Leitsatz (redaktionell)
Bei Klagen gegen Entscheidungen der Berufungskommission für die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis nach ÄErsKVtr § 6 Nr 7 vom 1963-07-20 ist nicht die KÄV, sondern allein die Berufungskommission passiv prozeßführungsberechtigt.
Normenkette
SGG § 70 Nr. 4 Fassung: 1955-08-17; EKV-Ä § 6 Nr. 7 Fassung: 1963-07-20
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 1968 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27. Januar 1965, mit dem dem Kläger die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis widerrufen wurde.
Der Kläger ist seit dem 10. Februar 1953 als Arzt in Kiel niedergelassen und seit dem 13. April 1954 an der Ersatzkassenpraxis als praktischer Arzt beteiligt.
Der Kläger war seit 1951 vertretungsweise als Arzt im Strafgefängnis und in der Untersuchungshaftanstalt in K tätig. Seit Oktober 1957 arbeitete er dort als Vertragsarzt und seit Mai 1958 als Beamter auf Probe. Nach Ablegung der Amtsarztprüfung im Jahre 1964 wurde er vom Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein als Regierungsmedizinalrat in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen.
Mit Zustimmung des Landesministers der Justiz übte er seine private Allgemeinpraxis (mit Ersatzkassenzulassung) auch weiter aus. Nach Anhörung des Klägers widerrief die Beteiligungskommission der Beklagten durch Beschluß vom 27. Januar 1965 die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis. Der Widerspruch blieb erfolglos. Die Klage gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hat das Sozialgericht abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen: Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 des Arzt/Ersatzkassenvertrages vom 20. Juli 1963 (EKV-Ärzte 1963) seien nicht mehr erfüllt. Nach den Gesamtumständen des Falles könne nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger seine Tätigkeit ganz oder überwiegend, d.h. mehr als die Hälfte, freiberuflich ausübe. Aufgrund seines Anstellungsverhältnisses bei dem Strafgefängnis und der Untersuchungshaftanstalt in K müsse er seine Arbeitskraft überwiegend dieser Dienststelle zur Verfügung stellen. Ihm sei lediglich die Ausübung einer Nebentätigkeit gestattet worden. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Der Kläger hat dennoch dieses Rechtsmittel eingelegt und u.a. gerügt, richtige Beklagte sei die Berufungskommission. Dies um so mehr, als das LSG die Ersatzkassenverbände zu dem Verfahren nicht beigeladen und diese deshalb von einer Mitwirkung ausgeschlossen habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 1968 und des Urteils des Sozialgerichts Kiel vom 23. November 1966 den Beschluß der Beteiligungskommission vom 27. Januar 1965 in Gestalt des Beschlusses der Berufungskommission vom 25. Oktober 1965 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Sie ist ebenfalls der Ansicht, daß im Beteiligungsverfahren passivlegitimiert nicht die KÄV sei, sondern die Berufungskommission. Sie meint nur, daß vor der Entscheidung des Senats vom 28. Mai 1968 - 6 RKa 2/68 - in derartigen Fällen die KÄV als passivlegitimiert angesehen worden sei.
II
Die Revision ist zulässig und begründet.
Das Verfahren des LSG leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); der Kläger hat zutreffend gerügt, daß das LSG zu Unrecht die KÄV als passiv prozeßführungsbefugt angesehen hat. Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 1968 (BSG 28, 84, 85) erkannt hat, ist in einem Rechtsstreit, in dem eine Entscheidung der Berufungskommission für Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis nach § 6 Nr. 7 des EKV-Ärzte 1963 in der ab 1. Oktober 1963 geltenden Fassung angefochten wird, die Berufungskommission die richtige Beklagte und allein prozeßführungsbefugt.
Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 70 Nr.4 SGG. Wie der Senat in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, verleiht diese Bestimmung u.a. den nach § 368 b Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu errichtenden Berufungsausschüssen die Fähigkeit, am Verfahren beteiligt zu sein. Wegen der funktionellen und institutionellen Ähnlichkeit der Berufungsausschüsse mit der Berufungskommission nach § 6 Nr. 7 EKV-Ärzte 1963 kann für diese nichts anderes gelten. Bei der Berufungskommission, deren Entscheidung nach dem Willen der Partner des erwähnten Vertrages als Widerspruchsbescheid gilt (vgl. § 6 Nr. 10 aaO), handelt es sich um ein Gremium, das im Einzelfall an Weisungen insbesondere der KÄV nicht gebunden ist. Dies ergibt sich allein schon aus der Zusammensetzung. Nach dem Inkrafttreten des EKV-Ärzte 1963 waren die Verwaltungsstellen von Rechts wegen sowohl mit Kassenärzten als auch mit Vertretern der Krankenkasse zu besetzen (§ 6 Nr. 1 EKV-Ärzte 1963). Das gilt insbesondere für die Berufungskommission (§ 6 Nr. 7 EKV-Ärzte 1963). Die Ersatzkassen haben ab diesem Zeitpunkt also nicht "bewußt darauf verzichtet, bei der Auswahl der für sie tätigen Ärzte mitzuwirken". Die KÄV ist nicht befugt, über den Prozeßstoff zu verfügen oder gar die Entscheidung der Berufungskommission zu "kassieren". Das Wort "bei" in § 6 Nr. 7 EKV-Ärzte 1963 läßt erkennen, daß die Kommission der KÄV nur organisatorisch angegliedert, aber nicht in die KÄV eingegliedert ist. Daß demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht fällt, daß § 6 Nr. 6 EKV-Ärzte 1963 anders als § 368 b Abs. 4 RVO ausdrücklich nur dem am Verfahren beteiligten Arzt und dem Verband der Angestellten-Ersatzkassen e.V. (VdAK) das Recht einräumt, gegen die Entscheidung der Beteiligungskommission Widerspruch bei der Berufungskommission einzulegen, und weiter nur vorgesehen ist, das dem Arzt und dem VdAK schriftlich mitzuteilen (§ 6 Nr. 5 Satz 3, § 6 Nr. 11 EKV-Ärzte 1963), hat der Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 1968 (aaO) näher ausgeführt. Darauf kann deshalb vorwiesen werden.
Nach alledem leidet das Verfahren des LSG an einem wesentlichen Mangel.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses - im Wege der Klageänderung - die Möglichkeit hat, die Berufungskommission als die richtige Beklagte, die zugleich allein prozeßführungsbefugt ist, einzuführen (BSG 8, 113, 114, 115).
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen