Leitsatz (amtlich)
Zur Bedeutung eines nichtwehrdienstbedingten "Nachschadens" für den Anspruch auf Pflegezulage und für den Anspruch auf Rente.
Leitsatz (redaktionell)
Bezieht der Beschädigte infolge wehrdienstbedingten Verlustes des einen Auges Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 von Hundert und tritt später ein nicht wehrdienstbedingter Verlust des anderen Auges ein, dann handelt es sich um keine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des BVG § 62. Der "Erfolg", der durch den wehrdienstbedingten Verlust des einen Auges eingetreten ist, also die Schädigungsfolge, kann nicht mehr durch Ereignisse berührt werden, die erst später und ohne ursächlichen Zusammenhang mit der bereits vorhandenen Schädigungsfolge eintreten; denn dieses spätere Ereignis liegt nicht mehr im Rahmen der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette.
Normenkette
BVG § 35 Fassung: 1957-07-01, § 62 Fassung: 1950-12-20; BVG S. 30 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. Juni 1960 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 3. März 1960 aufgehoben, soweit der Beklagte zur Gewährung von Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 v. H. verurteilt worden ist; im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger, geboren 1919, wurde am 24. Mai 1944 durch ein Explosivgeschoß an der rechten oberen Gesichtshälfte verletzt. Durch Bescheid vom 11. Dezember 1947 gewährte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein, Außenstelle Heide, wegen "Blindheit des rechten Auges nach Explosivgeschoßverletzung" Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. Mit Bescheid vom 19. Januar 1952 (Umanerkennung) wurde unter Übernahme dieser Schädigungsfolge und des Grades der MdE Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) weitergewährt. Im Oktober 1956 beantragte der Kläger eine höhere Rente, da auch die Sehfähigkeit seines linken Auges nachgelassen habe, im Juli 1957 wurde er wegen eines Hirntumors ( Kraniopharyngeom ) operiert, dies führte zu völliger Erblindung des linken Auges. Das Versorgungsamt (VersorgA) Heide lehnte durch Bescheid vom 5. November 1957 den Antrag des Klägers ab, da ein Zusammenhang des Hirntumors mit der Verletzung des rechten Auges nach den ärztlichen Gutachten unwahrscheinlich sei. Der Widerspruch wurde durch den Bescheid des Landesversorgungsamts vom 22. März 1958 zurückgewiesen. Mit der Klage begehrte der Kläger, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten für verpflichtet zu erklären, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung einer seinem Leiden entsprechenden Rente unter Anerkennung der Erblindung des linken Auges ab 1. Oktober 1956 zu erteilen sowie ihm die einfache Pflegezulage zu gewähren.
Das Sozialgericht (SG) Itzehoe änderte durch Urteil vom 3. März 1960 den Bescheid vom 5. November 1957 ab, hob den Widerspruchsbescheid auf und verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 1. Oktober 1956 Rente nach einer MdE um 100 v. H. sowie eine "entsprechende Pflegezulage" zu gewähren. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Schleswig durch Urteil vom 2. Juni 1960 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab: Die von der Versorgungsverwaltung festgestellten Schädigungsfolgen - Blindheit des rechten Auges und einige Metallsplitter in der rechten Gesichtshälfte - hätten sich unstreitig nicht wesentlich verändert. Der Hirntumor, der nunmehr auch zur Erblindung des linken Auges geführt habe, hänge nach den übereinstimmenden ausführlichen ärztlichen Gutachten mit der rechtsseitigen Kopfverletzung ursächlich nicht zusammen. Die Veränderung im Gesundheitszustand des Klägers sei durch ein selbständiges Ereignis eingetreten, dieses sei von den Schädigungsfolgen unabhängig; nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts in der Unfallversicherung, der sich das Reichsversorgungsgericht für das Versorgungsrecht angeschlossen habe, sei der ursächliche Zusammenhang mit einem Unfall oder mit einer Dienstbeschädigung gelöst, wenn erst nach dem Unfall oder der Dienstbeschädigung durch andere Ursachen - wie etwa die Körperbeschaffenheit, das Alter oder einen neuen Unfall - die völlige Erblindung oder eine weitere Beeinträchtigung des Sehvermögens herbeigeführt werde; um eine "wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen seien" (§ 62 BVG), handle es sich im Versorgungsrecht in solchen Fällen nicht. Auch der Anspruch auf Pflegezulage sei nicht begründet, da die Hilflosigkeit nicht "infolge der Schädigung" eingetreten sei (§ 35 BVG), die Schädigungsfolge sei nicht die letzte, die Hilflosigkeit auslösende Ursache gewesen. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem Kläger am 13. September 1960 zugestellt.
Am 20. September 1960 legte der Kläger Revision ein. Er beantragte,
1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 3. März 1960 zurückzuweisen;
2. hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis 13. Dezember 1960 begründete der Kläger die Revision an diesem Tage: Das LSG habe die §§ 62 Abs. 1, 35 BVG verletzt. Bei der früheren Feststellung der Versorgungsbezüge sei der Zustand des nicht beschädigten linken Auges, also die sonstige körperliche Integrität, der wesentlichste Umstand für die Bewertung der MdE mit nur 30 v. H. durch den Verlust der Sehkraft rechts gewesen. In diesen Verhältnissen sei durch den vom Wehrdienst unabhängigen nachträglichen Verlust der Sehkraft des linken Auges eine wesentliche Änderung eingetreten (§ 62 BVG), die zu der Erblindung geführt habe; es komme nicht darauf an, ob die wesentliche Änderung in dem als Schädigungsfolge "anerkannten" Leidenszustand eingetreten sei. Dies entspreche auch der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm; sowohl der Verlust der Sehkraft rechts als auch die Einbuße des Sehvermögens auf dem linken Auge seien gleichwertige Bedingungen der durch die völlige Erblindung eingetretenen Erwerbsunfähigkeit des Klägers, auf den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens dieser Bedingungen komme es im Rahmen der kausalrechtlichen Würdigung nicht an. Das LSG habe auch bei Anwendung des § 35 BVG den versorgungsrechtlichen Kausalitätsbegriff verkannt; es komme nicht darauf an, ob die Schädigung zeitlich die "letzte", die Hilflosigkeit auslösende Ursache gewesen sei; die Hilflosigkeit des Klägers sei gleichermaßen auf den schädigungsbedingten Verlust der Sehkraft rechts wie auf die nicht schädigungsbedingte Einbuße der Sehkraft links zurückzuführen, beide Bedingungen seien kausalrechtlich gleichwertige Mitursachen der Erblindung, dem Kläger stehe deshalb auch die Pflegezulage zu.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Nachdem der Kläger im Dezember 1960 unter Bezug auf das Urteil des erkennenden Senats vom 25. August 1960 (BSG 13, 40 ff) erneut die Pflegezulage begehrt hatte, bewilligte das Versorgungsamt Heide durch Bescheid vom 18. Mai 1961 ab 1. Oktober 1956 Pflegezulage in Höhe von 75 DM monatlich und ab 1. Juni 1960 in Höhe von 100 DM monatlich; für die Zeit vom 1. Oktober 1956 bis 30. Juni 1961 wurden 4.600 DM nachbezahlt; seit 1. Juli 1961 erhält der Kläger laufend Rente in Höhe von 35 DM und Pflegezulage in Höhe von 100 DM monatlich.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist jedoch nur teilweise begründet.
1. Nach der Feststellung des LSG ist der Kläger durch die Verwundung im Mai 1944, die als Schädigungsfolge zuletzt in dem Bescheid vom 19. Januar 1952 (Umanerkennung) festgestellt worden ist, auf dem rechten Auge praktisch blind. Der Kläger erhält wegen dieses Leidens Rente nach einer MdE um 30 v. H.; seit der Operation eines Hirntumors im Juli 1957 ist der Kläger auch auf dem linken Auge blind. Das LSG hat auf Grund verschiedener augenfachärztlicher, neurologischer und internistischer Gutachten, insbesondere der Gutachten der Neurologen Prof. Dr. K. und Dr. Z., festgestellt, daß der Hirntumor sich unabhängig von der Verwundung entwickelt hat; gegen diese Feststellung sind Revisionsrügen nicht geltend gemacht, sie ist deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§ 163 SGG).
2. Soweit der Kläger Pflegezulage begehrt, hat das LSG den Anspruch hierauf zu Unrecht verneint; insoweit ist die Revision begründet. Wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 25. August 1960 (BSG 13, 40 ff., 41, 42) entschieden hat, entspricht der Ursachenbegriff in § 35 BVG der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm. Für die Frage, ob der Beschädigte "infolge der Schädigung" (§ 35 Satz 1 BVG in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 - aF - und in der seither geltenden Fassung - nF -) hilflos ist, kommt es allein darauf an, ob die Schädigungsfolge die wesentliche Bedingung oder eine der wesentlichen Bedingungen und damit alleinige Ursache oder Mitursache der Hilflosigkeit ist; es kommt nicht, wie das LSG gemeint hat, darauf an, ob die Schädigungsfolge zeitlich die "letzte", die Hilflosigkeit "auslösende" Ursache ist. Es ist deshalb im vorliegenden Fall unerheblich, daß die Schädigungsfolge allein (Erblindung des rechten Auges) zunächst noch nicht die Hilflosigkeit herbeigeführt hat, sondern daß die Hilflosigkeit erst eingetreten ist, nachdem zu der Schädigungsfolge die nicht wehrdienstbedingte Erblindung des linken Auges infolge der Operation wegen eines Hirntumors hinzugekommen ist. Für die Blindheit auf beiden Augen und damit für die Hilflosigkeit des Klägers sind sowohl der wehrdienstbedingte Verlust der Sehfähigkeit rechts als auch der nichtwehrdienstbedingte Verlust der Sehfähigkeit links wesentliche Bedingungen; beide Bedingungen sind gleich wesentlich; sie sind damit im Sinne des Versorgungsrechts Mitursachen der Hilflosigkeit. Das SG hat daher zu Recht den Bescheid vom 5. November 1957 (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1958) insoweit als rechtswidrig angesehen, als der Beklagte den Anspruch auf Pflegezulage abgelehnt hat. Wenn das SG den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger ab 1. Oktober 1956 "eine entsprechende Pflegezulage" zu gewähren, so hat es damit nach den Urteilsgründen sagen wollen, der Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger "die Pflegezulage eines Blinden" zu gewähren; es hat damit den Beklagten erkennbar verurteilen wollen, dem Kläger einen Bescheid (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) über die Gewährung von Pflegezulage zu erteilen; dies ist auch richtig gewesen; denn sowohl nach § 35 BVG Abs. 1, 2. Halbsatz und Abs. 1 Satz 2 aF als auch nach § 35 BVG Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 nF hat der "infolge der Schädigung" Erblindete wegen seiner Hilflosigkeit zwar einen Rechtsanspruch auf Pflegezulage, er hat aber keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte "Leistung" (§ 54 Abs. 4 SGG); die Pflegezulage ist nicht gesetzlich für die einzelnen Fälle der Höhe nach festgelegt, sie ist vielmehr von der Verwaltung im Rahmen gesetzlicher Höchstbeträge nach einzelnen "Stufen" nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen; in dieses Ermessen dürfen die Gerichte nicht eingreifen.
3. Unbegründet ist die Revision, soweit das Urteil des LSG die Bewertung des Grades der MdE und damit die Höhe der Rente betrifft. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die angefochtenen Bescheide insoweit nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat nicht von dem Zeitpunkt an, in dem er auch die Sehfähigkeit des linken Auges eingebüßt hat, Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs. 4 BVG aF und nF), denn die Verhältnisse, die für die Feststellung der Rente (§ 62 Abs. 1 BVG aF) bzw. des Anspruchs (§ 62 Abs. 1 BVG nF) maßgebend gewesen sind, haben sich nicht geändert. Diese "Verhältnisse" sind die tatsächlichen und rechtlichen (vgl. BSG 10, 202 ff.) Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente, die für die Feststellung dieses Anspruchs nach Grund und Höhe in den früheren Bescheiden maßgebend gewesen sind. Die rechtlichen Voraussetzungen sind die Rechtssätze, die für die Beurteilung des Versorgungsanspruchs nach Grund und Höhe maßgebend gewesen sind. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Beurteilung des Anspruchs dem Grunde nach sind die Verhältnisse, die zu der Feststellung geführt haben,
daß in dem konkreten Fall militärischer oder militärähnlicher Dienst (§§ 1 bis 5 BVG) vorgelegen hat,
daß eine Schädigung eingetreten ist, also ein Ereignis, das für den Betroffenen hat schädigend sein können (das sogenannte "schädigende Ereignis", vgl. BSG SozR Nr. 30 zu § 109 SGG),
daß tatsächlich gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen, also ein "Schaden" eingetreten und
daß diese Anspruchsvoraussetzungen zu einer Ursachenkette verknüpft sind (§ 1 BVG).
Für die Feststellung des Anspruchs der Höhe nach sind in tatsächlicher Hinsicht auch die Einkommensverhältnisse des Antragstellers erheblich, soweit sie die Höhe der Ausgleichsrente des Schwerbeschädigten (§§ 32 ff. BVG aF und nF) und der Hinterbliebenen, des Ehegatten- und Kinderzuschlags (§ 33 a und b BVG nF) sowie die Elternrente (§ 50 ff. BVG) beeinflussen. Von den tatsächlichen Verhältnissen können sich nicht ändern die Verhältnisse, die zu der Feststellung geführt haben,
daß militärischer oder militärähnlicher Dienst vorgelegen hat,
daß ein "schädigendes Ereignis" eingetreten ist und daß die für die Feststellung des Anspruchs maßgebenden Verhältnisse in tatsächlicher Hinsicht, also in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn, zu einer Ursachenkette verknüpft sind.
Ändern kann sich dagegen das Ausmaß des "Schadens", d. h. es können sich die gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Folgen des "schädigenden Ereignisses" ändern. Maßgebend für die Feststellung des "Schadens" sind indes stets nur die Verhältnisse, die bei Eintritt des "schädigenden Ereignisses" bestanden haben; durch sie allein wird der Schaden, der auf den militärischen oder militärähnlichen Dienst zurückzuführen ist, bestimmt und begrenzt (anders Roemer, Kriegsopferversorgung 1961, 29 ff.; 1962, 29 ff.). Deshalb sind für das Ausmaß des "Schadens" auch gegebenenfalls nichtwehrdienstbedingte gesundheitliche Schädigungen, die bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden haben, also "Vorschäden", zu berücksichtigen (vgl. Haueisen, JZ 1961, 9 ff. unter II); sie gehören zu den tatsächlichen Verhältnissen, die für die Feststellung der Rente bzw. des Anspruchs maßgebend gewesen sind, sie gehören zum ersten Glied der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette. Außerhalb der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette liegen Schäden, die zeitlich nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und nicht mit der Schädigung im Zusammenhang stehen, insbesondere altersbedingte Veränderungen des körperlichen Zustandes des Betroffenen oder Veränderungen durch andere nichtwehrdienstbedingte Ereignisse, wie etwa durch Erkrankungen, Unfälle, Handlungen eines Dritten oder des Beschädigten selbst. Nichtwehrdienstbedingte Ereignisse dieser Art "erweitern" nicht, wie schon gesagt worden ist (vgl. Wilke, KOV 1961, 73 ff. und 1962, 33 ff.; Fischer, KOV 1960, 120 ff.), den wehrdienstbedingten Schaden, sie schaffen oder erweitern vielmehr den nicht wehrdienstbedingten Schaden. Hat beim Eintritt eines nichtwehrdienstbedingten Ereignisses schon ein wehrdienstbedingter Schaden vorgelegen, so kann der "Erfolg", der durch das nicht wehrdienstbedingte Ereignis ausgelöst wird, größer sein als im Fall des Nichtvorliegens eines wehrdienstbedingten Schadens. Die Schädigung durch den Wehrdienst (Gesundheitsstörung) ist dann auch eine der mehreren Bedingungen (im philosophischen Sinne) für den "Erfolg", den das nicht wehrdienstbedingte Ereignis herbeigeführt hat; ist dieser Erfolg zB strafrechtlich zu würdigen, so ist es nach der im Strafrecht maßgeblichen "Bedingungstheorie" unerheblich, daß auch das wehrdienstbedingte Ereignis eine Bedingung des "Erfolgs" gewesen ist; ist er zivilrechtlich wegen eines Anspruchs auf Schadensersatz zu beurteilen, so kommt es darauf an, ob der Erfolg dem späteren Ereignis adäquat gewesen ist; ist das spätere Ereignis ein Arbeitsunfall im Sinne von § 542 der Reichsversicherungsordnung (RVO), so ist für die Frage, ob und inwieweit der eingetretene "Erfolg" mit dem Arbeitsunfall zusammenhängt, wie in der Kriegsopferversorgung zu prüfen, ob das Unfallereignis die allein wesentliche Bedingung des "Erfolgs" gesetzt hat oder ob etwa auch der bereits früher vorhandene wehrdienstbedingte Schaden eine wesentliche Bedingung für das Unfallereignis gewesen ist und ob deshalb das Unfallereignis nur eine gleichwertige Mitursache des Erfolgs gewesen ist. Dabei handelt es sich aber stets um die Würdigung des "Erfolgs", dessen Eintritt das spätere , nichtwehrdienstbedingte Ereignis ausgelöst hat; für diesen Erfolg kann auch der frühere wehrdienstbedingte Schaden rechtlich erheblich sein. Dagegen kann der "Erfolg", der auf Grund wehrdienstbedingter Schädigung bereits vorgelegen hat, die "Schädigungsfolge" im Sinne des BVG und die Folge des "Arbeitsunfalles" im Recht der Unfallversicherung, ursächlich nicht mehr durch Ereignisse berührt werden, die erst später und ohne ursächlichen Zusammenhang mit den bereits eingetretenen Folgen eingetreten sind. Allein wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung "durch" militärischen oder militärähnlichen Dienst und die sonstigen in § 1 Abs. 1 BVG genannten Ereignisse (§§ 1 bis 5 BVG) wird Versorgung nach dem BVG gewährt, nicht wegen der Folgen anderer Ereignisse, auch dann nicht, wenn für die Folgen des späteren Ereignisses die wehrdienstbedingte Schädigung zwar eine Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, aber nicht eine wesentliche Bedingung und damit Ursache im Sinne des Versorgungsrechts gewesen ist.
Damit ist auch die Frage beantwortet, ob spätere nicht wehrdienstbedingte Ereignisse den Grad der MdE, den ein früherer Bescheid festgestellt hat, und damit die Höhe der Rente beeinflussen können; sie ist zu verneinen. Die Beurteilung des Grades der MdE ist nichts anderes als die Bewertung des Ausmaßes der Schädigung, deren Eintritt das schädigende Ereignis alsbald oder später ausgelöst hat; die MdE ist nicht eine weitere Folge des "Erfolgs" (der Gesundheitsstörung); sie ist vielmehr eine Bewertung des "Erfolgs"; es handelt sich bei der Feststellung der MdE nicht darum, einen "Geschehensablauf" zwischen Gesundheitsstörung und MdE zu beurteilen; die Bemessung des Grades der MdE ist erst möglich, wenn die versorgungsrechtlich erhebliche Ursachenkette und damit das Ausmaß der Schädigung feststeht; sie kann sich deshalb nicht auf Einbußen der Erwerbsfähigkeit erstrecken, die durch Ereignisse außerhalb der versorgungsrechtlich wesentlichen Ursachenkette ausgelöst worden sind; diese späteren Einbußen können nur bei der Würdigung der Folgen des späteren, eine neue Ursachenkette auslösenden Ereignisses berücksichtigt werden. Dieses Ergebnis ist nicht etwa unbillig; es entspricht dem Ziel und Zweck des Versorgungsrechts, die "durch" ein versorgungsrechtlich erhebliches Ereignis ausgelösten Schädigungen auszugleichen, nicht aber etwa alle Nachteile auszugleichen, die einem Versorgungsberechtigten nach seiner Schädigung ohne ursächlichen Zusammenhang mit dieser Schädigung selbst erwachsen.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Versorgungsberechtigter, der die Sehfähigkeit auf einem Auge durch Folgen des militärischen oder militärähnlichen Dienstes verloren hat und später die Sehfähigkeit des anderen Auges durch ein nichtwehrdienstbedingtes Ereignis einbüßt, Erhöhung seiner Rente begehrt. Auch in diesem Falle umfaßt die versorgungsrechtlich erhebliche Ursachenkette nur die Folgen, die in dem Verlust des ersten Auges und etwaigen weiteren Folgen dieses Verlustes bestehen. Allein hierin bestehen die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der wehrdienstbedingten Schädigung, deren Vorhandensein den Anspruch auf Versorgung begründet. Die MdE im Rahmen des § 30 BVG ist hier, falls das zweite Auge bei Eintritt der Schädigung gesund gewesen ist, in der Regel verhältnismäßig gering und die Höhe der Rente dementsprechend meist nur nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren; der "Schaden" kann hier durch das gesunde Auge weitgehend ausgeglichen werden. Man darf nicht sagen, der zur Versorgung verpflichtete Staat habe den "Nutzen" davon, daß im Zeitpunkt der wehrdienstbedingten Schädigung noch das zweite gesunde Auge vorhanden sei, er müsse deshalb auch den "Nachteil" hinnehmen, daß er für den Zustand der Blindheit Rente gewähren müsse, wenn auch die Sehfähigkeit des zweiten Auges durch ein nichtwehrdienstbedingtes Ereignis verlorengehe (vgl. Goetz, KOV 1961, 126 f.); richtig ist vielmehr, daß der Schaden, der durch den militärischen oder militärähnlichen Dienst verursacht ist, in einem solchen Fall deshalb geringer ist, weil im Zeitpunkt der Schädigung das zweite Auge gesund ist und die Voraussetzungen für den Ausgleich dieses Schadens nicht dadurch anders werden, daß später Ereignisse eintreten, die nicht wehrdienstbedingt sind. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, bei nichtwehrdienstbedingtem Verlust auch des zweiten Auges müsse deshalb die Rente eines Blinden gewährt werden, weil der nichtwehrdienstbedingte " Nach schaden" die MdE ebenso beeinflusse wie der nichtwehrdienstbedingte " Vor schaden" (vgl. Wilke, KOV 1961, 73 ff.). Der nichtwehrdienstbedingte "Vorschaden" ist rechtlich anders zu bewerten als der nichtwehrdienstbedingte "Nachschaden". Der nichtwehrdienstbedingte "Vorschaden" ist nämlich ursachenrechtlich bedeutsam, wenn er auch eine wesentliche Bedingung für den "Erfolg" des wehrdienstbedingten (zweiten) Ereignisses gewesen ist; er kann sich dann auf den Grad der MdE durch das wehrdienstbedingte zweite Ereignis auswirken. Ist dagegen ein Gesunder von einem wehrdienstbedingten Ereignis betroffen worden und hat dieses Ereignis zB zum Verlust eines (des ersten) Auges geführt, so hat damit die versorgungsrechtlich erhebliche Ursachenkette bereits ihr "letztes Glied" erreicht; der später hinzukommende nichtwehrdienstbedingte "Nachschaden" (etwa der Verlust des zweiten Auges) kann ursachenrechtlich für die Folgen, die auf Grund des ersten Ereignisses eingetreten sind, keine Bedeutung mehr haben; er kann sich auch für die Bewertung der MdE infolge des ersten Ereignisses nicht auswirken; dagegen sind die Folgen des zweiten Ereignisses möglicherweise höher zu bewerten, weil bei Eintritt dieses Ereignisses bereits ein Vorschaden - der wehrdienstbedingte Verlust des ersten Auges - bestanden hat; dieses Ereignis kann aber nicht auch zu einer höheren Bewertung der Folgen des wehrdienstbedingten Ereignisses führen, auch dann nicht, wenn für den Schaden infolge dieses zweiten Ereignisses niemand aufzukommen hat, wie möglicherweise bei altersbedingten Schädigungen oder Schädigungen durch ein Naturereignis oder durch eine Handlung des Beschädigten. Auch in diesem Falle haben sich nicht die Verhältnisse geändert, die versorgungsrechtlich für die frühere Feststellung der Rente maßgebend gewesen sind (vgl. insoweit im Ergebnis übereinstimmend auch das Urteil des Großen Senats des Reichsversorgungsgerichts vom 5. Februar 1926, RVG 6, 28 ff.).
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch mit dem bereits zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 25. August 1960 (BSG 13, 40 ff.). Für die Prüfung der Frage, ob ein Beschädigter "infolge der Schädigung" hilflos ist und deshalb ein Anspruch auf Pflegezulage (§ 35 BVG) besteht, ist nicht - wie für die Feststellung des Anspruchs auf Rente - der Eintritt der wehrdienstbedingten Schädigungsfolge das letzte Glied der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette, hier kommt vielmehr zu den Voraussetzungen, die den Anspruch auf Rente begründen, eine weitere Anspruchsvoraussetzung - nämlich eben die Hilflosigkeit - hinzu, die Ursachenkette ist hier um ein weiteres Glied verlängert; auch die Anspruchsvoraussetzung "Hilflosigkeit" muß zwar ursächlich mit der wehrdienstbedingten Schädigungsfolge verknüpft sein (vgl. auch Hofmann, KOV 1961, 49 ff.), auf den Zeitpunkt ihres Eintritts kommt es aber nicht an. Die Pflegezulage ist neben der Rente eine zusätzliche Versorgungsleistung; sie ist nicht nur - wie die Rente - dazu bestimmt, die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der wehrdienstbedingten MdE auszugleichen, sie soll vielmehr zusätzlich für einen weiteren Schaden, nämlich die infolge der Schädigung eingetretene Hilflosigkeit, einen billigen Ausgleich darstellen. Handelt es sich - wie hier - darum, daß die Hilflosigkeit eingetreten ist, weil ein Beschädigter nach dem wehrdienstbedingten Verlust des einen Auges später durch nichtwehrdienstbedingte Umstände auch die Sehfähigkeit des anderen Auges verloren hat, so sind für die Hilflosigkeit beide Ereignisse gleichwesentliche Bedingungen, der Anspruch auf die Pflegezulage eines erwerbsunfähigen Blinden ist deshalb begründet (a. A. RVG aaO). Der Anspruch auf Rente ist dagegen allein dazu bestimmt, die MdE "infolge der Schädigung" auszugleichen, Umstände, die zeitlich nach dem Eintritt der Schädigung auftreten, können deshalb - abgesehen von Änderungen in den Einkommensverhältnissen -, wenn sie nicht ursächlich mit der Schädigung zusammenhängen, den bereits eingetretenen "Erfolg" und damit auch das Ausmaß der MdE, in dem dieser "Erfolg" für die Bemessung der Rente erfaßt wird, nicht mehr beeinflussen.
Das LSG hat daher zu Unrecht das Urteil des SG in vollem Umfange aufgehoben, das Urteil des LSG ist daher aufzuheben. Der Senat kann über die Berufung des Beklagten selbst entscheiden, da die tatsächlichen Feststellungen des LSG hierzu ausreichen. Nach den Feststellungen des LSG, die mit der Revision nicht angegriffen und deshalb für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), haben sich die Verhältnisse, die für die Gewährung von Rente nach einer MdE um 30 v. H. wegen "Blindheit des rechten Auges nach Explosivgeschoßverletzung" maßgeblich gewesen sind, nicht geändert, das SG hat deshalb den angefochtenen Bescheid vom 5. November 1957 (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1958) nicht aufheben dürfen, soweit er die Höhe der Rente betrifft; insoweit ist die Berufung des Beklagten begründet. Das SG hat aber zu Recht den Beklagten verurteilt, dem Kläger einen Bescheid über die Gewährung von Pflegezulage zu erteilen, der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 5. November 1957 zu Unrecht die Gewährung von Pflegezulage abgelehnt. Insoweit ist die Berufung des Beklagten unbegründet und zurückzuweisen. Wenn der Beklagte während des Revisionsverfahrens dem Kläger vom 1. Oktober 1956 an die Pflegezulage der Stufe I (75 DM bzw. ab 1. Juli 1960 100 DM monatlich) bewilligt hat, so berührt dies das anhängige Verfahren nicht; entgegen dem Hinweis des Beklagten in dem Bescheid vom 18. Mai 1961 ist dieser Bescheid nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, er gilt als mit der Klage beim SG angefochten (§ 171 Abs. 2 SGG); der Kläger ist durch den neuen Verwaltungsakt nicht klaglos gestellt, da ihm nur die Pflegezulage der Stufe I bewilligt worden ist, auch der erkennende Senat hat dem Klagebegehren insoweit nicht in vollem Umfange genügen können (§ 171 Abs. 2, 2. Halbsatz SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen