Entscheidungsstichwort (Thema)
Endgültige Lösung des betrieblichen Zusammenhangs. Fahrt zur Familienwohnung
Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Versicherte wegen der Dauer und Art der eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verrichtungen endgültig von der versicherten Tätigkeit gelöst, so besteht auch dann kein Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Wegeunfall auf derselben Wegstrecke ereignet hat, die der Versicherte auch ohne Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen hätte zurücklegen müssen.
Normenkette
RVO § 550 S. 1 Fassung: 1971-03-18, S. 3 Fassung: 1971-03-18
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der 1942 geborene Kläger, der in O. beschäftigt war und dort eine Unterkunft hatte, erlitt am Samstag, dem 27. Mai 1972, auf der Bundesautobahn D.-G. in der Gemarkung H.-S. nach 19.00 Uhr mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) einen Verkehrsunfall, bei dem er sich verschiedene Verletzungen zuzog. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der Fahrt von N. nach P., wo seine Familie wohnte. Er war am Freitag, dem 26. Mai 1972, nach Arbeitsende gegen 15.15 Uhr zunächst zu einer am gleichen Tage stattfindenden Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter nach N. gefahren, wo er auch übernachtete. Am Unfalltag besuchte er dort noch seinen Vater und trat dann am Nachmittag die Fahrt zu seiner Familienwohnung an, von wo er, wie gewöhnlich, am darauffolgenden Montag an seinen Arbeitsplatz in O. zurückzukehren beabsichtigte. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens herrschte bei Tageslicht starker Regen mit starken Sturmböen, weshalb auf der Fahrbahn das Wasser etwa 2 cm hoch stand. Der Kläger kam von der Fahrbahn ab, als sein Pkw plötzlich seitlich ausbrach und gegen die mittlere Leitplanke stieß. Hierbei wurde er aus dem Pkw herausgeschleudert. Mit Bescheid vom 27. November 1972 lehnte die Beklagte eine Unfallentschädigung ab, da sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht auf einer versicherten Familienheimfahrt nach § 550 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO), sondern auf dem Wege von einem privaten Aufenthalt in N. nach P. befunden habe. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, er fahre an den Wochenenden von seiner O. Unterkunft nie freitags sogleich nach Büroschluß zu seiner Familie, sondern erst Samstagmorgens, da ihm eine rund vierstündige Heimfahrt am Freitag nicht zuzumuten sei. Zweck seiner Fahrt am Unfalltag von N. nach P., die er nachmittags ausgeruht angetreten habe, sei es gewesen, seine Familie am Wochenende zu besuchen; im übrigen habe er sich im Unfallzeitpunkt auf dem direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnung befunden.
Das Sozialgericht (SG) hat am 29. März 1973 die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen des Unfalls die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 6. Februar 1974 das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, der Kläger, der in O. erst seit dem 1. Januar 1972 beschäftigt gewesen sei und dort ein Appartement innegehabt habe, habe zum Zeitpunkt des Unfalls seine Familienwohnung und damit seinen Lebensmittelpunkt noch in P. gehabt. Dort hätten seine Ehefrau und seine beiden minderjährigen Kinder gewohnt. Nach seinen glaubhaften Angaben sei er an den Wochenenden jeweils samstags morgens zu seiner Familie gefahren und montags an den Arbeitsort zurückgekehrt. Die innere Verbundenheit mit der Familienwohnung sei somit nicht aufgehoben gewesen. Gleichwohl sei im Unfallzeitpunkt eine Lösung von der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eingetreten gewesen, da sich der Kläger nach den gesamten Umständen des Falles nicht mehr auf einer mit dem Betrieb zusammenhängenden Fahrt vom Ort der Tätigkeit zur Familienwohnung befunden habe. Bei Fahrten zur Familienwohnung nach § 550 Satz 3 RVO brauche kein derartig enger zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit zu bestehen, wie bei gewöhnlichen Heimfahrten nach Arbeitsschluß im Sinne des § 550 Satz 1 RVO. Ein Versicherter sei nach § 550 Satz 3 RVO grundsätzlich bei jeder Fahrt vom Ort der Tätigkeit zu seiner Familienwohnung gegen Unfall versichert. Dies sei auch dann der Fall, wenn er zB wochentags nach Dienstschluß oder etwa aus unvorgesehenen familiären Gründen erst am Sonntag zu seiner Familienwohnung fahre. Andererseits stehe eine Fahrt zur Familienwohnung im allgemeinen erst dann nicht mehr unter Versicherungsschutz, wenn eine längere Zeit nach Beendigung der Betriebsarbeit vergangen sei, in der sich der Versicherte eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten in einem solchen Umfang gewidmet habe, daß die Fahrt als Rückfahrt von dieser Tätigkeit anzusehen sei, zB nach einem nicht am Ort der Betriebsstätte verbrachten Urlaub. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Kläger am Freitag, dem 26. Mai 1972, nach Büroschluß entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nicht in O. geblieben, um am nächsten Morgen nach P. zu fahren, sondern er sei in entgegengesetzte Richtung nach dem rund 170 km entfernten Nordenham gefahren, um an einer Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter teilzunehmen. Am nächsten Tag, dem Unfalltag, habe er die Fahrt nach P. erst nachmittags angetreten, nachdem er zuvor noch seinen ebenfalls in Nordenham wohnenden Vater besucht hatte. Damit habe er zusätzlich etwa 350 km zurückgelegt, dh etwa die gleiche Entfernung wie von O. nach P. (ca 360 km). Damit habe er aber nach Beendigung seiner Betriebstätigkeit eindeutig eigenwirtschaftliche Verrichtungen in einem solchen Umfang verfolgt, daß die zum Unfall führende Fahrt als Rückfahrt von dieser Tätigkeit und nicht als Familienheimfahrt im Sinne des § 550 Satz 3 RVO anzusehen sei. Der Umstand, daß er sowohl auf der Fahrt von N. nach P. als auch von O. nach P. teilweise dieselbe Wegstrecke zurückzulegen habe und auf diesem Teil des Weges verunglückt sei, genüge für sich allein nicht, um den Versicherungsschutz zu begründen. Bei dieser Sach- und Rechts*-lage komme es nicht mehr darauf an, ob andere unternehmensfremde Gründe, insbesondere eine durch die Teilnahme an einer Familienfeier bedingte Übermüdung im Zusammenwirken mit dem festgestellten Restalkoholgehalt von 0,41 Promille, wesentliche bzw alleinige Unfallursachen gewesen seien. Vorsorglich werde aber festgestellt, daß keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß der Versicherungsschutz durch Alkoholeinwirkung oder Übermüdung ausgeschlossen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt, mit der er ua vorträgt, nach der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung könne der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit vernünftigerweise nicht deshalb unterbrochen sein, weil der Arbeitnehmer zB am Freitagabend noch in einer benachbarten Gaststätte zu Abend gegessen, ein Glas Bier getrunken und vielleicht noch einige Runden Skat gespielt habe. Durch diese sicher eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten ändere sich nichts an der Interessenlage. Treffe dies aber zu, dann könne es keinen Unterschied machen, ob der Arbeitnehmer statt abends die Kneipe gegenüber seiner Wohnung aufzusuchen, eine Gaststätte in etwas größerer Entfernung aufsuche, wenn er sich nur anschließend zur Nachtruhe begebe und danach seine Heimfahrt zur Familienwohnung antrete. Dieser Fallgruppe sei auch der vorliegende Fall vergleichbar. Zumindest müsse dies dann gelten, wenn sich der Unfall auf dem Wegstück ereignet habe, welches ohnehin zur Heimfahrt zwischen Arbeitsplatz und Familienwohnung benutzt werden müsse. Versicherungsschutz würde nach der Auffassung des LSG wohl auch bestehen, wenn der Kläger noch am Freitagabend oder am Morgen des Samstag von N. nach O. zurückgekehrt wäre, um in seiner Unterkunft zB die Schmutzwäsche mitzunehmen oder an seinem Arbeitsplatz eine Nachricht zu hinterlassen. Es könne aber, vom Schutzzweck der §§ 548, 550 Satz 3 RVO und auch von der Belastung der Unfallversicherer aus gesehen, keinen Unterschied machen, ob der Kläger nunmehr von N. kommend auf der Autobahn weiter in Richtung P. gefahren sei oder ob er statt dessen in O. die Autobahn verlassen hätte und kurz zu seiner Unterkunft zurückgekehrt wäre, um seine Fahrt in Richtung P. fortzusetzen. Eine Unterscheidung dieser beiden Fällen wäre formalistisch. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, daß sich der Unfall auf einer familienbedingten Heimfahrt vom Arbeitsplatz zugetragen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Darmstadt vom 6. Februar 1974 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. November 1972 zu verurteilen, ihm aus Anlaß des Unfalls vom 27. Mai 1972 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend und meint, irgendein nur kurzer Aufenthalt in O. hätte nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen können; grundsätzlich sei der Rückweg von einer Verrichtung unfallversicherungsrechtlich genauso zu beurteilen wie der Hinweg. Die Fahrt von O. über N. nach P. sei unfallversicherungsrechtlich als eine Einheit anzusehen, die nicht von der Absicht, zur Familienwohnung nach P. zu fahren, geprägt und bestimmt gewesen, sondern beherrscht und charakterisiert worden sei durch die eigenwirtschaftliche Teilnahme an der Geburtstagsfeier der Schwiegermutter und den Besuch beim Vater.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die form- und frist*-gerecht eingelegte und begründete Revision ist durch Zulassung statthaft, in der Sache jedoch nicht begründet.
Nach § 550 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Nach Satz 3 dieser Vorschrift in der Fassung vom 1. April 1971 (vgl § 2 Nr 1 und § 5 des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 - BGBl I 237 - früher Satz 2 -) schließt der Umstand, daß der Versicherte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat, die Versicherung auf dem Weg von und nach der Familienwohnung nicht aus. Die ab 1. Januar 1974 geltende Neufassung des § 550 RVO in 3 Absätze durch § 15 Nr 1, § 19 des 17. Rentenanpassungsgesetzes vom 1. April 1974 (BGBl I, 821) spielt hier keine Rolle, da sich der Unfall 1972 ereignet hat.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber, wie der 2. Senat in der vom LSG zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. August 1968 - 2 RU 118/66 - (vgl BG 1969, 195) früher schon ausgesprochen hat, 3 Punkte des Weges als rechtlich wesentlich festgelegt: die Arbeitsstätte, die Unterkunft und die Familienwohnung. Die Anwendung dieser Vorschrift hängt jedoch davon ab, daß es sich bei dem Ziel der Hinfahrt bzw dem Ausgangspunkt der Rückfahrt um die "Familienwohnung" handelt. Für Fahrten von und nach der Familienwohnung gelten aber, wie Lauterbach (Unfallversicherung, 3. Aufl, Stand Dezember 1974, Anmerkung 26 zu § 550 RVO) mit Recht hervorhebt, die gleichen Grundsätze über den Zusammenhang der Fahrt mit der Beschäftigung im Betrieb über Umwege und die Lösung des Zusammenhangs wie für die frühere Vorschrift des § 545a Abs 1 RVO (in der Fassung vom 14. Juli 1925), dh wie für sonstige Wege "nach und von der Arbeitsstätte". Das ergibt sich schon daraus, daß Satz 3 des § 550 RVO mit seiner negativen Formulierung nur einen Unterfall des Satzes 1 dieser Vorschrift darstellt, indem der hiernach bestehende Versicherungsschutz auf den Sonderfall der vom Beschäftigungsort getrennten Familienwohnung ausgedehnt wird. Allerdings gestattet es diese Sonderregelung, zB an den Zeitpunkt der Heimfahrt weniger strenge Anforderungen zu stellen, da es diese Vorschrift ermöglicht, rechtlich die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Beweggründe für die Fahrt "weitgehend" unberücksichtigt zu lassen (vgl BSG 1, 171, 173 und Entscheidung des 2. Senat des BSG vom 28. August 1968 aaO; vgl ferner BSG in SozR neue Folge 22 00 § 550 RVO Nr 2). Deshalb bestehen gegen die Auffassung des LSG, daß der Kläger nicht unbedingt schon am Freitag nach Dienstschluß, sondern uU auch am Samstag, dem 27. Mai 1972, an dem sich der Unfall ereignete, eine nach § 550 Satz 3 RVO unfallversicherte Fahrt von seinem Beschäftigungsort in O., an dem er ein Appartement innehatte, zum Wohnort seiner Familie in P., wo sich der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse befand, hätte antreten können, keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken, insbesondere angesichts der weiten Entfernung zwischen O. und P. (vgl BSG 2, 78; 20, 110; Lauterbach aaO, Anmerkung 20 bis 23 sowie Anmerkung 26 zu § 550 RVO). Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch nicht gegeben. Da für Fahrten von und nach der Familienwohnung im übrigen die gleichen Grundsätze wie im Fall des § 550 Satz 1 RVO gelten, ist in Zweifelsfällen - wie dem vorliegenden - stets zu prüfen, ob die am Freitag angetretene und am Samstag fortgesetzte Fahrt in dem nach dem Gesetz notwendigen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat (vgl auch SozR 2200 § 550 RVO Nr 2). Das LSG hat dies verneint, weil es sich um die Rückfahrt von einer eigenwirtschaftlichen und deshalb unversicherten Tätigkeit gehandelt habe. Daß die Fahrt des Klägers in einer zum Vergleich der Fahrt von P. entgegengesetzten Richtung nach dem rund 170 km entfernten N., um an einer Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter teilzunehmen und dort auch zu übernachten, mit der versicherten Tätigkeit im Sinne des § 550 Satz 3 RVO nicht in einem inneren Zusammenhang stand, bedarf keiner näheren Erörterung. Das gleiche gilt für den am Samstag vorgenommenen Besuch bei dem in N. lebenden Vater des Klägers. Das LSG hat aber auch die danach am Nachmittag des Unfalltages fortgesetzte Fahrt von N. nach P. als unversicherten "Rückweg" angesehen. Dazu hat es unangegriffen festgestellt, daß der Kläger, ehe er die Heimfahrt nach P. am Samstagnachmittag antrat, zusätzlich etwa 350 km zurückgelegt habe, womit aus eigenwirtschaftlichen Gründen etwa die gleiche Entfernung wie von O. nach P., die ca 360 km betrage, zurückgelegt worden sei.
Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß der Rückweg von einer nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden und deshalb eigenwirtschaftlichen Verrichtung grundsätzlich - ebenso wie diese - nicht unter Unfallversicherungs (UV)-Schutz steht (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1. bis 8. Aufl 1975 Bd II, Seite 486h I), weil Hin- und Rück-*weg grundsätzlich gleich zu werten sind, der Rückweg zur Wohnung also das rechtliche Schicksal des Hinweges teilt (Lauterbach aaO, Anmerkung 10 und 29 zu § 550 RVO; vgl ferner Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Stand Mai 1975, Kennziffer 070, Seite 7). Demgemäß hat der 2. Senat des BSG in BSG 1, 171, 173 (mit weiteren Nachweisen) ausgesprochen, daß die Besuchsfahrt des Klägers zu seinen Eltern "als eine Einheit behandelt werden muß", weshalb die von dort angetretene Rückfahrt zum Arbeitsort als unversichert angesehen wurde, obwohl das Ziel der Fahrt die Arbeitsstätte war. In BSG 8, 53, 56 hat dieser Senat an der Rechtsprechung festgehalten, daß ein Weg, dessen Ziel die Arbeitsstätte ist, dann nicht unter Versicherungsschutz steht, wenn es sich um den Rückweg von einer Verrichtung handelt, die mit der versicherten Tätigkeit nicht in rechtlich wesentlichem Zusammenhang steht. Der von einem anderen Ort angetretene Weg - dort von einem bis in die Morgenstunden dauernden Schützenfest aus - zur Arbeitsaufnahme war demnach als unversichert angesehen worden, weil einer der in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle nicht gegeben war (vgl zu solchen Ausnahmen: SozR Nr 10 zu § 550 RVO - Rückfahrt von privatem Aufenthalt außerhalb des Wohnortes wegen dringender betrieblicher Angelegenheiten - und SozR Nr 26 und 40 zu § 543 RVO aF sowie Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1974 (8 RU 102/74) - UV-Schutz bei Wegen, die zur Überbrückung einer betrieblich bedingten Wartezeit ausgeführt werden -).
Die Grundsätze über den in der Regel unversicherten Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung können aber im vorliegenden Fall deshalb nicht angewandt werden, weil sich der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht auf der "Rückfahrt" zu seinem Ausgangsort, nämlich nach O., befunden hat. Vielmehr handelte es sich um eine "Weiterfahrt" zu einem anderen Ort - nach P. -. Hier ist deshalb der Grundsatz, daß Hin- und Rück-*weg grundsätzlich gleich zu werten sind, bzw der Rückweg zur Wohnung - bzw zur Arbeitsstätte - das rechtliche Schicksal des Hinweges teilt, nicht anwendbar.
Der Versicherungsschutz war auf der unfallbringenden Fahrt jedoch deshalb ausgeschlossen, weil sich der Kläger bei Antritt und Durchführung der Fahrt am Freitag vor dem Unfalltag bereits endgültig von der betrieblichen Tätigkeit gelöst hatte. Diese Fahrt hatte zunächst nicht die Familienwohnung in P. zum Ziel, vielmehr ist der Kläger nur wegen der Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter bzw des Besuchs des Vaters in entgegengesetzter Richtung nach N. gefahren. Es lag daher nicht etwa ein Umweg oder kurzer Abweg (Unterbrechung) von einer Fahrt zur Familienwohnung vor (vgl dazu auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. November 1974 - 8 RU 310/73 in SozR 2200 § 550 RVO Nr 3 bzw § 549 RVO Nr 1 - mit weiteren Nachweisen - und Urteil des 2. Senats des BSG in SozR Nr 12 zu § 543 RVO aF, wo für einen Umweg bei einer ganz geringen Abweichung in entgegengesetzter Richtung UV-Schutz verneint wurde; ferner aaO Nr 33, wo das gleiche für einen Umweg mit dem Motorrad, der in 3 Minuten zurückzulegen war, ausgesprochen wurde). Noch viel weniger handelte es sich um eine geringfügige Unterbrechung des Weges (vgl SozR Nr 28 zu § 543 aF). Vielmehr war der Zusammenhang dieser Fahrt mit der versicherten Tätigkeit, dh mit der an sich unfallgeschützten Fahrt zur Familienwohnung angesichts der hier gegebenen Umstände, dh nach Dauer und Art der Fahrt nach N. und der Weiterfahrt nach P., die rechtlich und tatsächlich eine "Einheit" bildeten (vgl dazu die Ausführungen weiter oben), endgültig gelöst (vgl BSG 10, 226, 228; BSG in SozR Nr 7 zu § 550 RVO).
Ist bei einem Weg eine bestimmte Strecke oder Zeitspanne lang der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen oder durch eine eigenwirtschaftliche Verrichtung nicht mehr vorhanden, so spricht man von einer "Unterbrechung" des Weges (vgl Lauterbach aaO, Anmerkung 17 zu § 550 RVO). Eine solche Unterbrechung ist insbesondere anzunehmen, wenn der Weg dadurch verlängert wird, daß während des Weges ein anderer nicht in Zielrichtung zu einem der Grenzpunkte im Sinne des § 550 RVO eingeschoben und dieser dann wieder auf den Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgeführt wird. Dem steht der Fall gleich, in dem der Versicherte vor dem versicherten Weg eine private Verrichtung einschiebt und den "Heimweg" später antritt (vgl Brackmann aaO, S 486s I). Nach einer solchen Unterbrechung lebt der Versicherungsschutz allerdings grundsätzlich wieder auf (Brackmann aaO, S 486s II). Dies ist aber dann nicht der Fall mit der Folge, daß eine endgültige Lösung von der versicherten Tätigkeit eintritt, wenn aus Dauer und Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort der Tätigkeit (hier zur Wohnung) zu schließen ist (vgl Brackmann aaO, S 486w mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Für eine durch eine private Verrichtung vor Antritt des Heimweges eingetretene Unterbrechung gilt hinsichtlich der endgültigen Lösung vom Betrieb das gleiche (Brackmann aaO, S 486x).
Bei Prüfung der Frage, ob eine endgültige Lösung des betrieblichen Zusammenhangs eingetreten ist, sind die näheren Umstände zu berücksichtigen, welche die Art der eigenwirtschaftlichen Verrichtungen im Einzelfall kennzeichnen und von denen die zeitliche Dauer nur eines unter mehreren Wesensmerkmalen ist (vgl Urteil des 2. Senats des BSG in SozR Nr 7 zu § 550 RVO und Brackmann aaO S 486x). In der genannten Entscheidung wurde unter Hinweis auf eine BSG-Entscheidung vom 31. März 1965 (Praxis 1965, 320) betont, daß eine endgültige Lösung des Zusammenhangs anzunehmen ist, wenn dem Verhalten des Beschäftigten zu entnehmen ist, daß er - ohne seine Wohnung erreicht zu haben - bereits zur endgültigen Feierabendgestaltung übergegangen war. Eine solche endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort der Tätigkeit hat der 2. Senat des BSG ferner im Urteil vom 25. Mai 1972 (SozR Nr 18 zu § 550 RVO) bei einem Versicherten angenommen, der nach Beendigung seiner versicherten Tätigkeit fast 3 Stunden lang private Einkäufe getätigt hatte mit der Folge, daß er auf dem anschließenden Weg nach Hause nicht mehr als nach § 550 Satz 1 RVO unter Versicherungsschutz stehend angesehen wurde. Dabei wurde betont, daß bei einer Unterbrechung von etwa einer Stunde im allgemeinen keine Lösung vom Betrieb anzunehmen sei und daß auch bei einer Unterbrechung von mehr als einer Stunde uU noch Versicherungsschutz für den anschließenden weiteren Heimweg angenommen werden könne (vgl auch Brackmann aaO S 486x). Wird der Weg von dem Ort der Tätigkeit aus persönlichen Gründen mehrfach unterbrochen, so ist entscheidend auf die Unterbrechung insgesamt abzustellen (vgl Brackmann aaO S 486y).
Wendet man diese Grundsätze, denen der erkennende Senat zustimmt, auf den vorliegenden Fall an, so ist festzustellen, daß die am Freitag, dem Tag vor dem Unfall, angetretene Fahrt, die am Freitag, in der Nacht von Freitag zum Samstag und am Vormittag des Samstag eindeutig eigenwirtschaftlichen Zwecken diente (vgl dazu die obigen Ausführungen) und die dann erst am Samstag - nachmittag im Sinne einer "Weiterfahrt" schließlich bei der Familienwohnung enden sollte, durch die Art und Dauer der privaten Zwecken dienenden Unterbrechungen sich derart weit von dem in § 550 Satz 3 RVO vorausgesetzten Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit entfernte, daß eine endgültige Lösung vom Betrieb im vorerwähnten Sinn anzunehmen ist. Trotz des Umstandes, daß - wie oben erwähnt - im Falle des § 550 Satz 3 RVO bei Fahrten von und nach der Familienwohnung weniger strenge Anforderungen zu stellen sind, weil es diese Vorschrift ermöglicht, rechtlich die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Beweggründe - insbesondere am Beschäftigungsort - für die Fahrt weitgehend unberücksichtigt zu lassen, ergibt sich hier nichts anderes. Zwar wäre der Versicherungsschutz für den Kläger hiernach - anders als bei dem in SozR Nr 18 zu § 550 Satz 1 RVO entschiedenen Fall - nicht ausgeschlossen gewesen, wenn der Kläger nach Beendigung seiner versicherten Tätigkeit zunächst ca 3 Stunden lang in O. private Einkäufe getätigt und dann oder erst am folgenden Tag die Fahrt zum Ort der Familienwohnung angetreten hätte. Die in entgegengesetzter Richtung angetretene Fahrt nach dem rund 170 km entfernten N. und die mehreren dort an zwei Tagen verrichteten privaten Betätigungen geben der Fahrt aber nach Art und Dauer dieser Unterbrechung einen solchen Charakter, daß die schließliche Weiterfahrt von N. nach P. wegen einer hierdurch bedingten endgültigen Lösung von der versicherten Tätigkeit nicht mehr nach § 550 Satz 3 RVO unter Versicherungsschutz stand. Da dies für die gesamte Strecke von N. nach P. gilt, ist es unerheblich, daß der Kläger auf derselben Wegstrecke verunglückte, die er auch auf der Fahrt von O. nach P. zurückzulegen gehabt hätte. Denn die endgültige Lösung tritt - anders als bei einer bloßen Unterbrechung des Weges oder bei einem Umweg, aber ähnlich wie im Fall der Trunkenheit (vgl dazu Brackmann aaO S 486y I ff) - unabhängig davon ein, auf welcher späteren Wegstrecke der Unfall eintrat.
Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger von N. nach O. zurückgekehrt wäre und von dort unverzüglich oder später die Heimfahrt nach P. angetreten hätte, war nicht zu entscheiden, weil ein solcher Fall - wie oben schon erwähnt - hier nicht vorliegt.
Da das Urteil des LSG nach alledem im Ergebnis nicht zu beanstanden war, konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Fundstellen