Entscheidungsstichwort (Thema)
Ambulante Psychotherapie als medizinische Leistung zur Rehabilitation. Leistungsabgrenzung zwischen Kranken- und Rentenversicherung. ambulante Psychotherapie. Psychotherapie als Sachleistung der Krankenversicherung. Kostenerstattung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Träger der Krankenversicherung einem Versicherten im Rahmen der Krankenhilfe (RVO § 182 Abs 1) medizinische Leistungen zu erbringen, so kann der Versicherte nach den §§ 13, 14 AVG (= §§ 1236, 1237 RVO) die Gewährung dieser Leistungen von dem Rentenversicherungsträger nur verlangen, wenn dieser gemäß § 16 AVG (= § 1239 RVO) die Leistungen anstelle des Krankenversicherungsträgers übernimmt (Anschluß an BSG 1977-12-07 1 RA 7/77 = SozR 2200 § 182 Nr 29 sowie BSG 1979-08-30 4 RJ 63/78 = SozR 2200 § 1239 Nr 1).
2. Die Verurteilung eines beigeladenen Versicherungsträgers nach § 75 Abs 5 SGG wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Anspruch gegen diesen bereits anderweit anhängig ist.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vom Rentenversicherungsträger nach § 1237 RVO, § 14 AVG zu gewährenden medizinischen Leistungen zur Rehabilitation erstrecken sich grundsätzlich auch auf eine ambulante psychotherapeutische Behandlung, wenn dadurch die Erwerbsfähigkeit des Versicherten erhalten oder wiederhergestellt werden kann.
2. Die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Gewährung von ambulanter psychotherapeutischer Behandlung ist nur insoweit eingeschränkt, als der - vorrangig zuständige - Krankenversicherungsträger diese Leistungen im Rahmen der Krankenpflege zu erbringen hat.
3. Leistungsabgrenzung zwischen Kranken- und Rentenversicherung - ambulante Psychotherapie:
Soweit ein Träger der Krankenversicherung im Rahmen der Krankenhilfe nach § 182 RVO medizinische Leistungen zu erbringen hat, zu denen grundsätzlich auch eine Psychotherapie gehört, scheidet eine Leistungszuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung aus. Es kann dabei offen bleiben, ob der Träger der Krankenversicherung dann ausschließlich oder nur vorrangig zuständig ist. Auch im letzteren Fall ist der Versicherte nur gegenüber dem Träger der Krankenversicherung anspruchsberechtigt, solange der Träger der Rentenversicherung sich nicht nach § 1239 RVO/ § 16 AVG zur Übernahme der Leistung bereitfindet.
Orientierungssatz
1. Gemäß § 182 Abs 1 RVO hat der Träger der Krankenversicherung als Krankenhilfe von Beginn einer Krankheit an Krankenpflege durch ärztliche Behandlung zu gewähren; nach Abs 2 und dem ihn präzisierenden und ergänzenden § 368e RVO (vgl 1981-09-22 11 RK 10/79 = SozR 2200 § 182 Nr 76) muß diese zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich, ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und nicht unwirtschaftlich sein.
War eine psychotherapeutische Behandlung zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich und ist die Krankenkasse der Gewährung der Behandlung als Sachleistung nicht nachgekommen, hat der Versicherte Anspruch auf Erstattung der Kosten der selbst beschafften Leistung.
2. Ein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten für die Psychotherapie, die nicht als ärztliche Behandlung geleistet worden ist, besteht nicht. Nach § 122 Abs 1 S 2 RVO umfaßt die ärztliche Behandlung Hilfeleistungen anderer Personen nämlich nur dann, wenn der Arzt sie anordnet oder wenn in dringenden Fällen kein approbierter Arzt zugezogen werden kann (vgl BSG 1982-03-09 3 RK 43/80 = SozR 2200 § 182 Nr 80).
Normenkette
AVG § 13 Fassung: 1957-02-23, § 14 Fassung: 1957-02-23, § 16 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1236 Fassung: 1957-02-23, § 1237 Fassung: 1957-02-23, § 1239 Fassung: 1957-02-23, § 182 Abs. 1-2; SGG § 75 Abs. 5 Fassung: 1953-09-03; RVO §§ 368e, 122 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1924-12-15
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten einer ambulanten Psychotherapie in der Zeit von September 1974 bis Dezember 1978.
Der 1940 geborene Kläger ist seit 1967 Mitglied der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Von Januar 1973 bis Ende August 1974 gewährte ihm die Beklagte als ihrem Versicherten ambulante Psychotherapie durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B und die Dipl.-Psychologin R. Die zugrunde liegenden Bescheide vom 2. März 1973 und 7. Januar 1974 enthalten den Hinweis, die Beklagte verpflichte sich damit zu keiner Kostentragung über die insgesamt 200 bewilligten Einzelsitzungen hinaus. Mit der Begründung, daß die ambulante Psychotherapie, wie inzwischen geklärt, grundsätzlich Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei, lehnte die Beklagte dann die weitere Leistungsgewährung ab (Bescheid vom 11. September 1974, Widerspruchsbescheid vom 8. November 1974). Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beigeladene. Diese verweigerte ihm die Fortsetzung der Psychotherapie im Hinblick auf eine eher ungünstige Prognose sowie wegen fehlender Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (Bescheid vom 17. Dezember 1974, Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1976).
Der Kläger hat jeden der Versicherungsträger gerichtlich in Anspruch genommen. Seine Klage gegen die Beklagte hat das Sozialgericht (SG) nach Beiladung der AOK abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 19. April 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat die AOK als Beigeladene verurteilt, dem Kläger die Kosten der auch ohne Bewilligung fortgesetzten psychotherapeutischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin R für die Zeit vom 2. September 1974 bis 31. März 1976 zu erstatten, zuzüglich 4 % Zinsen seit 1. Januar 1978. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die Beklagte habe die weitere Übernahme der Psychotherapie ablehnen dürfen. Grundlage dafür seien hier die §§ 13 ff des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) am 1. Oktober 1974; denn die einheitliche Behandlung durch die Dipl.-Psychologin sei zuvor begonnen worden. Nach diesen Vorschriften könne zwar auch der Rentenversicherungsträger medizinische Maßnahmen solcher Art durchführen, er brauche aber nicht einzutreten, wenn - wie hier - die Beigeladene als gesetzlicher Krankenversicherungsträger dafür zuständig sei. Dies folge aus § 16 AVG neuer wie alter Fassung, wonach der Träger der Rentenversicherung lediglich "anstelle" des Krankenversicherungsträgers eintreten könne. Dessen grundsätzliche Alleinzuständigkeit bleibe mithin unberührt. In diesem Sinne habe das Bundessozialgericht (BSG) für den Bereich zahnärztlicher Behandlung schon entschieden (Hinweis auf BSGE 45, 212 und Urteil vom 24. Juni 1980 - 1 RA 51/79). Die Beigeladene sei hier gem § 75 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu verurteilen, weil sie nicht nur zuständig, sondern auch leistungspflichtig sei. Wie das eingeholte Sachverständigengutachten ergebe, habe der Kläger im Januar 1973 an einer aus eigener Kraft nicht mehr zu überwindenden Psychoneurose gelitten und deswegen psychotherapeutischer Behandlung bedurft; sie sei hier erfolgreich sowie zumindest bis März 1976 notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig gewesen, wahrscheinlich sogar bis Ende 1978. Die Beigeladene hätte deshalb gem § 182 Abs 1 Nr 1 iVm § 188 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Krankenpflege als Sachleistung erbringen müssen. Da sie dies zu Unrecht abgelehnt habe, stehe dem Kläger insofern ein Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten zu. Diesen Anspruch habe er allerdings nur bis März 1976. Denn ab April 1976 sei die Behandlung von der Dipl.-Psychologin allein durchgeführt und nicht mehr wie zuvor von der Nervenärztin angeordnet oder überwacht worden. Der Kostenerstattungsanspruch beziehe sich nur auf solche Maßnahmen, die den vom Krankenversicherungsträger verweigerten Sachleistungen entsprächen. § 122 Abs 1 RVO schreibe dafür die Behandlung durch approbierte Ärzte vor und lasse Hilfeleistungen anderer Personen nur zu, wenn sie entweder ärztlich angeordnet seien oder in dringenden Fällen kein approbierter Arzt zugezogen werden könne; daran habe es hier ab April 1976 gefehlt.
Gegen dieses Urteil vom 6. März 1981 richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision der Beigeladenen. Der Kläger hat sich dem Rechtsmittel angeschlossen.
Die Beigeladene rügt Verletzung materiellen Rechts sowie des § 75 Abs 5 SGG. Zuständig für die streitige Psychotherapie sei hier die Beklagte, und zwar schon deshalb, weil sie damit überhaupt begonnen habe. Ferner habe das LSG bei Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit die vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erarbeiteten Psychotherapie-Richtlinien vom 3. Mai 1967 nicht hinreichend gewürdigt; danach sei die Behandlung hier wegen des chronifizierten Zustandsbildes als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen gewesen.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit sie verurteilt
worden ist, und die Berufung des Klägers im vollen Umfang
sowie seine Anschlußrevision zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen,
ferner hilfsweise,
an ihrer Stelle die Beklagte zur Kostenerstattung
zu verurteilen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen und diese,
hilfsweise die Beklagte, zu verurteilen, ihm auch
die von April 1976 bis Dezember 1978 entstandenen
Kosten der psychotherapeutischen Behandlung zu
erstatten, zuzüglich 4 % Zinsen,
hilfsweise,
die Beklagte im vom LSG gegen die Beigeladene
zugesprochenen Umfang zu verurteilen,
ferner hilfsweise,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Nach seiner Ansicht steht § 122 Abs 1 RVO seinem Anspruch auf Kostenerstattung für die Zeit ab April 1976 nicht entgegen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der ärztlichen Behandlung müsse auch gelten, wenn aufgrund der Gesamtumstände und des Verhaltens des mit der Überwachung der Hilfeleistung betrauten Arztes eine weitere Absprache mit diesem nicht zumutbar sei.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen, soweit sie
davon betroffen wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beigeladenen ist nicht begründet; auch die Anschlußrevision (s hierzu BSGE 37, 28) des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Auf die Revision der Beigeladenen hat der Senat, auch wenn die Beigeladene nur in einem Hilfsantrag die Verurteilung der Beklagten beantragt, dennoch, weil die Beigeladene an ihrer Stelle die Beklagte für zuständig hält und die Verurteilung eines Beigeladenen nur subsidiär erfolgen darf, zunächst zu prüfen, ob die Vorinstanzen zu Recht die Klage gegen die Beklagte für die Zeit vom 2. September 1974 bis 31. März 1976 abgewiesen haben (vgl BSGE 49, 144, Leitsatz Nr 2; SozR 4100 § 57 Leitsatz Nr 2). Die Prüfung führt zur Bestätigung dieser Entscheidung.
Nach den §§ 13, 14 AVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem RehaAnglG (zum zeitlichen Anwendungsbereich s BSGE 44, 231, 232; 45, 212, 215), aber auch in der späteren Fassung erstrecken sich die von der Beklagten zu gewährenden Rehabilitationsmaßnahmen zwar auf eine Heilbehandlung (§ 14 Abs 1 AVG) und damit auch auf eine psychotherapeutische Behandlung, wenn dadurch die Erhaltung bzw Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu erreichen ist. Andererseits gehört eine solche Behandlung jedoch auch zu der in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 182 RVO zu gewährenden Krankenpflege, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Damit stellt sich die Frage, ob beide "Zuständigkeiten" gleichwertig nebeneinander bestehen oder eine der anderen vorgeht. Die bisherige Rechtsprechung des BSG hat sich für den Vorrang der Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers entschieden. Sie folgert dies zwar nicht aus der allgemeinen Regelung des § 13 Abs 3 AVG, daß die Zuständigkeit anderer Leistungsträger "unberührt" bleibt, wohl aber aus der Sonderregelung des § 16 AVG, der besagt, daß der Rentenversicherungsträger "anstelle" des Trägers der Krankenversicherung (aber im Benehmen mit ihm) die Leistungen "übernehmen" kann mit der Folge, daß die Ansprüche gegen die Krankenversicherung "ruhen". Der 1. Senat hat im Urteil vom 7. Dezember 1977 (BSGE 45, 212) dementsprechend erklärt, soweit ein Krankenversicherungsträger im Rahmen der Krankenhilfe nach § 182 Abs 1 RVO gleichartige medizinische Leistungen zu erbringen habe, scheide eine "Leistungszuständigkeit" des Trägers der Rentenversicherung als Träger der medizinischen Rehabilitation aus. Diesen Erwägungen ist der 4. Senat in SozR 2200 § 1239 Nr 1 gefolgt; er hat in dem von ihm entschiedenen Fall den Träger der Krankenversicherung für vorrangig zuständig gehalten.
Der erkennende Senat schließt sich diesen Entscheidungen grundsätzlich an. Er kann dabei offen lassen, ob der Träger der Krankenversicherung dann ausschließlich oder nur vorrangig zuständig ist. Denn auch im letzteren Falle ist der Versicherte nur gegenüber dem Träger der Krankenversicherung anspruchsberechtigt, solange der Träger der Rentenversicherung sich nicht nach § 16 AVG zur Übernahme der Leistungen bereitfindet. Ob der Träger der Rentenversicherung auch bei Leistungslücken der Krankenversicherung oder dort nicht versicherten Personen seine Zuständigkeit wegen grundsätzlicher Zuständigkeit der Krankenversicherung verweigern dürfte, bedarf hier keiner Entscheidung.
Eine der Zuständigkeit der Beigeladenen vorgehende Zuständigkeit der Beklagten ergab sich hier auch nicht aus besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles. Daß die Beklagte in den Bescheiden vom 2. März 1973 und 7. Januar 1974 ambulante Psychotherapie bewilligt hat und diese Bescheide Bindungswirkung (§ 77 SGG) erlangt haben, begründete ihre weitere Leistungszuständigkeit nicht. Denn in den Bescheiden ist beide Male die Gewährung der Leistung schon im Verfügungssatz ausdrücklich auf eine bestimmte Stundenzahl ("100 Einzelsitzungen in Höhe von je 45,-- DM") festgelegt worden. Nur dieser Verfügungssatz konnte sonach in Bindung erwachsen. Entgegen der Argumentation der Beigeladenen hat die Beklagte mit der Kostenübernahme von Januar 1973 bis August 1974 auch keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine Leistungspflicht auszulösen vermöchte. Zum einen konnten die Bewilligungsbescheide schon darum kein Vertrauen auf zukünftige Leistungen erwecken, weil sie den Kläger in der Begründung noch ausdrücklich darauf hinwiesen, daß die Bewilligung der Behandlung für die genannte Zeit keine Verpflichtung zur Weiterbewilligung schaffe; zum anderen hatte die Beklagte, wie das LSG unwidersprochen festgestellt hat, die Leistungen wegen der seinerzeitigen Ungeklärtheit der Kostenträgerschaft in Fällen psychotherapeutischer Behandlung gewährt. Damit hatte sie nicht Leistungen nach § 16 AVG übernommen, sondern gleichsam nur vorgeleistet, jedenfalls aber keine - rechtsverbindliche - Leistungsverpflichtung für die Zukunft festgelegt. Sie durfte darum, nachdem sie die Zuständigkeitsfrage für geklärt hielt, den Kläger für die Folgezeit an die Beigeladene verweisen, die sich dann im übrigen in ihren Bescheiden auch nicht auf eine mangelnde Zuständigkeit berufen hat.
Die nach alledem (zumindest vorrangig) zuständige Beigeladene ist für die Zeit von September 1974 bis März 1976 auch der Sache nach zur Leistung an den Kläger verpflichtet. Gemäß § 182 Abs 1 RVO hat der Träger der Krankenversicherung als Krankenhilfe von Beginn einer Krankheit an Krankenpflege durch ärztliche Behandlung zu gewähren; nach Abs 2 und dem ihn präzisierenden und ergänzenden § 368e RVO (s. hierzu BSG, Urteil vom 22. September 1981 - 11 RK 10/79) muß diese zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich, ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und nicht unwirtschaftlich sein. Nach dem unangefochtenen Sachverhalt sind die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Erfordernisse sämtlich gegeben. Insbesondere ausgehend von dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung des Klägers hat das LSG festgestellt, er habe an einer Psychoneurose gelitten, die er aus eigener Kraft nicht habe überwinden können und deren, wie geschehene, Behandlung den gesetzlichen Voraussetzungen ausnahmslos entsprochen habe. Hiergegen hat die Beigeladene sich mit Verfahrensrügen nicht gewandt. Die Rechtsansicht des LSG, bei der Erkrankung des Klägers habe es sich um eine Krankheit iS der Krankenversicherung gehandelt, ist nicht zu beanstanden; sie wird im übrigen von der Beigeladenen selbst nicht in Zweifel gezogen.
Mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung vom 3. Mai 1967 (BABl S 499) und in der Neufassung vom 27. Januar 1976 (DOK 1976, S 14), in Kraft seit 1. Juli 1976, vermag die Beigeladene ihrer Leistungspflicht nicht zu begegnen. Abgesehen davon, daß die Richtlinien - jedenfalls im Verhältnis zum Versicherten - keinen normativen Charakter besitzen (BSGE 38, 35, 38), könnten die Richtlinien in der ursprünglichen Fassung der Behandlung des Klägers während der strittigen Zeit nach den Nrn 1 und 2 im Abschnitt "Allgemeines" allenfalls dann entgegenstehen, wenn die Behandlung "nicht der Heilung oder Besserung einer Krankheit, sondern zB ausschließlich der sozialen Anpassung, der Berufsförderung, der Verhütung oder Behebung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der Erziehungsberatung" hätte dienen sollen. Davon kann nach den Feststellungen des LSG indessen keine Rede sein. Denn das LSG ist gerade davon ausgegangen, daß die Behandlung der Heilung (bzw Besserung) der eine Krankheit darstellenden Psychoneurose gedient hat. Damit ist die Psychotherapie nach den Richtlinien aaO aber eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und gehört zur kassenärztlichen Versorgung, was die Neufassung (unter Allgemeines, 1.2) mit dem Hinweis betont, zur Krankheit gehöre auch eine seelische Behinderung, die medizinische Rehabilitationsmaßnahmen notwendig mache. Im Einklang mit der Neufassung mag bei der Psychotherapie zwar ferner häufig eine Begrenzung des Leistungsumfangs angezeigt sein; selbst die Neufassung gibt dafür jedoch keine absolute Grenze, sie hält bei der Fortsetzung über die dort genannte Stundenzahl vielmehr nur eine eingehende Begründung für erforderlich. Das LSG hat daher keine Grenzen einer Beweiswürdigung verletzt, wenn es sich auch hinsichtlich des erforderlichen Behandlungsumfangs auf das von ihm eingeholte Gutachten gestützt hat.
Hatte der Kläger hiernach nach dem Zweiten Buch der RVO gegen die Beigeladene Anspruch auf ärztliche Behandlung iS von § 182 Abs 1 Nr 1, so war sie ihm als Sachleistung zu gewähren. Eine solche hat nach dem Sachverhalt die Beigeladene zu Unrecht nicht gewährt. Der Kläger kann daher von ihr die Erstattung der Kosten der deshalb selbst beschafften Leistung verlangen (BSGE 46, 179; SozR 2200 § 182 Nrn 47 und 48). Aufgrund der von der Beigeladenen mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG umfaßt der Erstattungsanspruch die von der Dipl.-Psychologin für die Psychotherapie in Rechnung gestellten Kosten für die Zeit vom 2. September 1974 bis 31. März 1976; hinzu kommen 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1978 (Art 1 § 44 und Art 2 § 23 Abs 2 des Ersten Buches - Allgemeiner Teil - des Sozialgesetzbuches).
In diesem Umfang durfte das LSG die AOK in ihrer Eigenschaft als Beigeladene aufgrund des § 75 Abs 5 SGG verurteilen. Nach dieser Vorschrift kann ein Versicherungsträger nach Beiladung verurteilt werden. Ablehnende Bescheide des Beigeladenen stehen einer solchen Verurteilung erst dann entgegen, wenn sie bereits bindend geworden sind (SozR 1500 § 75 Nr 38), was hier nicht zutraf. Sind sie noch nicht bindend geworden, so dürfen sie im Rahmen des § 75 Abs 5 SGG im Rahmen der Verurteilung des Beigeladenen aufgehoben werden. Kein Hindernis bildete hier auch die Rechtshängigkeit der gegen die Bescheide der Beklagten erhobenen weiteren Klage vor dem SG. Das SGG sagt zwar nichts darüber, ob auch in einem solchen Falle ein Beigeladener nach § 75 Abs 5 SGG verurteilt werden darf. Dies ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die nicht bloß einen neuen Rechtsstreit, sondern vor allem die Gefahr widersprechender Entscheidungen vermeiden soll. Deshalb kann eine schon anderweitige Rechtshängigkeit der Verurteilung des Beigeladenen nicht entgegenstehen; die anderweitige Rechtshängigkeit wird dann mit der Verurteilung gegenstandslos.
2. Daß auch der Kläger mit der Anschlußrevision nicht durchdringen kann, ergibt sich hinsichtlich der Beklagten schon aus ihrer für die Zeit nach März 1976 ebenfalls nicht bestehenden Leistungszuständigkeit. Über März 1976 hinaus steht dem Kläger aber ferner kein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten in gesetzlicher Höhe gegen die Beigeladene zu, weil die Psychotherapie nicht als ärztliche Behandlung iS des Gesetzes geleistet worden ist. Nach § 122 Abs 1 Satz 2 RVO umfaßt die ärztliche Behandlung Hilfeleistungen anderer Personen nämlich nur dann, wenn der Arzt sie anordnet oder wenn in dringenden Fällen kein approbierter Arzt zugezogen werden kann. Die den Kläger behandelnde Dipl.-Psychologin war indessen kein Arzt (ständige Rechtsprechung des BSG, s. SozR 2200 § 182 Nrn 47, 48; SGb 1979, 464 sowie 1980, 61; Urteile vom 18. Februar 1981 und vom 9. März 1982, 3 RK 34/79 und 43/80), und nach dem Sachverhalt sind die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen nicht gegeben. Die Hilfeleistungen waren nicht mehr von einem Arzt angeordnet; ein solcher war auch nicht bei ihrer Durchführung anleitend, mitwirkend oder beaufsichtigend tätig (SozR Nr 1 zu § 122 RVO). Der vom Kläger gebrachte Einwand, ab April 1976 sei eine weitere "Absprache" mit der überwachenden Ärztin nicht mehr zumutbar gewesen, vermag an dem Ergebnis nichts zu ändern. Daraus ergibt sich nicht, daß es ihm auch nicht zuzumuten war, einen anderen Arzt mit der Anordnung der psychotherapeutischen Behandlung bzw mit deren Überwachung iS von § 122 Abs 1 RVO zu betrauen. Auch ist aus seinem Vorbringen nichts dafür zu entnehmen, daß in diesem Zusammenhang die Beigeladene ihm gegenüber sich etwas vorwerfen lassen müßte. Nach den Feststellungen des LSG, gegen die er sich nicht gewandt hat, hat sie ihn vielmehr schon in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1976 auf die insoweit bestehende Rechtslage hingewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen