Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachversicherung. berufsständische Versorgungseinrichtung. notwendige Beiladung
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob eine Nachversicherung nach AVG § 124 Abs 6a bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder in der Angestelltenversicherung durchzuführen ist.
2. An dieser Sonderform des Nachversicherungsverhältnisses ist neben dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger der Arbeitgeber und das Versorgungswerk in der Weise beteiligt, daß eine Entscheidung, ob und wie die Nachversicherung durchzuführen ist, ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Normenkette
AVG § 124 Abs 6a Fassung: 1972-10-16, § 142 Abs 6b Fassung: 1972-10-16; SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für den Kläger an die Ärzteversorgung Nordrhein zu überweisen hat.
Die Beklagte befreite den Kläger, der Arzt ist, durch Bescheid vom 31. Juli 1962 mit Wirkung vom 25. Juni 1962 nach § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) von der Versicherungspflicht und teilte dies der Ärztekammer Nordrhein mit. Vom 30. August 1962 bis 30. September 1968 war der Kläger als wissenschaftlicher Assistent an der Universität B beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1968 wurde er zur Universität U versetzt. Aus dem Dienste des Landes Baden-Württemberg schied er am 30. April 1975 als Wissenschaftlicher Rat und Professor (apl.) aus.
Nach seinem Ausscheiden beantragte der Kläger beim Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen (LBV NW), die Nachversicherung für die Zeit vom 30. August 1962 bis 30. September 1968 bei der Ärzteversorgung Nordrhein durchzuführen. Das LBV führte die Nachversicherung jedoch - anders als das Landesamt für Besoldung des Landes Baden-Württemberg - bei der Beklagten durch. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, die Nachversicherung sei deswegen bei ihr durchzuführen gewesen, weil § 124 Abs 6a AVG nach Art 2 § 48a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) nur auf Ausscheidensfälle nach dem 31. Dezember 1972 anzuwenden sei. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage, mit der der Kläger eine Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an die Ärzteversorgung Nordrhein begehrte, gab das Sozialgericht (SG) statt, das Landessozialgericht (LSG) wies sie ab. In der Begründung des Berufungsurteils ist ausgeführt, der Kläger sei vor dem 31. Dezember 1972 aus der versicherungsfreien Beschäftigung bei der Universität B ausgeschieden. Auch ein Dienstherrnwechsel stelle ein Ausscheiden aus dem bisherigen Beschäftigungsverhältnis dar.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, er sei vom 30. August 1962 bis 30. April 1975 ununterbrochen Beamter gewesen. Daß er den Dienstherrn gewechselt habe, könne nicht entscheidend sein, zumal er seit 1962 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten befreit und Mitglied der Ärzteversorgung Nordrhein sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 10. Juni 1980 aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 14. Dezember 1979
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden, weil das Verfahren vor dem LSG an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden prozessualen Mangel leidet, der in der Revisionsinstanz nicht beseitigt werden kann. Das LSG hat nicht beachtet, daß die beantragte Überweisung der Nachversicherungsbeiträge ein Rechtsverhältnis betrifft, an dem der frühere Arbeitgeber des Klägers, das Land Nordrhein-Westfalen, und die Ärzteversorgung Nordrhein derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs 2, 1. Fall des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Der geltend gemachte Anspruch wurzelt in dem in § 124 Abs 6a, 6b AVG geregelten Rechtsverhältnis. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber auf Antrag des Nachzuversichernden, wenn dieser während der versicherungsfreien Beschäftigung Mitglied einer näher bezeichneten berufsständischen Versorgungseinrichtung war oder innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden deren Mitglied wird, den Betrag der Beiträge, der an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zu entrichten wäre, mit befreiender Wirkung an die berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu zahlen, der der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung angehört. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden zu stellen. Der gesetzlichen Regelung ist nicht ohne weiteres zu entnehmen, ob der Rentenversicherungsträger auch bei Zahlung an das Versorgungswerk über die Durchführung der Nachversicherung zu entscheiden hat, ob der Antrag beim Rentenversicherungsträger oder beim Arbeitgeber oder bei beiden gestellt werden kann und was mit den an die berufsständische Versorgung gezahlten Beiträgen zu geschehen hat. Dessen ungeachtet handelt es sich jedenfalls um eine in einer besonderen Form durchzuführende Nachversicherung. Das erhellt aus den Worten "auf Antrag des Nachzuversichernden" und aus der Begrenzung auf "den Betrag der Beiträge, der an die BfA zu entrichten wäre". An einem normalen Nachversicherungsverhältnis ist neben dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger der Arbeitgeber in der Weise beteiligt, daß eine Entscheidung, ob und wie die Nachversicherung durchzuführen ist, ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (BSGE 11, 278 f); bei der hier streitigen Sonderform tritt das Versorgungswerk hinzu. Das verdeutlicht die befreiende Wirkung der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge an die Versorgungseinrichtung. Diese befreiende Wirkung bezieht sich zunächst auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger, sie gilt aber auch im Verhältnis dieser beiden zum Versicherten. Damit können die Fragen, ob überhaupt eine Nachversicherung durchzuführen ist und an wen ggf die Beiträge zu zahlen sind, gegenüber den vier am Rechtsverhältnis Beteiligten nur einheitlich entschieden werden. Der Senat hat keine Bedenken, die im Gesetz nur unvollkommen geregelten Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten dahin aufzufassen, daß der Rentenversicherungsträger, soweit an ihn zu Unrecht gezahlt worden ist, die Nachversicherungsbeiträge unmittelbar an das Versorgungswerk auszukehren hat. Aber auch eine solche Verpflichtung kann nur allen vier Beteiligten gegenüber einheitlich beurteilt werden. Das LSG hätte somit sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Ärzteversorgung Nordrhein beiladen müssen. Das Unterbleiben einer notwendigen Beiladung ist ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung zwingender Verfahrensmangel (BSG SozR 1500 § 75 Nr 1, 21, 29, 33).
Das auf dem Verfahrensfehler beruhende Urteil des LSG muß demnach aufgehoben werden, ohne daß - mangels Beteiligung aller vom Verfahren Betroffenen - der Senat Ausführungen zur materiell-rechtlichen Seite des Rechtsstreits machen kann.
Die Kostenentscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen