nur zurückzuerstatten sind, "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist", und daß dieser Vorbehalt nicht ausdrücklich auf die Absätze 2 und 3 beschränkt ist, nicht gefolgert werden, daß bei Prüfung der Voraussetzungen für die Rückerstattung von der Versorgungsverwaltung stets auch Abs. 4 berücksichtigt werden muß. Durch § 47 Abs. 1 VerwVG ist die Rückerstattung von zu Unrecht empfangenen Leistungen grundsätzlich vorgeschrieben. Die Ausnahme "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist" kann sich nach dem Zusammenhang und dem Inhalt der Vorschrift lediglich auf solche Bestimmungen beziehen, welche die Voraussetzungen für die Rückerstattungspflicht überhaupt regeln, d. h. nur auf die Absätze 2 und 3 des § 47 VerwVG. Die in Abs. 4 vorgesehene Möglichkeit berührt dagegen nicht die Rückerstattungspflicht an sich, sondern setzt gerade voraus, daß eine solche Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 VerwVG besteht und nicht nach Abs. 2 oder 3 ausgeschlossen ist. § 47 VerwVG enthält nach Voraussetzungen, Inhalt und Zielsetzung verschiedene Regelungen, die einerseits die Voraussetzungen für die Rückerstattungspflicht (Abs. 1 bis 3), andererseits den Verzicht auf die Einziehung einer bereits festgestellten Forderung auf Erstattung von Versorgungsleistungen (Abs. 4) betreffen, über den erst entschieden werden kann, wenn die Voraussetzungen für eine Rückerstattung nach § 47 Abs. 1 bis 3 VerwVG gegeben sind. Nur wenn dies der Fall ist, hat die Versorgungsverwaltung gegebenenfalls auch die Möglichkeit eines Verzichts in Betracht zu ziehen. Die Prüfung dieser Möglichkeit ist zwar nicht in jedem Falle von einem Antrag abhängig, und es kann darüber auch gleichzeitig mit der Rückforderung entschieden werden. Da § 47 Abs. 4 VerwVG aber keine Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch enthält, ist der Rückforderungsbescheid jedenfalls nicht schon dann rechtswidrig, wenn vor seinem Erlaß eine Prüfung nach dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat.
Da das LSG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rückforderungsbescheides zu Unrecht den § 47 Abs. 2 VerwVG idF des 1. NOG angewendet hat und diesen Bescheid auch nicht allein deswegen als rechtswidrig ansehen durfte, weil der Beklagte die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 VerwVG nicht geprüft hat, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Senat konnte selbst nicht entscheiden, weil das Berufungsgericht noch die im Rahmen des § 47 Abs. 2 VerwVG aF notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen muß.
Fundstellen