Beteiligte
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Erteilung einer neuen Versicherungsnummer, in der als sein Geburtsjahr das Jahr 1946 ausgewiesen ist; er macht geltend, dieses Geburtsdatum entscheide auch über seine Lebensarbeitszeit.
Der in der Türkei geborene Kläger lebt seit 1972 in der Bundesrepublik Deutschland; er ist bei der beklagten Bundesknappschaft rentenversichert. Aufgrund seiner ursprünglichen Angabe, am 1. Mai 1950 geboren zu sein, führt ihn die Beklagte unter der Versicherungsnummer 80 010550 O XXX.
Im Februar 1993 legte er der Beklagten ein Urteil des Landgerichts Balikesir/Türkei vom 9. November 1992 vor, mit dem sein beim zuständigen (türkischen) Einwohnermeldeamt verzeichnetes Geburtsdatum vom 1. Mai 1950 auf das Datum 1. Mai 1946 berichtigt wird.
Das Urteil ist (nach der vom Kläger vorgelegten Übersetzung) wie folgt begründet:
„In der Klageschrift trug der Kläger beim hiesigen Gericht vor, daß sein richtiger Geburtsdatum 01.05.1946 sei, obwohl das so ist hat man ihn als geboren am 01.01.(im türkischen Original: 01.05.)1950 eingetragen. Der Kläger beantragt die Berichtigung seines Geburtsdatums.
Antwort: Die beklagte Meldebehörde bestätigt bei ihrer Antwort, daß der Kläger seine Behauptungen beweisen müsse.
Anklage und Forderung: Die Familienmeldetabelle des Klägers wurde entnommen. Der linke Arm des Klägers wurde gestempelt und zum Staatskrankenhaus – Balikesir geschickt. Dort hat man uns mitgeteilt, daß der Kläger zwischen 45-46 Jahre alt sei.
Die Zeugen des Klägers sagten unter Eid aus, daß sie den Kläger ganz gut kennen, weil sie im selben Dorf gewohnt haben. Die Eltern des Klägers haben jahrelang zusammen gelebt, bevor sie getraut wurden. Im Dorf haben alle, bevor sie getraut wurden, zusammen gelebt und Kinder gehabt. Der Kläger war, als die Eltern getraut wurden schon 4-5 Jahre alt. Der Zeuge M. G. sagte, daß seine Tochter H. auch 1946 geboren sei, aber beim Meldeamt ist sie als geboren 1948 angemeldet.
Der Staatsanwalt spricht sich in seiner Äußerung dafür, daß der Kläger seine Behauptungen bewiesen hat. Deshalb wird der Antrag des Klägers angenommen.”
Weiterhin fügte der Kläger eine Bescheinigung bei, daß er seinen Wehrdienst von Juli 1970 bis März 1972 absolviert habe und teilte mit, er habe in der Türkei keine Schule besucht.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juni 1993 sowie Widerspruchsbescheid vom 14. September 1993 den „Antrag auf Änderung des Geburtsdatums sowie der Versicherungsnummer” ab.
Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Gelsenkirchen vom 15. Juni 1994). In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, in der an ihn vergebenen Versicherungsnummer das Geburtsdatum zu berichtigen. Er hat vorgetragen, es gehe ihm nicht nur um die Versicherungsnummer, sondern auch um das tatsächliche Geburtsdatum, das ganz entscheidende Bedeutung ua auch für seine Lebensarbeitszeit habe.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Urteil vom 25. November 1994 die Berufung zurückgewiesen und sich – ebenso wie das SG – auf die Rechtsprechung des 5. Senats des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Urteile vom 4. Oktober 1992 – 5 RJ 24/92 und vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92) gestützt. Die Versicherungsnummer habe nur eine Ordnungsfunktion und diene lediglich dazu, die personenbezogene Zuordnung der Daten für die Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch zu ermöglichen. Deshalb sei der Versicherungsträger nicht gehalten, das Geburtsdatum in der Versicherungsnummer aufgrund des vom Kläger vorgelegten Urteils zu ändern. Soweit der Kläger hervorhebe, daß es nicht nur um die Versicherungsnummer gehe, sondern um das tatsächliche Geburtsdatum in der Versicherungsnummer, das korrigiert werden solle, habe gerade für diesen Fall das BSG ausgeführt, das „richtige” Geburtsdatum sei das im Zeitpunkt der Vergabe der Versicherungsnummer im Geburtenbuch eingetragene Geburtsdatum.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 147 Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) iVm § 2 Abs 1 Nr 2 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer (VNrV). Er habe Anspruch auf die Korrektur des Geburtsdatums in der Versicherungsnummer, da es unrichtig sei, wie sich aus dem Urteil des Landgerichts Balikesir ergebe. Der Versicherungsnummer komme nicht nur eine Ordnungsfunktion zu, sondern sei für ihn, insbesondere für seine Lebensarbeitszeit, von entscheidender Bedeutung. Die rechtskräftige Entscheidung des türkischen Landgerichts binde auch die Beklagte. Im übrigen führe ihn die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Krankenversicherungsträger unter seinem geänderten Geburtsdatum.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und Bescheide zu verurteilen, sein Geburtsdatum in der Versicherungsnummer dahingehend zu berichtigen, daß als Geburtsdatum der 01.05.1946 ausgewiesen ist.
Die Beklagte beantragt – unter näherer Darlegung –,
die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluß vom 31. März 1998 (B 8 KN 7/95 R) das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
- Besteht aufgrund des Rechts betreffend die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei ein auf einen türkischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anwendbares Diskriminierungsverbot auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit?
- Falls die Frage zu 1. bejaht wird, ist dieses Verbot so auszulegen, daß es einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und für die insoweit vergebene Versicherungsnummer dasjenige Geburtsdatum maßgebend ist, das in jenem Zeitpunkt urkundlich festgestellt war, als der türkische Arbeitnehmer erstmals einem nationalen Sozialleistungsträger gemeldet wurde?
Mit Urteil vom 14. März 2000 hat der EuGH (in den verbundenen Rechtssachen C-102/98 und C-211/98) für Recht erkannt:
Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, auf türkische Arbeitnehmer eine Regelung anzuwenden, nach der für die Gewährung einer Altersrente und für die insoweit vergebene Versicherungsnummer dasjenige Geburtsdatum maßgebend ist, das sich aus der ersten Angabe des Betroffenen gegenüber einem Sozialleistungsträger des betreffenden Staates ergibt, und ein anderes Geburtsdatum nur berücksichtigt wird, wenn es sich aus einer Urkunde ergibt, deren Original vor dem Zeitpunkt dieser Angabe ausgestellt worden ist.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Berichtigung seiner Versicherungsnummer mit dem durch das vorgelegte türkische Gerichtsurteil geänderten Geburtsdatum hat; ebensowenig besteht ein Anspruch auf Vorabklärung seines Anspruchs auf Altersrente dahingehend, daß jenes – geänderte – Geburtsdatum vorgemerkt bzw festgestellt wird.
Seiner rechtlichen Beurteilung legt der Senat den durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) eingefügten § 33a SGB I, in Kraft ab 1. Januar 1998 (Art 32 Abs 1 1. SGB III-ÄndG), zugrunde. Hiernach ist sowohl für die Versicherungsnummer (§ 33a Abs 3 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch ≪SGB I≫) als auch im Leistungsfall (§ 33a Abs 1 SGB I) das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten gegenüber einem Sozialleistungsträger bzw – wenn es um die nach dem Sozialgesetzbuch – Viertes Buch (SGB IV) erforderlichen Meldungen geht – gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.
Damit ist das Begehren des Klägers – jedenfalls – mit Wirkung ab 1. Januar 1998 unbegründet. Nur insoweit aber ist im Revisionsverfahren zu entscheiden. Denn der Kläger macht lediglich in die Zukunft gerichtete Ansprüche geltend. Es wäre widersinnig und verfehlte den begehrten Rechtsschutz, mit Wirkung nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum einen Anspruch des Klägers auf Neuerteilung einer Versicherungsnummer bzw Vorabklärung seines Geburtsdatums für einen künftigen Anspruch auf Altersrente zuzusprechen (zur Anwendung nach Erlaß des Berufungsurteils in Kraft getretenen Rechts in der Revisionsinstanz siehe Teilurteil und Vorlagebeschluß des Senats vom 28. Mai 1997, SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 f).
Angesichts dieser neuen Rechtslage kann der Senat offenlassen, ob SG und LSG das Begehren des Klägers zu Recht lediglich als Klage auf Erteilung einer neuen Versicherungsnummer nach § 2 Abs 1 Nr 2 VNrV aufgefaßt haben. Es kann auch offenbleiben, ob dieses Begehren – auch in der Revisionsinstanz – nicht daneben als Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung des (neuen) Geburtsdatums auszulegen ist oder zur Erteilung einer Zusicherung (§ 34 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch ≪SGB X≫), für einen Anspruch auf Altersrente das neue Geburtsdatum zugrunde zu legen. Unter Geltung des § 33a SGB I führt keine jener denkbaren Varianten zum Erfolg.
Der Senat hat keine Bedenken, § 33a SGB I auf den Fall des Klägers anzuwenden. Dieser Rechtsstreit nötigt nicht zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) (1); nach dem Urteil des EuGH vom 14. März 2000, das auf die Vorlage des Senats im vorliegenden Fall ergangen ist, widerspricht jene Bestimmung auch nicht dem europäischen Recht (2).
(Zu 1) Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß § 33a SGB I – jedenfalls in seiner Anwendung auf den Kläger (vgl BSG vom 9. Mai 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr 6) – dem GG widerspricht. Er bezieht sich insoweit auf seine Urteile vom 31. März 1998 (SozR 3-1200 § 33a Nrn 1 und 2) und sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, daß das BVerfG eine insoweit erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Beschluß vom 8. Oktober 1998 – 1 BvR 1227/98, hinsichtlich des Urteils SozR aaO Nr 2).
Die Vorschrift des § 33a SGB I verstößt insbesondere nicht gegen das durch Art 14 Abs 1 GG geschützte Eigentum (a) noch gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (b).
(Zu a) Bei dem künftigen Anspruch des Klägers auf Altersrente handelt es sich zwar um ein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Rentenanwartschaftsrecht. Der Kläger hat bis zum 31. Dezember 1997 Beiträge entrichtet, mit denen er die Wartezeit jedenfalls für die Regelaltersrente erfüllt. Damit hat er innerhalb des Rentenversicherungsverhältnisses eine Rechtsposition begründet, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zum Vollrecht erstarken konnte.
Diese durch Beitragsleistung angelegte Rechtsposition des Klägers ist durch § 33a SGB I jedoch nicht insgesamt beeinträchtigt oder entzogen worden.
Die genannte Vorschrift hat zwar in das bis zum 31. Dezember 1997 bestehende Recht des Klägers eingegriffen, bei Nachweis eines früheren Geburtsdatums (als hier dasjenige des 1. Mai 1950) auch entsprechend früher eine Altersrente zu erhalten (auf Renten wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder auf Hinterbliebenenrenten hat die Änderung keinen – unmittelbaren – Einfluß). Sie tangiert damit den Schutzbereich des Grundrechts aus Art 14 Abs 1 GG, beschränkt sich jedoch – jedenfalls für die beim Kläger vorliegende Fallkonstellation – auf die Entziehung einer noch nicht gesicherten Rechtsposition.
Denn der Kläger konnte sich bis zum Inkrafttreten des § 33a SGB I nicht darauf verlassen, daß er einen Leistungsanspruch aufgrund eines vor dem 1. Mai 1950 liegenden Geburtsdatums würde verwirklichen können. In der bis zum 31. Dezember 1997 maßgebenden Rechtsprechung war geklärt, daß die deutschen Sozialversicherungsträger und Gerichte nicht an ausländische Urteile jener Art gebunden sind, wie das Urteil, das der Kläger vorgelegt hat. Vielmehr war ein früheres als das bisher in den Unterlagen des Rentenversicherungsträgers verzeichnete Geburtsdatum im Leistungsfall ebenso wie sämtliche anderen Leistungsvoraussetzungen ggf vom Berechtigten im Einzelfall zu beweisen. Hierzu waren sämtliche erreichbaren und tauglichen Beweismittel von Amts wegen auszuschöpfen (vgl BSG vom 12. Dezember 1995, BSGE 77, 140, 141 ff = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12).
Unerheblich war insoweit, daß – nach dem von ihm vorgelegten Urteil des Landgerichts Balikesir vom 9. November 1992 – das Geburtsdatum auf den „1. Mai 1946” geändert worden war. Denn hierbei handelt es sich nicht um Eintragungen in deutsche Personenstandsbücher oder -urkunden (vgl BSGE 77, 140, 143 mit Hinweis auf die §§ 60 und 66 Personenstandsgesetz ≪PStG≫).
Im Hinblick auf diese Grundlage handelt es sich bei der Neuregelung des § 33a SGB I um eine Maßnahme, mit der der Gesetzgeber zulässigerweise Inhalt und Schranken des durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG garantierten Eigentums bestimmt hat. Er hat sich hierbei im Rahmen des insoweit als Prüfungsmaßstab geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzips gehalten. Die Maßnahme war nicht nur geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten, legitimen Ziels; sie hat auch den Kläger nicht übermäßig belastet; ihr muß daher ein Vorrang vor seinem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechts eingeräumt werden.
Die Neuregelung des § 33a SGB I als solche ist neutral gestaltet: Sie bewirkt nicht nur – mögliche – Nachteile von Versicherten, sondern kann sich auch zu deren Vorteil auswirken: Zum einen werden nunmehr auch fälschlicherweise zu frühe Geburtsdaten „festgeschrieben”, so daß sich der Rentenversicherungsträger nicht mehr darauf berufen kann, der Antragsteller auf eine Altersrente habe – entgegen seinem bisher verzeichneten Geburtsdatum – die einschlägige Altersgrenze noch gar nicht erreicht. Zum anderen kann sich ein höheres Lebensalter für Leistungsansprüche aus der Rentenversicherung auch negativ auswirken, zB dadurch, daß bei einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit die höchstens bis zum 55. oder 60. Lebensjahr anzurechnende Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Das Ziel der Neuregelung des § 33a SGB I formuliert die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/8994, S 67, zu Artikel 1a [neu]) dahingehend, daß die Regelung einerseits die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen vermeiden, andererseits aber auch den hierfür zuständigen Instanzen die mit der Abklärung der Richtigkeit des Geburtsdatums verbundene verwaltungsintensive Prüfung ersparen soll.
Insoweit könnten zwar Zweifel bestehen, ob die Regelung in der Tat erforderlich ist, um Leistungsmißbrauch zu vermeiden, da die genaue und gewissenhafte Prüfung der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen einen solchen Mißbrauch ausschließen kann. Man könnte sich allenfalls Grenzfälle vorstellen: Einzelne Versicherte könnten unter ursprünglicher Angabe eines – nachweislich – falschen Geburtsdatums, das sie jünger erscheinen ließ als in Wirklichkeit, früher Rechtsvorteile in Deutschland (Sozialleistungen ≪vgl zur Problematik geänderter Geburtsdaten für den Anspruch auf Kindergeld BSG vom 29. Januar 1985, SozR 5870 § 2 Nr 40≫/ausländerrechtliche Positionen/Erfüllung von Einstellungsvoraussetzungen beim Arbeitgeber) erschlichen haben. Diese Personen könnten sich nunmehr auf ihr tatsächliches Geburtsdatum berufen, um wiederum hieraus Vorteile zu ziehen. Jedenfalls aber ist die hier zu prüfende Neuregelung in der Tat geeignet und auch erforderlich, den hierfür zuständigen Instanzen die verwaltungsintensive (bzw die Gerichte überaus beanspruchende) Überprüfung zu ersparen, ob ein – im Regelfall Jahrzehnte zurückliegendes – Geburtsdatum zutrifft oder nicht. Der hierfür erforderliche große Überprüfungs- und Ermittlungsaufwand konnte zudem – kommt es auf Beweismittel an, wie sie dem vom Kläger vorgelegten türkischen Urteil zugrunde liegen – in den wenigsten Fällen zu einem dem Anspruchsteller günstigen Ergebnis führen (vgl Semperowitsch, MittLVA Oberfr 1989, 164, 166 f). Die Neuregelung trägt darüber hinaus dadurch zur Streitvermeidung und Befriedung bei, daß sie – von vornherein nutzlose – Manipulationsversuche vermeidet.
Auch gemessen (nur) an jenen Gesichtspunkten der Verwaltungs- (bzw allgemeinen Verfahrens-) -praktikabilität wirkt die Neuregelung des § 33a SGB I jedenfalls für den Kläger nicht übermäßig belastend. Denn er konnte sich – wie oben ausgeführt – für seine Lebensplanung oder sonstigen Dispositionen nicht auf einen Rentenbeginn – oder auf sonstige Leistungen der Beklagten – ausgehend von seinem geänderten Geburtsdatum verlassen.
Zuungunsten des Klägers wirkt sich hier schließlich aus, daß das bisher für ihn vermerkte Geburtsdatum auf einer Angabe beruhte, die – die Richtigkeit seines nunmehr durch Urteil geänderten Geburtsdatums unterstellt – schon bei Begründung seines Versicherungsverhältnisses in Deutschland für den Kläger erkennbar falsch gewesen sein mußte: Im Jahre 1972 war er nach seinen ursprünglichen Angaben 22 Jahre alt; nunmehr will er damals 26 Jahre alt, also vor allem in der Entwicklung deutlich älter gewesen sein. Auch aus diesem Grunde erscheint es nicht unzumutbar, ihn daran festzuhalten (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens: „venire contra factum proprium”).
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes vermögen im vorliegenden Fall keinen Ausschlag zugunsten des Klägers zu bewirken, da für Zwecke der Rentenversicherung das von ihm geltend gemachte, geänderte Geburtsdatum bislang noch nicht übernommen worden war und er auch keine die Beklagte bindende deutsche Geburtsurkunde mit diesem Datum erlangt hatte. Damit war er in keinem Fall Begünstigter einer Rechtsposition, auf die er (Vermögens-) Dispositionen hätte aufbauen dürfen.
(Zu b) Schließlich ist auch der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG im Falle des Klägers durch die Neuregelung des § 33a SGB I nicht verletzt. Zwar muß er – wäre er in der Tat bereits vor Mai 1950 geboren – eine Ungleichbehandlung gegenüber in Deutschland geborenen Versicherten hinnehmen: Geht man davon aus, daß das Personenstandswesen in verschiedenen ausländischen Staaten (wie im Falle des Klägers in der Türkei) nicht in gleichem Maße zuverlässig ist wie etwa das deutsche, so sind Falscheintragungen des Geburtsdatums durchaus denkbar. Macht aber eine derartige Falscheintragung den Betroffenen jünger als es seinem wahren Lebensalter entspricht, so kann er seinen Anspruch auf Altersrente (zB auf die Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres) von vornherein nicht in gleichem Maße verwirklichen wie ein Deutscher, dessen wahres Geburtsdatum sich in aller Regel bereits zweifelsfrei aus den Personenstandsunterlagen ergibt. Nunmehr wird ihm durch § 33a SGB I auch noch die Möglichkeit des Nachweises des wahren Geburtsdatums abgeschnitten.
Diese Differenzierung ist jedoch durch die mit der Gesetzesänderung verfolgten – und bereits (zu a) eingehend erläuterten – Ziele und ihre sonstigen Wirkungen gerechtfertigt: Angesichts des ohnehin – wegen der nicht verfestigten Rechtsposition – nicht erheblichen Eingriffs kommt den Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität und der Befriedungsfunktion dieser – im übrigen an sich neutralen – Neuregelung der Vorrang gegenüber den Interessen des Klägers zu.
(Zu 2) Wie der EuGH mit dem bereits zitierten Urteil vom 14. März 2000 entschieden hat, widerspricht § 33a SGB I nicht europarechtlichen Regelungen, insbesondere nicht dem insoweit einschlägigen Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (AmtsBl EG Nr C 110 vom 25. April 1983, S 60). Der EuGH hat allerdings im zitierten Urteil (dort RdNr 54) es der Beurteilung nach innerstaatlichem Recht überlassen, ob Personen aus dem Umstand, daß sie unter der Geltung früherer, weniger strenger Rechtsvorschriften einen Antrag auf Änderung ihrer Versicherungsnummer gestellt haben, Rechte für die Gewährung ihrer Altersrente herleiten können. Für die Fallgestaltung, wie sie beim Kläger vorliegt, ist diese Frage jedoch bereits durch die obigen Ausführungen (zu 1) beantwortet.
Die Entscheidung über die Kosten berücksichtigt, daß der Kläger lediglich aufgrund der zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung bereits im Revisionsverfahren unterliegt; ohne diese Neuregelung hätte sein Rechtsstreit zur Sachaufklärung (jedenfalls hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung einer neuen Versicherungsnummer) an die Vorinstanz zurückverwiesen werden müssen.
Fundstellen
DStR 2001, 1265 |
AuS 2001, 63 |