Leitsatz (amtlich)
1. Eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit kann auch dann vorliegen, wenn der an einem Hautleiden Erkrankte schon nach dem 1. Rückfall seinen erlernten Beruf aufgibt, sofern sich alsbald danach der Berufswechsel durch einen wiederholten Rückfall als zwingend erweist.
2. Stellt sich die neue Berufstätigkeit ebenfalls als hautgefährdend heraus, so kann die Entschädigung nicht allein deswegen versagt werden, weil der Staatliche Gewerbearzt eine solche Gefährdung verneint hat.
Normenkette
BKVO 5 § 1 Fassung: 1952-07-26; BKVO 3 Anl 1 Nr. 19 Fassung: 1952-07-26; BKVO 6 § 1 Fassung: 1961-04-28; BKVO 3 Anl 1 Nr. 46 Fassung: 1961-04-28; RVO § 627 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen zu 1 und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 1974 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. März 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten; im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Rechtsstreit wird in der Revision darum geführt, welche der am Verfahren beteiligten Berufsgenossenschaften (BGen) für die Entschädigung der Berufskrankheit des Klägers zuständig ist.
Der 1937 geborene Kläger ist gelernter Fliesenleger. Nach seiner Lehre hat er vom 13. Dezember 1954 bis 27. Juni 1957 als Fliesenleger bei der Firma M Jagstfeld, die bei der beklagten Steinbruchs-BG versichert ist, weitergearbeitet. Während dieser Zeit war der Kläger vom 24. April bis 10. Juni 1957 und vom 21. Juni bis 17. Juli 1957 wegen eines Hautekzems arbeitsunfähig krank.
Diese Hauterkrankung wurde der Beklagten als Berufskrankheit nach Ziff. 19 der 5. Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) i. V. m. § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) angezeigt (Anzeige der Firma M vom 2. Juli 1957 - Bl. 12 UA Bd. 1) sowie des Städtischen Krankenhauses Heilbronn vom 25. Mai 1957 (Bl. 7 UA Bd. 1). Unter Berücksichtigung eines Befundberichtes des Facharztes für Hautkrankheiten Dr. F vom 5. August 1957 (Bl. 19 UA Bd. 1) vertrat der Staatliche Gewerbearzt Stuttgart die Auffassung, die Voraussetzungen der Ziff. 19 der 5. BKVO seien noch nicht erfüllt, da die Hautkrankheit des Klägers - eine Überempfindlichkeit gegen Chromate und Zement - vorerst weder schwer noch wiederholt rückfällig sei. Jedoch erscheine ein Berufswechsel unvermeidlich (Schreiben vom 16. August 1957 - Bl. 18 UA Bd. 1). Daraufhin gab der Kläger seine Beschäftigung als Fliesenleger bei der Firma M auf und nahm am 18. Juli 1957 eine Stelle als Hilfsarbeiter bei der Firma W in Heilbronn an. Dieser Betrieb ist bei der Beigeladenen Nr. 2, der Württembergischen Bau-BG, versichert. Gegen die Aufnahme der Arbeit hatte der Staatliche Gewerbearzt keine Bedenken (Stellungnahme vom 6. November 1957 - Bl. 40 UA Bd. 1), was die Beklagte dem Kläger mitteilte (Schreiben vom 12. November 1957 - Bl. 41 UA Bd. 1). Während dieser Tätigkeit, die bis zum 30. November 1958 andauerte, trat die Hauterkrankung beim Kläger erneut auf und hatte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 9. November 1957 bis 20. Januar 1958, vom 16. Juli bis 11. August 1958 sowie vom 10. November bis zum 30. November 1958 zur Folge.
Da der Kläger sich an den von der Beklagten eingeleiteten Maßnahmen für eine Umschulung zum Steinholzfußbodenleger nach Ansicht der Beklagten nicht genügend beteiligte, lehnte diese mit bindend gewordenem Bescheid vom 26. März 1958 den Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß einer Berufskrankheit ab, weil die Erkrankung weder schwer noch wiederholt rückfällig sei noch zum Wechsel des Berufes oder zur Aufgabe jeder Erwerbsarbeit gezwungen habe (Bl. 73 UA Bd. 1).
Am 1. Dezember 1958 nahm der Kläger eine Beschäftigung bei der Firma NSU in Neckarsulm auf, wo er bis zum 30. Juni 1959 in der Versandabteilung, dann bei der Montage von Pkw-Achsen am Montageband und ab 1. Januar 1961 als Kontrolleur in der Gießerei eingesetzt wurde. In der Zeit vom 23. September 1968 bis 28. Februar 1970 wurde der Kläger zum technischen Zeichner umgeschult und ist seit März 1970 in diesem Beruf bei den NSU-Werken tätig. Der zuständige Versicherungsträger für die Firma NSU ist die Beigeladene Nr. 1, die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG.
Während seiner Tätigkeit bei der Firma NSU erkrankte der Kläger wiederum mehrfach an seinem Hautleiden (vom 19. Mai bis 7. Juni 1959, 31. August bis 6. September 1959, 3. Dezember 1959 bis 31. Januar 1960, 15. November bis 15. Dezember 1962, 25. April bis 4. Juni 1966 und vom 4. Januar bis 15. Januar 1967), obwohl auch diese Beschäftigung ab Aufnahme der Kontrolleurtätigkeit sowohl vom Staatlichen Gewerbearzt Stuttgart (Schreiben vom 3. Februar 1966, Bl. 126 UA Bd. 1) als auch von den Gutachtern Prof. Dr. Sch Dr. B Universitäts-Hautklinik, Heidelberg, (Gutachten vom 3. September 1965, Bl. 122 UA Bd. 1, insbesondere vom 29. Dezember 1966, Bl. 172, 181 UA Bd. 1) als nicht hautgefährdend bezeichnet worden war. Sowohl Prof. Dr. Sch als auch der Staatliche Gewerbearzt bejahten nun das Vorliegen einer Berufskrankheit und schätzten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers auf 30 v. H.
Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Schreiben vom 6. April 1966 (Bl. 128 UA Bd. 1) dem Kläger eine Vorschußzahlung mit dem Vorbehalt späterer Verrechnung und teilte ihm mit, daß die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit noch nicht geklärt und außerdem ärztlicherseits ein stationäres Heilverfahren für erforderlich gehalten werde. Durch Mitteilung vom 9. Februar 1967 (Bl. 190 US Bd. 1) gewährte sie dem Kläger ab 26. August 1964 gemäß § 1735 RVO eine vorläufige Fürsorge in Höhe von 30 v. H. der Vollrente, weil nach dem Ergebnis der Feststellungen eine Berufskrankheit nach Nr. 46 der Anlage zur 6. BKVO anzuerkennen sei, die der Kläger während seiner Beschäftigung bei dem bei ihr versicherten Unternehmen "Willi M" und bei Tätigkeiten erworben habe, für die ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig sei.
Nachdem der Staatliche Gewerbearzt nach einer Arbeitsplatzbesichtigung bei den NSU-Werken die Auffassung vertreten hatte, daß der Kläger auch bei den dort ausgeübten Tätigkeiten hautgefährdenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei (Schreiben an die Beigeladene Nr. 2 vom 12. Januar 1967, Bl. 200 UA Bd. 1), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. März 1967 (Bl. 211 UA Bd. 1) die Gewährung einer Entschädigung ab, weil der Kläger auch bei den NSU-Werken mit hautschädigenden Stoffen in Berührung komme und somit ein Berufswechsel, wie ihn der Gesetzgeber bei Schaffung der gesetzlichen Bestimmungen über Berufskrankheiten beabsichtigt habe, nicht als vollzogen anerkannt werden könne.
Gegen den vorgenannten Bescheid hat der Kläger Klage erhoben. Durch Urteil vom 19. März 1970 (Bl. 57 GR Bd. 1) hat das Sozialgericht (SG) Heilbronn nach Beiziehung verschiedener Auskünfte und Gutachten die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. - richtig: 22. - März 1967 verurteilt, die Hauterkrankung des Klägers als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anzuerkennen und dem Kläger ab 1. August 1964 Rente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Zu Unrecht habe die Beklagte einen Berufswechsel verneint. Denn der Kläger sei wegen seiner Hauterkrankung von der Firma W weggegangen und bei den NSU-Motorenwerken eingetreten. Bei seiner Tätigkeit in der Roller-Montage und der Achsenfertigung bei der Firma NSU sei er den hautschädigenden Einwirkungen nicht mehr ausgesetzt gewesen. Erst durch die Versetzung in die Kontrolle der Gießerei sei er wieder mit schädigenden Substanzen in Berührung gekommen. Zu dieser Zeit - 1960 - sei der Berufswechsel vom Fliesenleger zum Metallarbeiter längst vollzogen gewesen und zwar in der Zeit zwischen Oktober 1958 und Frühjahr 1960. Der Versicherungsfall sei mit dem 1. August 1964 eingetreten, da der Kläger den Beruf als Fliesenleger habe aufgeben müssen und Metallarbeiter geworden sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, die Hauterkrankung des Klägers sei während seiner Beschäftigung bei der bei ihr versicherten Firma M weder schwer noch wiederholt rückfällig gewesen. Deshalb habe sie auch durch den bindend gewordenen Bescheid vom 26. März 1958 die Gewährung einer Rente abgelehnt. Die späteren Erkrankungen seien bei Unternehmen aufgetreten, für die sie nicht zuständig sei. Im übrigen müsse der Versicherungsfall auf den 24. September 1968, dem Tag, an dem der Kläger seine Tätigkeit bei der Firma NSU aufgegeben und sich zum technischen Zeichner habe umschulen lassen, festgelegt werden. Denn seine früheren Tätigkeiten bei diesem Betrieb seien alle hautgefährdend gewesen. Für die Firma NSU sei jedoch die Beigeladene Nr. 1, die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG, der zuständige Versicherungsträger, so daß diese dem Kläger Rente zu gewähren habe. Nach dem Abkommen der Unfallversicherungsträger vom 23. Oktober 1957 sei nämlich die BG desjenigen Unternehmens zuständig, in dem der Versicherte im Zeitpunkt der Geltendmachung seines Anspruchs tätig sei oder zuletzt tätig gewesen sei. Hieran ändere auch die jetzt gültige Vereinbarung vom 9. Mai 1969 nichts, da auf Fälle, die noch nicht bindend oder rechtskräftig entschieden worden seien, das frühere Abkommen Anwendung finde. Außerdem sei der Rentenbeginn vom SG willkürlich festgelegt worden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Beschluß vom 9. August 1971 (Bl. 102 Gerichtsakten Bd. 2) die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG sowie die Württembergische Bau-BG beigeladen.
Die Beigeladene Nr. 1, die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG, hat vorgetragen, die Chromat-Allergie, die Ursache der Hautkrankheit sei, habe der Kläger während seiner Tätigkeit in Unternehmen, die bei der Beklagten versichert gewesen seien, erworben. In diesem Zusammenhang müsse darauf hingewiesen werden, daß nach der Vereinbarung über die Übernahme der Entschädigungslast bei gewerblichen Hauterkrankungen vom 9. Dezember 1942 idF vom 24. Oktober 1957 Voraussetzung für die Zuständigkeit sei, daß der Versicherte die Berufskrankheit durch eine Tätigkeit in mehreren, zur Zuständigkeit verschiedener BGen gehörenden Unternehmen erworben habe. Nach ihrer Ansicht habe aber allein die Tätigkeit bei der bei der Beklagten versicherten Firma M die Berufskrankheit beim Kläger verursacht. Abgesehen davon, daß eine hautgefährdende Tätigkeit bei den bei ihr versicherten NSU-Werken gar nicht nachgewiesen sei, seien die dort bis 1968 ausgeübten Tätigkeiten wegen der kurzen Einarbeitungszeit als Hilfsarbeitertätigkeiten und somit nicht als "Beruf" im Sinne der Rechtsprechung anzusehen.
Die Beigeladene Nr. 2 hat erklärt, es könne letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger bei dem bei ihr versicherten Unternehmen, der Firma W hautgefährdend gearbeitet habe, da entweder die Beklagte oder die Beigeladene Nr. 1 für die Entschädigung zuständig seien. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 46 der 6. BKVO sei anzuerkennen, sobald der Erkrankte die berufliche Beschäftigung aufgegeben habe und jeglichen Kontakt mit hautgefährdenden Stoffen meide. Die BG, in deren Bereich das letzte Tatbestandsmerkmal erfüllt sei, sei zur Entschädigung verpflichtet. Da der Kläger noch während seiner Tätigkeit bei den NSU-Werken mit hautgefährdenden Stoffen in Berührung gekommen sei, sei ihre - der Beigeladenen Nr. 2 - Zuständigkeit nicht gegeben.
Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und unter Abänderung des angefochtenen Bescheides die Beigeladene Nr. 1 verurteilt, dem Kläger wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 11. April 1966 bis 3. März 1967 und vom 23. September 1968 bis auf weiteres Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Mai 1974).
Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Zuständig für die Gewährung der Leistung sei die Beigeladene Nr. 1, da der Kläger im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles bei einem bei der Beigeladenen Nr. 1 versicherten Unternehmen tätig gewesen sei.
Aus dem Bescheid der Beklagten vom 22. März 1967, mit dem diese ihre Entschädigungspflicht abgelehnt habe, weil der Kläger trotz der am 1. Dezember 1958 bei den NSU-Werken aufgenommenen Tätigkeit weiterhin mit hautgefährdenden Stoffen in Berührung komme, ergebe sich, daß die Beklagte lediglich über die Zeit ab 1. Dezember 1958 entschieden, der bindend gewordene Bescheid vom 26. März 1958 seine Bindungswirkung für die Zeit davor somit nicht verloren habe.
Nach der Rechtsprechung sei aber neben der Schwere oder wiederholten Rückfälligkeit der Krankheit sowie dem Zwang zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit Voraussetzung für die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit, daß der Versicherte später nicht hautgefährdend tätig werde. Eine Aufgabe der beruflichen Beschäftigung nach Nr. 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO könne daher grundsätzlich nur angenommen werden, wenn der Versicherte nach der Berufsaufgabe eine Beschäftigung ausübe, bei der er nicht mit hautgefährdenden Stoffen in Berührung komme. Diese Voraussetzung habe im Falle des Klägers nicht vor Beginn der Umschulung zum technischen Zeichner am 23. September 1968 vorgelegen.
Abgesehen davon, daß der Kläger während seiner Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei der Firma W vom 18. Juli 1957 bis 30. November 1958 - wie sich später herausgestellt habe - hautgefährdend tätig gewesen sei, habe die Beklagte die Ansprüche des Klägers insofern durch ihren Bescheid vom 26. März 1958 bindend abgelehnt.
Auch erfülle die am 1. Dezember 1958 aufgenommene Arbeit bei den NSU-Werken objektiv nicht die Merkmale der Berufsaufgabe, da es sich auch hierbei um hautgefährdende Tätigkeiten gehandelt habe. Erst mit Beginn der Umschulungsmaßnahme am 23. September 1968 sei eine echte Berufsaufgabe vollzogen, durch die der Versicherungsfall und somit auch die Entschädigungspflicht eingetreten sei.
Jedoch könne beim Vorliegen triftiger Gründe das Merkmal des tatsächlich vollzogenen Berufswechsels als Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht gefordert werden, weil sich sonst eine Überforderung des Versicherten ergeben würde. Ein solcher triftiger Grund liege u. a. in Mitteilungen des Versicherungsträgers über die Unbedenklichkeit einer Beschäftigung oder - wenigstens vorläufigen - Zahlung von Entschädigungsleistungen. Denn aus ihnen könne und dürfe - der in der Regel medizinisch und juristisch nicht vorgebildete - Versicherte entnehmen, daß gegen die derzeitige Tätigkeit keine medizinischen oder versicherungsrechtlichen Bedenken und Einwendungen bestünden. Danach habe aber der Kläger zumindest seit der Aufnahme der Arbeit als Gießerei-Kontrolleur am 1. Januar 1961 triftige Gründe für die Beibehaltung seiner Beschäftigung bei der Firma NSU gehabt.
Bereits das Schreiben der Beklagten vom 6. April 1966 enthalte keinen Vorbehalt oder einschränkenden Hinweis bezüglich der Art der Beschäftigung oder des Arbeitsplatzes des Klägers. Vielmehr habe der Kläger aus der Gewährung eines Entschädigungsvorschusses durch die Beklagte und dem Hinweis auf die noch zu klärende Zuständigkeit entnehmen dürfen, daß abgesehen von der Frage der zuständigen BG alle Voraussetzungen für eine Entschädigung vorlägen und er damit hinsichtlich seiner derzeitigen Beschäftigung keinerlei Einschränkungen unterliege. Auch aus der Mitteilung der Beklagten über die Gewährung einer vorläufigen Fürsorge vom 9. Februar 1967 habe der Kläger den Schluß ziehen dürfen, daß außer der Zuständigkeitsfrage alle Voraussetzungen für eine Entschädigungsleistung gegeben seien und er einen echten Berufswechsel vorgenommen habe. Aufgrund dieser Schreiben habe der Kläger einen triftigen Grund gehabt, die für die Anerkennung seiner Hauterkrankung als Berufskrankheit erforderliche Aufgabe der hautgefährdenden Tätigkeit nicht zu vollziehen. Der Versicherungsfall sei deswegen auch ohne die tatsächliche Berufsaufgabe eingetreten und zwar mit Kenntnis des Schreibens der Beklagten vom 6. April 1966. In analoger Anwendung von § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) sei davon auszugehen, daß dem Kläger dieses Schreiben am 11. April 1966 zugegangen sei, so daß ihm von diesem Zeitpunkt an eine Entschädigungsleistung zustehe. Der festgestellte triftige Grund sei jedoch mit Kenntnis des Schreibens der Beklagten vom 28. Februar 1967 weggefallen, in dem ihm das Ergebnis der Arbeitsplatzbesichtigung mitgeteilt und er darauf hingewiesen worden sei, daß er auch jetzt noch eine hautgefährdende Tätigkeit ausübe. Der Leistungsentziehung stehe auch nicht § 622 RVO entgegen, da diese Vorschrift voraussetze, daß die frühere Leistungsfeststellung durch einen förmlichen Bescheid geschehe. Einen solchen förmlichen Bescheid stelle jedoch die Mitteilung vom 8. Februar 1967 nicht dar.
Der Entschädigungsanspruch des Klägers setze erst mit der tatsächlichen Berufsaufgabe am 23. September 1968, dem Tag, an dem der Kläger seine Umschulung zum technischen Zeichner begonnen habe, wieder ein. Zwar könne die Beigeladene Nr. 1 dagegen geltend machen, daß der Versicherungsfall aufgrund triftiger Gründe - dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 12. November 1957 - bereits im November 1957 eingetreten sei, also zu einer Zeit, als der Kläger eine bei der Beklagten versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Der Senat vertrete aber die Ansicht, daß in erster Linie der Versicherungsträger leistungspflichtig sei, in dessen Unternehmen der Versicherungsfall aufgrund eines tatsächlichen und nicht nur eines durch Rechtsschein fingierten Berufswechsels eingetreten sei. Außerdem sei im vorliegenden Fall nach § 4 Abs. 1 und 3 der Vereinbarung der BGen über die Lastenverteilung vom 9. Mai 1969, der gemäß § 17 Abs. 1 auch auf noch nicht rechtskräftig entschiedene Fälle Anwendung finde, diejenige BG zuständig, auf die die letzte gefährdende Beschäftigung entfalle. Das sei aber die Beigeladene Nr. 1. Hieran ändere auch § 17 Abs. 2 Satz 2 nichts, wonach die gegenüber früher geänderten Zuständigkeitsvorschriften auf Fälle vor dem Inkrafttreten der neuen Vereinbarung anwendbar blieben. Denn das Abkommen vom 23. Oktober 1957 erkläre die BG für entschädigungspflichtig, die im Zeitpunkt der Anmeldung von gerechtfertigten Ansprüchen für den Versicherten zuständig sei. Das sei aber die Beigeladene Nr. 1, da ein gerechtfertigter Anspruch des Klägers erst ab 11. April 1966 bestanden habe.
Zwar sei zuzugestehen, daß neben dem tatsächlichen Berufswechsel das Verhalten der Beklagten vorübergehend einen Entschädigungsanspruch ausgelöst habe. Dieses Verhalten müsse sich aber die Beigeladene Nr. 1 entgegenhalten lassen, weil die Beklagte mit ihrem Wissen die vorläufige Fürsorge übernommen habe.
Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene Nr. 1 die zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, zum Zeitpunkt des Erlasses des bindenden Bescheides der Beklagten vom 26. März 1958 seien bereits alle Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt gewesen. Mit der Arbeitsunfähigkeit ab 9. November 1957 habe der zweite Rückfall vorgelegen, so daß die Erkrankung wiederholt rückfällig gewesen sei. Durch die Aufgabe des erlernten Berufs des Fliesenlegers bei der Firma M habe der Kläger die weitere Voraussetzung für die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK) erfüllt. Dem stehe auch nicht entgegen, daß diese Arbeit - wie sich später herausgestellt habe - auch hautgefährdend gewesen sei. Denn weder der Staatliche Gewerbearzt noch die Beklagte hätten gegen diese Tätigkeit Bedenken geäußert.
Nach den Arbeitshinweisen zu § 4 der Vereinbarung der gewerblichen BGen vom 8. Februar 1973, die auch für die noch nach der alten Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 3 der Vereinbarung vom 9. Mai 1969 zu beurteilende Fälle zu beachten seien, solle eine neue berufliche gefährdende Beschäftigung bedeutungslos bleiben, wenn - wie im Falle des Klägers - dem Versicherten die Gefährdung im neuen Beruf nicht bekannt gewesen sei und er die neue Tätigkeit auf Veranlassung der BG, des Arbeitsamtes usw. aufgenommen habe. Diese Zuständigkeitsregelungen sollten auch vom Gericht als verbindlich angesehen werden (vgl. auch Urteil des 5. Senats des BSG in SGb 1973, 459). Überdies sei diese Auslegung des Begriffs "Aufgabe der beruflichen Beschäftigung" allein sinnvoll und gerecht und stehe auch mit der Rechtsprechung im Einklang. Danach habe aber der Kläger bereits seine berufliche Beschäftigung aufgegeben, als er am 18. Juli 1957 eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei der Firma W aufgenommen habe. Die von ihm danach ausgeübte Tätigkeit stelle eine Hilfsarbeitertätigkeit dar, die erst nachträglich als hautgefährdend erkannt worden sei.
Selbst wenn das LSG zu Recht den Versicherungsfall auf den 23. September 1968 festgelegt hätte, so sei es nicht rechtmäßig, sie - die Beigeladene Nr. 1 - zur Gewährung von Rente für einen früheren Zeitraum, nämlich vom 11. April 1966 bis 3. März 1967 zu verurteilen. Dasselbe LSG habe nämlich entschieden (Breithaupt 1969, 454), daß der Versicherungsträger, der die vorläufige Fürsorge gewähre, dem Verletzten die Leistungen auch dann weiter zu gewähren habe, wenn er unzuständig sei und zu Unrecht einen Arbeitsunfall bejaht habe.
Die Beigeladene zu 1 hat eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vorgelegt, die ihren Vortrag angeblich stütze.
Sie beantragt,
unter Aufhebung bzw. entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen in der Vorinstanz, insbesondere im Ergebnis auf Klagabweisung, hilfsweise nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG auf Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zu erkennen. Jedoch begehrt sie die Klagabweisung nur gegenüber sich selbst.
Der Kläger hat innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist sinngemäß Anschlußrevision eingelegt, indem er beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen des Klägers beim Landessozialgericht zu erkennen, hilfsweise den Rechtsstreit an das Landessozialgericht Stuttgart zurückzuverweisen.
Er schließt sich der Begründung der Beigeladenen zu 1) an und ist der Auffassung, daß schon mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma W der Berufswechsel vollzogen und bereits 1957 seine Hautkrankheit wiederholt rückfällig gewesen sei. In Fällen, in denen - wie bei ihm - ein Berufswechsel von den zuständigen Stellen empfohlen worden sei, könne dem Versicherten nicht dadurch ein Nachteil entstehen, daß er die Hautgefährdung der neuen Arbeit nicht erkannt habe.
Demgegenüber beantragt die Beklagte,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Auffassung des LSG hinsichtlich der Zuständigkeit für zutreffend. Die Revisionsklägerin übersehe, daß ein erst am 9. November 1957 angeblich wiederholt aufgetretenes Rezidiv nicht der Anlaß für eine schon im Juni 1957 erfolgte Berufsaufgabe gewesen sein könne.
Die Beigeladene zu 2 beantragt ebenfalls die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie meint, der Versicherungsfall sei erst dann eingetreten, wenn außer der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung auch das Vermeiden jeglichen Kontakts mit den die Hautkrankheit hervorrufenden Noxen gewährleistet sei. Daher sei aufgrund der auf diesen Fall anzuwendenden Lastenverteilungsvereinbarung, die von der Revisionsklägerin unrichtig interpretiert werde, die BG entschädigungspflichtig, in deren Mitgliedsbetrieb der Kläger zuletzt hautgefährdend tätig gewesen sei. Das sei die Beigeladene zu 1.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - einverstanden erklärt.
II.
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beigeladenen Nr. 1 und des Klägers ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 162, 164 SGG). Sie mußte auch Erfolg haben.
Zu Unrecht hat das LSG den "tatsächlichen" Versicherungsfall erst auf den 23. September 1968 (Beginn der Umschulung zum technischen Zeichner) festgelegt und die Beigeladene Nr. 1 als den für die Entschädigungsleistung zuständigen Versicherungsträger angesehen. Denn der Versicherungsfall ist bereits mit Ablauf des 27. Juni 1957 nach der Beschäftigung des Klägers in einem bei der Beklagten versicherten Unternehmen, der Firma M, eingetreten, wie zutreffend schon in der "Mitteilung" der Beklagten vom 9. Februar 1967 angedeutet worden ist. Die späteren Rückfälle der Chromat-Allergie, die durch Beschäftigungen des Klägers in bei den Beigeladenen Nr. 1 und 2 versicherten Unternehmen ausgelöst wurden, haben an der Entschädigungspflicht der Beklagten nichts mehr geändert (BSG 10, 286, 291; Schulte-Holthausen in BG 1939, 304, 305).
Zwischen den Beteiligten ist in der Revisionsinstanz unstreitig, daß der Kläger an einer Chromat-Zement-Allergie leidet und daß nach medizinischen Gesichtspunkten diese nunmehr als schwer bzw. wiederholt rückfällig anzusehen ist. Streitig ist lediglich der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles und damit auch der zuständige Versicherungsträger.
Dabei ist das Berufungsgericht zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Vereinbarung über die Zuständigkeit und Lastenverteilung bei Berufskrankheiten vom 9. Mai 1969 ausgegangen. Zwar können nach § 1739 RVO die Unfallversicherungsträger die Entschädigungslast unter sich verteilen, wenn die Berufskrankheit durch die Beschäftigung in mehreren Betrieben verursacht worden ist, die bei verschiedenen Unfallversicherungsträgern versichert sind. Die vorgenannte Vereinbarung findet nach § 17 Satz 1 auch auf alle Fälle Anwendung, in denen bei ihrem Inkrafttreten über die Ansprüche noch nicht bindend oder rechtskräftig entschieden ist. Nach § 17 Satz 2 gelten die gegenüber der früheren Regelung geänderten Zuständigkeitsvorschriften jedoch nur für die Fälle, in denen eine Meldung nach dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung eingegangen ist. Im vorliegenden Fall ist die Anzeige der Berufskrankheit des Klägers erstmalig bereits im Mai und Juli 1957 erfolgt, so daß die in der Vereinbarung von 1969 enthaltenen Zuständigkeitsvorschriften nicht angewendet werden können. Die bis zur redaktionellen Überarbeitung am 23./24. Oktober 1957 (vgl. Blatt 190 der LSG-Akten-, Rundschreiben VB 120/57) und auch danach geltende Vereinbarung über die Übernahme der Entschädigungslast bei gewerblichen Hauterkrankungen vom 9. Dezember 1942 (Rundschreiben RV 244/42) setzt aber voraus, daß ein Versicherter aufgrund der Nr. 19 der Anlage zur 5. BKVO vom 26. Juli 1952 (BGBl I 395) Ansprüche erhebt und daß er die Erkrankung durch seine berufliche Tätigkeit in mehreren , zur Zuständigkeit verschiedener BGen gehörenden Unternehmen erworben hat. Zwar hat der Kläger vorliegend Ansprüche nach der 5. BKVO bei der Beklagten geltend gemacht, zur Zeit der erstmaligen BK-Anzeige im Jahre 1957 galt die 5. BKVO, er hat jedoch seine Chromat-Allergie nicht in mehreren, zur Zuständigkeit verschiedener BGen gehörende Unternehmen "erworben". Denn seine Chromat-Allergie ist während seiner Beschäftigung bei dem bei der Beklagten versicherten Unternehmen M verursacht und erstmalig aufgetreten. Bei den späteren Erkrankungen handelt es sich - was von den Beteiligten in medizinischer Hinsicht auch nicht bestritten wird - lediglich um Rückfälle derselben während der Fliesenlegertätigkeit in der bei der Beklagten versicherten Firma M erworbenen Krankheit, die nur deswegen möglich waren, weil die erste Erkrankung eine Überempfindlichkeit der Haut gegen Chromate und Zement zurückgelassen hatte, die früher nicht vorhanden war. Das bedeutet aber, daß die berufsgenossenschaftlichen Vereinbarungen auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden können, weil ursächlich für die Entstehung der Berufskrankheit des Klägers ausschließlich die bei der Beklagten versicherte Tätigkeit als Fliesenleger gewesen ist, es sich also nicht um eine im Zuständigkeitsbereich mehrerer BGen erworbene Krankheit handelt. Dem entspricht auch eine Entscheidung der Schiedsstelle (BG 1936, 211), nach der nur bei einer wesentlich mitwirkenden Ursächlichkeit einer versicherten Tätigkeit gegen die dafür haftende BG ein Lastenverteilungsanspruch berechtigt ist (vgl. auch Podzun in Entschädigungspflicht, Leistungen und Ersatzansprüche bei Berufskrankheiten, Heft 32 der Schriftenreihe der Zeitschrift W zS Fortbildung und Praxis, S. 35). Eine solche wesentlich mitwirkende Ursächlichkeit einer der zeitlich später liegenden Tätigkeiten des Klägers für das Entstehen dessen Hautkrankheit liegt aber nicht vor.
In dem bei der Beklagten versicherten Unternehmen H ist auch - entgegen der Auffassung des LSG - der Versicherungsfall eingetreten.
Zwar hat der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 16. August 1957 die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit seien nicht erfüllt, da vorerst weder ein schweres noch ein wiederholt rückfälliges Hautleiden bestehe. Nach herrschender Meinung ist der Versicherungsfall bei einer Hauterkrankung im Sinne der Nr. 19 der Anlage zur 5. BKVO nicht eher gegeben, als bis die Erkrankung schwer oder wiederholt rückfällig geworden ist und bis sie zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbsarbeit zwingt (BSG in SozR § 551 RVO Nr. 4; BSG 24, 41 = SozR 3. BKVO § 12 Nr. 1; RVA in EuM 43, 100; RVA in EuM 49, 281, 283; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, 8. Aufl., Stand 1974, S. 490 m). Jedoch hat bereits das Reichsversicherungsamt - RVA - (EuM 49, 281) und ihm folgend das Bundessozialgericht - BSG - (Urteil vom 31. Mai 1967 - Az.: 2 RU 88/66 - unveröffentlicht; vgl. Brackmann aaO S. 492 q I) entschieden, daß es genügt, wenn bereits nach dem ersten Rückfall ein Berufswechsel vorgenommen wird, sofern sich dieser durch einen wiederholten Rückfall als zwingend erwiesen hat. Es hat zu der Frage, ob die Notwendigkeit des Berufswechsels in jedem Fall erst nach einer wiederholten Rückfälligkeit der Hauterkrankung eingetreten sein muß, ausgesprochen, daß die Bejahung dieser Frage zu einem "offenbar unbilligen, dem natürlichen Rechtsempfinden widerstreitenden Ergebnis" führen würde (aaO S. 282). Der Versicherte würde letzten Endes seinen Entschädigungsanspruch nur deshalb verlieren, weil er den wiederholten Rückfall nicht mehr abgewartet habe, bevor er sich zum Berufswechsel bereitgefunden habe; es also unterlassen habe, die zwingende Notwendigkeit des Berufswechsels durch den tatsächlichen Eintritt eines wiederholten Rückfalles unter Beweis zu stellen. Deshalb könne in dem Fall, in dem es (später) zu einem wiederholten Rückfall gekommen sei, nicht verlangt werden, daß der Berufswechsel erst durch den wiederholten Rückfall zwingend bedingt sei; es müsse vielmehr genügen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der wiederholten Rückfälligkeit und des Berufswechsels an sich, wenn auch nicht im unmittelbaren zeitlichen Anschluß hintereinander, gegeben seien; es genüge also, daß sich die Notwendigkeit des Berufswechsels, der bereits nach dem ersten Rückfall vorgenommen worden sei, durch den wiederholten Rückfall als zwingend erwiesen habe (aaO S. 283). Nach dieser Auffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, war die Entschädigungspflicht der Beklagten bereits mit dem ersten Rückfall des Klägers, der am 21.6.1957 eintrat, als er noch (bis 27.6.57) bei der Firma M beschäftigt war, begründet, da er deshalb den Berufswechsel vornahm und alsbald danach, nämlich schon am 9. November 1957, d. h. noch vor Erlaß des ersten (Ablehnungs-) Bescheides vom 26. März 1958, der "wiederholte" Rückfall eingetreten ist und sich dadurch - ebenso wie durch die sich anschließenden zahlreichen weiteren Rückfälle - der Berufswechsel als zwingend erwiesen hat.
Mit der Aufgabe des erlernten Berufs eines Fliesenlegers ab 27./28. Juni 1957 hat der Kläger auch die weitere Voraussetzung für die Bejahung einer BK nach Ziff. 19 der 5. BKVO erfüllt.
Für die Frage des Berufswechsels im Sinne der angeführten Vorschrift ist von dem Beruf auszugehen, durch dessen Ausübung der Versicherte sich die Erkrankung zugezogen hat, es sei denn, diese Tätigkeit war von vornherein nur als eine ganz vorübergehende Beschäftigung gedacht (BSG 18, 98 = SozR 5. BKVO Anlage 19 Nr. 3; BSG in BG 1967, 358; Brackmann aaO S. 492 p; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 19. Lieferung, Stand März 1975, Kennziffer 246, S. 6, 7; derselbe in Wege zur Sozialversicherung Heft 32, 108). Der Zwang zum Berufswechsel muß objektiv gegeben sein und grundsätzlich auch zur Aufgabe des bisherigen Berufs geführt haben. Der Versicherte muß aus dem objektiv gegebenen Zwang zum Berufswechsel auch seinerseits die Folgerungen gezogen und den ersten Teil, nämlich die Aufgabe des bisherigen Berufs, verwirklicht haben (BSG 10, 286, 290; BSG in SozR 5. BKVO Anlage 19 Nr. 4; BSG in SozR § 551 RVO Nr. 4; BSG in SGb 1960, 212; BSG in BG 1967, 358; Brackmann aaO S. 492 q; Podzun aaO Kennziffer 246 S. 8 f).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers gegeben. Wegen des Hautleidens hat er mit Ablauf des 27. Juni 1957 seinen erlernten "Beruf" als Fliesenleger aufgegeben, d. h. aus dem objektiv gegebenen Zwang zum Berufswechsel seinerseits die Folgerungen gezogen und nach Aufgabe seines erlernten Berufs andere Arbeiten aufgenommen. Dabei kann es dahinstehen, ob die vom Kläger in der Folgezeit ausgeführten Tätigkeiten z. Teil "Hilfsarbeitertätigkeiten" und damit kein "Beruf" im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstellten, da der Zwang zum Berufswechsel bereits mit der Aufgabe des gefährdenden Berufs verwirklicht, die spätere etwaige Berufsausübung für die Begründung der Entschädigungsansprüche somit grundsätzlich unerheblich ist (BSG 10, 286, 290; 18, 98, 100; Noeske in BG 1958, 203, 205; Podzun aaO Kennziffer 246, S. 10).
Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, daß die nach Aufgabe des erlernten Berufs eines Fliesenlegers ausgeübten Tätigkeiten bei den Beigeladenen Nr. 1 und Nr. 2 - rückblickend betrachtet - hautgefährdend gewesen sind. Zwar bezweckt die BKVO, den hauterkrankten Versicherten für alle Zukunft von hautschädigenden Stoffen fernzuhalten, um weitere Verschlimmerungen und Rückfälle zu vermeiden (LSG Schleswig in Breithaupt 1971, 21; Podzun aaO Kennziffer 246, S. 12). Vorliegend mußte sich aber der Kläger, der weder medizinisch noch versicherungsrechtlich vorgebildet ist, auf die Stellungnahmen des Staatlichen Gewerbearztes, das Gutachten der Hautklinik Heidelberg sowie auf die Mitteilungen der Beklagten verlassen können, wonach sowohl seine Tätigkeit bei der Firma W als auch bei den NSU-Werken als "nicht hautgefährdend" angesehen wurden. Insoweit ist der vom BSG im 10. Band (BSG 10, 286) entwickelte Grundsatz, nach dem ein Berufswechsel ausnahmsweise nicht erforderlich ist, wenn triftige Gründe den Versicherten nötigen, einstweilen in diesem Beruf weiterzuarbeiten, entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, daß dem Versicherten hautgefährdende Beschäftigungen dann nicht zum Nachteil gereichen können, wenn gegen deren Aufnahme weder vom Versicherungsträger noch vom Staatlichen Gewerbearzt oder einer sonst zuständigen Stelle Bedenken geäußert, diese sogar als nicht hautgefährdend bezeichnet worden sind. Denn auch insoweit würde es eine Überforderung des Versicherten darstellen - in dieser Hinsicht ist dem LSG grundsätzlich zuzustimmen - (vgl. BSG 10, 286, 291), wenn er zur Vermeidung eines Rentenentzugs genötigt wäre, die nach dem Berufswechsel ergriffene neue Tätigkeit unverzüglich wieder aufzugeben, weil sie sich entgegen der Meinung der zuständigen Stellen doch als ebenfalls hautgefährdend erweist. Es geht nicht an, ihn einerseits zur Aufgabe seines erlernten Berufs zu veranlassen und ihm andererseits ein solches unvertretbares Risiko aufzubürden. Nach dem Sinn und Zweck der hier anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften ist es daher geboten, dem Erkrankten in einem solchen Fall nach dem erforderlichen Berufswechsel ausnahmsweise die Entschädigung zunächst so lange weiterzugewähren, bis ihm eine tatsächlich nicht hautgefährdende Tätigkeit zugewiesen oder er in eine solche umgeschult werden kann; das ist im vorliegenden Fall der 23. September 1968 (Beginn der Umschulung zum technischen Zeichner), von dem an dem Kläger unstreitig Rente zusteht. Wollte man anders verfahren, so würde man den Unfallversicherten für Fehler und Unzulänglichkeiten, die dem Staatlichen Gewerbearzt, den Sachverständigen und den Versicherungsträgern unterlaufen, in unzulässigerweise haftbar machen.
Der Versicherungsfall ist somit bereits mit Ablauf des 27. Juni 1957, dem Tage der Aufgabe des erlernten Berufs des Fliesenlegers in dem bei der Beklagten versicherten Unternehmen M eingetreten, so daß die Beklagte die für die Entschädigung zuständige BG ist. An ihrer Entschädigungspflicht haben, wie bereits dargelegt, auch die späteren Rückfälle des Hautekzems des Klägers, die durch dessen Tätigkeiten in bei den Beigeladenen Nr. 1 und Nr. 2 versicherten Unternehmen ausgelöst wurden, nichts mehr geändert (vgl. BSG 10, 286, 291; Schulte-Holthausen in BG 1939, S. 304, 305).
Der Entschädigungspflicht des Beklagten steht auch nicht deren bindend gewordener Bescheid vom 26. März 1958 entgegen. Zwar hat die Beklagte durch diesen Bescheid die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit abgelehnt, da die Erkrankung weder schwer noch wiederholt rückfällig sei noch zur Aufgabe des Berufs oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen habe. Spätestens in der Mitteilung der Beklagten vom 9. Februar 1967 über die Gewährung einer vorläufigen Fürsorge für Erkrankte gemäß § 1735 RVO ist jedoch ein "Zugunstenbescheid" nach § 627 RVO zu sehen, wobei im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob nicht ein solcher bereits in dem Schreiben der Beklagten vom 6. April 1966 enthalten ist. Nach der vorgenannten Vorschrift hat der Träger der Unfallversicherung, wenn er sich bei erneuter Prüfung davon überzeugt, daß die Leistung zu Unrecht ganz oder teilweise abgelehnt ist, diese neu festzustellen. Maßgebend bei der Prüfung, die auch von Amts wegen vorgenommen werden kann (Lauterbach, Unfallversicherung, Bd. II, 3. Aufl., Stand Dezember 1974, Anm. 3 zu § 627 RVO) ist dabei die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des früheren Bescheides (BSG 19, 38, 44; 26, 89, 91; RVO Gesamtkommentar Bd. II, Stand Dezember 1971, Anm. 1 zu § 627 RVO; Lauterbach aaO Anm. 5 zu § 627 RVO). Der Bescheid nach § 627 RVO hat neben der materiell-rechtlichen Regelung zur Folge, daß der Rechtsweg, der vorher durch einen bindenden Bescheid verschlossen war, erneut eröffnet wird, die Bindung des früheren Bescheides also beseitigt wird (vgl. auch RVO Gesamtkommentar aaO Anm. 1 zu § 627 RVO).
Die Beklagte unterrichtete den Kläger in der Mitteilung vom 9. Februar 1967, daß ihm eine Entschädigung gemäß § 1735 RVO gewährt werde, weil die Feststellungen über die Frage des Vorliegens einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit ergeben hätten, daß eine Berufskrankheit nach Ziff. 46 der Anlage zur 6. BKVO anzuerkennen sei, die während der Beschäftigung in dem bei ihr versicherten Unternehmen und bei anderen Tätigkeiten erworben worden sei. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, daß für die Entschädigung entweder sie - die Beklagte - oder ein anderer Versicherungsträger zuständig sei. Darin liegt - zumindest unter den Umständen des vorliegenden Falles - ein Anerkenntnis des Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach (vgl. RVO Gesamtkommentar Bd. III, Stand Mai 1974, Anm. 1 zu § 1735 RVO; LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1969, 454, 455). Hinsichtlich der Rechtsnatur der vorläufigen Fürsorge hat das LSG Baden-Württemberg (Breithaupt 1969, 456) die Auffassung vertreten, daß es sich hierbei nicht um eine Leistung sui generis handele, die von vornherein befristet sei oder etwa unter dem Vorbehalt stehe, erst nur eine Entscheidung über den Grund des Anspruchs treffen zu wollen, sondern nur - wie sich aus der Aufnahme dieser Vorschrift im 3. Abschnitt des 6. Buches der RVO ergebe - eine besondere Art des Verfahrens bei Streit mehrerer Unfallversicherungsträger über die Entschädigungspflicht sei; sie setze demgemäß sogar voraus, daß die Entschädigungspflicht anerkannt werde. Demgegenüber hat der 2. Senat des BSG (Urteil vom 29. Juni 1971 - Az.: 2 RU 35/69 - unveröffentlicht) eine so weitgehende Bindungswirkung der vorläufigen Fürsorge abgelehnt, weil es sich um eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Leistung handele. Welcher Rechtsansicht zu folgen ist, kann vorliegend dahinstehen, da die Verpflichtung der Beklagten zur Entschädigung nicht aus einer Bindungswirkung hergeleitet, sondern aufgrund sachlich-rechtlicher Prüfung ausgesprochen wird. Die vom Revisionsgericht im vollen Umfang nachprüfbare Auslegung der Willenserklärung (vgl. BSG 24, 162, 164 mit weiteren Nachweisen) der Beklagten ergibt eindeutig, daß ihre Mitteilung rechtlich jedenfalls ein begünstigender Verwaltungsakt ist. Sie stellt eine Maßnahme dar, die die Beklagte in Ausübung hoheitlicher Gewalt zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung getroffen hat. Die Beklagte hat nämlich dadurch die zwischen ihr und dem Kläger bestehenden öffentlich-rechtlichen Beziehungen in der Weise neu geregelt, daß sie dem Kläger jetzt unter Anerkennung einer Hautkrankheit als Berufskrankheit bis auf weiteres eine vorläufige Fürsorge von 30 v. H. gewährte. Daß die Beklagte mit dieser Mitteilung den Kläger nicht nur über den Stand der Ermittlungen unterrichten wollte, ergibt sich außerdem daraus, daß sie das Schreiben ausdrücklich erst nach Abschluß der erforderlichen Feststellungen abgesandt und darin auch die Höhe der zu gewährenden Fürsorge festgesetzt und eine genaue Abrechnung erteilt hat. Der Annahme eines Verwaltungsaktes steht schließlich nicht entgegen, daß die Mitteilung keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt (vgl. BSG 3, 251, 254; BSG in Breithaupt 1961, 118, 120; BSG 24, 162, 165). Ist somit die Mitteilung vom 9. Februar 1967 als begünstigender Verwaltungsakt anzusehen, so hat die Beklagte damit gemäß § 627 RVO ihren bindenden ablehnenden Bescheid vom 26. März 1958 zurückgenommen. Der Bescheid vom 9. Februar 1967 tritt damit an die Stelle des früheren bindend gewordenen Bescheides, der von Anfang an - ex tunc - aufgehoben wird (vgl. BSG 19, 93, 95), so daß an sich die neu festgestellte Leistung von Anfang an zu gewähren, d. h. nachzuzahlen ist (BSG 19, 93, Lauterbach aaO Anm. 7 h zu § 627 RVO).
Da der Kläger vorliegend jedoch erst ab 1. August 1964 einen Anspruch auf Rentengewährung geltend gemacht hat (vgl. SG-Urteil S. 4 und Anträge vor dem LSG), ist das Gericht an diese Anspruchsbeschränkung gebunden und darf nur in diesem Rahmen entscheiden, d. h. über den geltend gemachten Anspruch nicht hinausgehen (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Bd. II, 4. Aufl., Anm. 2 b zu § 123 SGG).
Auf die Revision der Beigeladenen zu 1 und die Anschlußrevision des Klägers war deshalb das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, wobei gemäß § 193 Abs. 4 SGG die Aufwendungen der Körperschaften bzw. der Beigeladenen zu Nr. 1 und 2 nicht erstattungsfähig sind.
Fundstellen