Leitsatz (amtlich)

1. In Streitigkeiten um die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis, die Entscheidungen des Beteiligungs-Beschwerdeausschusses nach den "Richtlinien der KZBV über die Beteiligung an der Vertragstätigkeit" (ErsKVtr-Zahnärzte Anl 5 vom 1963-11-29) betreffen, wirken in den Kammern und Senaten für die Angelegenheiten des Kassenzahnarztrechts nur Kassenzahnärzte als ehrenamtliche Beisitzer mit (Ergänzung zu BSG 1959-11-27 6 RKa 4/58 = BSGE 11, 102).

2. Die Regelung in Nr 1 Buchst b der Richtlinien der KZBV über die Beteiligung an der Vertragstätigkeit ("Richtlinien 1969"), wonach Vertragszahnarzt werden kann, wer in eigener Praxis niedergelassen ist, seine Tätigkeit ganz oder überwiegend freiberuflich ausübt und nicht auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitskraft überwiegend Dritten zur Verfügung stellen muß, verletzt nicht GG Art 12.

3. Ein niedergelassener Zahnarzt, dessen Arbeitskraft durch ein Beschäftigungsverhältnis überwiegend in Anspruch genommen und der deshalb von der Regelbeteiligung an der Ersatzkassenpraxis nach den "Richtlinien 1969" ausgeschlossen ist, kann ausnahmsweise beteiligt werden, wenn die Beteiligung zur ausreichenden Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen erforderlich erscheint.

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1953-09-03; GG Art. 12 Fassung: 1956-03-19; EKV-Z

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Beschlüsse des Beteiligungsausschusses vom 22. März 1967 und des Beteiligungsbeschwerdeausschusses vom 14. Juni 1967 sowie die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 13. März 1968 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Dezember 1970 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist Zahnarzt und seit dem 1. Oktober 1963 beim Landesverband der Ortskrankenkassen Niedersachsen in Hannover als leitender Beratungszahnarzt angestellt. Seine Besoldung erfolgt nach Gruppe A 15 der Niedersächsischen Besoldungsordnung. Der Kläger übt an seinem Wohnsitz, einer 15 km nordwestlich von H gelegenen Gemeinde (R), eine zahnärztliche Privatpraxis aus. Er begehrt die Beteiligung an der zahnärztlichen Versorgung von Ersatzkassenmitgliedern. Einen entsprechenden Antrag vom 16. Dezember 1966 lehnte der nach dem Ersatzkassenvertrag/Zahnärzte vom 29. November 1963 zuständige Beteiligungsausschuß durch Beschluß vom 22. März 1967 ab: Eine Beteiligung des Klägers an der Vertragstätigkeit dürfe nach Abschnitt II 4 c der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung über die Beteiligung an der zahnärztlichen Vertragstätigkeit von 1963 (Richtlinien 1963) nicht ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller aus einem Beamten- oder Angestelltenverhältnis oder aus einer Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung für Zahnärzte und Dentisten ein regelmäßiges Einkommen von bestimmter Höhe habe; die Bestimmungen in § 27 a der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte und Kassendentisten vom 9. Mai 1935 (ZO-Zahnärzte 1935) fänden hierbei sinngemäß Anwendung mit der Maßgabe, daß die in § 27 a Abs. 1 und 2 festgesetzten Beträge um 50 v.H. auf 600 DM bzw. 150 DM bzw. 75 DM erhöht würden. Der Kläger habe aber ein darüber liegendes Einkommen bezogen und beziehe es auch noch.

Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Abschnitt II 4 c der Richtlinien 1963 sei trotz der Bezugnahme auf § 27 a ZO-Zahnärzte 1935 eine rechtswirksame Vorschrift, die bei der Entscheidung über die Beteiligung an der Vertragstätigkeit zu beachten sei. Da der Kläger aber die dort festgesetzte Einkommensgrenze unstreitig überschreite, sei seine Beteiligung an der Vertragstätigkeit zu Recht abgelehnt worden. Er könne einen Anspruch auf Beteiligung auch nicht aus § 20 Abs. 1 der Zulassungsordnung für Zahnärzte vom 28. Mai 1957 (ZO-Zahnärzte 1957) herleiten, da diese Vorschrift lediglich die Zulassung oder Beteiligung von Zahnärzten zur kassenzahnärztlichen Versorgung im Sinne des § 368 der Reichsversicherungsordnung (RVO) betreffe, für die Beteiligung eines Zahnarztes an der Ersatzkassenpraxis dagegen ausschließlich der Ersatzkassenvertrag/Zahnärzte mit seinen Anlagen gelte. Schließlich geböten auch Gründe des Gemeinwohls keine Beteiligung des Klägers entgegen bestehenden Vorschriften. Es könne dahingestellt bleiben, ob in der Wohngemeinde des Klägers hinsichtlich der kassenzahnärztlichen Versorgung ein Notstand bestehe. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei der Kläger nicht derjenige Zahnarzt, dessen Beteiligung zur Beseitigung des Notstandes unabweisbar sei. Sein Beitrag zur Beseitigung des angeblich in Resse bestehenden Notstandes - er würde sich auch nur auf die zahnärztliche Versorgung von Mitgliedern der Ersatzkassen und deren Familienangehörigen beziehen - sei nicht so wesentlich, daß unabweisbar gerade seine Beteiligung an der Vertragstätigkeit zu erfolgen habe.

Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen diese Auffassung des LSG: Es habe zwar eingeräumt, daß ein zahnärztlicher Notstand einen Grund des Gemeinwohls darstelle, der ein dem Ersatzkassenvertragsrecht/Zahnärzte übergeordnetes Recht sei, habe aber zu Unrecht den Standpunkt vertreten, daß, wenn ein solcher Notstand in Resse bestehen sollte, nicht der Kläger derjenige Zahnarzt sei, dessen Beteiligung zur Beseitigung des Notstandes unabweisbar wäre. Der Kläger stehe sonnabends ganztägig, also bis zu 8 Stunden, und an den übrigen Werktagen ab 17 Uhr, d.h. wenigstens je 3 Stunden, insgesamt also wöchentlich mindestens 23 Stunden zur zahnärztlichen Versorgung zur Verfügung. Im Bedarfsfall könne diese Zeit noch bis auf etwa 30 Stunden erhöht werden. Damit sei auch ohne vorherige Ermittlungen über die Frage des zahnärztlichen Notstandes und ohne Ermittlungen über die spezielle Behandlungskapazität des Klägers ohne weiteres ersichtlich, daß er wöchentlich mehrere Dutzend Patienten zahnärztlich versorgen könne, nämlich Patienten, die sonst nicht oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten anderweitig zahnärztlich versorgt werden könnten. Das stelle aber einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung des Notstandes dar. Darüber hinaus müßten die im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Dezember 1966 (6 RK 1/64) zur Zulassung eines Zahnarztes zu den RVO-Kassen herausgestellten übergeordneten Gesichtspunkte auch auf die Beteiligung zur Ersatzkassenvertragstätigkeit entsprechend Anwendung finden.

Der Kläger beantragt,

die Beschlüsse der Beklagten vom 22. März und 14. Juni 1967 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. März 1968 aufzuheben, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Dezember 1970 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger gemäß § 2 des VdAK-Vertrages vom 29. November 1963 an der Vertragstätigkeit zu beteiligen,

hilfsweise,

die Beteiligung auf den Niederlassungsort Resse zu beschränken.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Beide halten die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten für zutreffend.

II

Die Revision ist begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Frage einer Beteiligung des Klägers an der Versorgung von Ersatzkassenmitgliedern als Vertragszahnarzt abschließend entscheiden zu können.

Der erkennende Senat hat vorab geprüft, ob er mit zwei Bundessozialrichtern aus dem Kreis der Kassenzahnärzte als ehrenamtlichen Beisitzern vorschriftsmäßig besetzt ist. Er hat diese Frage im Anschluß an seine Entscheidung in BSG 11, 102, 105 bejaht. Bei der Abgrenzung der Angelegenheiten des Kassenarztrechts (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) von denen der Kassenärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darauf abzustellen, ob der angefochtene Verwaltungsakt in den Aufgabenbereich der kassenärztlichen Selbstverwaltung fällt oder ob er zum Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) und der Krankenkassen gehört. Als entscheidendes Merkmal für die Besetzung der Kammern und Senate hat er dabei angesehen, ob im Verwaltungsverfahren eine ausschließlich mit Kassenärzten (Kassenzahnärzten) besetzte Stelle zu entscheiden hatte oder ob auch hier Vertreter der Krankenkassen stimmberechtigt mitwirken mußten (siehe das Urteil vom 28. Mai 1968, SozR Nr. 1 zum EKV-Ärzte Allg. vom 20. Juli 1963, mit weiteren Hinweisen). Sowohl nach den "Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung über die Beteiligung an der Vertragstätigkeit" vom 28. Juni 1955 (Richtlinien 1955/63) wie auch nach denen vom 1. Februar 1969 (Richtlinien 1969), die beide jeweils als Anlage 5 gemäß § 1 Nr. 3 des EKV-Zahnärzte vom 29. November 1963 Bestandteil des Vertrages wurden, wirken bei den Entscheidungen der Verwaltungsstellen allein Zahnärzte mit.

Die bei jeder Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu bildenden Beteiligungs-Beschwerde-(Berufungs-)Ausschüsse, die zur Entscheidung über Beschwerden (Berufungen) in Beteiligungssachen gebildet werden, sind nach Abschnitt I Nr. 10 Buchst. a der Richtlinien 1955/63 und Nr. 18 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinien 1969 außer mit einem Juristen mit der Befähigung zum Richteramt mit vier Zahnärzten zu besetzen. Eine beschließende Mitwirkung der Ersatzkassen an den Beteiligungs-Beschwerde-(Berufungs-)Ausschüssen durch eigene stimmberechtigte Mitglieder sehen die Richtlinien nicht vor. Daraus folgt, daß dieses Beteiligungsverfahren nicht dem Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und der Ersatzkassen, sondern dem der kassenzahnärztlichen Selbstverwaltung zugeordnet werden muß.

Das LSG hat sich in der Sache selbst auf die Anwendung der Richtlinien 1963 beschränkt, obwohl im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG bereits die Richtlinien 1969 vorlagen und bei einer Verpflichtungsklage, die mit einer unselbständigen Anfechtungsklage verbunden ist (vgl. BSG 3, 95, 103), grundsätzlich das neue Recht zugrunde zu legen ist. Indessen kann in einem solchen Fall das alte Recht entscheidungsmaßgeblich bleiben, wenn es für den Betroffenen günstiger als das neue Recht ist und bei richtiger Anwendung diesem einen durch das neue Recht nicht in Frage gestellten Besitzstand verschafft hätte (vgl. BSG 5, 238, 241; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 10. Juni 1960 in DVBl 1960, 778 und Urt. v. 14. März 1961 in DVBl 1961, 447 sowie BGHZ 37, 179, 182 f). Dieses "Günstigkeits"-Prinzip kommt jedoch im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil dem Kläger auch nach altem Recht die Regel-Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis zu versagen war.

Hiernach (Abschn. II Nr. 4 Buchst. c der Richtlinien 1963 i.V.m. § 27 a Abs. 1 Satz 1 ZO-Zahnärzte 1935) durfte die Beteiligung an der Vertragstätigkeit nicht ausgesprochen werden, wenn der Zahnarzt "aus einem Beamten- oder Angestellten-Verhältnis oder aus einer Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung für Zahnärzte und Dentisten ein regelmäßiges Einkommen von bestimmter Höhe" hatte; beim Kläger war dies der Fall. Diese Bestimmung verfolgte ersichtlich das Ziel, die aus bestimmten Einkommensquellen gesicherten Zahnärzte zugunsten der nicht entsprechend versorgten Zahnärzte vom Wettbewerb im Rahmen der Vertragstätigkeit fernzuhalten. Ob eine solche Zulassungsbeschränkung angesichts der Grundrechtsverbürgung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verfassungsgemäß ist, erscheint fraglich, kann hier jedoch offenbleiben. Selbst wenn die genannte Bestimmung der Richtlinien 1963 verfassungswidrig wäre, könnte sie nicht einfach als rechtlich nicht vorhanden behandelt werden. Das würde vielmehr voraussetzen, daß mit Sicherheit anzunehmen wäre, die Vertragspartner des EKV-Zahnärzte 1963 würden, wenn sie sich der Verfassungswidrigkeit ihres Vertragsrechts bewußt gewesen wären, ihre Regelung auch ohne den nichtigen Teil - also in verkürzter Gestalt - erlassen haben (vgl. BSG 23, 170, 175 unter Berufung auf BVerfG 17, 148, 152). Diese Gewißheit besteht jedoch nicht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Vertragsparteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der vertraglichen Regelung anstelle der verfassungswidrigen Bestimmung eine verfassungskonforme Regelung - etwa nach Art der in die Richtlinien 1969 eingegangenen - gefunden hätten. Unter diesen Umständen aber kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger nach den Richtlinien 1963 einen Anspruch auf Regel-Beteiligung an der Vertragstätigkeit hatte.

Aber auch nach den Richtlinien 1969 hat der Kläger keinen solchen Anspruch. Nach Nr. 1 Buchst. b der genannten Richtlinien ist u.a. Voraussetzung für die Beteiligung, daß der Zahnarzt nicht auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitskraft überwiegend Dritten zur Verfügung stellen muß. Damit sind die Vertragsparteien über die Regelung der Zulassungsbeschränkung für Kassenzahnärzte in § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte hinausgegangen, wonach ein Zahnarzt für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ist, der u.a. wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in dem erforderlichen Maße zur Verfügung steht. Ausgehend von der Erwägung, daß nach dem durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Februar 1961 (BVerfG 12, 144) neu gewonnenen Verständnis des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO das "erforderliche Maß", in dem ein Kassenzahnarzt für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung zu stehen hat, allein von der sachgerechten zahnärztlichen Versorgung der Versicherten her zu bestimmen ist, kann je nach Sachlage auch ein durch ein Beschäftigungsverhältnis bereits stark in Anspruch genommener Zahnarzt für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit geeignet sein (vgl. BSG 26, 13, 14). Diese Möglichkeit schließt Nr. 1 Buchst. b der Richtlinien 1969 für einen Zahnarzt aus, der seine Arbeitskraft auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses überwiegend Dritten zur Verfügung stellen muß, wie es beim Kläger der Fall ist.

Diese Bestimmung ist rechtswirksam. Das geltende Recht verlangt keine inhaltliche Übereinstimmung der Zulassungsregelungen für Kassenzahnärzte und Vertragszahnärzte. Den Partnern des AEV-Zahnärzte ist es im Rahmen ihrer Autonomie unbenommen, die Voraussetzungen für die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis unter Wahrung der verfassungsmäßigen Schranken eigenständig zu gestalten. Diese Schranken sind bei der Normierung der Nr. 1 Buchst. b der Richtlinien 1969 beachtet worden. Als Regelung der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), die die Freiheit der Berufswahl nicht berührt, ist sie schon dann nicht verfassungswidrig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls für ihren Erlaß gegeben sind und sie für den von ihnen betroffenen Personenkreis zumutbar und nicht übermäßig belastend sind (vgl. BSG 22, 218, 220; 23, 97, 99; 26, 164, 166; 28, 73, 76 unter Berufung auf BVerfG 7, 377, 406; 11, 30, 42; 13, 181, 187; 16, 286, 297, 299). Daß die vertragszahnärztliche Beteiligung im Regelfall solchen Zahnärzten vorbehalten ist, die sich überwiegend als niedergelassene Zahnärzte in freier Praxis betätigen, ist zum mindesten unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten vertretbar. Auch kann in dem Ausschluß der Zahnärzte, deren Arbeitskraft überwiegend durch ein Beschäftigungsverhältnis gebunden ist, bei der insoweit erlaubten generalisierenden Betrachtungsweise (vgl. BSG 22, 218, 223; 26, 164, 168) keine für diesen Personenkreis unzumutbare Belastung erblickt werden, da diese Zahnärzte regelmäßig durch das Beschäftigungsverhältnis in ihrer Existenz angemessen gesichert sind.

Ist demnach dem LSG im Ergebnis darin beizutreten, daß der Kläger keinen Anspruch auf (Regel-)Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis hat, so bedarf doch die Frage seiner notstandsmäßigen Beteiligung noch einer näheren Prüfung. Für eine solche außerordentliche Beteiligung von Zahnärzten, die nach ihrer Einkommenssituation von der Regel-Beteiligung ausgeschlossen waren, bestand eine Regelung in § 27 a Abs. 1 Satz 2 ZO-Zahnärzte 1935 i.V.m. Abschn. II Nr. 4 Buchst. c der Richtlinien 1963, wonach solche Zahnärzte ausnahmsweise beteiligt werden sollten, wenn es zur ausreichenden Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen erforderlich erscheint. Zwar ist diese Notfallregelung nicht ausdrücklich in die Richtlinien 1969 aufgenommen worden. Dessen ungeachtet muß sie als ihr immanenter Bestandteil angesehen werden, da ein System zahnärztlicher Versorgung vom Versicherten ohne eine solche Regelung nicht funktionsfähig wäre, zumal die bisherige Regelung hinsichtlich der zahnärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen im Bedarfsfalle sich seit 30 Jahren bewährt hatte. Das Interesse der versicherten Bevölkerung gebietet, der Verbesserung ihrer zahnärztlichen Versorgung den Vorrang gegenüber aus der Person des dienstbereiten Zahnarztes abgeleiteten Bedenken einzuräumen, sofern diese nicht seine fachliche Eignung betreffen.

Da im vorliegenden Fall eine Reihe von Umständen für ein dringendes Bedürfnis der Versicherten nach einer Notfallbeteiligung eines Zahnarztes sprechen, ist diese Prüfung nunmehr von dem zuständigen Beteiligungsgremium nachzuholen. Deswegen waren die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1669197

BSGE, 168

NJW 1972, 1158

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?