Entscheidungsstichwort (Thema)
Statistischer Vergleich. Praxisbesonderheit. Anforderungen an die Begründung von Kürzungsbescheiden der Prüfungsgremien bei der Beurteilung von Praxisbesonderheiten
Orientierungssatz
Zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der Methode des "statistischen Vergleichs" - unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten - bei einem Kinderarzt, der sich auf die Behandlung mehrfach behinderter Kinder (hier: nach der Bobath-Methode) spezialisiert und beschränkt hat.
Normenkette
RVO § 368n Abs 5
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 20.07.1983; Aktenzeichen L 12 Ka 52/82) |
SG München (Entscheidung vom 24.06.1982; Aktenzeichen S 32 Ka 359/81) |
Tatbestand
Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung von Honorarkürzungsbescheiden in den Quartalen II bis IV/1979, I und IV/1980 und I/1981.
Der Kläger ist als Gebietsarzt für Kinderkrankheiten in R. niedergelassen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Er ist für die Behandlung von mehrfach behinderten Kindern nach der Bobath-Methode ausgebildet und beschäftigt ganztags eine Bobath-Therapeutin. In den streitigen Quartalen überstiegen seine Honorarforderungen diejenigen der Fachgruppe der Kinderärzte im Falldurchschnitt um 132,29 vH bis 243,45 vH. Die Zahlen der Behandlungsfälle des Klägers pro Quartal lagen zwischen 44 und 102. Mit sechs Prüfbescheiden kürzte die Prüfungskommission das Honorar, nämlich 1. für II/1979 durch Bescheid vom 3. Oktober 1979 das Honorar für Sonderleistungen um 30 %, 2. für III/1979 durch Bescheid vom 21. Dezember 1979 das Gesamthonorar um 25 %, 3. für IV/1979 durch Bescheid vom 15. April 1980 das Honorar für Sonderleistungen um 25 %, 4. für I/1980 durch Bescheid vom 3. Juli 1980 das Honorar für Sonderleistungen um 25 %, 5. für IV/1980 durch Bescheid vom 1. April 1981 das Honorar für Sonderleistungen um 20 %, 6. für I/1981 durch Bescheid vom 1. Juli 1981 das Honorar für Sonderleistungen um 40 %.
Mit seinen gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüchen hatte der Kläger keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, trotz geringer Fallzahlen sei die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers anhand des statistischen Vergleichs zu prüfen. Dies sei gerechtfertigt, weil die Vor- und Nachquartale ausnahmslos eine geringe Fallzahl, jedoch insoweit typische Überschreitungsmerkmale aufwiesen. Bei dieser typischen Betrachtungsweise bestehe keine Veranlassung, das Quartal mit den 44 Behandlungsfällen aus der gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise auszuschließen. Vielmehr ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit der Behandlung des Klägers bereits aus dem Vergleich mit den Durchschnittswerten vergleichbarer Praxen. Der Kläger müsse sich mit den Kinderärzten vergleichen lassen. In den geprüften Quartalen bestehe insgesamt und im Bereich der Sonderleistungen ein offensichtliches Mißverhältnis, weil der Kläger die Werte seiner Fachgruppe um mehr als 40 % überschreite. Allerdings seien Praxisbesonderheiten anzuerkennen, nämlich die geringen Fallzahlen, die besondere Ausbildung des Klägers für die Behandlung von mehrfach behinderten Kindern nach der Bobath-Methode, das dementsprechende ausbildungsbezogene besondere Patientengut des Klägers und die Überweisungsfälle, bei denen es sich allerdings überwiegend um Globalüberweisungen gehandelt habe, so daß der Kläger auch hier habe wirtschaftlich therapieren können. Ein Vergleich des Klägers mit den von ihm benannten Kinderärzten, die nach der gleichen Methode therapieren, sei unzulässig. Mit den von den Prüfungsgremien zutreffend herausgearbeiteten Überschreitungswerten hätten sie im Rahmen ihres Ermessensspielraums Kürzungsmaßnahmen verfügen können. Ermessensfehlerhafte Ansätze seien nicht zu erkennen. Die dem Kläger nach der Kürzung verbleibenden Überschreitungsnachsichten seien so erheblich, daß sie alle von ihm herausgestellten Praxisbesonderheiten in vollem Umfang abdeckten. Konkrete Einsparungen habe der Kläger nicht darlegen können.
Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er macht geltend, der vom LSG bestätigte statistische Vergleich sei ungeeignet, weil er erheblich weniger Patienten behandelt habe als die Fachgruppe, weil er einen Überweisungsanteil von 31 bis 52 % und einen mit keiner Praxis der Fachgruppe vergleichbaren Patientenanteil an behinderten Kindern gehabt habe. Die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise hätten die Prüfgremien anhand der einzelnen Fälle prüfen müssen. Zu Unrecht habe das LSG nicht geprüft, ob die Praxisbesonderheiten die Überschreitungen bei den Sonderleistungen rechtfertigen. Es habe auch fehlerhaft einen Ermessensspielraum schon bei der Feststellung der Unwirtschaftlichkeit angenommen. Zu den Praxisbesonderheiten und ihren Auswirkungen auf den Fallkostendurchschnitt habe das LSG keine begründete Stellung genommen. Die Therapie nach der Bobath-Methode, für die noch relativ wenige Kinderärzte ausgebildet seien, erfordere regelmäßige Anwendung in bestimmten Abständen. Durch seine Behandlung habe er Kosten der pädagogischen Frühförderungsmaßnahmen erspart. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel, das LSG sei seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nicht gefolgt. Dieses Gutachten habe er beantragt zum Beweis dafür, daß die Behandlungen nach Ziffer 725 E-GO nach den Regeln der ärztlichen Kunst indiziert und notwendig gewesen wären. Bei den behinderten Kindern hätten die erforderlichen Feststellungen auch noch im Stadium des Berufungsverfahrens getroffen werden können.
Der Kläger beantragt, das angegriffene Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Juli 1983 und die Bescheide der Beklagten vom 3. Oktober 1979 (II/79), vom 21. Dezember 1979 (III/79), vom 15. April 1980 (IV/79), vom 3. Juli 1980 (I/80), vom 1. April 1981 (IV/80) und vom 1. Juli 1981 (I/81) in der Fassung der jeweiligen Widerspruchsbescheide aufzuheben.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat insoweit Erfolg, als die Urteile der Vorinstanzen und die angefochtenen Bescheide der Beschwerdekommission aufgehoben werden und die Beklagte verurteilt wird, über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache unter Einbeziehung der vom Kläger angefochtenen Bescheide der Prüfungskommission kann der Senat nicht treffen. Der Antrag des Klägers umfaßt für diesen Fall auch das Begehren, den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die angefochtenen Bescheide der Beschwerdekommission sind rechtswidrig, weil sie von den angegebenen Gründen nicht getragen werden und deshalb nicht den besonderen Anforderungen an einen Honorarkürzungsbescheid entsprechen. Die Beschwerdekommission hatte gemäß § 15 Ziffer 6 iVm § 14 Ziffer 1 des Arzt/Ersatzkassenvertrages (EKV) als zweite Verwaltungsinstanz auf den Widerspruch des Klägers darüber zu entscheiden, ob die von der Prüfungskommission vorgenommenen Honorarabstriche rechtmäßig waren. Rechtmäßig konnten die Bescheide nur sein, wenn die ärztliche Behandlungs- und Abrechnungsweise des Klägers dem Erfordernis der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht genügte. Die Beschwerdekommission hat bei der ihr obliegenden Prüfung der Wirtschaftlichkeit anscheinend als ersten Schritt aufgrund eines statistischen Vergleichs ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen den durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe und denjenigen des Klägers angenommen. Der Senat läßt dahingestellt, ob die Begründung der Bescheide insoweit den Anforderungen des § 35 Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren- (SGB X) entspricht. Unzureichend ist die Begründung jedenfalls insoweit, als die Beschwerdekommission ohne nähere Darlegungen ausführt, die bekannten Praxisbesonderheiten seien mit der belassenen Restüberschreitung ausreichend berücksichtigt.
Die Beschwerdekommission ist mit dieser Entscheidung von einer Schätzung des durch die Praxisbesonderheiten gerechtfertigten Aufwandes ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist diese Verfahrensweise zulässig. Wenn anzuerkennende Praxisbesonderheiten vorliegen, müssen die Prüfungsinstanzen den dadurch verursachten (gerechtfertigten) Aufwand ermitteln, um beurteilen zu können, inwieweit die Fallkosten des Arztes dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechen. Sie können die Auswirkungen von Praxisbesonderheiten auf die Fallkosten im Wege der Schätzung ermitteln (BSGE 11, 102, 114 ff; 46, 136, 138; SozR 2200 § 368n RVO Nr 31). Ihnen steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu.
Im Bereich eines derartigen Beurteilungsspielraums ist die Kontrolle der Gerichte auf die Fragen beschränkt, ob die Verwaltung gegen übergeordnete Verfassungs- oder Verwaltungsgrundsätze, gegen zwingende Verfahrensregeln oder Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat, keine wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt und nicht von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtion so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl BSGE 11, 102, 118; 38, 138, 143 ff sowie 282, 289 mwN; SozR 2200 § 368n RVO Nr 31; BVerfGE 39, 197, 204).
Die Beurteilung in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden, daß die bekannten Praxisbesonderheiten mit den belassenen Restüberschreitungen ausreichend berücksichtigt seien, ist nicht in nachvollziehbarer Weise begründet; die Bescheide entsprechen insoweit nicht den Anforderungen an einen Honorarkürzungsbescheid. Aus der Begründung ist nicht erkennbar, ob die Beklagte die Beurteilungsmaßstäbe zutreffend angewendet hat. Dazu hätte es näherer Darlegungen bedurft, welche Praxisbesonderheiten anerkannt werden und wie sie sich auf die Fallkosten auswirken; im Rahmen des Möglichen hätte die Beklagte auch angeben müssen, welche Umstände und Gesichtspunkte ihrer Schätzung des Mehraufwands zugrunde liegen. Die Bescheide sind deshalb rechtswidrig.
Bei ihrer neuen Entscheidung wird die Beschwerdekommission folgendes zu beachten haben:
Die Prüfungsinstanzen haben bisher die Methode des statistischen Vergleichs angewendet (zur Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mittels des statistischen Vergleichs siehe Urteil des Senats in SozR 2200 § 368n RVO Nr 31). Dieses Verfahren ist durch die geringen Fallzahlen des Klägers nicht zwingend ausgeschlossen. Allerdings ermöglicht der statistische Vergleich nicht die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen. Er setzt deshalb voraus, daß sich nach der Fallzahl des Arztes überhaupt ein aussagekräftiger Fallkostendurchschnitt ergibt. Sind die Fallzahlen zu gering, dann fehlt es an der notwendigen Möglichkeit des Ausgleichs zwischen aufwendigen und weniger aufwendigen Einzelfällen, wobei zu berücksichtigen ist, ob sich die zu behandelnden Krankheiten mehr oder weniger unterscheiden. Die Beklagte durfte aber im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers auch in dem Quartal mit 44 Behandlungsfällen anhand des statistischen Vergleichs prüfen. Dazu war sie insbesondere deshalb berechtigt, weil im näheren zeitlichen Zusammenhang mit dem Quartal noch in 5 weiteren Quartalen erhebliche Überschreitungen bei den Sonderleistungen festzustellen waren. Die Möglichkeit des Ausgleichs zwischen aufwendigen und weniger aufwendigen Einzelfällen wird jedenfalls auch erreicht, wenn sich die dafür erforderlichen Fallzahlen unter Berücksichtigung mehrerer Quartale ergeben.
Die Beschwerdekommission kann nach der Aufhebung ihrer Bescheide durch den Senat sich aber nunmehr auch für eine andere Prüfmethode entscheiden. Die Ausführungen der Prüfungskommission, daß die Notwendigkeit des häufigen Ansatzes der Ziffern 725, 800, 807, 826, 835 E-GO aus den verzeichneten Diagnosen nicht immer ersichtlich sei, deutet auf die praktische Möglichkeit der Einzelfallprüfung hin. Wenn sich aus den eigenen Diagnosen des Arztes die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise ergibt, können die Prüfungsinstanzen ihre Entscheidung darauf stützen. Zur Einzelfallprüfung hat sich auch der Kläger in der Revisionsinstanz geäußert.
Es ist gerechtfertigt, den Kläger als Kinderarzt beim ersten Schritt der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der statistischen Methode mit den Kinderärzten zu vergleichen. Der Beteiligung des Klägers als Kinderarzt an der ärztlichen Versorgung der Versicherten entspricht seine Pflicht, die Versicherten und die Familienhilfeberechtigten im Rahmen seines Fachgebiets zu behandeln. Da sich der Kläger nach seiner kassenärztlichen Aufgabe grundsätzlich nicht von anderen Kassenärzten seiner Fachgruppe unterscheidet, darf die Beklagte davon ausgehen, daß er eine im Durchschnitt mit der Fachgruppe annähernd gleichartige Patientenschaft mit annähernd gleichartigen Krankheiten versorgt. Damit wird die Berücksichtigung von Abweichungen der Praxisgegebenheiten von denjenigen der Fachgruppe nicht ausgeschlossen. Die Beklagte muß aber nicht wegen solcher Abweichungen engere Vergleichsgruppen bilden. Entscheidend ist allein, daß solche Umstände wie eine vom Durchschnitt in erheblicher Weise abweichende Patientenschaft oder besondere - medizinisch anerkannte - Behandlungsweisen als Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden (vgl BSGE 50, 84, 87). Dies kann in einem zweiten Prüfungsschritt nach dem Vergleich mit der Fachgruppe geschehen.
Wenn sich beim statistischen Vergleich ergibt, daß die Honoraranforderungen des Klägers pro Fall im offensichtlichen Mißverhältnis zu den durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe stehen (s dazu BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 38), ist zu ermitteln, ob Praxisbesonderheiten bestehen und inwieweit sie die Honoraranforderungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots rechtfertigen. Soweit dem Kläger von anderen Vertragsärzten Patienten zu einer nach Art und Umfang von dem anderen Arzt festgelegten Behandlung überwiesen werden, so daß die Wirtschaftlichkeit nicht von seinen Entscheidungen abhängt, sollten die Fälle nach Möglichkeit aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung ganz herausgenommen werden. Überweisungen an den Kläger ohne gezielten Auftrag und seine besondere Ausbildung für die Bobath-Methode können Anzeichen für eine Praxisbesonderheit sein; ebenso auch der auffallend häufige Ansatz bestimmter Ziffern der E-GO. Es kann sich daraus nämlich ergeben, daß der Kläger in den streitigen Quartalen auf die Behandlung von Kindern mit bestimmten mehrfachen Behinderungen spezialisiert war, so daß solche Patienten ihn in wesentlich größerem Umfang aufsuchten als den Durchschnitt der Kinderärzte. Dazu wäre auch festzustellen, welchen Anteil diese Patienten an der gesamten Patientenschaft des Klägers und der Fachgruppe haben. Ein Hinweis auf Praxisbesonderheiten würde sich ergeben, wenn viele Patienten des Klägers nicht aus seinem örtlichen Bereich kommen. Dies ließe sich anhand der Abrechnungsblätter klären, die in der Regel Angaben über den Wohnort enthalten. Der statistische Vergleich eignet sich für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise, obwohl sich die einzelnen Praxen der Ärzte der Vergleichsgruppe weder untereinander noch im Verhältnis zum geprüften Arzt nach der Zusammensetzung ihrer Patienten mit ihren Krankheiten gleichen. Größere Zahlen von Behandlungsfällen lassen nämlich die Unterschiede nicht mehr ins Gewicht fallen; sie werden pauschal dadurch ausgeglichen, daß erst bei einer eklatanten Überschreitung des Fallkostendurchschnitts der Fachgruppe die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt ist. Vom statistischen Vergleich werden aber nicht abgedeckt solche besonderen Umstände der geprüften Arztpraxis, die für die Vergleichsgruppe untypisch sind. Untypisch für die Gegebenheiten der Vergleichsgruppe sind zum Beispiel Leistungen, die mangels einer zusätzlichen Ausbildung des Arztes oder einer erforderlichen besonderen personellen oder sachlichen Ausstattung der Praxis von vielen Ärzten der Gruppe nicht erbracht werden können oder jedenfalls nicht erbracht zu werden pflegen.
Wenn die Praxis des Klägers Besonderheiten aufweist, wird die Beschwerdekommission die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten zu prüfen haben. Die Methode der Prüfung wird davon abhängen, in welchem Umfang der Kläger Kinder mit bestimmten mehrfachen Behinderungen behandelt. Wird seine Praxis insgesamt von diesen Behandlungen geprägt, so bietet sich an, sie insgesamt mit ähnlich ausgerichteten Praxen zu vergleichen (vgl Urteil des Senats vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 = KVRS A 6100/9 - sowie vom 22. Mai 1984 - 6 RKa 16/83 -). Der Beweiswert des Vergleichs für die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise wird allerdings herabgesetzt, je geringer die Zahl derartiger Praxen ist. Bei der Zusammenstellung der Vergleichsgruppe ist die Beschwerdekommission aber nicht an die räumlichen Grenzen der Beklagten gebunden, sondern kann Ärzte aus dem ganzen Bundesgebiet heranziehen, soweit die Behandlung nicht durch besondere Gegebenheiten im Bereich der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung bestimmt wird. Für die Vergleichbarkeit kann es auch auf die Gleichheit des Behandlungsziels ankommen. Es wäre zum Beispiel nicht sachgemäß, wenn zu der Vergleichsgruppe Ärzte herangezogen werden, die sich auf die Diagnostik beschränken, während der geprüfte Arzt seine Behandlung auf das Ziel der Heilung oder Besserung ausrichtet und alle Maßnahmen dazu selbst durchführt (vgl Urteil des Senats vom 9. Juni 1982 aaO).
Wenn es keine ausreichende Zahl von Praxen gibt, die sich in einer mit dem Kläger vergleichbaren Weise auf die Behandlung mehrfach behinderter Kinder spezialisiert und beschränkt haben, kann es möglicherweise weiterhelfen, die Behandlungen von mehrfach behinderten Kindern durch den Kläger - etwa anhand der Häufigkeitsstatistik - mit den einschlägigen einzelnen Behandlungsfällen der Fachgruppe zu vergleichen. Dies setzt aber eine für einen aussagekräftigen Vergleich ausreichende Zahl von vergleichbaren Behandlungsfällen voraus. Welche Zahlen die Beschwerdekommission als ausreichend ansieht, unterliegt ihrer Beurteilung und hängt vom Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den einzelnen Fällen nach Art und Schwere der Krankheit und Höhe des erforderlichen Aufwandes ab. Die Beschwerdekommission müßte feststellen können, daß die Fälle nach den zu behandelnden Krankheiten mit den Behandlungsfällen des Klägers vergleichbar sind.
Ein anderer Weg zur Klärung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung etwaiger Praxisbesonderheiten des Klägers wäre die beispielhafte Prüfung von Einzelfällen (vgl Urteil des Senats vom 9. Juni 1982 aaO).
Der Kläger hat vorgebracht, er habe durch seine Behandlung Maßnahmen der pädagogischen Frühförderung eingespart. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens kann der Senat nicht erkennen, daß dies für die Entscheidung der Beschwerdekommission erheblich sein kann.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt gemäß § 193 des Sozialgerichtsgesetzes die Beklagte, da ihr Bescheid aufgehoben werden mußte.
Fundstellen