Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung von Versicherungsunterlagen. Verfallswirkung, Bindungswirkung, Bestandskraft, Aufhebung und Rücknahme eines Beitragserstattungsbescheides. Bindungswirkung eines Beitrags-Erstattungsbescheides
Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit der Rücknahme (Aufhebung) eines Beitragserstattungsbescheides (Bestätigung von BSG 1981-12-09 1 RA 35/80 = SozR 2200 § 1303 Nr 23).
Orientierungssatz
1. Nach § 82 Abs 7 AVG schließt eine Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Beitragszeiten aus. Daher kann die Herstellung von Versicherungsunterlagen über in der DDR zurückgelegte Versicherungszeiten nicht verlangt werden.
2. Ein vor dem 1.1.1981 bestandskräftig gewordener und auch nach dem bis dahin geltenden § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO nicht aufgehobener rechtswidriger Erstattungsbescheid - weil der (frühere) Versicherte im Zeitpunkt der Beitragserstattung unter Berücksichtigung der in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt und eine Beitragserstattung deswegen unzulässig gewesen ist - kann nach § 45 SGB 10 nicht zurückgenommen werden, da dem die Übergangsregelung des Art 2 § 40 Abs 2 S 3 SGB 10 entgegensteht.
Normenkette
RVO § 1303 Abs 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 82 Abs 1 Fassung: 1957-02-23; SGB 10 § 45 Fassung: 1980-08-18; SGB 10 Art 2 § 40 Abs 2 S 3 Fassung: 1980-08-18; RVO § 1744 Abs 1 Nr 6 Fassung: 1953-09-03, § 1303 Abs 7 Fassung: 1957-02-23; AVG § 82 Abs 7 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.03.1982; Aktenzeichen L 6 An 2093/81) |
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 23.06.1981; Aktenzeichen S 9 An 433/80) |
Tatbestand
Streitig ist eine Verpflichtung der Beklagten zur Herstellung von Versicherungsunterlagen für die Klägerin.
Die im Jahre 1929 geborene Klägerin war vom 1. Juli 1946 bis zum 9. April 1955 im Gebiet der heutigen DDR versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am 10. April 1955 übte sie ab 1. Juni 1955 erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Am 7. August 1956 schloß sie die Ehe. Auf ihren Antrag vom 26. Mai 1960 erstattete ihr die Beklagte durch Bescheid vom 12. August 1960 die Hälfte der bis zum 26. Mai 1958 entrichteten Beiträge. Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 1967 als Sekretärin im Unternehmen ihres Ehemannes wiederum versicherungspflichtig beschäftigt.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1976 erklärte die Beklagte die Klägerin als zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Jahre 1956 bis 1966 gemäß Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) berechtigt. Den Antrag der Klägerin auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge auch für die Zeit von Juni bis Dezember 1955 gemäß Art 2 § 27 AnVNG idF des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28. Juli 1969 (BGBl I S 956) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28. November 1979 mit der Begründung ab, die Beitragserstattung mit Bescheid vom 12. August 1960 sei wegen Beendigung der Versicherungspflicht ohne Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 82 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- in seiner damaligen Fassung des AnVNG vom 23. Februar 1957; BGBl I S 88; im folgenden: aF) und nicht anläßlich der Eheschließung der Klägerin (§ 83 AVG aF) erfolgt. Der Bescheid vom 28. November 1979 wurde bindend.
Mit dem weiteren Bescheid vom 14. Dezember 1979 lehnte die Beklagte eine Anerkennung der in der DDR zurückgelegten Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1946 bis 9. April 1955 nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) ab, weil Ansprüche aus diesen Zeiten wegen einer nachträglichen Beitragserstattung ausgeschlossen seien (§ 82 Abs 7 AVG). Widerspruch und Klage, mit welcher die Klägerin zusätzlich die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 12. August 1960 und die Verpflichtung der Beklagten zur Entgegennahme des erstatteten Betrages beantragte, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980; Urteil des Sozialgerichts -SG- Freiburg vom 23. Juni 1981). Hingegen hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 12. August 1960 und vom 14. Dezember 1979 (letzterer in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 1980) verpflichtet, Versicherungsunterlagen für die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1946 bis 9. April 1955 nach den Vorschriften der §§ 15 und 17 FRG herzustellen (Urteil vom 9. März 1982). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt:
Für die von der Klägerin in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten seien Versicherungsunterlagen herzustellen. Die Zeiten seien bei einer späteren Rentenberechnung zu berücksichtigen. Dem stehe die Beitragserstattung durch Bescheid vom 12. August 1960 nicht entgegen. Dieser Bescheid sei aufzuheben. Zwar schließe im Falle sowohl einer Beitragserstattung nach § 82 AVG aF als auch der sogen Heiratserstattung nach § 83 Abs 1 AVG aF der bindend gewordene Erstattungsbescheid weitere Ansprüche aus den bis zur Erstattung einschließlich der bei einem außerhalb des Geltungsbereiches des FRG befindlichen deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Auch sei der Bescheid vom 12. August 1960 weder wegen fehlender Antragstellung nichtig, noch könne seine Bindungswirkung nach dem hier noch anwendbaren, bis zum 31. Dezember 1980 geltenden § 79 AVG rückgängig gemacht werden. Ebensowenig bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, weil die Beklagte eine Verpflichtung zur Beratung und verständnisvollen Förderung der Versicherten nicht verletzt habe. Der Erstattungsbescheid sei jedoch nach dem bis zum 31. Dezember 1980 geltenden und hier ebenfalls noch anwendbaren § 1744 Abs 1 Nr 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufzuheben. Die Klägerin habe nach dem Erlaß des Bescheides - wobei unerheblich sei, daß sie dies schon früher hätte tun oder darauf hinweisen können - in Form der Versicherungsnachweise aus der DDR Urkunden vorgelegt, aufgrund derer ein für die Beklagte günstigerer Verwaltungsakt hätte ergehen müssen. Die Klägerin wäre nämlich unter Anrechnung der in der DDR zurückgelegten Zeiten seinerzeit zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gewesen. Das hätte zur Ablehnung ihres Erstattungsantrages führen müssen. Dies wäre gegenüber einer Beitragserstattung die für die Beklagte günstigere Entscheidung gewesen. § 1744 Abs 1 RVO räume dem Versicherungsträger kein Handlungsermessen, sondern lediglich die Ermächtigung zum Abweichen von der Bindungswirkung des angegriffenen Verwaltungsaktes ein. Damit könnten die Gerichte anstelle des Versicherungsträgers den Erstattungsbescheid, der nicht hätte ergehen dürfen, aufheben. Da der Bescheid damit keine Rechtswirkungen mehr entfalte, sei die Beklagte verpflichtet, das Versicherungsverhältnis in vollem Umfange wiederherzustellen und dabei auch Unterlagen für die von der Klägerin in der DDR zurückgelegte Versicherungszeit zu erstellen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO. Bei der Anwendung der Vorschrift habe nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, daß der Klägerin bereits im Zeitpunkt ihres Antrages die einer Beitragserstattung entgegenstehende Tatsache ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der DDR bekannt gewesen sei und sie damit durch entsprechende Hinweise wegen des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung den fehlerhaften Erstattungsbescheid hätte vermeiden können. Bei einer solchen Sachlage könne eine Durchbrechung der Bindungswirkung des Bescheides im Einklang mit dem Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 1980 (BSG SozR 2200 § 1744 Nr 15) nicht in Betracht kommen. Das LSG habe auch versäumt, sich mit der ausführlichen und überzeugenden Begründung im Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1975 - L 4 An 147/73 - auseinanderzusetzen und bezüglich der Befugnis der Gerichte zur Aufhebung eines fehlerhaften Bescheides die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 9. Dezember 1981 - 1 RA 35/80 = SozR 2200 § 1303 Nr 23) außer acht gelassen.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. März 1982 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 1981 zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren der Klägerin auf Herstellung von Versicherungsunterlagen für die in der DDR vom 1. Juli 1946 bis zum 9. April 1955 zurückgelegten Versicherungszeiten. Rechtsgrundlage für die Herstellung entsprechender Versicherungsunterlagen ist § 11 Abs 2 der Verordnung über die Feststellung von Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bei verlorenen, zerstörten, unbrauchbar gewordenen oder nicht erreichbaren Versicherungsunterlagen (Versicherungsunterlagen-Verordnung -VuVO-) vom 3. März 1960 (BGBl I S 137). Danach können außerhalb eines Leistungsfeststellungsverfahrens nach Maßgabe der Vorschriften des FRG Versicherungsunterlagen für Zeiten hergestellt werden, die nach dem FRG anrechenbar sind; auf Antrag des Versicherten (Beschäftigten) sind sie wiederherzustellen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herstellung von Versicherungsunterlagen für ihre in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten. Zwar stehen diese als nach dem 30. Juni 1945 bei einem außerhalb des Geltungsbereiches des FRG befindlichen deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Beitragszeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten und die der Beitragsentrichtung zugrundeliegende abhängige Beschäftigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG gleich (§ 15 Abs 1 FRG), auch wenn der Versicherte nicht zum Personenkreis des § 1 Buchst a) bis d) FRG gehört (§ 17 Abs 1 FRG). Indes sind Ansprüche der Klägerin aus ihren in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten und damit auch auf Herstellung von Versicherungsunterlagen über diese Zeiten ausgeschlossen. Das ergibt sich als Rechtsfolge der mit Bescheid vom 12. August 1960 durchgeführten Beitragserstattung aus § 82 Abs 7 AVG.
Nach dieser Vorschrift schließt eine Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Beitragszeiten aus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Beitragserstattung wegen Wegfalls der Versicherungspflicht ohne Bestehen des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 82 Abs 1 AVG in der zur Zeit der Beitragserstattung maßgebenden Fassung des AnVNG) oder als sogen "Heiratserstattung" (§ 83 Abs 1 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1967 geltenden Fassung) erfolgt ist. Auch im letzteren Falle schließt in entsprechender Anwendung des § 82 Abs 7 AVG eine Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus (§ 83 Abs 3 AVG aF).
Diese Verfallswirkung der Beitragserstattung erfaßt auch die von der Beitragserstattung außerhalb des Geltungsbereiches des FRG zurückgelegten fremden Beitragszeiten ungeachtet dessen, daß die während dieser Zeiten entrichteten Beiträge nicht erstattet worden sind. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4. Oktober 1979 (BSGE 49, 63, 65 f = SozR 2200 § 1303 Nr 14 S 37 f) entschieden hat, schließt die Beitragserstattung nicht lediglich solche Ansprüche aus, die speziell auf Beitragszeiten und von diesen wiederum auf denjenigen beruhen, für die Beiträge zur Hälfte erstattet worden sind. Vielmehr führt die Beitragserstattung zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und damit - ausgenommen einen eventuellen Anspruch auf Erstattung restlicher Beiträge - zum Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern diese nicht erst durch eine nach der Beitragserstattung erfolgte Gesetzesänderung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden sind. Das gilt auch hinsichtlich der vor der Beitragserstattung in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten, obschon die während dieser Zeiten entrichteten Beiträge selbst nicht erstattungsfähig sind. In dieser Rechtsfolge liegt weder eine Verletzung des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) noch ein entschädigungsloser Eingriff in eigentumsähnliche Rentenanwartschaften (vgl Urteile des Senats in BSGE 49, 63, 66 f = SozR 2200 § 1303 Nr 14 S 38 f und in SozR aaO Nr 18 S 53 f; zu letzterem Urteil auch Beschluß des Dreierausschusses des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- in SozR aaO Nr 19 S 55).
Durch die Beitragserstattung mit Bescheid vom 12. August 1960 sind Ansprüche der Klägerin ua aus den in der DDR vom 1. Juli 1946 bis 9. April 1955 zurückgelegten Beitragszeiten ausgeschlossen werden. Dieser Anspruchsausschluß besteht weiterhin. Der Bescheid vom 12. August 1960 ist bindend (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und rechtswirksam. Entgegen der Meinung des LSG kann die Klägerin seine Aufhebung ungeachtet dessen nicht verlangen, daß sie im Zeitpunkt der Beitragserstattung unter Berücksichtigung ihrer in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, eine Beitragserstattung damit nicht zulässig (§ 82 Abs 1 Satz 1 AVG) und demnach der Bescheid vom 12. August 1960 rechtswidrig gewesen ist.
Die Zulässigkeit der von der Klägerin begehrten Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides ist vorrangig auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 1981 geltenden § 45 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469) zu prüfen (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens vgl Art II § 40 Abs 1 SGB 10). Hiernach darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs 2 bis 4 SGB 10 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs 1 SGB 10). Ein Beitragserstattungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Versicherungsträger das Recht des Versicherten auf Beitragserstattung anerkannt und seinem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfange entsprochen hat, ist trotz der mit ihm verbundenen wirtschaftlich nachteiligen Rechtsfolgen eines Verfalls der bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und des Ausschlusses des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 82 Abs 7 AVG) ein begünstigender Verwaltungsakt (vgl die Urteile des Senats in BSG SozR 2200 § 1303 Nr 23 S 65 f und vom 7. September 1982 - 1 RA 53/81 -).
Nach der Übergangsregelung des Art II § 40 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB 10 ist § 45 SGB 10 erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies gilt auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist. Allein diese Voraussetzungen für eine Anwendung des § 45 SGB 10 auf den vorliegenden Sachverhalt sind erfüllt. Der Beitragserstattungsbescheid vom 12. August 1960, dessen Aufhebung die Klägerin begehrt, ist vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden. Im Falle eines Erfolges der Klage würde seine Aufhebung nach dem 31. Dezember 1980 erfolgen. Zwar hat die Beklagte die Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 12. August 1960 inzidenter durch den angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 1979 und somit vor dem 1. Januar 1981 abgelehnt. Das ist jedoch nicht erheblich. Entscheidend ist, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheides im Rechtsstreit weiterverfolgt und dieser Rechtsstreit auch noch nach dem 31. Dezember 1980 anhängig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSGE 53, 235, 237= SozR 1300 § 48 Nr 2 S 6 f; Urteil vom 7. September 1982 - 1 RA 53/81; vgl auch Beschluß des Großen Senats des BSG vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 -) ist Art II § 40 Abs 2 Satz 1 SGB 10 nicht in dem eingeschränkten Sinne zu verstehen, daß die Aufhebung des Verwaltungsaktes nach dem 31. Dezember 1980 durch die Verwaltungsbehörde erfolgt sein muß. Vielmehr erfaßt die Übergangsvorschrift alle Verfahren, in denen nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt zur Aufhebung ansteht. Sie ist so zu lesen, als seien dem Wort "wird" die Worte "oder werden soll" angefügt. Damit erfaßt sie auch die Fälle, in denen die Verwaltungsbehörde zwar vor dem 1. Januar 1981 die Aufhebung eines Verwaltungsaktes abgelehnt hat, es deswegen jedoch zu einem Rechtsstreit kommt und die ihn abschließende gerichtliche Entscheidung erst nach dem 31. Dezember 1980 ergeht. Diese Auslegung findet in Art II § 37 Abs 1 SGB 10 eine zusätzliche Stütze. Hiernach sind bei Inkrafttreten des SGB 10 bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist das Verfahren nicht schon mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes, sondern erst mit dem Eintritt der Bindungswirkung "zu Ende geführt". Erst nach Vorliegen einer die Beteiligten bindenden Verwaltungsentscheidung kann das Verwaltungsverfahren als abgeschlossen gelten. Deswegen umfaßt, wenn sich an das Verwaltungsverfahren im engeren Sinne ein Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des erlassenen Verwaltungsaktes anschließt, der Begriff des "Verfahrens" im Sinne des Art II § 37 Abs 1 SGB 10 auch das gerichtliche Verfahren (vgl hierzu vor allem Beschluß des Großen Senats des BSG vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 - mwN).
Allein hiernach wäre § 45 SGB 10 als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 12. August 1960 anwendbar. Die Anwendbarkeit der Vorschrift wird jedoch durch die Übergangsregelung des Art II § 40 Abs 2 Satz 3 SGB 10 ausgeschlossen. Danach sind von der Aufhebung ua nach § 45 SGB 10 solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung ausgenommen, die am 31. Dezember 1980 bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte. Der Beitragserstattungsbescheid vom 12. August 1960 gehört zu diesen Verwaltungsakten. Er ist im Sinne des § 77 SGG bestandskräftig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine neue Prüfung nach § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO nicht vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift kann gegenüber einem bindenden Verwaltungsakt eines Versicherungsträgers eine neue Prüfung beantragt oder vorgenommen werden, wenn ein Beteiligter nachträglich eine Urkunde, die einen ihm günstigeren Verwaltungsakt herbeigeführt haben würde, auffindet oder zu benutzen instandgesetzt wird. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hat der 12. Senat des BSG in seinem vom Berufungsgericht zitierten Urteil vom 13. November 1974 (BSGE 38, 207, 209 f = SozR 2200 § 1744 Nr 2 S 4 f) ausgesprochen, schon für den Versicherten werden ungeachtet dessen, daß der Beitragserstattungsbescheid für ihn ein jedenfalls überwiegend begünstigender Verwaltungsakt gewesen sei, ein "günstigerer" Verwaltungsakt auch dann herbeigeführt, wenn dem früheren Antrag auf Beitragsrückerstattung vom Versicherungsträger voll entsprochen worden, eine günstigere Entscheidung aber wegen Unkenntnis der erst nachträglich aufgefundenen Urkunden nicht möglich gewesen sei, vorausgesetzt, daß der Versicherte mit dem damals erzielten Ergebnis nicht in jedem Falle zufrieden gewesen sei. Zumindest aber hätte, wenn unter Berücksichtigung der nachträglich aufgefundenen Urkunden der Versicherte zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gewesen wäre und somit sein Erstattungsantrag hätte abgelehnt werden müssen, mit dieser Ablehnung eine im Vergleich zur Beitragserstattung für den Versicherungsträger günstigere Entscheidung ergehen müssen. Indes kann die Klägerin aus diesem Urteil nichts zu ihren Gunsten herleiten. In zulässiger Abweichung davon hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1981 (BSG SozR 2200 § 1303 Nr 23 S 66 f) ausgesprochen, daß im Falle der Beitragserstattung ein dem Versicherten im Sinne des § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO "günstigerer Verwaltungsakt" nur vorsehen kann, dem Versicherten Beiträge in noch weiterem Umfange zu erstatten, nicht aber in einer Rückgängigmachung der Beitragserstattung bestehen kann. Im übrigen verletzt zwar die Aufhebung des begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Zustimmung oder gar auf Wunsch des Begünstigten grundsätzlich nicht dessen schutzwürdiges Vertrauen. Dennoch kann es im öffentlichen Interesse liegen, es bei der durch den Verwaltungsakt gewährten Vergünstigung zu belassen. Die freie Aufhebbarkeit eines Erstattungsbescheides scheitert überdies daran, daß der durch die Beitragserstattung bewirkte Verfall von Leistungsansprüchen die vom Versicherungsträger vertretene Solidargemeinschaft aller Versicherten von Rentenanwartschaften freistellt und insofern begünstigt; sie hat daher ein anzuerkennendes rechtliches Interesse daran, an der Bindung des Erstattungsbescheides festzuhalten. Dieser kann deswegen trotz Zustimmung des Versicherten jedenfalls so lange nicht aufgehoben werden, als sich der Versicherungsträger auf die Bindung des Bescheides beruft. An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest. Damit kann eine neue Prüfung des Erstattungsbescheides vom 12. August 1960 nach § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO jedenfalls deswegen nicht vorgenommen werden, weil die Beklagte sich auf dessen Bindungswirkung beruft und seine Aufhebung ablehnt. Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob entsprechend der Ansicht des Berufungsgerichts die weiteren Voraussetzungen des § 1744 Abs 1 Nr 6 RVO zumindest auf seiten der Beklagten erfüllt sind. Eine Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 12. August 1960 nach § 45 SGB 10 ist unabhängig davon durch Art II § 40 Abs 2 Satz 3 SGB 10 ausgeschlossen.
Ein derartiger Ausschluß bedeutet allerdings nicht, damit damit ein vor dem 1. Januar 1981 erlassener und bindend gewordener begünstigender Verwaltungsakt überhaupt nicht mehr überprüfbar ist. Vielmehr sind gemäß Art II § 40 Abs 2 Satz 3 SGB 10 Bescheide, welche vor Inkrafttreten des SGB 10 bestandskräftig geworden sind und bei denen auch nach § 1744 RVO eine neue Prüfung nicht hat vorgenommen werden können, nach früherem Recht zu überprüfen, wenn ein Überprüfungsverfahren vor dem Inkrafttreten des SGB 10 anhängig gemacht und noch nicht abgeschlossen worden ist (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 7. September 1982 - 1 RA 53/81 - mwN). Für die Klägerin ist damit aber nichts gewonnen. Auch nach früherem Recht ist als Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Beitragserstattungsbescheides allein § 1744 RVO in Betracht gekommen. Diese Vorschrift greift jedoch aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht ein, wenn der (früher) Versicherte eine Aufhebung des Erstattungsbescheides mit dem Ziel einer Rückgängigmachung der Beitragserstattung begehrt.
Die Klägerin kann nach alledem weder die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 12. August 1960 noch - da die Verfallswirkung der Beitragserstattung unverändert fortbesteht - die Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen über die von der Verfallswirkung des Erstattungsbescheides erfaßten Zeiten der Pflichtversicherung in der DDR vom 1. Juli 1946 bis 9. April 1955 beanspruchen. Dies muß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des SG führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen